Sexagesimalsystem

Stellenwertsystem zur Basis 60
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Das Sexagesimalsystem ist ein Stellenwertsystem mit dem Wert 60 als Basiszahl.

Herkunft

Erstmalige Nachweise als schriftliches Rechensystem reichen in die Zeit der Sumerer zurück. Im weiteren Verlauf wurde es in der babylonischen Mathematik ab ca. 2000 v. Chr. verwendet. Arabische Astronomen benutzten in ihren Sternenkarten und -tabellen die Schreibweise des berühmten griechischen Astronomen Ptolemäus, die auf sexagesimalen Brüchen basierte. Auch frühe europäische Mathematiker wie Fibonacci benutzten solche Brüche, wenn sie nicht mit ganzen Zahlen operieren konnten.

Das Sexagesimalsystem in der babylonischen Verwendung

Die Sumerer verwendeten vor den keilschriftlichen Zeichen für die Zahl 1 einen Halbkreis und für die Zahl 10 einen vollen Kreis. Die Babylonier änderten zwar die optische Form der sumerischen Zahlzeichen, nicht aber die Wertzuweisungen.

Die Zahlzeichen

Gründe für die Verwendung des Sexagesimalsystems liegen in der effektiven Rechenmethode sowie der sehr begrenzten Anzahl von Einzelzahlzeichen, aus denen die Zahlen gebildet wurden. Einige Beispiele der babylonischen Keilschrift:

Sexagesimalsystem in Form der Keilschrift
  1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 30 40 50
                                               

Es gab insgesamt 59 Zahlzeichen, die aus nur zwei Einzelzahlzeichen bestanden. Später, im 6.Jahrhundert v. Chr., kam der Wert Null als 60. Zahlzeichen hinzu. Der Wert Null wurde als Leerzeichen geschrieben. Damit gelten die Babylonier als Erfinder der schriftlichen Verwendung vom Wert Null, während die Inder das Leerzeichen Null später als geschriebene Zahl Null zuerst verwendeten. Einige Zahlenbeispiele:

   = 660,    = 550,    = 129,    = 122 und    = 62.

Rechentechnik

Addieren und Subtrahieren

Durch das Stellenwertsystem konnte, wie bei unserem Dezimalsystem, die vorangehende Stelle um jeweils 1 erweitert oder reduziert werden. Durch die Form der Keile war das Sexagesimalsystem leichter, da nur die Keile zusammengesetzt werden mußten. Die mathematischen Symbole plus und minus waren unbekannt. Stattdessen wurden die Ausdrücke Vermehren bzw. Wegziehen verwendet. Negative Ergebnisse in Form von minus Zahl wurden mit dem Ausdruck Subtrahend geht darüber hinaus ausgedrückt.

Beispiel einer Addition

 

ergibt als Zahl 90, aber 1,30    in Schreibweise des Sexagesimalsystems. Die 1 vor dem Komma gibt den Wert 60 an, zu dem die Zahl 30 nach dem Komma addiert wird.

Beispiel einer Subtraktion

 

ergibt als Zahl 70, aber 1,10    in Schreibweise des Sexagesimalsystems. Die 1 vor dem Komma gibt den Wert 60 an, zu dem die Zahl 10 nach dem Komma addiert wird.

Division

Mit Hilfe des reziproken Wertes vom Divisor nahmen die Babylonier die Umrechnung vor:

Die Division:   wird umgewandelt in die Rechnung:  

Zwei Beispiele

1.Beispiel:   wird umgewandelt zu:  , im Ergebnis dann:  , wobei 30 die Hälfte von 60 darstellt.

2.Beispiel:   wird umgewandelt zu:  , im Ergebnis dann:  , wobei 20 ein Drittel von 60 darstellt.

Aus den Ergebnissen wurden Reziprokentabellen erstellt, ähnlich in der Verwendung der Multiplikationstabellen. Werte, die keine ganzen Zahlen aufweisen, wurden als irreguläre Zahlen bezeichnet, die in der babylonischen Sprache mit geht nicht notierten. In derartigen Fällen wurde dann mit Näherungswerten gearbeitet.

Reziproktabelle
n Wert n Wert n Wert n Wert n Wert n Wert n Wert n Wert n Wert n Wert
2 30 3 20 4 15 5 12 6 10 8 7,30 9 6,40 10 6 12 5 15 4
16 3,45 18 3,20 20 3 24 2,30 25 2,24 27 2,13,20 30 2 32 1,52,30 36 1,40 40 1,30
45 1,20 48 1,15 50 1,12 54 1,6,40 60 1 1,4 56,15 1,12 50 1,15 48 1,20 45 1,21 44,26,40

Multiplikation

Für Rechenoperationen aus dem Bereich Multiplikation wurden Multiplikationstabellen verwendet. Gängige Ergebnisse, die zuvor im Additionsverfahren errechnet wurden, konnten so hinter der Kopfzahl abgelesen werden. Eine Kopfzahl stellte die Grundzahl dar, z.B. 2, während die Multiplikationen als Ergebnisse, z.B. 2, 4, 6, 8 usw., hinter der Kopfzahl standen. Logisch wäre demnach eine Tabelle, die eine ähnliche Struktur der Reziproktabelle hätte. In der täglichen Verwendung von Multiplikationen wurden jedoch nur die Zahlen aufgeführt, die sehr oft im Gebrauch waren. Ein weiterer Grund ist das Zusammenwirken mit den Werten aus der Reziproktabelle. Wurden dennoch andere Werte benötigt, erfolgte der Versuch einer Zusammensetzung von Zahlen.

Multiplikationstabelle
1,15 1,20 1,30 1,40 2 2,13,20 2,15 2,24 2,30 3 3,20 3,45 4 4,30 5 6 6,40 7 7,12 7,30 8
8,20 9 10 12 12,30 15 16 16,40 18 20 22,30 24 25 30 36 40 44,26,40 45 48 50
Wurzelrechnung

Auf einer babylonischen Tontafel (Yale Babylonian Collection 7289) findet sich eine Näherungsrechnung für die Wurzel aus 2:

 

Im weiteren Text findet sich der Eintrag: Wenn die Seitenlänge eines Quadrats 30 beträgt, so ist seine Diagonale:

 

Das Beispiel zeigt, dass die Babylonier algebraische und trigonometrische Kenntnisse hatten. Den Näherungswert von Wurzel aus 2 erhielten sie unter Hilfe der Iteration:

 

Heutige Verwendung

Das Sexagesimalsystem wird heute noch verwendet, um Winkel und geographische Längen und Breiten anzugeben. Auch im Bereich der Zeitmessung hat es sich noch erhalten. Eine Stunde hat 60 Minuten und eine Minute 60 Sekunden.

Weitere Informationen

Ein direkter Verwandter dieses Stellenwertsystems ist das Duodezimalsystem mit der Basis 12.

Einzelnachweise

Literatur

  • Richard Mankiewicz Zeitreise der Mathematik - Vom Ursprung der Zahlen bis zur Chaostheorie - , VGS Verlagsgesellschaft Köln, Jahr 2000, ISBN 3 8025 1440 8
  • Robert Kaplan: Die Geschichte der Null. Gebundene Ausgabe: Campus Verlag, Frankfurt/M. 2000, ISBN 3-593-36427-1. Taschenbuchausgabe: Piper Verlag, 2003, ISBN 3-492-23918-8.