Hänsel und Gretel ist eines der vielen Märchen aus der Sammlung der "Kinder- und Hausmärchen" der Brüder Grimm (KHM 15).

Ludwig Richter
Inhalt
Hänsel und Gretel sind die Kinder eines armen Holzfällers, der mit seiner zweiten Frau im Wald lebt. Als die Not zu groß wird, überredet die Stiefmutter ihren Mann, die beiden Kinder nach der Arbeit im Wald zurück zu lassen. Der Holzfäller führt die beiden am nächsten Tag in den Wald. Doch Hänsel hat die Eltern belauscht, und die Kinder legen eine Spur aus kleinen weißen Steinen, anhand derer sie zurückfinden. So kommt es, dass der Plan der Mutter scheitert. Doch der zweite Versuch gelingt: Dieses Mal haben Hänsel und Gretel nur eine Scheibe Brot mit. Aus den Krümeln legen sie eine Spur, die jedoch von Vögeln gefressen wird. Dadurch finden die Kinder nicht mehr nach Hause und verirren sich. Nach langem Suchen finden die beiden ein Häuschen, das ganz aus Brot, Kuchen und Zucker hergestellt ist. Zunächst brechen sie Teile von dem Haus ab, um sie zu essen. In diesem Haus lebt jedoch eine Hexe, die ähnlich wie die Baba Jaga eine Menschenfresserin ist. Sie ruft in einer Art von Lautmalerei: „Knuper, knuper, kneischen, wer knupert an meinem Häuschen?“[1] - „Der Wind, der Wind, das himmlische Kind“, antworten die Kinder. Die Hexe lässt sich nicht täuschen, fängt die beiden, macht Gretel zur Dienstmagd und mästet Hänsel in einem Käfig, bis er fett genug ist, um ihn aufzuessen. Hänsel wendet jedoch eine List an: Um zu überprüfen, ob der Junge schon dick genug ist, befühlt die halbblinde Hexe jeden Tag seinen Finger. Hänsel streckt ihr nun jedes Mal einen kleinen Knochen entgegen, weil er Angst vor dem Tod hat. Als sie erkennt, dass der Junge anscheinend nicht fett wird, und sie die Geduld verliert, will sie ihn dann doch braten. Die Hexe bittet Gretel, in den Ofen zu gucken, ob dieser schon heiß sei. Aber Gretel behauptet, dass sie zu klein sei, um in den Ofen zu schauen. Deshalb muss die Hexe selbst nachsehen. Als sie den Ofen öffnet, schiebt Gretel die böse Hexe in den Ofen. Die Kinder nehmen Schätze aus dem Hexenhaus mit und finden den Weg zurück zum Vater. Seine Frau ist inzwischen gestorben. Nun leben sie glücklich und haben genug zu essen.
Zur Motivik
In seinem Ausgangsmotiv ähnelt die Geschichte vielen Stiefmuttermärchen. Dann liegt es strukturell nahe, dass diese Rabenmutter und die Hexe dieselbe Person darstellen (sie sterben auch gleichzeitig).
In der Märchensammlung von Ludwig Bechstein, ebenso wie in der Urfassung der Brüder Grimm, ist es noch die eigene Mutter, was dem Märchen eine eher sozialkritische Bedeutung gibt. Die Kinder werden ausgesetzt, weil die Familie verhungert.
Rezeption
Musikalische Bearbeitungen
- Kinderreim/-lied:
- Hänsel und Gretel verliefen sich im Wald.
Es war so finster und auch so bitterkalt.
Sie kamen an ein Häuschen von Pfefferkuchen fein.
Wer mag der Herr wohl von diesem Häuschen sein?
Huhu, da schaut eine alte Hexe raus.
Sie lockt die Kinder ins Pfefferkuchenhaus.
Sie stellte sich gar freundlich, o Hänsel, welche Not,
sie will dich braten, im Ofen braun wie Brot.
Doch als die Hexe zum Ofen schaut hinein,
ward sie gestoßen von unserm Gretelein.
Die Hexe musste braten, die Kinder geh'n nach Haus'.
Nun ist das Märchen von Hans und Gretel aus.
- Hänsel und Gretel verliefen sich im Wald.
- Engelbert Humperdinck: Hänsel und Gretel, Oper (Uraufführung: 23. Dezember 1893 in Weimar).
- Hans-Joachim Drechsler, Schweriner Blechbläser-Collegium: Hänsel und Gretel, nach dem Märchenspiel von Engelbert Humperdinck, bearbeitet für einen Erzähler und neun Blechbläser
- Henri Rene: Hansel And Pretzel, Jazz-Tune
Puppenspiel-Adaption
- Piccolo Puppenspiele: Hänsel und Gretel (mit Gerd J. Pohl als Puppenspieler und Charles Regnier als Erzähler); Uraufführung: 1999 in Bonn
Parodien
- Iring Fetscher: "Hänsel und Gretels Entlarvung oder Eine Episode aus der Geschichte des Präfaschismus." In: Ders.: Wer hat Dornröschen wachgeküßt? Das Märchen-Verwirrbuch. Fischer, Frankfurt a.M. 1974.
- Ders.: "Streit um 'Hänsel und Gretel'". Edler von Goldeck berichtet vom dritten Internationalen Märchendeuterkongreß in Oil Lake City, Texas (1975)'. In: Ders.: Der Nulltarif der Wichtelmänner. Märchen und andere Verwirrspiele. Fischer, Frankfurt a.M. 1984.
- Hans Traxler: "Die Wahrheit über Hänsel und Gretel", 1963. Neuere Auflage: Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2002. Neuste Auflage: Reclam, Stuttgart 2007.
Diese Wissenschaftssatire ist so meisterhaft geschrieben, dass man als Leser auf den Gedanken kommen kann, ob sie nicht doch ernst gemeint sein könnte. Die Perfektion der Parodie hat sogar dazu geführt, dass die Traxler-Version ihrerseits als "Wahrheit" verbreitet wird (s. modernes Märchen).
Hier eine kurze Zusammenfassung der "Forschungsergebnisse": Die aus Wernigerode stammende "Schraderin" ist eine erfolgreiche Lebkuchenbäckerin im Nürnberg des 17. Jahrhunderts, die – jung und schön – nicht nur von dem herzoglichen Hofbäcker Hans Metzler um ihren Erfolg beneidet, sondern auch begehrt wird. Nachdem sie seinen Heiratsantrag zurückgewiesen hat, verfolgt er sie weiterhin hartnäckig, so dass sie sich gezwungen sieht fortzuziehen. Sie erwirbt ein einsames Fachwerkhaus am Engelsberg im Spessart, renoviert es, errichtet vier Backöfen – um sich von nun an ganz ihrem Beruf zu widmen. Metzler schwärzt sie bei der Inquisition in Form des "Gelnhäuser Stadtschultheißen" an. Standhaft gelingt es ihr trotz der Folter, sich der Hexenvorwürfe zu widersetzen, und sie muss entlassen werden. Hans Metzler entschließt sich – wahrscheinlich mit seiner Schwester Gretel – zu persönlicher Racheausübung. Mit Mordgedanken im Sinn dringen die Geschwister in das Haus der Schraderin ein und stoßen sie grausam in einen der vier Öfen. Das Lebkuchenrezept, das Geheimnis des Erfolges der "Bakkerhexe", finden sie jedoch nicht. - Michael Ende: "Ein sehr kurzes Märchen"
- Hänsel und Knödel die gingen in den Wald.
Nach längerem Getrödel rief Hänsel plötzlich: "Halt!"
Ihr alle kennt die Fabel, des Schicksals dunklen Lauf:
Der Hänsel nahm die Gabel und aß den Knödel auf."
- Otto Waalkes griff das Märchen oft in Liedern auf und textete so bekannte Lieder zu Hänsel und Gretel-Parodien um.
- Walter Moers: Ensel und Krete. Ein Märchen aus Zamonien von Hildegunst von Mythenmetz mit Erläuterungen aus dem Lexikon der erklärungsbedürftigen Wunder, Daseinsformen und Phänomene Zamoniens und Umgebung von Professor Dr. Abdul Nachtigaller, Eichborn, Frankfurt a.M. 2000.
- I, Robot: In dem Film "I, Robot" (u.a. mit Will Smith) wird die Geschichte durch das "Krümel für Krümel"-Schema hervorgehoben, der Drehbuchautor deutet so darauf hin, dass dieses Märchen auch in „Zukunft“ seine Bekanntheit nicht verlieren werde.
Verfilmung
Hänsel und Gretel erlebte seit 1909 zahlreiche Verfilmungen, darunter:
- Hänsel und Gretel, BRD 1954, Regie: Fritz Genschow
- Hänsel und Gretel, BRD 1954, Regie: Walter Janssen
- Hänsel und Gretel (O: Cannon Movie Tales - Hansel and Gretel), USA 1986, Regie: Len Talan
- Die Wahrheit über Hänsel und Gretel 1987, Regie: Thees Klahn
- Gurimu Meisaku Gekijō, japanische Zeichentrickserie 1987, Folge 2: Hänsel und Gretel
- SimsalaGrimm, deutsche Zeichentrickserie 1999, Staffel 1, Folge 3: Hänsel und Gretel
- Hänsel und Gretel, D 2006, Regie: Anne Wild
- Hänsel und Gretel – Ein Fall für die Supergranny, Komödie aus Die ProSieben Märchenstunde (Deutschland/Österreich, ab 2006): Die Eltern der beiden unartigen Kinder Hänsel und Gretel bringen diese nach einem besonders schlimmen Streich (sie hatten mit Kanonenpulver gefüllte Brotkrumen an Vögel verfüttert, die daraufhin explodierten) zur Kindererziehungsexpertin Frau Gutkind (Hexe). Diese hält mehrere Kinder im Keller gefangen, die mit falschen Briefen ihren Eltern vorgaukeln müssen, wie gut sie jetzt erzogen sind.
Sonstiges
Das Lungenkraut wird auch als Hänsel und Gretel bezeichnet.
Als Hänsel und Gretel werden zwei Häuser am Großen Ringe in Breslau bezeichnet.
Hans und Grete waren die Codenamen für Andreas Baader und Gudrun Ensslin.
Hänsel und Gretel ist eine Stiftung, die Kinder vor Übergriffen schützen soll, s. Notinsel
Einzelnachweise
- ↑ Originalzitat der Brüder Grimm, Ausgaben der KHM 1812 und 1819, vgl. Wikisource: Hänsel und Gretel – Quellen und Volltexte