Karl-Georg Hemmerich

deutscher Maler, Schriftsteller und Komponist
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Karl-Georg Hemmerich (* 29. Mai 1892 in München-Schwabing; † 14. November 1979 in Gland VD) war Maler, Schriftsteller und Komponist.

Karl-Georg Hemmerich war das einzige Kind seiner Eltern. Der Vater, stammte aus einer Hugenottenfamilie in Toulouse und war am Bayrischen Königshofe tätig.

Seine Mutter „Rosa“ war eine geborene GREGORY, gebildet und schön. Nach der Revolution 1918 sind die Eltern, mit dem Ende der Wittelsbacher Monarchie nach Altomünster umgesiedelt, um hier ihren Ruhestand zu verbringen. Einem Brief K.G.H. ist zu entnehmen, dass er seinen Vater im Frühjahr 1929 in München zum 80. Geburtstag besuchte. Sein Vater muss also 1849 geboren sein. Die Grabstätten der Eltern befinden sich auf dem Ostfriedhof in München. KARL GEORG HEMMERICH begann auf Wunsch der Eltern eine Ausbildung in einer Münchener Bank. Aber die Neigung künstlerisch tätig zu sein war größer. Er brach die Lehre ab – wohl 18-jährig - und studierte vor dem ersten Weltkrieg in München und Paris an den Kunstakademien. Im Nachlass befinden sich Zeichnungen, die signiert und datiert sind mit „Paris 1913“. Man kann annehmen, dass er sich 1912–13 zu seinem Studium in Paris aufhielt und spätestens mit dem Ausbruch des ersten Weltkrieges nach Deutschland zurückkehrte. Das Jahr seiner Rekrutierung ist nicht bekannt. Wahrscheinlich erfolgte sie 1916 als 24-jähriger. Nach einer Verwundung hatte er das Glück, von einem Vorgesetzten, der seine künstlerischen Arbeiten schätzte, in der Schreibstube beschäftigt zu werden und entging so dem erneuten Fronteinsatz.

1919 heiratete er Ursula Ruth Kwilecki, Tochter eines erfolgreichen Arztes aus Breslau. Sie studierte im München Medizin. Ihre Mutter war Jüdin.

Hemmerich verdiente in den 20-er Jahren seinen Lebensunterhalt als Porträtist uns Komponist. Einige seiner frühen Kompositionen wurden in München uraufgeführt. Auch als Maler hatte er erste Erfolge. In den wirtschaftlich schwierigen Jahren gab er Kompositionsunterricht und leitete einen Chor. Es müssen schwere Zeiten für das junge Paar gewesen sein. Er schreibt darüber: „Die Jahre des Elends haben uns nicht verbittert“. 1925 wurde dem Paar ihr einziges Kind, die Tochter Ursula, geboren. Schon 1928 emigrierte er auf Grund der sich abzeichnenden politischen Entwicklung mit dem in Deutschland zunehmendem aggressiven Antisemitismus in die Schweiz. Trotz nicht gelungener Einbürgerung, – die Nazis hatten auch in der Schweiz ihre fein gesponnenen Netze -, konnte er sich dank der Hilfe guter Freunde mit seiner Familie bis Kriegsende in der Schweiz aufhalten, die ihm und seiner Familie dann auch Gastland bis zum Tode blieb. Er arbeitete während des Krieges hauptberuflich als freier Maler, Schriftsteller und Komponist. Mit der Ideologie des Nationalsozialismus setzte er sich weiterhin vehement auseinander. Schon 1935 erschien sein Buch „Das ist der Mensch“ im „Bernhard Krohn Verlag“. Schon bald nach dem Erscheinen wurde die gesamte Auflage von der Gestapo beschlagnahmt, vernichtet und am 19. Mai 1936 symbolisch bei einer öffentlichen Buchverbrennung dem Feuer übergeben. Nur ein einziges Exemplar blieb erhalten, welches er bei Ausbruch des 2. Weltkrieges mit anderen belastenden Dokumenten vergraben hatte in der Befürchtung, Hitler könne evtl. mit seiner militärischen Übermacht auch die Schweiz angreifen und besetzen. In dem einzigen erhaltenen Exemplar hat Hemmerich handschriftlich vermerkt: „Livre séquestré et détruit par la Gestapo le 19 mai 1936“. Im Mai 1945 schrieb er im Rückblick auf seine Schrift (unveröffentlicht): „Jetzt, nach der deutschen Niederlage möchte dieser Versuch der Verteidigung der allgemeinen Menschenwürde durch einen Deutschen in der Gegenwart seinen Platz finden. Die Ereignisse haben sich bewegt, aber den Gedanken des Verfassers keine andere Richtung gegeben und, da das deutsche Problem durch die Niederlage noch nicht gelöst ist, so möchte ein Versuch, aus der Vielfalt des Geschehens das Wesentliche herauszulösen, sich rechtfertigen. Möge er der Welt zeigen, dass das deutsche Problem vor der Katastrophe, zur Sprache gebracht wurde von einem Europäer deutscher Herkunft. So wird der Unterton von Verzweiflung erst heute verständlich, da die Welt entsetzt an Massengräbern steht...

Dem Übermenschen ist der Untermensch gefolgt...

Von der Vorbereitung des deutschen Volkes durch blutrote Plakate „Schlagt die Juden tot“, die ich 1920 in München gesehen habe, bis zur Machtergreifung war ein weiter Weg: Deutschlands prahlerischer Aufstieg zur „Ordnungsmacht“ und dieses unter dem Beifalle Europas, welches den Feind, der deutschen Parole blind folgend“ in Russland vermutete. Jeder moralische und finanzielle Kredit wurde dem Reiche gewährt unter dem Zeichen des Antibolschewismus...

Waren doch die ersten Opfer des deutschen Systems „nur“ Juden, später aber Intellektuelle jeder Art. Die Entrechtung der Juden als Staatsbürger und Menschen hat das demokratische Europa nicht empört und das ist seine Mitschuld. Es war mir aber gewiss, dass der Entrechtung der Juden die aller anderen Europäer folgen würde, sobald die Landesgrenzen einmal überschritten waren………Es wäre des endlichen Sieges unwürdig, auch die Deutschen, die „am anderen Ufer standen“, in das Massengrab Deutschland zu werfen; sie haben ein Recht gehört zu werden, da sie das Kreuz der Verantwortung schon solange tragen, als es den Nationalsozialismus gibt, der die schwelende Masse der europäischen Gesellschaftsumschichtung zur Flamme anfachte; unter ihrem schauerlichen Lichte haben wir auf verlorenem Posten gekämpft, ohne dass wir uns jetzt des Sieges freuen dürften. Was nun? Werden wir wieder versuchen, dieses Geschehen zu „verstehen“, den kausalen Meterstab anlegen an ein vieldeutiges, viel dimensionales Geschehen? Der Mensch will verstehen, will erklären was geschehen ist, statt zu erleben, was geschieht. Es führt aber keine Brücke vom Erlebnis zur Erklärung; Erlebnis kann Klärung werden, niemals aber Er-klärung…….Niemand kann entscheiden, wie viel von der Gesamtschuld den Einzelnen trifft und die Gefahr ist groß, dass die noch lebenden Vertreter des geistigen Deutschlands, die den Anspruch erheben können Europäer zu sein, mit verdammt werden, indem man sie nicht beschützt………..Wenn der Untergang Deutschlands uns eine Lehre sein soll, so müssen wir uns auf die gesellschaftsbildenden Kräfte besinnen, welche andere sind als die des materiellen Wiederaufbaus; die bloße Ansammlung von Menschen innerhalb eines politischen oder geographischen Raumes ist noch keine Gesellschaft und ohne diese ist keine Freiheit……………….Wir müssen eine neue Freiheit suchen ohne uns durch Schlagworte wie Individualismus und Kollektivismus täuschen zu lassen. Wenn wirtschaftliche Notwendigkeiten allein die Zukunft Europas bestimmen dürfen, dann wird der Kollektivismus das Wesen der Demokratie als individualistisch aufheben. Unversehens kann der Wirtschaftskollektivismus die einzige Form Europas werden, welche dann nicht mehr demokratisch wäre. Die demokratisch-moralischen Grundbegriffe des Staates wie Freiheit, Recht usw. müssen den Vorrang haben vor den wirtschaftlichen, wie zwingend diese auch auftreten mögen………….Das Trugbild einer erklärbaren Welt, in der Geschichte vorauszusehen wäre, verschwindet aber im Augenblick der Krisis. Die Vernunft wird durch die Notwendigkeit ersetzt, weil diese eben vernünftig begründet werden muss. Sittlichem Denken allein ist die Begrenztheit der Vernunft fühlbar: es weiß, dass es auch in der Krise sittlich handeln wird.

Anmerkung: In der Enzyklika „Deus caritas est“, der ersten Enzyklika des Papstes Benedikt XVI. vom 25.1.2006, also 61 Jahre nach Hemmerichs Stellungnahme vom Mai 1945 zu seinem Buch „Das ist der Mensch“ findet sich Folgendes: Der Aufbau gerechter Strukturen innerhalb der Gesellschaft ist zwar Aufgabe der Politik, die dies nach der Maßgabe „selbstverantwortlicher Vernunft“ leistet; die Kirche hat aber eine unmittelbare Aufgabe an diesem Projekt, nämlich die „Reinigung der Vernunft zur Weckung der sittlichen Kräfte“

Es liegt ein Manuskript Hemmerichs vom 17. Nov. 1938 vor, dass er dem Chefredakteur der schweizer Zeitschrift „Der Bund“, Herrn Ernst Schürch“ zuschickte. Ob es veröffentlich wurde, ist nicht bekannt. Ihm schreibt er: „es ist schon lange her, dass Sie beinahe einen Artikel von mir gedruckt hätten, der heute noch aktuell wäre. Ich wage es mich wieder einmal zu melden mit einem Beitrage, der als Leitartikel gedacht ist. In der Zeitung liest man freilich solche Gedanken sonst nicht, aber wo sollte man sie denn sonst lesen?......In der „kommenden Auseinandersetzung zwischen Demokratie und den „Anderen“ hat die erstere bis jetzt keine Waffe, als die Tradition, welche keine kämpferische Gegenwart erzeugt; und was wäre Tradition gegen die unwiderstehliche Dynamik des Nihilismus? So heißt die Sache und sein Vorbote heißt Antisemitismus, sein Opfer heißt Demokratie. Aufgabe jeder Tageszeitung wäre es, diesen Sachverhalt dazustellen ohne politischen Aspekte, um auch endlich dem „kleinen Mann“ klarzumachen, am Beispiel der Judenhetze, dass nur die Humanität die Demokratie verteidigen kann, nicht umgekehrt. Ich wiederhole mich, wohl oder übel, schon seit zehn Jahren……….Deutschland aber wird den Vernichtungskampf aufnehmen! Jahrlang hat man, auch in der Schweiz, den Teufel rot an die Wand gemalt; erschienen ist er aber braun. Ich lebe und kämpfe für die Schweiz, obgleich ich kein Schweizer bin; ich verdanke ihr vieles und möchte ihr danken, durch die Wahrheit.“

Er beschäftigt sich hier leidenschaftlich mit dem Schicksal der jüdischen Bevölkerung in den deutschsprachigen Ländern Europas. Die Überschrift lautet: „Christus schweigt“……... Nachfolgend Auszüge aus dem Manuskript: „Der Jude wird verbrannt“, Lessing 1938. „Deutsche, die Juden ein Asyl gewähren, machen sich strafbar“ Tageszeitung 1938.

Der große deutsche Humanist Lessing hat uns in seinem „Nathan der Weise“ ein ergreifendes Denkmal der Menschlichkeit hinterlassen, ein Denkmal, das wir eigentlich heute erst feierlich zu enthüllen haben. Es ist die Geschichte eines Juden und wird heute die Aller. Wir reden hier nicht von der einfältigen Weisheit des Juden Nathan, der über die ausgeklügelteste List triumphiert; wir reden davon, dass er Mensch geblieben ist, trotzdem------trotz wessen?

„Ihr wisst wohl aber nicht, dass wenig Tage zuvor, in Gath die Christen alle Juden mit Weib und Kind ermordet hatten; wisst wohl nicht, dass unter diesen meine Frau mit sieben hoffnungsvollen Söhnen sich befunden, die in meines Bruders Hause, zu dem ich sie geflüchtet, insgesamt verbrennen müssen“. Nathan, 4. Aufzug, 7.Auftritt.

Nach diesem Schlage hat Nathan sich selbst besiegt und ein hilfloses Christenkind zu sich genommen, es geliebt und erzogen wie sein eigenes. Nach langen Jahren wird entdeckt, dass dieses Kind Jüdin geworden ist, also nicht christlich getauft. Der Jude Nathan kennt die Christen und ahnt sogleich, was kommen muss und kommt. Der Patriarch von Jerusalem trifft die Entscheidung über diesen seltenen Fall von Menschlichkeit, indem er sagt: „Der Jude wird verbrannt“. Wie, verbrannt für eine Tat höchster Menschlichkeit? Heute erst begreifen wir die Härte des Patriarchen, der sagen wollte, dass der Jude kein Mensch sei, also auch nicht imstande, Menschenrechte auszuüben und zu fordern. Traurige, unbegreifliche Wahrheit! Erkennen wir uns selbst in dem furchtbaren Schicksal der Anderen? Die Freiheit aller Menschen wird hier, mit den Juden, auf die Schlachtbank geführt. Sollen jene Christen, denen die Menschenwürde noch ein Besitz ist, sollen jene, die noch ein Brot auf dem Tische, ein Dach über dem Haupte und das Wort Gottes im Munde haben, sollen sie tatenlos zusehen? – Was sind denn Taten? Nur um eine handelt es sich, deren jeder fähig ist, um diese, dass mit der Vernichtung der Menschenwürde, die jetzt wie eine blutige Wolke über der ganzen Erde liegt, der Nihilismus, als Weltrevolution, unweigerlich jenes Entsetzen über die Menschen bringen muss, das kein Krieg bringen könnte und wäre er noch so grausam. Der Krieg tötet nur die Leiber, aber nicht die Menschenwürde; der Antisemitismus tötet beides. Christus aber, redemptor mundi, ist nur ein Mal gestorben für unsere Freiheit und wenn wir Christen für dieses heilige Vermächtnis nicht kämpfen wollen, dann gibt es kein Christentum mehr. Wagen wir es doch auszusprechen, dass Christentum und Kirche nicht mehr eines sind; dass die angstvolle Herde in der Finsternis irrt, ohne den guten Hirten, dessen zerbrochener Stab eine Beute geifernder Wölfe ist, die sich zu Führern gemacht haben. Millionen von Menschen fallen jetzt vom Christentum ab und werden Soldaten des Teufels: es ist die Armee des Nihilismus, der jede Existenz verneint. Es ist die letzte Stunde freier Entscheidung für die Demokratie! Möge sie es hören und sich zum Kampfe rüsten für eine Sache, die gewiss ihre eigene ist, denn ohne Ehrfurcht vor den Menschenrechten gibt es keine Demokratie. Nur die Menschlichkeit kann die Demokratie wirksam verteidigen, nicht umgekehrt. Wohl kann der Staat Gesetze erlassen gegen fremde Einflüsse; was aber sind Gesetze gegen etwas Immaterielles? Stunde um Stunde kommt durch die Ätherwellen die Propaganda der Unmenschlichkeit zu uns, in immaterieller Form. Wer gebietet diesen Wellen? Nur jene, die sie senden und sie sind des Erfolges sicher. Es liegt eine furchtbare Unwiderstehlichkeit in jeder Verneinung und eine Propaganda gegen den Begriff der Menschenwürde ist tödlicher als Giftgas, weil sie alle trifft. Scheuen wir einen grausamen Vergleich nicht. Es gibt überall Tierschutzvereine; Menschenschutzvereine gibt es noch nicht. Rassehunde haben ihre Hütte unzählige Juden aber, weder wertvoll als Menschen, noch nützlich als Tiere, haben auch diese Hütte nicht mehr. Mögen jene, die sie entehrt, entrechtet, also seelisch vernichtet haben, doch noch den letzten Schritt tun und sie körperlich töten.

Erschrecke niemand vor dieser scheinbar grausamen Konsequenz, der nicht den Mut hat, dieses Problem als unlösbar anzusehen. Schon dass es besteht, ist eine Schande für das Christentum als Ganzes und für jeden Christen als Individuum. Der Sturmwind der Zeit wird die Dogmen verwehen, die heilige Flamme des Christentums aber wird er nicht auslöschen, sie heißt: Ehrfurcht vor dem Menschen; wer den Mut hat, der füge hinzu – als dem Ebenbilde Gottes. Der Mensch kann das Ebenbild Gottes werden durch den Geist, der sich selbst erkennt; dass er aber dieses Ebenbild sei, dagegen sprechen seine Taten. Wer trifft denn die letzten Entscheidungen für oder gegen den Menschen? Der Mensch! Wer Ursache des Todes eines Menschen ist, hat eine letzte Entscheidung getroffen. Dieses sei jenen gesagt, die noch zögern, sich für die Menschlichkeit zu entscheiden, weil sie sich nicht bedroht glauben; sie sind es aber, denn der Nihilismus ist näher, als sie ahnen.

Noch eine Lüge muss hier entlarvt werden, diese, dass das Töten im Jahre 1918 aufgehört habe; es war nur eine Atempause der erschöpften Furie, lange genug, um die Opfer zu begraben, prahlerische Denkmäler zu errichten und neue Opfer zu zeugen. Wahrlich, auf dem Trümmerfelde Europa gibt es nur noch eine Minderheit: es ist der Mensch selbst. Lassen wir die „Rassen“ und selbst die Religionen beiseite und fragen wir unser Gewissen: Wer auf dieser Erde dürfte es wagen, zu entscheiden, wer ein Mensch sei und wer keiner? Und doch ist die Entscheidung gefallen und das Christentum hat geschwiegen und mit ihm schweigt Christus. Wie lange noch?

In der Zeit des dritten Reiches brach Hemmerich fast alle Verbindungen nach Deutschland ab. Er musste feststellen, dass auch alte Freunde der Naziideologie anhingen. So schreibt er 1933 an einen Freund aus der Zeit vor seiner Emigration (auszugsweise): „Ich habe die Verbindung zwischen Ihnen und mir noch nicht als abgerissen empfunden. Ich kann mir aber andererseits nicht vorstellen, dass unsere persönliche Verbindung nicht leiden würde, wenn Sie fühlen müssten, dass ich gerade das, was Ihnen gegenwärtig das Teuerste scheint, völlig ablehnen muss…….Ich kann auch nicht, etwa als Erklärung für eine mir unbegreifliche Denkungsweise, sagen, dass Sie noch jung seien, dass eine blinde Begeisterung Sie hinrisse. Ich nehme also an, dass Sie gute Gründe haben müssen für diese Sache und ich glaube sogar, dass ich diese Gründe kenne: es müssen die sein, die alle anderen Anhänger dieser Bewegung auch ausführen und ich muss sagen, dass diese Gründe, mit Pulver und Blei gehörig vorgebracht, unwiderstehlich sind…………..Der deutsche Antisemitismus ist einer der Hauptpunkte des nationalen Programmes und mit ihm allein ist in meinen Augen diese Bewegung gerichtet; nicht allein, dass man den Juden die materielle Existenz nimmt: man tut noch etwas viel Schlimmeres, vielleicht das Schändlichste, was man als Mensch überhaupt tun kann: man macht eine Gemeinschaft von Menschen verächtlich, weil sie existieren. Die Ehrfurcht vor dem Leben, als Grundlage des sittlichen Denkens, ist hier auf das Grausamste verletzt. Ich muss darunter leiden, als ob ich ein Jude wäre, denn ich habe unter dieser unglücklichen Rasse die edelsten Menschen kennen gelernt und von Ihnen Beistand und Förderung auf jede Weise erfahren. Da mir die Dankbarkeit heilig ist, und ich überhaupt ein handelnder Mensch bin, so ist hier das stärkste Gefühl, dessen ich fähig bin, verletzt. Es ist sehr traurig zu sehen, dass die Menschen zu ihren „Erhebungen“ immer dann am leichtesten zu begeistern sind, wenn es andere Menschen zu vernichten gibt, ja, dass sie ihre Begeisterung gerade aus ihrer Grausamkeit schöpfen……..Denn Sie wissen und müssen wissen, dass dieser Antisemitismus seit Jahren planmäßig vorbereitet und jetzt planmäßig durchgeführt worden ist. Ich klage Sie also mit an, da Duldung hier dasselbe ist wie Handeln. Es wäre mir ein großes Erlebnis gewesen und hätte unsere langjährige Freundschaft gekrönt, wenn Sie von dieser Bewegung überhaupt nicht wären ergriffen worden………und tatsächlich konnte ich auch nicht anders, als so zu handeln und hier trennen sich nun unsere Wege endgültig………………. Die Antwort darauf wird Ihr eigenes Leben sein und die Zukunft Ihres Vaterlandes, von welchem ich mich feierlich lossage, nicht weil ich Kosmopolit bin oder gar Kommunist, sondern weil ich ein Mensch und ein Christ bin, der das schauerliche Erlebnis des letzten Krieges hinter sich hat und weil ich, obwohl ein kämpfender Mensch, mir den Frieden erkämpft habe und glaube, dass meine Werke, die diesen Frieden mit den feierlichsten Mitteln aussprechen, der Menschheit gehören, auch dann noch, wenn die sonderbaren Heiligen dieser Tage längst vergessen und gestorben sind. Im Nachlass H. findet sich die auszugsweise Abschrift eines Briefes von Herrn Dr. L. Lichtenhan aus Basel vom 2. Dez. 1947 an Frau Maria Geroe: „…….Zunächst über meinen Besuch bei Hemmerich. Es war schön und ich glaube, wir haben uns gut verstanden. Dass der Mann sehr viel Stil hat, ist ohne weiteres klar und man liebt auch sogleich seine kompromisslose Art, die so schön mit seinem lebhaften Antlitz übereinstimmt. Meinen Eindruck von seiner Kunst versuche ich Ihnen offen zu schildern: Man erschrickt zunächst nicht wenig über die Verbohrtheit dieser Ausdrucksweise, wird aber bei näherer Betrachtung inne, wie viel an Überlegung und großartiger Subtilität darin steckt, ohne sich zu verbergen, dass hier ein typisch deutsches Künstlerschicksal mit seiner ganzen Unnachgiebigkeit nach außen sich vollzieht. Die Graphik macht einen viel unmittelbareren Effekt als die Bilder. Im großen Publikum ist die zum Begreifen neuartiger Ausdrucksformen erforderliche Geduld des Urteils nicht vorhanden und dies macht die Perspektive eines praktischen Vorgehens (Ausstellung) sehr schwierig. Ich habe H. gesagt, dass ich wiederkommen würde; ob mir in der Zwischenzeit etwas vernünftiges einfällt, das steht noch in den Sternen……

1948 machte er den Versuch einige seiner großformatigen Bilder mit religiöser Thematik in Freiburg auszustellen, was schon rein transporttechnisch unter den damaligen Bedingungen ein extrem schwieriges Unterfangen war. Seine nur schwer zugänglichen religiösen Bilder, weder einem klaren Expressionismus, Surrerealismus noch phantastischem Realismus verhaftet, wurden abgelehnt. Er schreibt in einem Brief an seinen Freund Freiherr von Gebsattel:

„Die Feindseligkeit, mit der meine religiösen Bilder dort (und später auch in München) aufgenommen worden sind, war zwar ärgerlich, aber nicht entmutigend. Dass ich etwas Neues gewollt habe, haben auch meine Gegner anerkannt; ihr Vorwurf richtet sich also offenbar gegen die Mittel, die nicht die der Zeit sind, die nur das zweidimensionale Bild anerkennt. Wo aber eine Handlung dargestellt ist, wie in meinen Bildern, da muss auch der Raum sein, worin sie geschieht. Es soll nämlich, heute nichts geschehen! Furcht vor dem Handeln und der unvermeidlichen Verantwortung hat doch den Dämon, den Diktator, erzeugt, das Wesen also, das uns das Handeln abnehmen soll“.

In dem in den 50-er Jahren anbrechenden Siegeszug der gegenstandslosen bzw. abstrakten Malerei hatten seine gegenständlichen Arbeiten keine Chance mehr. Er hat dies selbst sehr deutlich in seinen Briefen erkannt und belegt. Durch unglückliche Umstände hatte Hemmerich während des zweiten Weltkrieges den größten Teil seines Vermögens verloren. Da er mit seiner künstlerischen Arbeit die Familie nicht mehr ernähren konnte zwangen ihn die Umstände in einen anderen Beruf. Sein „Sprachgenie“ und seine exzellenten Kenntnisse der Kunstgeschichte ermöglichten ihm eine sehr erfolgreiche Tätigkeit als Übersetzer von Kunstbänden bei dem weltbekannten Schweizer „Skira-Verlag“. Er übersetzte deutschsprachige Ausgaben aus dem Französischen, Englischen und Italienischen. So kommt es, dass wenn man seinen Namen bei „Google“ eingibt, über 50 Einträge erscheinen. Marc Chagall hat ihm ein Exemplar des übersetzten Bandes aus der Reihe, Le goût de notre temps“, Autor Lionello Venturi, mit einer Tuschzeichnung und Namenszug signiert (siehe Abbildung). Es gibt wenig Schriftliches aus seiner Feder über die Übersetzertätigkeit. 1953 schreibt er zu einem Picasso-Band: “Der von mir übersetzte Picasso (Verlag Skira) wird wohl noch vor Weihnachten in Deutschland ausliegen und es würde mich freuen, wenn Sie ihn sich ansehen wollten. Der zu übersetzende Text war von der größten Schwierigkeit schon allein durch das Thema der abstrakten Kunst. Meine Übersetzung ist äußerst getreu und unterschlägt deshalb auch die Schwächen des Originals nicht., obgleich es einfacher gewesen wäre, zu interpretieren, statt zu übersetzen. durch das Thema der abstrakten Kunst. Ist nämlich das Original, wie manchmal, nicht deutlich oder gar nicht deutbar, so können Sie sich vorstellen, in welcher Lage ein Übersetzer ist, der sich auf eine ungefähre Deutung nicht einlassen will. Ich habe indessen einige Stellen mit dem Autor selbst diskutieren dürfen, der mit mir, obschon des Deutschen nicht mächtig, zufrieden war.“ Bei www.artprice.com finden sich nur 3 Hinweise auf Kunstwerke von Hemmerich, die bis heute auf dem internationalen Kunstmarkt angeboten wurden. U. a. ein Auktionsergebnis bei „Swann Galleries“ in New York, wo eine Mappe der Kreisleriana 1996 für 275 USD versteigert wurde. Zwei angebotene Ölbilder fanden keine Interessenten. Etwas anders sieht es bei seinen Schriften aus. Im Verzeichnis von www.zvab.de finden sich einige Titel seiner Bücher, so z.B. seine „Gedichte“ gedruckt bei Jakob Hegner in Hellerau und „Wirk-lichkeit und Überlieferung“ erschienen im Bernhard Krohn Verlag. So kann man Alles in Allem sagen, dass er wirklich zur Generation „der vergessenen Künstler“ gehört.

Im August 1969 schreibt er als 77- jähriger mit klarer und fester, noch nicht vom Alter geprägter Handschrift an einen alten Bekannten (auszugsweise): Zu lange schon ist unsere Korrespondenz unterbrochen und ich mache mir Sorgen, wie es Ihnen gehe. Ich denke oft an Sie, denn Sie sind der einzige aus der „guten alten Zeit“ mit dem ich mich noch verbunden fühle. Werden wir uns je wieder sehen? Ich habe mein Domizil in Italien aufgegeben und lebe in der Nähe meiner verheirateten Tochter in Gland, 30 km von Genf, werde aber im nächsten Monat für längere Zeit (bis Ende Oktober) wieder in Italien sein. Ich stehe nun, obgleich in guter Verfassung, im 78. Jahre und suche – nicht nur deshalb – vergeblich mich zu orientieren angesichts einer künstlerischen und gesellschaftlichen Evolution, die alles in Frage stellt, was uns noch als unverrückbar erschien und habe keine Gelegenheit, mit einem Menschen meiner Generation darüber zu sprechen. Die alten Freunde sind verschollen, nur mit „S“ habe ich noch einen losen, konventionellen Kontakt; er war bis vor Kurzem Professor am Münchener Konservatorium und beschäftigt sich mit Musiksoziologie…………..Ich habe im Januar 68 meine Frau, die tapfere Kampfgefährtin in schwierigen Jahren, verloren. Die nicht bewältigte Vergangenheit wirft ihre langen Schatten über ein „nomans land“ und die Jahre 1933 – 45 haben alles verschlungen. Wo stehen wir? Hemmerich arbeitete bis 1968, also bis zum 78. Lebensjahr, für den Skira-Verlag. Nach dem Tod seiner Frau 1967 lebte er noch 12 Jahre im familiären Bezug zu seiner Tochter. Am 14. November 1979 starb er in Gland im Alter von 87 Jahren. Seine Totenmaske zeigt das Antlitz eines nach „innen gekehrten“ Weisen. Seine Grabstätte ist auf dem kleinen Friedhof in Vich bei Gland (siehe Abb). Sein Grabkreuz ohne Namen ließ er noch zu Lebzeiten nach einem eigenen Entwurf anfertigen. Es zeigt in der Mitte ein Alpha und ein Omega und gibt so der Nachwelt einen letzten Hinweis auf seine im christlichen Glauben verwurzelte Persönlichkeit.


Der Maler

Die frühesten erhaltenen Arbeiten stammen aus der Zeit vor dem ersten Weltkrieg. Sie sind vermutlich „zufällig“ erhalten geblieben. Wie viele Maler, hat auch Hemmerich seine frühen Arbeiten vernichtet. In einem Brief vom 11. Januar 1963 schreibt er: Ihre Mahnung, meine Jugendwerke nicht zu vergessen, hat mich tief betroffen, denn hier habe ich schwer gesündigt durch die Zerstörung oder Übermahlung großer religiöser Bilder der expressionistischen Zeit, die 1923 mit einer scheinbar ausweglosen Krise abschloss“. (s. Abb. Rechts) In einem anderen Brief an Freiherr von Gebsattel heisst es: "Sind doch unsere Jugendwerke weit charakteristischer, als wir später wahr haben wollen: sie holen uns eines Tages ein und wir werden gewahr, dass unsere Begriffe von Vergangenheit und besonders von Entwicklung falsch sind. Es ist der natürliche Selbstbetrug der kausalen Welt; wir glauben zu wissen wo wir waren, wo wir aber (jetzt) sind, das wissen wir nicht. Immer wird die Szene vor den alten –nicht veralteten- Kulissen gespielt.“. Mehrere Umzüge dürften zu den Verlusten das Ihre beigetragen haben. Seine Frau hatte bereits in der Zeit um 1920 damit begonnen seine Arbeiten zu fotografieren oder beauftragte Fotografen. Diese Fotos dokumentieren die häufigen Zustandsveränderungen seiner großen Themenkreise, wie z.B. Pieta, Fußwaschung und Salbung, Auferstehung, Jesus am Ölberg, Gang nach Emmaus usw., und im Nachlass nicht mehr vorhandener Arbeiten. Zahlreiche fotographische Platten und Negative im Format 9 x 12 bzw. 6 x 6 sind erhalten und bedürften noch einer chronologischen und stilistischen Auswertung. Besser ist die Situation bei Hemmerichs graphischem Werk. In Mappen abgelegte Zeichnungen, Skizzen, Zustandsdrucke und Holzschnitte überdauerten, in Schubladen abgelegt, leichter die Zeit, vielleicht manchmal auch ungewollt. Vieles fand sich in einer großen Grafikkommode im Hause der Tochter des Malers. Sie begann nach dem Tode des Vaters damit, den künstlerischen Nachlass zu sichten und lagerte ihn in einem Raum mit geregelter Luftfeuchtigkeit. Die großformatigen Skizzen in Rötel und Bleistift auf Pergamentpapier (gerollt gelagert), ließ sie 1985 restaurieren und säurefest unter Plexiglas rahmen. Die Gemälde wurden ebenfalls gereinigt, soweit notwendig restauriert, gefirnisst und gerahmt. Hemmerich beherrschte alle gängigen Techniken der Malerei: Öl-, Aquarell- und Tuschmalerei, weiß gehöhte Bleistift-, Kohle- und Rötelzeichnungen, Radierungen (Strichätzung, Kaltnadel, Vernis Mou und Aquatinta) sowie Holzschnitte. Zahlreiche Druckstöcke aus Hartholz sind erhalten. Dabei scheint Hemmerich den Handabzug bevorzugt zu haben weil durch die Art des Einfärbens der Druckstöcke und durch das Abreiben das Druckergebnis vom Künstler selbst zu variieren ist. Die Abzüge zeigen daher keinen Quetsch- oder Plattenrand (Abb. oben). Hemmerich hat sich wohl einige Jahre seines Lebens besonders mit japanisch- chinesischer Kunst beschäftigt und seine Kenntnisse im Holzschnitt angewendet Über die chinesische Kunst schreibt er:(auszugsweise):“………….Der Chinese bewertet das Leben nicht: er erlebt es. Diese Einsicht ist entscheidend für den Europäer, der sich China nähern will; ob er ihm je näher kommt, ist eine andere Frage; denn es gibt, wie mir scheint, für uns keinen Weg China zu verstehen. Man müsste auf der Brücke stehen wie die beiden Freunde und sich über die „Freude der Fische“ unterhalten; dieses außerordentliche Stück hat mir eine Ahnung von China gegeben, weil hier der Gegensatz zwischen europäischem und asiatischem Denken entscheidend zum Ausdruck kommt zugleich fühlt man den unermesslichen Abstand, der nicht im Geistigen liegt, sondern im Sinnlichen. Man denke nur an das törichte Gerede von der „abstrakten“ Kunst, die die Wirklichkeit „vergeistigen“ möchte statt das Geistige zu versinnlichen; denn was nicht versinnlicht werden kann, ist auch nicht geistig. Ein gewagter Satz, den ich aber wage, weil ich auf der chinesischen Brücke gestanden habe. Man möchte glauben, der Europäer habe nie die Wirklichkeit erlebt -siehe ein chinesisches Landschaftsbild-“.

Die Grafik Seine graphischen Hauptwerke sind die Radierzyklen „ Die Grosse Passion“, sowie nach E.T.A Hoffmanns (1776-1822) Werken: „Kreisleriana“, „Prinzessin Brambilla“ und seine „Fantasiestücke in Callots Manier“. Vom Werk E.T.A. Hoffmanns fühlte sich der junge Hemmerich offensichtlich besonders angezogen. Lag es daran, dass auch dieser ein „Mehrfach-begabter“ war – Schriftsteller, Kapellmeister, Komponist und Zeichner? Hoffmanns Talente sind in ihren vielfältigen Ausdrücken, ähnlich wie bei Hemmerich, nie trennscharf voneinander gewesen, Musik und Schriftstellerei, beide oft verbunden und das Schreiben bzw. das Zeichnen gingen häufig ineinander über. Zahlreiche seiner Erzählungen hat Hoffmann selbst illustriert. Bei der Lektüre von „Prinzessin Brambilla“ mögen Hemmerich die fantastisch karikierten Kupfer-Stiche Callots zu „Comedia dell´arte-Szenen“ des römischen Karnevals inspiriert haben.

Die Ölbilder Über seine großformatigen Ölgemälde christlicher Thematik schreibt Hemmerich nach dem Kriege an den katholischen Geistlichen Dr. Tetzlaff Folgendes (auszugsweise aus Briefen vom 1.2. und 18.3. 1949): „Der Ausgangspunkt für Ihre Darstellung sollte die Tatsache sein, dass in meinem Werke der Mensch wieder einmal der Gegenstand des Bildes wird, was er lange nicht mehr war. War doch der Mensch für die neuere Kunst niemals mehr als ein Gegenstand unter anderen Gegenständen, ein Vorwand für eine experimentierende Kunst. Mit anderen Worten: die neuere Kunst hat überhaupt keinen anderen Gegenstand mehr, als das Objekt; die transzendentale Natur des Menschen wird geleugnet und so entstehen nicht nur die historischen Katastrophen, sondern auch die Bilder mit den zerfetzten Menschenleibern………. Hier muss nun ein weiterer wichtiger Punkt zur Sprache kommen: dass nämlich seit vielen Menschenaltern in der Kunst und besonders in der religiösen immer nur die Ausdrucksmittel, nicht aber die Gehalte entwickelt worden sind. Es ist meine historische Aufgabe, nach langer Zeit einmal wieder den Gehalt zum Gegenstande der Darstellung zu machen, d.h. die alten, unzähligen Male wiederholten Stoffe sind „Neu erlebt“. Das also „das Neue“ welches hier auftritt, sich nicht revolutionärer, sondern konservativer Mittel bedient und bedienen muss, ist für jeden klar, der den Vorgang überhaupt verstehen kann. „Das Neue“ braucht keine "neuen Darstellungsmittel", weil der Gehalt neu ist. Nur das, wo dieser nicht vorhanden ist, müssen pseudorevolutionäre Mittel über das Fehlen des Stoffes (oder Gehaltes) hinweg täuschen. Der Gegenstand meiner Bilder ist also, ganz allgemein gesprochen, der „handelnde Mensch“, wobei ich voraussetze, dass nur die religiöse Mensch überhaupt handelt. Ganz äußerlich gesehen ist in meinen Bildern das Zusammensein mehrerer Menschen unter dem Einfluss einer höheren Macht dargestellt. Es entsteht somit, durch das Zusammenwirken "aller" Mittel des Bildes die Darstellung einer in sich geschlossenen Handlung. Die Landschaft, z.B., welche den Hintergrund des Bildes darstellt, ist hier nicht, wie auf alten Bildern, eben nur unbeteiligter Hintergrund, sondern ein mithandelndes Element, wenn nicht der Grund der Handlung überhaupt. Ehe also das (darzustellende) Wunderbare in Erscheinung treten kann, muss der "geistige" Raum, worin allein es geschehen kann, dargestellt werden. Kunst und besonders in der religiösen immer nur die Ausdrucksmittel, nicht aber die Gehalte entwickelt worden sind. Es ist meine historische Aufgabe nach langer Zeit wieder einmal den Gehalt zum Gegenstande der Darstellung zu machen, d.h. die alten, unzähligen Male wiederholten Stoffe sind „neu erlebt“. Das also „das Neue“ welches hier auftritt, nicht revolutionärer, sondern konservativer Mittel bedient und bedienen muss, ist für jeden klar, der den Vorgang überhaupt verstehen kann. “Das Neue“ braucht keine „neuen Darstellungsmittel“ weil der Gehalt neu ist. Nur da, wo dieser nicht vorhanden ist, müssen pseudorevolutionäre Mittel über das Fehlen des Stoffes (oder Gehaltes) hinweg täuschen. Der Gegenstand meiner Bilder ist also, ganz allgemein gesprochen, der „handelnde Mensch“, wobei ich voraussetze, das nur der „religiöse Mensch“ überhaupt handelt. Ganz äußerlich gesehen ist in meinen Bildern das Zusammensein mehrerer Menschen unter dem Ekinfluss einer höheren Macht dargestellt. Es entsteht somit, durch das Zusammenwirken aller Mittel des Bildes die Darstellung einer in sich geschlossenen Handlung. Die Landschaft, z.B., welche den Hintergrund des Bildes darstellt, ist hier nicht, wie auf alten Bildern, eben nur unbeteiligter Hintergrund, sondern ein mithandelndes Element, wenn nicht der Grund der Handlung überhaupt. Ehe also das (darzustellende) Wunderbare in Erscheinung treten kann, muss der „geistige“ Raum, worin allein es geschehen kann, dargestellt werden. Dieses wird etwa auf den „noli me tangere Bildern besonders deutlich, wo die visionäre Landschaft gewissermaßen die handelnden Gestalten bedingt;; die von vorne gesehene kniende Magdalena sieht nicht den Auferstandenen: Er ist die Vision ihrer gläubigen Seele und ihr Glaube bewirkt, dass er erscheint. Diese niemals versuchte Darstellung könnte auch dem Theologen zu denken geben, so gut wie dem Kunsthistoriker, denn hier ist eine Abstraktion erreicht, an welche die "abstrakte" Kunst nicht einmal denkt, welche glaubt, durch die bloße Verschiebung der geometrischen Achsen eine Art von Abstraktion erreicht zu haben. Abstraktion ist aber etwas ganz anderes: nämlich Konzentration aller Mittel auf "einen" Punkt, in meinem Falle auf das "Wunderbare". Das meine Malereien auf Gold, worin gewiss die höchste Abstraktion erreicht ist, zuerst immer, wie Sie sagen skeptisch beurteilt werden, wundert mich nicht. Und doch ist gerade hier das Gold kein dekorativer, sondern ein notwendiger Bestandteil des Bildes und es wäre mir sehr erwünscht, wenn Sie Gelegenheit hätten, über diese Seite meiner Kunst zu sprechen.....Alle diese Ihre Zuhörer und Zuschauer ahnen ja nicht, wenn sie mit einem Blicke meine Bilder zu erfassen suchen, dass diese das Ergebnis langer und mühsamer Arbeit sind und dass unermessliche Schwierigkeiten überwunden werden mussten, um "gegen die Zeit" mich zu behaupten und zu malen "ad Majorem Die Gloriam"....... Als Schöpfer eines religiösen Werkes bin ich weit mehr Diener desselben als selbstherrlicher Künstler, der sich sein eigenes Gesetz macht. Ich folge dem Gesetze, dass außer mir über mir ist, bin also viel weniger „Person“, als es den Anschein hat. Ich habe aber in meiner Einsamkeit, die Krise des heutigen Menschen tiefer erlebt, als andere, „moderne“ Künstler und glaube, sie in meinen Bildern überwunden zu haben, in denen es keine Krise mehr gibt: daher die „klassische Lösung“. Der moderne die „klassische Lösung“. Der moderne Künstler stellt die Krise dar, d.h. die Welt ohne den Menschen, eine dämonische ja, teuflische Welt", worin die Dinge menschliche Gestalt nach äffen; ich aber die Überwindung der Krise durch die Darstellung des Herrn und ihm ähnlicher Menschen. Um dieses zu erreichen, brauchte es Stille und Geduld, und, da es doch große Bilder sind, auch Zeit. Die lange Arbeit an den einzelnen Bildern ist auch Meditation: nach und nach erscheint die "letzte" Form, das Symbol.

Freiherr von Gebsattel verfasste 1920 in München zur „Kreisleriana-Mappe“ und zu den „Fantasiestücken“ von K.G. Hemmerich den folgenden Text (in Auszügen): „Unser Künstler nun, den man E.T.A. Hoffmann kongenial nennen muss, greift, angezogen von der ihm wahlverwandten Gestalt Kreislers, auf das zeitlose Kreislererlebnis zurück und gestaltet es in Radierungen zum stärksten Ausdruck. Nicht um Illustrationen zu Hoffmann handelt es sich in diesen Blättern, deren Inhalt sich meist gar nicht an Hoffmann anlehnt, sondern um Schöpfungen, die dadurch entstanden sind, dass das Kreislererlebnis in ihrem Urheber mächtig wurde. Wie bei Hoffman ein ursprüngliches Erlebnis dichterischen Ausdruck fand in der Gestalt Kreislers, so fand ein gleich elementares seinen bildhaften Ausdruck bei unserem Künstler. Es ist eine ganz eigene Welt seelischer Tatsachen und formaler Möglichkeiten, die der Künstler mit der Überzeugungskraft des wahrhaft ausdrucksfähigen Sehers vor uns hinstellt. Inneres, Unsichtbares wird zu zeigen unternommen: Erlebnisse, Zustände gelangen zu bildhafter Darstellung, die, bevor sie umrissen und festgehalten wurden, jedenfalls nicht anschaubar waren. Damit werden Wege betreten, auf denen heute der Expressionismus nach Neuland fahndet, die aber seit Goya kaum mehr zu nützlichem Erfolg geführt haben. In der Tat scheint eine gewisse Verwandtschaft den Künstler mit Goya zu verbinden. Auch er besitzt das Exakte der Vision Goyas. Träume möchte man diese Blätter nennen, Phantasiestücke, Gesichte, die aber nichts mit dem willkürlichen Spiel reiner Einbildung zu tun haben, sondern die als Ergebnisse eines gesteigerten Wachbewusstseins Tiefen der Wirklichkeit, des Lebens, der Erfahrung erhellen, welche der geübtesten Beobachtungsgabe unweigerlich verschlossen bleiben müssen. Eine strenge Gesetzmäßigkeit beherrscht darum die kühnsten Erfindungen des Künstlers; allein sie ist verborgen wie die der Musik, an deren Entstehung aus Tongesichten überhaupt die Herkunft dieser Bilder erinnert. Kein Zufall ist es, dass der Künstler den Namen Kreislers anruft, um das Unaussprechliche zu gestalten. Überall findet man das unterirdische Walten der Musik in Gebilden, die doch im bildhaften allein Dasein und Grund haben. Was der Ausdruck eines Gesichts, das Hören eines Tons, was Schwermut, Wildheit, Entsetzen, der Kampf mit dem Grauen, gleichsam für den ersten Menschen sein möchte, das geht dem Künstler auf, indem er mit nach innen gewandten, seherischen Blick die Entstehung aller Arten von Ausdruck, das Aufsteigen ihrer Impulse aus dem Unsichtbaren ins Sichtbare belauscht. Und im Augenblick des Übergangs, ihrer Gestaltwerdung im Sichtbaren, fasst der Künstler sie mit raschem, kühnen Griff, misst er die seelische Wirklichkeit, der sie entstammen, mit ans Licht und zeigt das Verborgene am Offenbaren mit der leidenschaftlichen Eindringlichkeit des wirklichen Sehers……

Auf einem Blatt z.B. lauscht Kreisler dem Klang eines fernen Bassetthorns. Das ist die scharfe Wendung des Halses, der gespannte Blick, das Lauschen und Hindrängen zum fernen Ton. So verlassen wir, hörend, den Ort unseres Verweilens und dringen mit allen Sinnen hinaus, hin nach der fernen Quelle des Tons. Was aber soll die zweite Gestalt am Tisch, Kreisler gegenüber? Nach innen gewendet und gleichsam eingestürzt, wie abgestorben der Außenwelt und mit Grauen in sich verwesend, erscheint das Gesicht. Auch hier, so begreifen wir plötzlich, ist wieder das Hören des fernen Bassetthorns gestaltet; es gilt aber nicht der Ferne, sondern ist nach innen gerichtet, als käme der Ton aus der eigenen Brust. Und vernehmen wir denn eigentlich nicht alles, was wir draußen zu hören glauben, erst in uns? Ist nicht jeder Ton ein Ruf des unirdischen Tongeistes, wie er zugleich irdischer Tonleib ist? Und welch seltsamer Einfall, dieses Doppellleben des Tons an zwei Gestalten zu verteilen, von denen die eine scharf bewegt und grell umrissen, in die Außenwelt hineinhört, während die andere, wankenden Umrisses gleichsam heraus gebrochen aus der Welt der Wahrnehmung, schaudernd in sich hineinlauscht und fast, so möchte man glauben, selber zum Ton wird, damit aber zum Opfer des Tongeists. Ist es nicht Kreisler, der solchermaßen in zwei Gestalten, im Dämon und neben ihm, als sein eigener Doppelgänger uns entgegen tritt? Wogt hier nicht schon, in dieser einfachsten Arabeske Ausdruck geworden, der unterirdische Kampf, in welchem Künstler und Dämon um sein oder Nichtsein ringen?......

Die Gestalt Kreislers taucht schon in den ersten Radierungen Hemmerichs auf. Diese Erstlinge, mit denen der kaum zwanzigjährige sich seiner eigentlichen Kräfte bewusst zu werden begann, zeigen bereits die überraschende Ausdruckssicherheit des geborenen Meisters. In diesen ‚Fantasiestücken‘ erscheint Kreisler als der magische Ekstatiker des Musikalischen völlig naiv, unkundig noch des gewaltigen Widerstreits zwischen dem persönlichen Leben und dem Genius schildert der jugendliche Künstler in seiner Pariser Zeit nur die glückhaften Augenblicke, in denen Genius und Mensch sich finden und verschmelzen. Kreisler, inmitten der Welt der sichtbaren Dinge, bleibt mühelos, unangefochten durch sich selber, der entzückte Verkünder der verborgenen Tonwelt, der Mittler zwischen ihr und der offenbaren Lichtwelt des Tages. Klavier und Dirigentenstock sind die zauberkräftigen Abzeichen seines Mittlertums. Rührt er sie an, so vereinigen sich die gesonderten Welten im Wunder der Tonkunst. Hemmerich zeigt es in zwei Fassungen: einmal als Einbruch des Tonreiches in die irdische Welt, sodann ihren Aufstieg und Kreislers Himmelfahrt in das Reich der Musik. Die Art nun, wie so gewagte Möglichkeiten gestaltet werden, ist ebenso einfach als selbstverständlich. Kreisler am Klavier, und um beide, ungewiss ob ausgehend vom Licht der Kerze oder vom Feuer des Spiels, kreisende Linien die einen Raum erzeugen, der wie ein geisterhafter Leib aus Tönen den tastbaren Raum der Dinge verdrängt und sich schützend um den verzückten Spieler schließt. So sieht man Kreisler am Klavier, jene Welt ins Dasein rufen, die doch in ihrem innersten Kern, als geheimste Frucht ihres Waltens, den eigenen Erwecker zu tragen und zu formen scheint…..

Wie alle seherisch Begabten trägt Hemmerich eine Welt von Gesichten in seinem Innern. Die Entwicklung solcher Künstler besteht in einem allmählichen Erwachen und ans Licht treten der ihrem Gemüte eingeborenen und in ihm schlafenden Gestaltenwelt……

So entstanden elf Radierungen, die zum merkwürdigsten gehören, was deutsche Graphik hervorgebracht hat…...

Die formale und inhaltliche Analyse der merkwürdigen, unerschöpflichen und in der Graphik der letzten Zeiten einzig dastehenden Blätter bleibe dem eindringenden Betrachter überlassen, der sich ein Bild, wenn auch nur ein ungefähres, von der Kühnheit und dem Tiefsinn des vorliegenden Werkes wird machen können……

Mit diesem Hinweis auf einen kleinen Ausschnitt aus Hemmerichs Werk müssen wir uns heute begnügen. Es wird sich bald eine neue Gelegenheit ergeben, auf andere Seiten seines Schaffens zurückzukommen, in welchem eine starke formende Kraft nach eigenem Gesetz wirksam ist, und das Hemmerich eine Hoffnung der deutschen Malerei ist.“


Der Schriftsteller

1930 erschien:

Gedichte, 53 S., gedruckt in 500 nummerierten Exemplaren bei Jakob Hegner, Hellerau.

Wirklichkeit und Überlieferung, 96 S. Vier Aufsätze. Bernhard Krohn Verlag Berlin. Gedruckt in 300 nummerierten Exemplaren. Inhalt:

Wirklichkeit und Überlieferung -  an Karl Wolfskehl.
Musik und Körpergefühl. 
Gedanken von einer Orgel. 
Der Dichter und die Wirklichkeit. 
Versuch über Adalbert Stifter. 
Unzeitgemäßer Brief, die neueste Literatur betreffend.

1936 erschien: Das ist der Mensch, 84 S., ebenfalls im Bernhard Krohn Verlag. Auflagenhöhe unbekannt.

Inhalt: I. Wirklichkeit und Überlieferung. II. Die neue Wirklichkeit Lebensgefühl verschiedener Epochen Das Gewissen Zeitenwende Weltbild und Wirklichkeit Allgemeine und besondere Ursachen der Krise und ihrer Verkünder „Ehrfurcht vor dem Menschen“, „nicht „Ehrfurcht vor dem Leben“ Was ist der Mensch Die Grundlagen einer neuen Gesellschaft Ausblick. Die gesamte Auflage wurde im Dritten Reich Opfer der Bücherverbrennung (siehe auch Abschnitt „Biographi-sches).

Wohl im Selbstverlag erschien undatiert: Die Elegie von der törichten Jungfrau. Gedruckt auf Bütten, unpaginiert, im roten, Ganzledereinband.



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