Kommunikative Wende

Paradigmenwechsel im Unterricht an Schulen und Hochschulen
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Bis zu den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts dominierte in Schulen und Universitäten der Frontalunterricht. Ab diesem Zeitpunkt wurden Verfahren entwickelt, die auch eine Kommunikation zwischen den Schülern und Studenten ermöglichten. In diesem Zusammenhang spricht man von Kommunikativer Wende.

Definition

Insbesondere für den Fremdsprachenunterricht bezeichnet der Begriff Kommunikative Wende einen zentralen, in den 70er Jahren erfolgten und heute noch hochwirksamen Paradigmenwechsel. Solange Unterricht als Vermittlung eines vorliegenden Stoffes von einer Quelle zu einer Gruppe (instruktionistisches Modell) verstanden wurde, richtete sich die Aufmerksamkeit auf die Kommunikation zwischen Lehrer und Schüler. Heute, insbesondere auf dem Hintergrund konstruktivistischer Theorien, wird die Kommunikation im Unterricht als multipolarer Prozess verstanden (vgl. Martin/Oebel, 2007[1]), mit zahlreichen Wissensquellen und Impulsgebern und ebensovielen Abnehmern von Informationen, inklusive des Lehrers. Mit der Verbreitung der neuen Kommunikationsmittel, wie des Internets, wird sich dieser Prozess noch verschärfen.

Geschichte

Für den Fremdsprachenunterricht leitete der Englischdidaktiker Hans-Eberhard Piepho[2] in Deutschland 1974 mit seinem Buch "Kommunikative Kompetenz als übergeordnetes Lernziel im Englischunterricht" die kommunikative Wende als Reaktion auf den in den Siebziger Jahren herrschenden Behaviorismus ein. Während im Behaviorismus die Bildung von Sprachreflexen über Imitation und Repetition ansgestrebt war, was zu Eintönigkeit und Begrenzung des Lernvorgangs führte, betonte Piepho die Bedeutung der Authentizität der Kommunikation. Der Lerner sollte die Möglichkeit im Unterricht bekommen, als sich-selbst zu sprechen und reale Sprechintentionen zu verwirklichen. Allerdings barg dieser Ansatz auch die Gefahr, dass die Qualität der Inhalte und der Sprache - also die kognitive Dimension - leiden und aus dem Blick geraten könnte. Nach Piephos kommunikativer Wende stellte sich die Frage einer Integration von Habitualisierung (Reflexbildung), Kognitivierung (Qualität der Inhalte) und Kommunikation (Authentizität der Sprechintention).

Aktueller Stand

Eine Lösung dieses Dilemmas scheinen im Fremdsprachenunterricht Konzepte zu bieten, die Schüler punktuell zum Unterrichten einsetzen. Durch die Aufgabe, den Stoff ihren Mitschülern zu vermitteln, richtet sich die Aufmerksamkeit der Schüler intensiv auf die Lerninhalte und ihre Darstellung (Kognitivierung), während der Stoffvermittlung wird die Zielsprache verwendet (Habitualisierung) und die Schüler sprechen authentisch, denn sie wollen wirklich Sprechintentionen realisieren (authentische Kommunikation). Als Globalziel bei der Kommunikation wird angestrebt, gemeinsam Wissen zu konstruieren (vgl. u.a. Lernen durch Lehren).

Quellen

  1. Jean-Pol Martin, Guido Oebel (2007): Lernen durch Lehren: Paradigmenwechsel in der Didaktik?, In: Deutschunterricht in Japan, 12, 2007, 4-21 (Zeitschrift des Japanischen Lehrerverbandes, ISBN: 1342-6575)
  2. Hans-Eberhard Piepho (1974): Kommunikative Kompetenz als übergeordnetes Lernziel im Englischunterricht. Limburg: Frankonius 1974