Paradigmenwechsel
Als Paradigmenwechsel wird ein (oft radikaler) Wechsel eines Paradigmas bezeichnet.
Der Paradigmenwechsel nach Kuhn
Ein epistemologischer Paradigmenwechsel wird, nach dem Erkenntnistheoretiker Thomas S. Kuhn, eine wissenschaftliche Revolution genannt.
Diese wissenschaftliche Revolution tritt, entsprechend Thomas S. Kuhn, dann auf, wenn in einer Wissenschaft Abweichungen auftreten, welche nicht mehr durch das allgemeinhin geltende Paradigma erklärt werden können, innerhalb dessen der bisherige wissenschaftliche Fortschritt stattfand. Sobald neue Entdeckungen gemacht werden, welche nicht mit dem vorherrschenden Paradigma erklärt werden können, und die Ergebnisse der Entdeckungen von anderen unabhängigen Wissenschaftlern bestätigt werden, dann ist man in der Wissenschaft gezwungen, ein neues Paradigma, mit den Ergebnissen konform gehend, zu erklären und anzunehmen. Genau dies ist der Hauptunterschied zwischen Religion und Wissenschaft (und im allgemeinen von Wissenschaft und anderen Glaubenssystemen). Befürworter und Anwender der wissenschaftlichen Methode sind im allgemeinen eher bereit, ihren Glauben zu ändern, wenn neue Tatsachen und zwingende Logik präsentiert werden.
Klassische Beispiele für Paradigmenwechsel:
- Die Ablösung des geozentrischen (Ptolemäus) durch das heliozentrische Weltbild (Nikolaus Kopernikus).
- Die Entdeckungen Galileo Galileis, der damit die aristotelische Physik ablöste.
- Die Entdeckungen von Johannes Kepler.
- Die Entdeckung der modernen Physik von Isaac Newton.
- Albert Einsteins spezielle Relativitätstheorie und allgemeine Relativitätstheorie, welche die ursprünglichen Ideen von Äther, absoluter Bewegung, Zeit und Raum umwarfen.
Eine verbreitete Fehlinterpretation des Kuhnschen Paradigmas ist der Glaube, dass die Entdeckung von Paradigmenwechsel und die dynamische Natur der Wissenschaft ein Argument für den Relativismus sind; also dass gesagt werden kann, Magie, religiöse Konzepte oder Pseudowissenschaft seien gleichwertig der wahren Wissenschaft. Kuhn verweigert sich jedoch vehement dieser Interpretation. Wenn nämlich ein wissenschaftliches Paradigma durch ein neues ersetzt wird, dann muss dieses neue Paradigma das bessere sein und nicht nur wegen des Unterschiedes.
Paradigmenwechsel im weiteren Gebrauch
Das Wort Paradigmenwechsel ist mittlerweile nicht mehr nur im wissenschaftlichen Kontext, wie bei Kuhn, anzutreffen. Gemeinhin wird damit eine wichtige qualitative Änderung eines Denkmusters bezeichnet. Nun ist ein Paradigmenwechsel eine radikale Änderung im persönlichen Glauben, in komplexen Systemen oder in Organisationen. Er ersetzt die ehemalige Art und Weise des Denkens oder des Organisierens durch eine radikal andere.
Beispiele von Paradigmenwechsel in Vorstellung und in Denkmustern:
- Wenn die von Geburt an blinden Menschen plötzlich wieder sehen können.
- Die neuen Techniken und Entdeckungen in der Genetik, die neue Einsichten in der Anthropologie erzwingt und alte Annahmen ablöst.
Beispiele von Paradigmenwechsel in komplexen Systemen und Organisationen:
- Die englische Monarchie als sie die Magna Charta unterzeichnete.
- Die explosionsartige Zunahme von Lebewesen während der vorkambrischen Zeit.
- Gemeinschaften, welche umwälzende Entdeckungen und Erfindungen gemacht haben, wie Feuer, Rad, Schwarzpulver usw.
- Die Kriegsführung mit der Entwicklung des preußischen militärischen Modells.