Turkestan, auch Turkistan, Türkistan, persisch ترکستان Land der Türken, ist eine trockene Gebirgsregion in Zentralasien. Es erstreckt sich vom Kaspischen Meer im Westen bis zur Wüste Gobi im Osten. Das Gebiet umfasst 2.500.000 km² und beherbergt rund 70 Millionen Einwohner.

Etymologie
Turkestan war im Altertum bei den iranischen Völkern als Turan bekannt. Im 13. bis 16. Jahrhundert wurde die Region als Große Tatarei bekannt und griff im Süden auch in persisches Gebiet über. Noch heute macht dessen Tiefland als „Turanische Senke“ oder „Turanisches Tiefland“ den größten Teil West-Turkestans aus.
Die ursprüngliche „Urheimat“ der Türken liegt noch östlicher. Es ist das engere Stammland der als „West-“ und „Osttürken“ bezeichneten Völker.
Türkisch besiedelt ist das Land nachweislich seit den Zeiten der Gök-Türken und galt seit je als wichtiges Durchgangsgebiet zwischen Ost- und Vorderasien.
Bevölkerung
Turkestan spielte bei der Entstehung der heutigen Turkotataren eine große Rolle: In Turkestan wurde z. B. die Buqai-Horde – auf dem Gebiet des westlichen Kasachen-Khanates – gegründet, die das letzte Aufbäumen der Kasak-Tataren gegen die Russen darstellte.
Ein Großteil der Bevölkerung wird durch die turkstämmigen Völker gestellt: Uiguren, Karakalpaken, Kasachen, Kirgisen, Aserbaidschaner, Karäim, Mescheten, Krimtataren, Türken und Usbeken. Die größeren Turkvölker bilden in diesem Gebiet eigene Turkstaaten.
Allerdings leben heute auf dem Gebiet Turkestans nicht nur Turkvölker, sondern auch die Perser (Tadschiken), Afghanen und Chinesen, die in bestimmten Regionen als Urbevölkerung jener Gebiete betrachtet werden können. Ferner sind Deutsche, Russen, Ukrainer und etliche Koreaner dort ansässig.
Sprachen
In Turkestan entstand die bedeutende türkische Literatursprache Tschagataiisch, deren Nachfolgerin seit der russischen Besatzung als Usbekisch bezeichnet wird und heute die bedeutendste Turksprache Zentralasiens ist. Daneben spricht man in weiten Teilen Süd-Turkistans iranische Sprachen, von denen die Persische Sprache die bedeutendste ist.
Gliederung
Das Gebiet Turkestans ist in drei Bereiche unterteilt: West-Turkestan besteht aus dem südlichen Bereiche Kasachstans sowie Kirgisistan, Tadschikistan, Turkmenistan, Usbekistan sowie dem nördlichen Teil Afghanistans, das Süd-Turkestan genannt wird. Ost- oder Chinesisch-Turkestan umfasst den südwestlichen Teil des Uigurischen Autonomen Gebietes Xinjiang.
Geschichte
Turkestan ist im Verlauf seiner langen Geschichte dauernd von den asiatischen Großmächten umkämpft worden. In seinen Grenzen lagen folgende überwiegend turkstämmige Reiche:
- Kimek
- Karluken
- Karachaniden
- Tardusch
- Uyghuren
- Tabgatsch (Ost-Turkestan)
- Naimanen
- Türgesch
- Kara Khitai
- Scha-t'o (zumindest teilweise)
- Kirgisen (teilweise)
Auch standen große Gebietsteile zeitweise unter der Kontrolle der Kyptschaken, der Seldschuken und des Choresm-Schah.
Im 13. Jahrhundert gehörte es zum mongolischen Khanat Moghulistan.
Im 15. Jahrhundert kam es zur Teilung des Landes an der Grenze zwischen Altai-Tienschan-Pamir, als der Westteil Turkestans an Timur-i Lenk fiel, während der Ostteil nun unter einheimischer Dynastie verblieb.
Nach Ende der Timuridenzeit gelangte Turkestan nochmals unter mongolische Herrschaft, als die Oiraten ihr kurzlebiges Reich begründeten.
Ab 1500 entstanden auf dem Gebiet Turkestans die usbekischen West-Khanate Chiwa, Buchara und das kirgisische Khanat Kokand sowie die uigurischen Ost-Khanate Kaschgar, Tufan und Khotan.
Während der Westteil seit Timur unter persischen Einfluss geriet, gehörte der Ostteil des Landes seit 1759 zum Kaiserreich China.
1867/97 eroberte der deutschstämmige General Kaufmann West-Turkestan, das dann bis 1991 die Geschichte Russlands teilen sollte.
West-Turkestan
Bereits im 1. Jahrtausend v. Chr. siedelten iranischsprechende Stämme im westlichen Turkestan (siehe auch Gutäer). Die südlichen Bereiche West-Turkestans fielen dann mit der Eroberung des Persischen Reiches an Alexander den Großen.
West-Turkestan oder Russisch-Turkestan (turkotatarisch: Batıs Törkistan, türkisch: Batı Türkistan) im eigentlichen Sinne entstand im 15. Jahrhundert aus der Teilung des Mongolen-Khanates Tschagatai, als der Westen Turkestans an den Tatarenherrscher Timur fiel. West-Turkestan bildete nun den Westteil des Landes.
Ab dem 16. Jahrhundert fanden die Gründung der türkischen Khanate Chiwa, Buchara und im 19. Jahrhundert – Kokand auf dem Gebiet West-Turkestans statt. Gleichzeitig begann die slawische Einflussnahme, endgültig von den Russen erobert wurde Turkestan in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Seit 1867 gehörte das westliche Turkestan zu Russland, als der russische General Kaufmann das Kasachische Khanat eroberte und dort nun das russische „Generalgouvernement Turkestan“ errichtete.
Nach der Russischen Revolution (1917) wurden im Gebiet West-Turkestans die sowjetischen Volksrepubliken Buchara und Chiwa sowie die Autonome Sozialistische Sowjetrepublik Turkestan gebildet. Aus dieser wurden dann zwischen 1924 und 1936 neue Republiken gebildet. Süd-Turkestan, das von Russland beansprucht worden war, wurde bereits durch Grenzverträge (1858/98) an Persien abgetreten.
Ost-Turkestan
Ost-Turkestan oder auch Chinesisch-Turkestan (uigurisch: Sherqiy oder auch Xerkiy Türkistan, türkisch: Doğu Türkistan) liegt, wie der Name bereits sagt, im östlichen Landesteil Turkestans.
Ost-Turkestan gelangte im 2. Jahrhundert v. Chr. unter chinesische Herrschaft, wurde aber nach dem Fall der Han-Dynastie im Jahr 220 n. Chr. den Persern überlassen.
In nachfolgenden Jahrhunderten wurde Ost-Turkestan von verschiedenen asiatischen Herrschern regiert, darunter auch von Dschingis Khan im 13. Jahrhundert. Im 9. Jahrhundert setzte die Islamisierung bei den Uiguren Ost-Turkestans ein: sie gründeten nun das „Khaganat Uyghuristan“, das sie auch als „Dsungarei“ bezeichneten. Sie traten damit die Nachfolge der alten Uyghurenstämme an, die dieses Gebiet 744 unterwarfen.
Das heutige Ost-Turkestan entstand im 15. Jahrhundert aus der Teilung Turkestans, als sich in seinem Gebiet die Herrscher der mongolischen Tschagatai-Dynastie zurückzog. Im 18. Jahrhundert gehörte das Gebiet Ost-Turkestans zum mongolischen Oiratenreich.
1759 fiel Ost-Turkestan an China und wurde dort mit der benachbarten Dsungarei zusammengelegt. Im 19. Jahrhundert erhob sich die moslemische Bevölkerung Ost-Turkestans mehrfach erfolglos gegen die chinesische Herrschaft. 1865 gründete Jakub Beg, der Khan Kashgars, ein Turkreich, das jedoch nur bis 1877 Bestand hatte. Bereits 1871 besetzten russische Truppen das Ili-Gebiet, das sie jedoch zehn Jahre später wieder räumten. In der Folgezeit konnte China Ost-Turkestan gegen weitere russische Annexionsversuche behaupten, doch gehörte die Region wie die Äußere Mongolei und die Mandschurei bis in das 20. Jahrhundert hinein zum unmittelbaren Einflussgebiet Russlands. 1884 wurde Ost-Turkestan mit der benachbarten Dsungarei als Provinz Xinjiang der chinesischen Zivilverwaltung unterstellt. Nach Ausbruch der Chinesischen Revolution im Jahre 1911 verblieb Ost-Turkestan im Gegensatz zur Mongolei und Tibet bei China, war aber de facto autonom. Seit 1928 geriet Ost-Turkestan zeitweilig unter sowjetischen Einfluss. Während des Chinesischen Bürgerkriegs marschierten 1949 Truppen der kommunistischen „Volksbefreiungsarmee“ in Ost-Turkestan ein, das als Provinz Xinjiang Teil der Volksrepublik China wurde. Die rigide Durchführung einer Sinisierungspolitik löste bereits 1950 einen uigurischen Aufstand aus, der gewaltsam niedergeschlagen wurde. 1964 führte die VR China in dem 1955 zur „Autonomen Region“ ernannten Ost-Turkestan erstmalig einen Atombombentest durch. 1967 folgte die erste Zündung einer chinesischen Wasserstoffbombe.
Süd-Turkestan
Der Süden Turkistans gehört zum nördlichen Teil der historischen, als „Chorasan & Mawar al-Nahr“ bekannten Region. Im Gegensatz zu anderen Gebieten Turkistans wurde diese Region erst spät von Turkvölkern besiedelt.
Die Region war das Zentrum vieler Reiche, unter anderem der Samaniden, der Seldschuken, der Choresm-Schahs, der Ilchane, der Timuriden und der usbekischen Khanate.
Der Süden des Khanates Buchara gelangte nach den Grenzverträgen von 1858/98 als Persisch-Turkestan an den heutigen Iran.
Mit der Unabhängigkeit Afghanistans fiel Süd-Turkestan an diesen neuen Staat und umfasst heute die zum Teil von Turkmenen und Usbeken bewohnten Nordgebiete des Staates.
1973 putschte sich der Vetter des amtierenden Königs, Mohammed Daud Khan an die Macht und vertrieb Mohammed Sahir ins Exil. Daud Khan war von 1963/73 Premierminister Afghanistans und errichtete nun ein autoritäres Regime.
1978 ergriffen die Kommunisten unter Nur Mohammed Taraki die Macht im Lande, ermordeten Mohammed Daud Khan und baten Anfang 1979 die UdSSR um Waffenhilfe. Viele schlossen sich daraufhin den Widerstandsgruppen der Mudschahedin an.
Den Mudschaheddin erwuchs im neuen Machthaber Babrak Karmal ein starker Widersacher. Von 1979/86 bekämpfte dieser mit Hilfe von rund 120 000 Rotarmisten blutig die afghanischen Freiheitskämpfer, doch brechen konnte er den Widerstand nicht. Mit Mohammed Nadschibullah kam 1986 der letzte Kommunist Afghanistans an die Macht.
Von 1989 bis 2001 versank Afghanistan im blutigen Bürgerkrieg. Das Land wurde von Warlords kontrolliert, die sich untereinander erbittert bekämpften. Als die neue Gruppierung der Taliban ab 1993 auf der politischen Landkarte erschien und in einem raschen Vormarsch begann, das gesamte Land zu erobern, schlossen verschiedene Gruppierungen ein gegen diese gerichtetes Zweckbündnis und gründeten die Nationale Islamische Vereinigte Front zur Rettung Afghanistans, in den westlichen Medien besser bekannt als Nordallianz. Die Vereinigte Front konnte die Eroberung des Landes durch die Taliban nicht stoppen, ihr gelang es jedoch, ein kleines Gebiet im Nordosten des Landes zu halten. Rückzugs- und Nachschubgebiet der Vereinigten Front war unter anderem das benachbarte Tadschikistan, wo die Kämpfer u. a. durch die USA, Russland und durch den Iran bewaffnet wurden. 2001 kämpfte die Nordallianz auf Seiten der US-geführten internationalen Koalition gegen die Taliban und war durch deren militärische Unterstützung in der Lage, schnell das gesamte Land zu erobern.
Heutige Situation
West-Turkestan
Auf dem Gebiet West-Turkestans befinden sich die heutigen turksprachigen Staaten Kasachstan, Turkmenistan, Usbekistan, Kirgisistan und – als persischsprachige Ausnahme – Tadschikistan.
Ost-Turkestan
Die heutige Bezeichnung Ost-Turkestans lautet "Uigurisches Autonomes Gebiet Xinjiang". Es liegt im äußersten Westen der Volksrepublik China.
Weblinks
- In der Datenbank RussGUS werden über 750 Publikationen nachgewiesen (dort Suche – Formularsuche – Geo.-Register: Mittelasien OR Turkm* OR Turkest*)
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