Corioliskraft

Schein- oder Trägheitskraft in einem rotierenden Bezugssystem
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Bewegte Körper werden in einem rotierenden Bezugssystem aus Sicht eines mitrotierenden Beobachter abgelenkt. Diese Ablenkung wird der Corioliskraft zugeschrieben, die nach dem französischen Physiker Gaspard Gustave de Coriolis benannt ist.

Die Corioliskraft ist eine Scheinkraft, da sie im ruhenden Bezugssystem (Inertialsystem) nicht vorhanden ist. Dort sind alle kräftefreien Bewegungen geradlinig. Als Ursache für die beobachtete krummlinige Bewegung im rotierenden System, die eine Beschleunigung senkrecht zur Bewegungsrichtung darstellt, wird eine (eigentlich nicht vorhandene) Kraft angenommen, die Corioliskraft.

Die Corioliskraft tritt zusätzlich zur Zentrifugalkraft auf. Sie ist nur bei gegenüber dem ruhenden (und rotierenden) Bezugssystem bewegten Körpern vorhanden. Die Zentrifugalkraft ist die statische (also nur vom Ort abhängige) Komponente, die Corioliskraft die dynamische (von der Geschwindigkeit abhängige) Komponente der resultierenden Scheinkraft.

Berechnung

Die Corioliskraft steht senkrecht auf der Drehachse des Bezugssystems und der Bewegungsrichtung. Ihr Betrag ist

 

wobei   der Sinus des Winkels   zwischen Bewegungsrichtung und Drehachse,   der Betrag der Geschwindigkeit,   die Kreisfrequenz der Rotation und   die Masse des bewegten Körpers sind. Entfernt sich der Körper von der Drehachse, so wirkt die Corioliskraft entgegen der Rotationsrichtung, nähert er sich der Achse, wirkt sie in Rotationsrichtung.

Darstellung als Kreuzprodukt zweier Vektoren

Mathematisch kann man die Formeln als Kreuzprodukt zweier Vektoren darstellen, wenn man den Einheitsvektor   in Richtung der Drehachse verwendet:

 

Man kann die Kreisfrequenz   mit   multiplizieren und als Vektor   schreiben. Der Vektor  beschreibt dann die Rotation vollständig in Betrag und Richtung der Achse. Die Drehrichtung folgt aus der Rechte-Hand-Regel. Mit der Masse m und der Geschwindigkeit   ist die Corioliskraft dann:

 

Veranschaulichung

 
siehe Text

Der obere Teil der Animation zeigt eine Kugel, die auf einem Drehteller rollt, und zwar von der Mitte nach außen. Sie entfernt sich also von der Drehachse, bewegt sich aber kräftefrei in gerader Linie.

Der untere Teil zeigt dieselbe Szene aus der Perspektive eines Beobachters auf dem Teller, der z. B. auf dem roten Punkt steht und mitrotiert. Für ihn dreht sich der Teller nicht. Im oberen Teil sieht man, dass sich die Kugel dem roten Punkt erst nähert und dann seitlich von ihm entfernt. Unten beschreibt sie daher eine gekrümmte Bahn. Die Krümmung entspricht einer Beschleunigung senkrecht zur Bewegungsrichtung. Diese wird für den Beobachter unten durch eine Kraft, die Corioliskraft, verursacht.

Da sich die Kugel von der Drehachse weg bewegt, wirkt die Corioliskraft entgegen der Rotationsrichtung (erst nach links, dann zunehmend nach hinten).

Corioliskraft in der Atmosphäre

Auf der Erdoberfläche hat die Corioliskraft eine senkrechte und eine waagerechte Komponente. Am (geographischen) Nord- und Südpol ist die senkrechte Komponente gleich Null.

Jede nichtparallele Bewegung zur Erdachse in der Atmosphäre wird durch die Corioliskraft abgelenkt. So drehen sich Wirbelstürme auf der Nordhalbkugel gegen den Uhrzeigersinn und auf der Südhalbkugel im Uhrzeigersinn. Die Luft, die am Boden aus Hochdruckgebieten austritt, wird auch durch die Corioliskraft abgelenkt. Sie heißen Antizyklone, da die Ablenkung umgekehrt zu der Richtung der Wirbelstürme ist. Bei Tiefdruckgebieten (Zyklonen) tritt die Luft am Boden ein, die Ablenkung entspricht hier der Richtung der Wirbelstürme.

Einfluss der Corioliskraft auf Wasserstrudel

Eine oft anzutreffende Behauptung bezüglich der Corioliskraft bezieht sich auf das Drehverhalten eines Wasserstrudels, zum Beispiel in einer Badewanne. Wird der Abfluss geöffnet, soll sich der entstehende Strudel auf der Nordhalbkugel gegen den Uhrzeigersinn bewegen, auf der Südhalbkugel entsprechend mit dem Uhrzeigersinn, ähnlich wie es in der Atmosphäre mit Druckgebieten geschieht (siehe oben).
Tatsächlich spielt die verhältnismäßig geringe Corioliskraft in solch kleinen Dimensionen keine Rolle. Der Wasserstrudel dreht sich um ein Vielfaches schneller als die Erde und wird von vielen Faktoren beeinflusst (schon existente Strömungen, Einfüllweise), sodass der behauptete Effekt nur bei äußerst peniblen Experimenten beobachtet werden kann. Im Alltag überwiegen hingegen die zufälligen Einflüsse

Wie groß sind typische Corioliskräfte des Alltags?

Einige Beispiele:

  • Ein Zug von 1000 t Masse fährt mit 250 km/h nach Norden. In einer geografischen Breite von 52 Grad erfährt er eine Kraft von ca. 8000 N nach rechts/Osten. Fährt der Zug nach Süden erfährt er die gleiche Kraft ebenfalls nach rechts, also diesmal nach Westen.
  • Wenn dieser Zug 1000 m lang ist, also aus 50 Wagen mit jeweils 4 Achsen besteht, muss jedes Rad 20 N (entspricht 2 kg) zusätzliche Seitenkraft aufbringen, um den Zug in der Schiene zu halten.
  • Ein Artilleriegeschoss, welches mit 800 m/s nach Norden fliegt, erfährt eine seitliche Beschleunigung von ca. 8 cm/s2. Dies bedeutet bei einer Flugzeit von 60 s, dass es bei einer Entfernung von 48 km das Ziel um 150 m (0.3% der Flugstrecke) verfehlt.
  • Die Pendelebene eines frei schwingenden Pendels dreht sich innerhalb eines Sterntags (23 h 56 min 4 s) um 360 Grad multipliziert mit dem Sinus der geografischen Breite (Foucaultsches Pendel). An den Polen ist das anschaulich zu erklären, dort dreht sich die Erde einfach unter dem Pendel her.

Über die Corioliskraft in der Atmosphäre:


Über den Einfluss der Corioliskraft auf Wasserstrudel: