Generalplan Ost

Siedlungspläne im Rahmen der nationalsozialistischen "Ostpolitik"
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 15. Oktober 2007 um 18:23 Uhr durch Mackler (Diskussion | Beiträge). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Beim sogenannten Generalplan Ost (GPO) handelt es sich um eine Reihe von Plänen, Planungsskizzen und Vortragsmaterialien zu einer möglichen neuen Siedelungsstruktur in den von der NS-Regierung während des Zweiten Weltkrieges eroberten Gebieten Polens und der Sowjetunion. Diese Schriften wurden durch das Planugsamt des Reichskommissariates für die Festigung deutschen Volkstums (RKF), die Planungsgruppe Gr. lll B beim Sicherheitsdienst des Reichssicherheitshauptamtes der SS (RSAH) und des Institut für Agrarwesen und Agrarpolitik der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität (heute Humboldt-Universität) erstellt. Im einzelnen handelt es ich um folgende Dokumente:

Dokument 1: "Planungsgrundlagen" erstellt im Februar 1940 durch das Planungsamt des RKF (Umfang: 21 Seiten). Inhalt: Beschreibung des Umfangs der geplanten Ostsiedlung in Westpreussen und dem Wartheland. Das beplante Gebiet sollte eine Fläche von 87,6 km2, davon 59,0 km2 landwirtschaftliche Nutzfläche. In diesem Gebiet sollten rund 100.000 Siedlerhöfe a 29 ha eingerichtet werden. Insgesamt sollten rund 4,3 Deutsche in diesen Gebieten angesiedelt werden. Davon 3,15 Mio. im ländlichen Raum und 1,15 Mio. im städtischen Raum. Hierzu sollten sukzessive 560000 Juden (100 % aller Personen dieser Ethnie im Planungsgebiet) und 3,4 Mio. Polen (44 % aller Personen dieser Ethnie im Planungsgebiet). Zu den Gesamtkosten des Plans wurden keine Schätzungen vorgenommen.

Dokument 2: "Materialien zum Vortrag "Siedlung" erstellt im Dezember 1940 durch das Planungsamt des RKF (Umfang 5 Seiten). Inhalt: Grundsatzartikel zu "Landbedarf für die notwendige Aussiedlung aus dem Altreich" mit konkreter Forderung von 130.000 km2 für 480.000 neue, lebensfähige Siedlerhöfe a 25 ha, dabei 40% Zuschlag für Wald, Wehrmacht, Reserveflächen im Wartheland und Generalgouvernement Polen.

Dokumente erstellt nach dem Angriff auf die Sowjetunion am 22. 06. 1941.

Dokument 3 (verschollen, genauer Inhalt unbekannt): "Generalplan Ost" erstellt im Juli 1941 durch das Planungsamt des RKF. Inhalt: Beschreibung des Umfangs der geplanten Ostsiedlung in der Sowjetunion mit konkreter geographischer Abgrenzung der einzelnen Siedlungsgebiete.

Dokument 4 (verschollen, genauer Inhalt unbekannt): "Gesamtplan Ost" erstellt im Dezember 1941 durch die Planugsgruppe Gr. lll B des Sicherheitsdienstes des RSAH. Inhalt: Beschreibung des Umfangs der geplanten Ostsiedlung in der Sowjetunion und dem Generalgouvernement Polen mit konkreter geographischer Abgrenzung der einzelnen Siedlungsgebiete.

Dokument 5: "Generalplan Ost" erstellt im Mai 1942 durch das Institut für Agrarwesen und Agrarpolitik der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität (Umfang 68 Seiten)

Inhalt: Beschreibung des Umfangs der geplanten Ostsiedlung in der Sowjetunion mit konkreter geographischer Abgrenzung der einzelnen Siedlungsgebiete. Das beplante Gebiet sollte 364.231 km2 umfassen einschließlich von sechsunddreißig Siedlungsstützpunkten und drei Siedlungsmarken im Großraum Leningrad, Krim-Chersongebiet, und im Gebiet von Bialystok. Hierbei sollten Siedlerhöfe mit 40- 100 ha Fläche sowie landwirtschaftliche Großbetriebe mitmindestens 250 ha Fläche entstehen. Die Zahl der hierfür benötigten Siedler wurde auf 5,65 Mio. geschätzt. Hierzu sollten aus dem beplanten Gebiet rund 25 Mio Menschen entfernt werden. Die Kosten der Planungen wurden auf 66,6 Mrd. Reichsmark geschätzt.

Dokument 6: "Generalsiedlungsplan" erstellt im September 1942 durch das Planungsamt des RKF (Umfang: 200 Seiten einschl. 25 Karten und Tabellen).

Inhalt: Beschreibung des Umfangs der geplanten Siedlungen in allen dafürvorgesehenen eroberten Gebieten mit konkreter geographischer Abgrenzung der einzelnen Siedlungsgebiete. Das beplante Gebiet sollte 330.000 km2 mit 360.100 landwirtschaftlichen Betrieben umfassen. Die Zahl der hierfür benötigten Siedler wurde auf 12,21 Mio. Menschen (davon Land- und Forstwirtschaftl. Berufszugehörige: 2,859 Mio.) geschätzt. Hierzu sollten aus dem beplanten Gebiet rund 30,8 Mio. Menschen entfernt werden. Die Kosten der Planungen wurden auf 144 Mrd. Reichsmark geschätzt.

Hintergrund

Bereits nach der Eroberung des Westteils Polens waren einige Pläne zur Besiedelung dieses Gebietes erstellt worden. Ein größer Gesamtplan wurde zwei Tage nach dem Angriff auf die UdSSR am 22. Juni 1941 durch Heinrich Himmler bei Prof. Konrad Meyer in Auftrag gegeben, mit dem sein symbolpolitisches Programm Heinrich konkretisiert werden sollte. (Meyer war nach dem Angriff auf Polen schon im April/Mai 1940 planerisch für den „deutschen Neuaufbau im Osten“ in den so genannten eingegliederten Ostgebieten - vgl. Reichsgaue Wartheland und Danzig-Westpreußen - tätig geworden.[1]) Die erste Fassung lag schon am 15. Juli 1941 vor, und Himmler ordnete am 20. Juli 1941 bei einem Besuch in Lublin gegenüber dem dortigen SS- und Polizeiführer Odilo Globocnik an, "ein Großsiedlungsgebiet im Raum um die bereits vorhandenen volksdeutschen Kolonien bei Zamosch" zu schaffen (vgl. Aktion Zamosch 1942/43). Von einigen Historikern wird angenommen. Das es sich bei dieser Massnahme möglicherweise um ein erstes umgesetztes Teilelement des GPO gehandelt haben könnte. Mit der Zielsetzung eine "Siedelungsbrücke" zwischen den einzudeutschenden Gebieten im Wartheland und den künftig von Deutschen zu besiedelnden Teilen der UdSSR zu bilden. Globocnik ließ im November 1941 eine Probeaussiedlung vornehmen: Sieben Dörfer im Kreise Zamosc wurden vollständig von polnischen Bauern evakuiert und an ihre Stelle "volksdeutsche" Siedler gesetzt.

Einige Planungen sahen vor, Teile der Bevölkerung Polens und der westlichen Teile der Sowjetunion nach Sibirien zu verbannen. Nach der am 28. Mai 1942 vorgelegten und im Dezember noch einmal überarbeiteten Version sollten das Wartheland, Ostoberschlesien und Westpreussen einschließlich von Teilen des „Generalgouvernements Polen“ (GG) völlig „eingedeutscht“ und in Teilen der eroberten Sowjetunion drei „Reichsmarken“ gebildet werden: 1. „Ingermanland“ südlich von Leningrad; 2. das Narewgebiet mit Bialystok und Litauen; 3. der „Gotengau“ mit Krim und dem Gebiet um Cherson. – Die für die „Eindeutschung“ zunächst gesetzte Frist von 25 Jahren wurde am 23. Dezember 1942 noch einmal auf 20 Jahre herabgesetzt, und Böhmen und Mähren, Elsass-Lothringen, die Untersteiermark und Oberkrain wurden auf Himmlers Wunsch ebenfalls der Planung zugeordnet. Die "frei" gewordenen Gebiete in Osteuropa sollten mit mehren Millionen Deutschen besiedelt werden. Voraussetzung zur möglichen vollen Umsetzung der Pläne wäre der militärische Sieg gegen die Sowjetunion gewesen. Nach den Niederlagen vor Moskau (Winter 1941/42) und Stalingrad (1942/43) rückte die Verwirklichung des Plans jedoch in immer weitere Ferne.

Der Grad des tatsächlichen Umfangs und die Frage welche Teile des GPO tatsächlich umgesetzt worden wären bzw. wurden ist bis Heute Gegenstand verschiedener wissenschaftlicher Kontroversen. Hierbei ist anzumerken das es sich beim GPO um verschiedene teils konkurriende Planungen unterschiederlicher Einrichtungen handelte. Diese Planungskonkurrenz kann hierbei als typisch für viele NS Projekte angesehen werden. Da das Führerprinzip zumeist eine klare Abgrenzung der Planungshoheiten verhinderte. Insofern ist unklar welche Planungen tatsächliche Gestaltungskraft erhielten bzw. erhalten hätten. Auch das Fehlen einiger Planungsdokumente (seit 1945 verschollen) erschwert die Forschung.

Literatur

  • Burchard, Matthias: Der Generalplan Ost, ein finsteres Kapitel Berliner Wissenschaftsgeschichte Humboldt-Universität zu Berlin, 1997, 36 S.
  • Wasser, Bruno: Himmlers Raumplanung im Osten. Der Generalplan Ost in Polen 1940-1944 Birkhäuser, Basel 1994 ISBN 3764328525
  • Madajczyk, Czeslaw (Hg):Vom Generalplan Ost zum Generalsiedlungsplan. Dokumente Saur, München 1994 ISBN 3598232241
  • Mechthild Rössler & Sabine Schleiermacher (Hg): Der "Generalplan Ost". Hauptlinien der nationalsozialistischen Planungs- und Vernichtungspolitik Akademie, Berlin 1993
  • Götz Aly und Susanne Heim: Vordenker der Vernichtung. Auschwitz und die deutschen Pläne für eine neue europäische Ordnung Hoffmann & Campe, Hamburg 1991 ISBN 3596112680
    - behandelt den "Generalplan Ost" nur am Rande (S. 394 - 440); jedoch relevant in Bezug auf die Entwicklung und Strukturen der allgemeinen Vernichtungsplanung