Heiliges Römisches Reich
Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation (lateinisch: Sacrum Romanum Imperium Nationis Germanicae) war die offizielle Bezeichnung für das alte deutsche Reich, das sich im 10. Jahrhundert aus dem karolingischen Ostfrankenreich herausbildete und bis 1806 bestand.
Dieser Name drückt den Anspruch aus, einerseits der Nachfolger des untergegagenen Römischen Reiches und damit gleichsam der Herrscher der Welt zu sein und andererseits wird dieser Anspruch ins Heilige erhöht, aus dem die irdische Herrschaft abgeleitet wird.
Charakter des Reiches
Das Heilige Römische Reich war ein vor- und übernationales Gebilde, das sich niemals zu einem Nationalstaat, wie etwa Frankreich oder Spanien entwickelte. Viele der wichtigsten Adelsgeschlechter und Reichsbeamten kamen nicht aus dem deutschsprachigen Raum. Bei seiner größten Ausdehnung umfaßte das Reich den größten Teil des heutigen Deutschlands, Österreichs, Sloweniens, der Schweiz, Belgiens, der Niederlande, Luxemburgs, der Tschechischen Republik, den westlichen Teil Frankreichs, des nördlichen Italiens und des östlichen Polens. Im Reich wurde nicht nur Deutsch gesprochen sondern viele seiner Dialekte, aber auch viele slawische Sprachen und die Sprachen, aus denen sich das moderne Französisch und Italienisch entwickelte.
Struktur und Institutionen
Es gab einige zentrale Institutionen, wie den Reichstag, das Reichskammergericht, den Reichshofrat und die im Kriegsfall zusammengestellte Reichsarmee, aber keine Reichsregierung und auch keine Hauptstadt im eigentlichen Sinne. Zur Einhaltung des Landfriedens und für militärische Zwecke war das Reich in Reichskreise geteilt.
Der Versuch eines Reichsregiments wurde 1502 und wiederholt 1520-22 gemacht, scheiterte jedoch immer aus finanziellen Gründen. Vor allem nach dem Westfälischen Frieden 1648 war es nurmehr ein lockerer Verband deutscher Territorien mit der gleichen Rechtsprechung; oder wie Voltaire spottete: weder heilig, noch römisch, noch ein Reich. Eine engere Zusammenarbeit scheiterte meist am Partikularismus der größeren Fürsten und zuletzt am Dualismus Preußen-Österreich.
Geschichte
Mit der Krönung des Frankenkönigs Karl des Großen zum Kaiser durch Papst Leo III. im Jahr 800 erhob dieser den Anspruch auf die Nachfolge des antiken römischen Imperiums der so genannten Translatio Imperii, obwohl geschichtlich und dem Selbstverständnis nach das christlich-orthodoxe byzantinische Reich aus dem alten römischen Reich entstanden war. Die Herausforderung zeigte sich sogar auf den Wappen der beiden Reiche, die beide einen doppelköpfigen Adler zeigten (im Heiligen Römischen Reich allerdings erst sehr viel später).
Die Bestrebung Karls des Großen, sein Frankenreich als Großmacht neben Byzanz und dem Kalifat zu behaupten, hatte zu seinen Lebzeiten Bestand. Aber mit seinem Tod entstand ein Gegensatz zwischen der germanischen Tradition, das Reich zwischen den Söhnen aufteilen zu müssen, und den machtpolitischen und kirchlichen Interessen, die Einheit des Reichs zu wahren. Die Tradition setzte sich zuletzt durch und das Frankenreich zerfiel in das Westfrankenreich auf dem Boden des heutigen Frankreichs und das Ostfrankenreich auf dem westlichen Teil des heutigen Deutschland.
Die Kaiserwürde verblieb beim Ostfrankenreich, als Otto I. der Große sich 962 im Zuge italienischer Eroberungen in Rom zum Kaiser krönen liess. Interessanterweise trug das Reich zu diesem Zeitpunkt noch nicht das Prädikat heilig. Dies war nicht notwendig, da die Machtverhältnisse zu dieser Zeit so waren, dass der Kaiser sich vom Machtanspruch des Papstes emanzipiert hatte. Außerdem wurde der Kaiser als Stellvertreter Gottes auf Erden angesehen. Es bestand also keine Notwendigkeit dies besonders hervorzuheben. Das Reich war heilig.
Erst nachdem die geistliche Macht nach dem Investiturstreit von 1075 bis 1122 auf den Papst übergegangen war, versuchten die Kaiser diesen Anspruch nunmehr verbal für sich zu reklamieren. So verlieh Friedrich I., genannt Barbarossa, dem Reich den Titel sacrum imperium.
Erst im sogenannten Interregnum von 1254 bis 1273, als es keinem der drei gewählten Könige gelang die Macht an sich zu reißen, verbindet sich der Anspruch der Nachfolge des Römischen Reiches zu sein mit Prädikat heilig zur Bezeichnung Sacrum Romanum Imperium (deutsch: Heiliges Römisches Reich). Also ausgerechnet während der kaiserlosen Zeit wurde der Machtanspruch um so tönender angemeldet.
Der Zusatz „Deutscher Nation“ (Nationis Germanicae) erscheint erst im Spätmittelalter um 1450, wohl weil sich die Macht der Kaiser im wesentlichen auf das Gebiet des heutigen Deutschlands bezog.
Bis 1806 war „Heiliges Römisches Reich deutscher Nation“ die offizielle Bezeichnung des Reiches (oft abgekürzt als SRI für Sacrum Romanum Imperium auf lateinisch oder HRR auf deutsch).
Das Reich zerbrach während der Napoleonischen Kriege, als auf Veranlassung Napoleons ein Teil der deutschen Fürsten den Rheinbund bildeten. Die Säkularisationen durch den Reichsdeputationshauptschluss 1803 hatten bereits das prekäre politisch-konfessionelle Gleichgewicht des Reiches zerstört, das mit dem Westfälischen Frieden konstituiert worden war. 1806 legte Kaiser Franz II., der schon 1804 als Franz I. den Titel eines Kaisers von Österreich angenommen hatte, die Krone des Heiligen Römischen Reiches nieder.
Nach dem Ende des Heiligen Römischen Reiches
Nach dem Wiener Kongress im Jahre 1815 schlossen sich die deutschen Einzelstaaten zum Deutschen Bund zusammen. Zuvor richtetet jedoch 29 kleine und mittlere Souveräne im November 1814 den Wunsch an den Kongress:
- die Wiedereinführung der Kaiserwürde in Deutschland bei dem Komitee, welches sich mit der Entwerfung des Planes zu einem Bundesstaat beschäftigt, in Vorschlag zu bringen
Sicherlich war bei diesem Wunsch nicht nur patriotischer Eifer ausschlaggebend, die Petition einzubringen. Eher kann davon ausgegangen werden, dass diese die Dominanz der durch Napoleon zu voller Souveränität und Königstiteln gelangten Fürsten, z.B. die Könige von Würtemberg, Bayern und Sachsen, fürchteten.
Aber auch darüber hinaus wurde die Frage, ob ein neuer Kaiser gekürt werden soll, diskutiert. So existierte u.a. der Vorschlag, dass die Kaiserwürde zwischen den mächtigsten Fürsten im südlichen Deutschland und dem mächtigsten Fürsten in Norddeutschland alternieren solle. Im allgemeinen wurde jedoch durch die Befürworter des Kaisertums eine erneute Übernahme der Kaiserwürde durch Österreich, also durch Franz I., favorisiert.
Da aber auf Grund der geringen Macht der Befürworter der Wiederherstellung, den kleinen und mittleren deutschen Fürsten, nicht zu erwarten war, dass der Kaiser in Zukunft die Rechte erhält, die diesen zu einem tatsächliches Reichsoberhaupt machen würde, lehnte Franz die angebotene Kaiserwürde ab. Dementsprechend betrachteten Franz I. und sein Kanzler Metternich diese in der bisherigen Ausgestaltung nur als eine Bürde. Auf der anderen Seite würde Österreich aber das Kaisertum Preußens oder eines anderen starken Fürsten nicht zulassen.
Der Wiener Kongreß ging auseinander ohne das Kaisertum erneuert zu haben. Daraufhin wurde am 8. Juni 1815 der Deutsche Bund als lockere Verbindung der deutschen Staaten gegründet. In diesem führte Österreich bis 1848 den Vorsitz.
Siehe auch
Literatur
- Gotthard, Axel: Das Alte Reich. Darmstadt, Darmstadt 2003 ISBN 3534151186
- Prietzel, Malte: Das Heilige Römische Reich im Spätmittelalter, Darmstadt 2004. ISBN 3534151313
- Schmidt, Georg: Geschichte des Alten Reiches. Staat und Nation in der Frühen Neuzeit 1495 - 1806, München 1999. ISBN 340645335X