Gießen

mittelhessische Kreis- und Universitätsstadt an der Lahn
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Dieser Artikel befasst sich mit der Stadt Gießen. Für das Verfahren, geschmolzene Substanz zum Zwecke der Herstellung bestimmter Gegenstände in Formen zu gießen, siehe: Gießen (Verfahren).


Wappen Karte
Wappen von Gießen Deutschlandkarte, Position von Gießen hervorgehoben
Basisdaten
Bundesland: Hessen
Regierungsbezirk: Gießen
Landkreis: Gießen
Fläche: 72,56 km²
Einwohner: 73.580 (31.12.2002)
Bevölkerungsdichte: 1.040 Einwohner je km²
Geografische Lage: 50° 34' n. B.
08° 39' ö. L.
Höhe: 171 m ü. NN
Postleitzahlen: 35390-35398
Vorwahl: 0641
Kfz-Kennzeichen: GI
Gemeindeschlüssel: 06 5 31 005
Stadtgliederung: 5 Stadtteile
Adresse der
Stadtverwaltung:
Berliner Platz 1
35390 Gießen
Offizielle Website: www.giessen.de
E-Mail-Adresse: StadtGiessen@giessen.de
Politik
Bürgermeister: Heinz-Peter Haumann (CDU)

Gießen ist größte Stadt und Mittelpunkt Oberhessens, eine wichtige Universitätsstadt, Verkehrsknotenpunkt sowie Verwaltungssitz für den Regierungsbezirk Gießen und den Landkreis Gießen. Gießen ist die achtgrößte Stadt Hessens.

Besonderheiten

Gießen lebt zwar nur schlecht von seiner geringen Industrie, aber um so mehr von den stetig wachsenden Dienstleistungsunternehmen, der altehrwürdigen Justus-Liebig-Universität und seiner zentralen Lage im Herzen Deutschlands, der unmittelbaren Nähe zum Rhein-Main-Gebiet und guten Verkehrsanbindungen. Berühmte Persönlichkeiten sind beispielsweise Justus von Liebig, nach dem die Universität benannt wurde, Wilhelm Conrad Röntgen, der erste Nobelpreisträger für Physik (1901), der hier lehrte und begraben ist, Wilhelm Liebknecht, in Gießen geborener Mitbegründer der SPD oder der Psychoanalytiker Horst-Eberhard Richter, u. a. Mitbegründer der Internationalen Vereinigung der Ärzte gegen den Atomkrieg (IPPNW), die 1985 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde. Georg Büchner studierte in Gießen, gründete 1834 die "Gesellschaft für Menschenrechte" und veröffentlichte den "Hessischen Landboten". Johann Wolfgang von Goethe, der sich einige Monate als Praktikant am Reichskammergericht in Wetzlar (ca. 15 km westlich von Gießen) aufhielt, war in dieser Zeit auch einige Male im Gasthaus "Zum Löwen" (Neuenweg) anzutreffen.

Gießen hat die höchste Studentendichte in Deutschland. Auf 73.000 Einwohner kommen rund 28.000 Studenten, denn neben der Universität befindet sich in Gießen auch noch die Fachhochschule Gießen-Friedberg mit etwa 8000 Studierenden.

Geographie

 
Wassersportler auf der Lahn (2004)

Gießen liegt an der Lahn, genau dort, wo diese ihren Lauf von südlicher in westliche Fließrichtung ändert, in einer der seltenen Aufweitungen des Lahntals. Drei Mittelgebirge umgeben Gießen: Nördlich der Stadt liegt der Westerwald, südwestlich der Taunus und östlich von ihr der Vogelsberg. Nur nach Süden öffnet sich die Landschaft hin zur Wetterau.

Nachbarstädte Gießens sind Wetzlar (15 km westlich) und Marburg (20 km nördlich), die beide ebenfalls an der Lahn liegen, sowie Fulda (80 km östlich), Friedberg (30 km südlich) sowie Frankfurt am Main (70 km südlich).

Verkehr

Gießen ist der Verkehrsmittelpunkt Oberhessens. Das enge Lahntal bündelt die Verkehrsströme aus Norden (Marburg, Kassel) und Westen (Wetzlar, Koblenz), die Wetterau schafft die Verbindung nach Süden (Frankfurt). Nur nach Osten verhindert der Vogelsberg einen einfachen Weg, deshalb sind die Verkehrsbeziehungen in diese Richtung am schwächsten ausgeprägt.

Straßenverkehr

Für eine Stadt dieser bescheidenen Größe ist Gießen weit überdimensional mit Autobahnen ausgestattet. Neben den überregional und international bedeutenden Autobahnen A5 (Frankfurt–Kassel) und A45(Hanau/Seligenstadt–Dortmund) bestehen die regionalen Strecken A480 (zum Reiskirchener Dreieck) und die autobahnähnlich ausgebaute B49 (Wetzlar) in Ost-West-Richtung und die A485 (Ostumgehung) und B429 (Westtangente) ind Nord-Süd-Richtung. Die A485 ersetzt im Gießener Raum die Bundesstraße 3, die früher mitten durch Gießen verlief. In südöstliche Richtung (Lich, Hungen) verläuft außerdem die Bundesstraße 457.

Das Stadtgebiet wurde nach den schweren Kriegszerstörungen autogerecht wiederaufgebaut, breite Einfallstraßen führen zu einer Ringstraße im Verlauf der ehemaligen Wallanlagen. Der Stadtkern innerhalb der Wallanlagen ist seit den 80er Jahren für den Autoverkehr weitgehend gesperrt.

Schienenverkehr

Gießen ist bis heute ein bedeutender Knotenpunkt im Bahnverkehr. Der Bau der ICE-Schnellfahrstrecke Würzburg/Frankfurt–Hannover in den 80er Jahren, die den Fernverkehr zwischen Frankfurt und Kassel heute statt über Gießen nun über Fulda leitet, verschob die Bedeutung im Bahnnetz etwas zugunsten der osthessischen Stadt.

Die wichtigste Bahnstrecke in Gießen ist die in Nord-Süd-Richtung verlaufende Main-Weser-Bahn von Frankfurt nach Kassel. Die Köln-Gießener Eisenbahn über Wetzlar und Siegen verbindet Mittelhessen mit dem Rheinland und dem Ruhrgebiet. Die Lahntalbahn folgt dem Fluss bis zu seiner Mündung nahe Koblenz. Die Vogelsbergbahn nach Alsfeld und Fulda umgeht das Gebirge wie die Autobahn A5 an seiner Nordseite. Die Lahn-Kinzig-Bahn führt von Gießen nach Südosten (Hungen, Nidda, Gelnhausen). Die genannten Strecken gehören seit 1995 zum Rhein-Main-Verkehrsverbund.

Den Nahverkehr in Gießen bestreiten heute die Stadtwerke Gießen mit elf Omnibuslinien. Gießen besaß von 1909 bis 1953 eine Straßenbahn und von 1941 bis 1968 Oberleitungsomnibusse. (Näheres im Artikel).

Geschichte

Gießen wurde erstmals 1248 als Stadt bezeugt, aber bereits zuvor hatten die Grafen von Gleiberg die Burg Gießen angelegt.

1604 kam die Stadt an Hessen-Darmstadt und 1607 wurde die Universität gegründet.

Wappen

Blasonierung: Das Wappen stellt in Silber einen rechtsgewendeten, schwarz beflügelten und blau bewehrten Löwen dar.

Es wurde der Stadt am 29. April 1916 von Großherzog Ernst Ludwig verliehen.


Stadtgliederung

Außer der alten Kernstadt Gießen gehören fünf weitere Stadtteile zum Stadtgebiet:

Entwicklung des Stadtgebiets

In der Zeit zwischen 1977 und 1979 war Gießen integriert in die Stadt Lahn. Darin fanden sich neben Gießen auch Wetzlar und 14 andere Gemeinden wieder. In dieser Zeit besaß die Stadt Lahn das gemeinsame Kfz-Kennzeichen L, das heute für Leipzig steht. Vereinzelt gibt es noch heute zugelassene Kraftfahrzeuge mit dem Kennzeichen L in Gießen und Umgebung.

Schon drei Monate nach dem Zusammenschluss sprach sich bei der Kommunalwahl eine Mehrheit gegen die Stadt Lahn aus. Seit dem 31. Juli 1979 ist Gießen wieder selbständig.

Politik

Seit den Kommunalwahlen 2001 wird die Stadt aus einer Koalition von CDU (23 Sitze), FDP (3 Sitze) und Freier Wählergemeinschaft (FWG (4 Sitze)) regiert, die die Rot-Grüne Stadtregierung nach 16 Jahren ablöste. Neben den drei Regierungsparteien sind noch die SPD (20 Sitze), Bündnis 90/Die Grünen (6 Sitze), die PDS (2 Sitze) und die Bürgerliste Gießen (1 Sitz) in der 59-köpfigen Stadtverordnetenversammlung vertreten. Zum neuen Oberbürgermeister wurde im 2. Wahlgang der Direktwahl am 28. September 2003 der bisherige Bürgermeister Heinz-Peter Haumann (CDU) gewählt, der sich mit 158 Stimmen Vorsprung gegenüber seinem SPD-Kontrahenten Gerhard Merz durchsetzte.

Die Wahlbeteiligung lag bei 30,8 %.

Kultur und Sehenswürdigkeiten

Sehenswürdigkeiten

Zu den Sehenswürdigkeiten in Gießen gehören einige wieder aufgebaute Fachwerkhäuser, so das Gasthaus "Zum Löwen", wo Goethe einst übernachtete, das Alte Schloss und das Neue Schloss sowie das Burgmannenhaus (am Kirchplatz). Weiterhin ist ein Besuch des ältesten universitären Botanischen Gartens Deutschlands lohnenswert, dessen Gründung auf Elisabeth von Thüringen zurückgeht.

 
Bahnhof mit Vorplatz, von östlicher Richtung (ca. 2004-06-01)

Das Empfangsgebäude des Bahnhofs wurde 1904-06 von Ludwig Hoffmann in der Tradition des Darmstädter Jugendstils errichtet; dabei wurden Teile des Vorgängerbaus der Main-Weser-Bahn von 1854 beibehalten.

Im Zweiten Weltkrieg wurde Gießen - seit jeher eine wichtige Garnisonsstadt - stark zerstört (Luftangriff am 06. Dezember 1944). Beim Wiederaufbau wurden die noch vorhandenen Ruinen alter Gebäude und Plätze beseitigt und durch moderne funktionale Bauten im Stil der 1950er und 1960er Jahre ersetzt bzw. die Verkehrsführung einer autogerechten Stadt angepasst. Dabei ist ein Markenzeichen der Stadt anzuführen, das wegen seiner außergewöhnlichen Form und Größe so genannte "Elefantenklo", eine Fußgängerüberführung, die am Standort des ehemaligen Stadttores "Selterstor" in der Gießener Fußgängerzone mündet, dem Seltersweg.

Kultur

Das Stadttheater Gießen geht auf eine Bürgerinitiative zurück, die anlässlich der 300-Jahrfeier der Universität eine "feste Theaterspielstätte" forderte. Konsequenterweise brachte sie zwei Drittel der Bausumme auf und ließ an der Frontseite den Spruch "Ein Denkmal bürgerlichen Gemeinsinns" anbringen. Im Jugendstil erbaut und erhalten, wurde es 1907 eröffnet und bietet mit eigenem Ensemble und Gastspielen 600 Zuschauern/-hörern Platz bei Theater, Oper, Operette, Musical, Tanz und Konzert.

Kulturelles Leben zeigt sich in einer Studentenstadt auch durch die obligatorische Kneipenmeile, hier der Ludwigstraße, in der sich auch das Uni-Hauptgebäude befindet.

Das Mathematikum im ehemaligen Hauptzollamt, erstes und bislang einziges Museum dieser Art, bietet dem Besucher die Möglichkeit, sich spielerisch mit der Mathematik zu beschäftigen. Direkt neben dem Mathematikum ist das Liebigmuseum gelegen, das dem Chemiker Justus von Liebig gewidmet ist.

Ausflugsziel Schiffenberg

 
Ehem. Klosterkirche, Ostansicht mit südlichem Querarm und Vierungsturm (ca. 2004-05-31)

Ein beliebtes Ausflugsziel ist der rd. 5 km entfernte Gießener "Hausberg" Schiffenberg (281 m). Er wurde 1972 vom Land Hessen käuflich erworben. In den Gebäuden einer ehemaligen Klosteranlage (Augustiner-Chorherrenstift) wird heute ein Ausflugslokal bewirtschaftet. Die romanische Substanz der doppelchörigen Pfeilerbasilika mit Querhaus und achtseitigem Vierungsturm rührt z. T. noch aus dem 2. Viertel des 12. Jahrhunderts her. Die westliche mit Lisenen gegliederte Apsis und zwei begleitende Rundtürme (fast komplett zerstört) wurden im Verlauf des 12. Jahrhunderts angebaut. Das südliche Seitenschiff ist verloren. Der Bau verzichtet fast gänzlich auf Bauschmuck. 1323 wurde die Anlage vom Deutschen Orden übernommen; der Deutsche Orden errichtete u. a. an der Südseite die ehemalige Komturei und an der Westseite das Gebäude der ehemaligen Propstei. 1809 wurde der Orden aufgehoben. Von der Ausstattung ist u. a. ein frühgotischer Taufstein (13. Jahrhundert) aus Basalt im Chorraum erhalten.

 
"Musikalischer Sommer", im Hintergrund das offene Langhaus der Kirche (ca. 2004-05-31)

Im Rahmen der seit 1975 auf dem Schiffenberg stattfindenden Veranstaltungsreihe "Musikalischer Sommer" finden in den Sommermonaten zahlreiche Konzerte unter freiem Himmel statt. Von Volksmusik und Bands, die in regionaler Mundart spielen, über Jazz, Pop, Schlager bis hin zu Chorkonzerten und Theateraufführungen finden Kulturfreunde hier ein breit gefächertes Angebot. Auch jenseits der Stadtgrenzen bekannte Künstler gaben hier schon Gastspiele, so zum Beispiel im Jahr 2002 die Kölner Band BAP sowie im Jahr 2003 Götz Alsmann.

Sport

Gießen ist eine Sport-Hochburg. Hier ist z. B. die dienstälteste Mannschaft der Herren-Basketball-Bundesliga (früher MTV 1846 Gießen, Avitos Gießen, jetzt Gießen 46ers) zu Hause. In der Vergangenheit gelangten die Bundesliga-Volleyballer des USC Gießen, die Handballfrauen des VfB Gießen oder auch die Tischtennis spielerinnen des GSV zu überregionalen Titelehren.

Die Handballerinnen des TV Lützellinden dürften in den letzten 15 Jahren die erfolgreichste deutsche Mannschaft, auch auf internationalem Parkett, gewesen sein; nachdem sie keine Lizenz mehr für die 1. Bundesliga erhalten haben, spielen sie seit der Saison 2004/2005 jedoch nur noch in der Regionalliga. Der Rudersport ist mit drei Vereinen vertreten. Der erfolgreichste und zugleich älteste unter ihnen ist die Gießener Rudergesellschaft 1877 e. V., die schon mehrere Weltmeister und Juniorenweltmeister(innen) in den letzten Jahren hervorgebracht hat. Alljährlich an Pfingsten veranstalten die drei Vereine die Internationale Gießener Pfingstregatta, eine der größten und ältesten Ruderregatten in Deutschland (die erste Regatta fand 1892 in Gießen statt).

Fünfziger-Vereinigungen

Einzigartig im deutschen Sprachraum sind die Gießener "Fünfziger-Vereinigungen". Seit 1868 gründen jährlich die männlichen Bürger aller Berufs- und Gesellschaftsschichten der Stadt, die 50 Jahre alt werden, einen "Verein der Fünfziger" mit Unterhaltungs-, Bildungs-, und humanitären Programmen. Seit der Jahrhundertwende 1899/1900 gibt es auch entsprechende Damen-Vereinigungen, die sich aber erst seit 1966 ebenfalls regelmäßig gründen.

Sonstiges

Zu Zeiten des Kalten Krieges befand sich in Gießen das zentrale Aufnahmelager für Übersiedler aus der DDR. Dort wurden die Neuankömmlinge registriert und nach kurzem Aufenthalt auf die verschiedenen Aus- und Übersiedlerwohnheime des damaligen Bundesgebietes verteilt.


Siehe auch: Landkreis Gießen, Regierungsbezirk Gießen, Mittelhessen, Gießener Anzeiger, Gießener Allgemeine, Gießener Ring

Literatur

  • Dehio: Hessen, München 1982, S.334ff.


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