Als "Pseudo-Kettenpanzer" oder "Pseudo-Ringelpanzer", engl. banded mail bezeichnen einige Wissenschaftler und Laienforscher eine hypothetische mittelalterliche Panzerung, die im 13. und 14. Jahrhundert, vielleicht aber schon früher, eingesetzt worden sein könnte. Das 19. Jahrhundert diskutierte zahlreiche Sonderformen zwischen dem Ketten- und dem Schuppenpanzer ((tegulated mail, mascled mail, trelliced mail, u.a.). Man mochte nicht glauben, dass die damaligen Krieger zugunsten des Kettenhemdes auf die bessere Schutzwirkung des Schuppenpanzers verzichtet hätten.

Viele Statuen und Bilder dieser Zeit, die man ursprünglich für Darstellungen von Kettenhemden hielt, zeigen nach Meinung von Historikern wie Viollet-le-Duc und F. Buttin eine andere, bisher unbekannte Rüstungsform. Für diese Entdeckung existieren mangels archäologischer Funde zwei Theorien: Beide beruhen auf der Annahme eines Stoffgewandes, welches - horizontal oder auch vertikal - mit Schnüren oder (Leder-) Bändern besetzt war. Die erste besagt, dass auf diesen Bändern Ringe aufgefädelt worden seien. Wahrscheinlicher ist aber, dass daran Plättchen befestigt worden sein könnten - so wäre auch die Schutzwirkung größer als beim Kettenhemd. Demnach handelt es sich also um einen Abkömmling des Schuppenpanzers. Möglicherweise wurden die Ringe oder Plättchen aber auch direkt in Reihen auf das Gewand genäht. Zwischen den Panzerreihen sollen Stoff- oder Lederstege eingearbeitet worden sein, die den typischen Bändereffekt hervorgerufen haben sollen. In beiden Fällen könnten die Bänder auf dem Rücken zusammengebunden worden sein, was erklären würde, wieso die dargestellten Panzerungen so eng am Körper anlagen. Es existieren außerdem auch schriftliche Hinweise, welche von einer Panzerung (besongne quasiguesnée) sprechen, die der Wissenschaft noch immer Rätsel aufgibt.
Eine andere These, die aber heute von niemandem mehr vertreten wird, ging von Lederbändern aus, die zur Stabilisierung durch die Maschenreihen herkömmlicher Kettenhemden gezogen worden seien.
Argumentation
Die Anhänger der beschriebenen Theorie verweisen auf die zahlreichen mittelalterlichen Darstellungen (Miniaturen, Zeichnung, Grafiken, Statuen), bei denen die Panzerungen mit (meist horizontal), seltener vertikal) verlaufenden Bändern oder Linien durchzogen sind. Oft finden sich auch mehrere verschiedene Darstellungsarten auf dem selben Bild: Neben eindeutig als "Kettenhemden" interpretierbaren Panzern sieht man scheinbar " gebundene Schuppenpanzer" oder "Pseudo-Ringelpanzer". Die meisten Historiker des 19. und frühen 20. Jahrhunderts gingen deshalb von der tatsächlichen Existenz solcher Zwischenformen aus. Besonders Eugène Viollet-le-Duc, der heute als einer der Begründer der französischen Mediävistik gilt, fand Gefallen an der Theorie und veröffentlichte sie in einigen seiner Werke, so etwa in der Encyclopédie mediévale. Die meisten späteren Forscher sehen allerdings in den umstrittenen Abbildungen nur die - künstlerisch variierte und stilisierte - Darstellung herkömmlicher Panzerhemden aus vernietetem Kettengeflecht, gehen also von einer relativ einheitlichen Panzerung hochmittelalterlicher Krieger aus. Allerdings folgt man hier vor allem der Meinung von Claude Blaire (1958). Bis etwa 1930 galt die reale Existenz von "Ringbrünnen" oder sonstiger Formen der Körperpanzerung auf textiler oder ledernerner Grundlage allgemein als erwiesen. Noch heute meinen zahlreiche Forscher, das reguläre Kettenhemd sei erst im Zuge der Kreuzzüge wieder in Europa eingeführt worden. Um 1930 stellte F.M. Kelly alle diese hypothetischen Sonderformen in zahlreichen Zeitschriftenartikeln und Publikationen in Frage und interpretierte etwa auch die Abbildungen auf dem Teppich von Bayeux als Kettenhemden.
Die umstrittene Theorie wurde 1971 nochmals von Francois Buttin aufgegriffen, der von der Verwendung runder Panzerscheiben ausging, während Viollet-le-Duc Panzerringe favorisierte. Zu dieser Zeit veröffentlichte auch der Däne Niels M. Saxtorph einen waffenkundlichen Band, der die Meinung der älteren Forschung repräsentiert.
Heute werden die älteren Vorstellungen hochmittelalterlicher Körperpanzerungen vor allem unter mittelalterinteressierten Laien und "Freizeitrittern" diskutiert, vor allem, da sich diese These in einigen verbreiteten, populärwissenschaftlichen Werken findet. Besonders Liliane und Fred Funcken haben mit ihrem Band: Historische Waffen und Rüstungen zur Neubelebung beigetragen. Die in diesem Band zusammengestellten Panzerungen und Kostüme sind allerdings meist nahezu unveränderte, unkritische Nachzeichnungen der Abbildungen in den großen kostümgeschichtlichen Tafelwerken des 19. Jahrhunderts. In diesen Werken finden sich zahlreiche "Rekonstruktionen" solcher Panzerungen, da die meisten Forscher damals von der tatsächlichen Existenz des "banded mail" ausgingen. Als wissenschaftliche Quelle kann der "Funcken" deshalb nicht herangezogen werden.
Tatsächlich gehen viele, wohl die meisten Interpretationen von "Pseudo-Kettenpanzerungen" auf Denkfehler oder mangelnde Sachkenntnis zurück. So sind auf solchen Abbildungen oder Figuren oft beide Seiten der Panzerung sichtbar, etwa an der Kapuze oder den Ärmeln, was schlichtweg übersehen wird. Solche Interpretationen berufen sich meist, gerade bei Statuen, schlicht auf die horizontale Bänderung der "Rüstung". Eine solche Bänderung ergibt sich aber gerade bei Plastiken nahezu zwingend, da die realistische Darstellung eines Kettengeflechts durch den Bildhauer eigentlich praktisch unmöglich ist. Die Kettenglieder wurden also vereinfacht durch horizontal nebeneinanderliegene Bögen dargestellt, eine Reihe mit der Rundung nach rechts, die nächste nach links. Da diese Bögen nicht als durchgehende "Wellen", sondern unterbrochen dargestellt wurden, ergibt sich auf solchen Bildwerken eigentlich zwangsläufig die angesprochene Bänderung. Bei den wenigen Versuchen, ein Panzerhemd realistisch darzustellen, fehlt diese Bänderung hingegen vollständig. Als Beispiele seien hier das Grabmal Edward Plantagenets, des "Schwarzen Prinzen" (Canterbury Cathedral) und das Monument für Bernabò Visconti (Castello Sforzesco, Mailand) angeführt.
Statuen sollten generell nur bei Kenntnis des originalen Bildwerkes interpretiert werden, Fotografien sind hier meist gänzlich ungeeignet. Allerdings darf man hier, besonders bei Epitaphien und Grabmälern, nicht davon ausgehen, der Dargestellte habe die abgebildete Ausrüstung auch wirklich im Leben getragen. Viele Adelige bestellten sich ihren Gedenkstein bereits zu Lebzeiten und ließen sich natürlich in der jeweils modernsten Rüstung verewigen. Die Darstellungen sind also mehr als kostümgeschichliche Denkmäler zu verstehen, nicht als lebensnahe Porträts. Solche Auftragsarbeiten wurden oft über große Entfernungen transportiert, der Bildhauer dürfte den Auftraggeber meist niemals gesehen haben. Die Abbildung einer "unmodischen" Sonderanfertigung wäre vor diesem Hintergrund eher unwahrscheinlich. Zudem entstanden die meisten erhaltenen Bildwerke erst ab dem 11./12. Jahrhundert, als das herkömmliche Kettenhemd möglicherweise in Folge der Kreuzzüge wieder in größerem Maße in Europa verwendet wurde.
Ein horizontaler, selten vertikaler Bändereffekt ist auch bei echten Kettenhemden wahrnehmbar, es kommt hier auf den Standpunkt des Betrachters und die Lichtverhältnisse an.
Allerdings finden sich neben diesen konventionellen Darstellungen gelegentlich auch Statuen und Abbildungen, bei denen die Bänderung vertikal, oft auch ungewöhnlich breit - etwa durch Doppellinien - reproduziert wurde. Manchmal verläuft die Bänderung auch einmal horizontal, dann wieder vertikal, so wie auf der bekannten Statue des Heiligen Mauritius im Magdeburger Dom (Bild). Der "Funcken" geht hier von (direkt auf das Untergewand vernähten) Panzerplättchen aus. Die vertikale Bänderung wird von akademischer Seite einfach als reguläres Kettenhemd interpretiert, bei dem die "Tragerichtung" des Maschengeflechtes nur ungewöhnlich sein soll. Eine solche, senkrechte Ausrichtung wäre allerdings in der Realität ein deutlicher Nachteil, das Kettengeflecht bietet so einen wesentlich schlechteren Schutz vor Schwertschlägen. (Diese, historisch unübliche, senkrechte Flechtung ist übrigens - neben der fehlenden Vernietung - ein Kennzeichen moderner Nachahmungen). Die Darstellung des "Heiligen Mauritius" (um 1270/80) ist neben der ungewöhnlichen (weil "vertikalen") Abbildung des Panzerhemdes auch wegen der frühen, als realistisch geltenden Darstellung eines Plattenrockes bemerkenswert.
Während die meisten mittelalterlichen Statuen ziemlich eindeutig echte Kettenhemden (oder Schuppenpanzer) zeigen, oder zumindest so interpretiert werden können, stellt sich die Situation bei den sonstigen Bildquellen deutlich anders dar. Besonders in Skandinavien und England, aber auch auf dem Kontinent, finden sich viele Abbildungen, bei denen das "banding" nicht einfach als künstlerische Umsetzung des optischen Bändereffektes erklärt werden kann. Thordeman bringt in Band 1 seiner Abhandlung über die Funde von Visby zwei bezeichnende schwedische Beispiele (Fig. 298 und 300/301). Die Häufigkeit solcher Darstellungen in England und Skandinavien, also Gebieten, die weit entfernt von den bedeutenden Zentren der kontinentalen Waffenproduktion entfernt lagen, ist hier besonders auffällig.
„Banded mail“ als Darstellung regulärer Kettenhemden
Neben diesen Zweifelsfällen können allerdings auch die meisten derartigen Darstellungen auf mittelalterlichen Zeichnungen und Miniaturen als reguläre Kettenhemden identifiziert werden. Besonders gut lässt sich dies an den Miniaturen des „Codex Manesse“ dokumentieren. Der „Grundstockmeister“ verwendete hier durchgehend die Kreuzschraffur als Darstellungsart für das Kettengeflecht. Einige der Bilder der „Nachtragsmeister“ zeigen allerdings die Körperpanzerungen in der Art des „banded mail“. Als Beispiel sei hier die Tafel mit dem Bildnis des Grafen Albrecht von Heigerloch angeführt. Der Künstler verwendete hier ausschließlich das „banded mail“ zur Darstellung der Panzerung.
In gleicher Weise entschieden sich die Schöpfer der meisten derartigen Miniaturen für nur eine bestimmte, meist stilisierte Art der Wiedergabe der Panzerringe (Codex Manesse: Johann von Brabant). Nur selten sind verschiedene Arten - also Punkte, Striche, Schraffuren oder das „banded mail“ - gleichzeitig in einem Bild überliefert. Die meisten Wissenschaftler gehen jedoch davon aus, die verschiedenen Darstellungsweisen wären gewählt worden, um Monotonie zu vermeiden. Einige wenige Miniaturen zeigen allerdings Krieger, die scheinbar verschiedene Rüstungsformen, also Kombinationen vom regulären Kettenteilen und „Pseudo-Kettenhemden“ am Körper tragen. Bei einer Interpretation dieser Sonderformen als „normale“, extrem stilisierte Kettenpanzerungen müßte es sich demnach bei den sonstigen Rüstungsteilen nur um textile Bekleidung, etwa Wollstrümpfe oder -hemden handeln.
Die Panzerungen aus dem Massengräbern bei Visby
Eindeutige Aussagen über die tatsächliche Existenz des "Pseudo-Kettenhemdes" können mangels entsprechenden Fundmaterials nicht gemacht werden. Verwandte Konstruktionsarten auf Lamellenbasis sind jedoch durch die Funde in den Massengräbern bei Visby auf Gotland eindeutig dokumentiert. Diese Fundstücke sagen viel über die Realität mittelalterlicher Kriegsführung und das "abenteuerliche" Aussehen mittelalterlicher Kämpfer aus. Viele Landschaften des mittelalterlichen Europa waren weit von den Zentren der "modernen" Waffenproduktion entfernt, man musste die Ausrüstungsgegenstände entweder teuer importieren, oder selbst anfertigen.
Da die Ausrüstungen gefallener Kämpfer in der Regel nach der Schlacht geplündert und wiederverwendet wurden, können nur selten realistische Aussagen über die Bewaffnung und Körperpanzerung getroffen werden. Hier stellt Visby eine außergewöhnliche Ausnahme dar. Die Krieger wurden mit ihren Panzerungen beerdigt, da die Leichen offenbar bereits einige Tage auf dem Schlachtfeld gelegen hatten und schon in Verwesung übergegangen waren. Bezeichnenderweise beschränkt sich der Körperschutz der dänischen Ritterschaft auf Kettenhauben, -handschuhe und Spangenharnische bzw. Plattenröcke veralteter Machart. Einige der dänischen Rüstungen bieten gar ein sehr "antikes" Erscheinungsbild, Kettenhemden fehlen hier nahezu gänzlich. Die Plattenröcke entsprechen teilweise dem des "Heiligen Mauritius" in Magdeburg. Ein anderer Typus besteht auf zahlreichen kleineren, rechteckigen Panzerplatten, die vertikal auf das (wohl lederne) Trägergewand genietet wurden. Diese Machart kommt der in der Theorie beschriebenen am nächsten, die Panzerung ist hier allerdings auf der Innenseite angebracht. Von den einheimischen, bäuerlichen Kriegern wurden teilweise geschnürte Lamellenpanzer verwendet, die Panzerungen verraten deutlichen östlichen Einfluss, was auf die Handelsbeziehungen mit Rußland zurückzuführen sein dürfte. Diese Panzerungen sind in Thordemans Abhandlung ausführlich dokumentiert.
Das 13/14. Jahrhundert wird in waffentechnischer Hinsicht allgemein als sehr experimentierfreudig angesehen. Herkömmliche, also geflochtene (4:1)und verniete Kettenhemden waren extrem teuer und aufwendig in der Herstellung, weshalb auch moderne, historisch korrekte Nachbauten für den "Freizeitritter" eigentlich unbezahlbar sind (moderne Nachbildungen sind eigentlich nie vernietet). Es ist also durchaus wahrscheinlich, dass bereits die mittelalterlichen Waffenproduzenten nach Rationalisierungsmöglichkeiten suchten, um diese lebenswichtigen Körperpanzerungen auch dem einfachen, minderbemittelten Krieger zur Verfügung stellen zu können. Ein Kettenhemd schützt nur mangelhaft vor Stichen, Pfeilen und Armbrustbolzen, weshalb rasch Zusatzpanzerungen aus gehärtetem Leder, Metall und anderen Materialien nötig wurden. Hier bot ein "Pseudo-Kettenhemd" - vor allem eines aus Panzerplättchen - möglicherweise besseren Schutz. Auch der angesprochene Magdeburger Plattenpanzer basiert auf einem ledernen oder textilen Trägergewand, auf dessen Rückseite Metallplatten angebracht wurden.
Ein eindeutiger Nachweis der Pseudo-Kettenhemd-Theorie dürfte nur schwer zu erbringen sein, besonders wenn man diese Rüstungsform nur als relativ kurzfristiges Bindeglied, als Experiment zwischen dem Kettenhemd normaler Definition und dem Plattenharnisch ansieht. Auch herkömmliche hochmittelalterliche Panzerhemden sind nur in sehr geringer Anzahl überliefert, ein Nachweis dieser hypothetischen Sonderform wäre also reiner Zufall. Dessen Existenz deswegen kategorisch auszuschließen, ist genauso spekulativ, wie seine tatsächliche Existenz zu behaupten.
Einige ältere Nachbauten dieses hypothetischen Rüstungstypes waren angeblich unbrauchbar, weil zu schwer oder zu unflexibel. Eine moderne Rekonstruktion durch eine russische Reenactment-Gruppe (Kniajeskaya drujina / Petr (Piotr) Vasin) soll sich aber als praktikabel herausgestellt haben.
Der russische "Kuyak"
Im russischen Kulturkreis trugen die einfachen und ärmeren Krieger im Hoch- und Nachmittelalter oft einen, dem "banded mail" sehr ähnlichen Körperschutz. Die aus dem Türkischen abgeleitete Bezeichnung solcher Panzerungen lautet "Kuyak". Dieser Name ist allerdings erst ab dem 16. Jahrhundert nachweisbar. Das Trägergewand bestand aus Leder oder Stoff, auf dem auf der Außenseite runde oder rechteckige Panzerplatten aus Metall oder anderen Materialien angebracht waren. Eine antike Form des "Kuyak" war die "Bronya", bei der die Scheiben oder Plättchen durch Schnüre oder Lederriemen verbunden wurden. Eine ähnliche Panzerung aus größeren Platten nannte man Kalantar (Kolotar).
Solche einfacheren Panzerhemden wurden meist an Stelle des Kettenhemdes (Kol'chuga) verwendet, manchmal aber auch als zusätzlicher Schutz getragen. Im Gegensatz zum "banded mail" sind diese Rüstungen historisch gut belegbar. Sie wurden meist zwischen dem 13. und 17. Jahrhundert verwendet.
Nachwirkung
Trotz der überwiegenden Ablehnung des „banded“ mail“ und verwandter Sonderformen in der neueren Fachliteratur werden solche Körperpanzerungen besonders in historischen Spielfilmen häufig verwendet. Ein extremes Beispiel ist hier Mel Gibsons "Braveheart“-Epos, in dem nahezu die gesamte englische Armee in einfachen Brünnen mit aufgesetzten Metallplatten zu sehen ist. Der Film verzichtet noch auf digitale Effekte. Sicherlich wurden diese simplen Panzerungen hier vor allem aus Kostengründen verwendet. Nur hochgestellte Krieger wie der englische König Edward I. Longshanks tragen Kettenpanzerungen.
Die grundlegende Studie von Francois Buttin (1971), der sich auf Vorarbeiten seines bekannteren Vaters Charles stützen konnte, wird in Fachkreisen meist nicht beachtet. Der Autor wertete hier vor allem das zeitgenössische Schrifttum aus.
Bildquellen
Auf einem Kerzenhalter aus vergoldeter Bronze (um 1140, früher St. Nikolaus in Groß-Comburg) ist ein Kriegsknecht dargestellt, dessen Körperpanzerung aus großen Panzerschuppen zwischen Stoff- oder Lederstegen besteht. Die Schuppen sind hier nicht überlappend angeordnet, das Gesamtbild entspricht dem in der Theorie dargelegten (Abbildung in: William Anderson: Burgen Europas. München, 1971, S. 77).
Auf einigen spätgotischen Tafelbildern und Miniaturen des 15. Jahrhunderts erkennt man Helme und Panzerkrägen aus kleinen Panzerplatten, die sich nicht überlappen. Diese Plättchen dürften auf ledernen oder textilen Trägern und Kappen angebracht gewesen sein. Die sonstigen Rüstungsteile auf diesen Darstellungen sind eindeutig historisch belegbar und sehr detailgetreu abgebildet. Im 19. Jahrhundert ging man von der Existenz kompletter Rüstungen dieser Machart aus. (Sieg König Ludwigs d. Gr. von Ungarn über die Bulgaren. Altarbild (Hans von Tübingen (Zuschr, Mitte 15 Jh.). Ehemals Kloster St. Lambrecht, Steiermark, heute Graz, Joanneum. Abbildung in: Erich Lessing, Deutsche Ritter, Deutsche Burgen, S. 52/53.)
In der Klosterkirche Fürstenfeld (Fürstenfeldbruck) in Oberbayern steht am südlichen Chorbogen die Statue Kaiser Ludwigs des Bayern (Roman Anton Boos, 1765/66). Der Kaiser trägt als Ergänzung seiner Rüstung einen ungewöhnlichen Unterleibsschutz. Die Rückseite des Trägergewandes ist sichtbar, auf der Vorderseite sind große Panzerringe in vertikaler Reihung überlappend angeordnet. Es kann sich natürlich auch hier um eine Erfindung des Bildhauers handeln. Harnisch und Übermantel des Herrschers sind jedoch detailliert und naturgetreu wiedergegeben, auch die Kaiserkrone lässt ihr reales Vorbild erkennen. Vielleicht meint der Künstler auch nur einen einfachen Rüschenrock, der in seiner Schlichtheit jedoch nicht zum Prunk der übrigen Rüstung passen würde.
Quellen und Literatur
- Blaire, Claude: European Armour, London, 1958
- Buttin, Francois: Du costume militaire au Moyen Age et pendant la Renaissance. - Barcelona 1971 (Memorias de la Real Academia de Buenas Letras de Barcelona, 12)
- Funcken, Liliane und Fred: Historische Waffen und Rüstungen. - München, 1980 (zahlr. spätere Aufl.)
- Meyrick, Samuel R.: A critical inquiry into ancient armour.... - London, 1824
- Kelly, F.M.: Römisch-Romanische Ringelpanzer - Ihre Darstellung in der gleichzeitigen Kunst. In: Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde, 13 (Neue Folge, 4), Berlin, 1923/34
- Thordeman, Bengt: Armor of the battle of Wisby 1361. Text- und Tafelband. - Uppsala, 1939/40
- Viollet-le-Duc, Eugène: Encyclopédie mediévale, 2 Bde. - Bayeux, 1879
Weblinks
- [1] "Rekonstruktion" eines hochmittelalterlichen Ritters (um 1200) auf der Marksburg bei Braubach. Der Krieger ist Teil der berühmten "Gimbelschen Rüstungssammlung". Die Figur dient noch heute unkommentiert als Beispiel einer hochmittelalterlichen Panzerung und dokumentiert die allgemeine Akzeptanz des "banded mail" um 1900. Die Burg ist der Sitz der "Deutschen Burgenvereinigung".
- [2] Petr Vasin: "Banded mail" nach Viollet-le-Duc.
- [3] Moderne Rekonstruktion einer einfachen Panzerung aus aufgenieteten Panzerplättchen.
- [4] Sammlung einiger hochmittelalterlicher Darstellungen, auf denen scheinbar verschiedene Körperpanzerungen zu sehen sind.