Grundrechte (Deutschland)

grundlegende Freiheits- und Gleichheitsrechte, Abwehrrechte gegenüber dem Staat
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Als Grundrechte bezeichnet man wesentliche Rechte, die von einem Staat seinen Bürgern als einklagbar garantiert werden. Die Grundrechte werden in der Regel in der Verfassung formuliert. Sie basieren auf der philosophischen Idee der Menschenrechte, nach der jeder Mensch gewisse unveräußerliche Rechte besitzt. Auf internationaler Ebene wurden verschiedene Abkommen wie die Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte getroffen, in denen die Menschenrechte als Grundrechte vereinbart sind.

Beide Begriffe werden oft synonym verwandt, so dass nicht immer klar ist, worin der Unterschied besteht. So findet sich beispielsweise in Art. 1 des Grundgesetzes der BRD in Abs. 2 das Bekenntnis zu den "unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten", während Abs. 3 von "Grundrechten" spricht. Gemeinhin wird jedoch davon ausgegangen, dass sich die Grundrechte aus den Menschenrechten ergeben und nicht umgekehrt. So kann die Verfassung eines Landes durch politische Entscheidungen geändert werden, während die Menschenrechte auf allgemeinen ethischen Prinzipien beruhen. Auch gehören zu den Grundrechten im Gegensatz zu den Menschenrechten auch Bürgerrechte, die nur für die Angehörigen eines Staates gelten.

Geschichte

Erstmals wurden Grundrechte in England in der "Habeas-Corpus-Akte" 1679 schriftlich fixiert. Sie enthielt einen Schutz vor willkürlicher Verhaftung und das Recht, einem Richter vorgeführt zu werden. 1689 brachte die Bill of Rights das Petitionsrecht und das Verbot von Verhaftungen ohne richterliche Anordnung. 1776 erklärte die Virginia Bill of Rights, dass alle Menschen von Natur aus gleich und frei sind und ihr Leben und Eigentum unverletzlich sind. In der Amerikanischen Unabhängigkeitserklärung wurden das Leben und das Streben nach Glück zu unveräußerlichen Rechten (Naturrecht) erklärt und das Recht auf Leben garantiert.

Am 26. August 1789 wurden in der französischen Erklärung der Menschenrechte die Freiheit (liberté), die Gleichheit (egalité), die Meinungs-, Glaubens- und Gedankenfreiheit festgesetzt sowie das Eigentum garantiert. In der Paulskirchenverfassung war die Freizügigkeit, die Berufsfreiheit, die Auswanderungsfreiheit, das Briefgeheimnis, die Meinungsfreiheit, die Pressefreiheit, die Glaubensfreiheit, die Gewissensfreiheit, die Versammlungsfreiheit und das Recht auf Eigentum garantiert.

Die Weimarer Verfassung enthielt die gleichen Grundrechte und zusätzlich als soziale Grundrechte den Anspruch auf Arbeit, auf Gesundheit und Arbeitsfähigkeit. Die Grundrechte galten als normales, positives Recht und wurden mit der Brandverordnung 1933 aufgehoben.

Grundrechte im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland

In der Bundesrepublik Deutschland sind die Grundrechte in den Artikeln 1 bis 19 des Grundgesetzes festgelegt, sowie in den Artikeln 20 Abs. 4, 101, 103 und 104 GG. Sie dürfen nur durch ein Gesetz eingeschränkt werden, das dieses ausdrücklich regelt. Die Grundrechte können nur insoweit eingeschränkt werden wie ihr Wesensgehalt unangetastet bleibt, da die Grundrechte auch Ausfluss der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG sind. Auch in den meisten Verfassungen der Bundesländer gibt es Grundrechtskataloge, die sich jeweils etwas voneinander unterscheiden, aber niemals ein durch das Grundgesetz garantiertes Grundrecht außer Kraft setzen können. Länderverfassungen, die nach dem Grundgesetz entstanden sind, verzichten oft auf einen eigenen Grundrechtskatalog.

Artikel Inhalt
1 Schutz der Menschenwürde
2 Freie Entfaltung der Persönlichkeit, Freiheit der Person, Recht auf Leben,
sowie Art.2 Abs.1 i.V.m. Art.1 Abs.1: Allg. Persönlichkeitsrecht
3 Gleichberechtigung aller Menschen
4 Glaubens- und Gewissensfreiheit
5 Meinungsfreiheit, Informationsfreiheit, Pressefreiheit (keine Zensur), sowie die Freiheit der Kunst und der Wissenschaft
6 Ehe, Familie, Kinder
7 Schulwesen [Kein Grundrecht]
8 Versammlungsfreiheit
9 Vereinigungsfreiheit
10 Brief- und Postgeheimnis
11 Freizügigkeit im Bundesgebiet
12 Freiheit der Berufswahl, Verbot der Zwangsarbeit
12a Wehrdienst, Dienstverpflichtungen [Kein Grundrecht]
13 Unverletzlichkeit der Wohnung
14 Eigentumsrechte
15 Überführung in Gemeineigentum [Kein Grundrecht]
16 Ausbürgerung, Auslieferung
16a Asylrecht
17 Petitionsrecht
17a Grundrechteinschränkung für Soldaten [Kein Grundrecht]
18 Grundrechtsverwirkung [Kein Grundrecht]
19 Einschränkung von Grundrechten
Abs.4: Rechtsweggarantie [sog. Justizgrundrecht]
20 Abs.4 Widerstandsrecht
33 Staatsbürgerliche Rechte und Pflichten, gleicher Zugang zu öffentlichen Ämtern
38 Wahlrecht
101 Abs.1 Satz 1: Verbot von Ausnahmegerichten [sog. Justizgrundrecht]
Abs.1 Satz 2: Anspruch auf einen gesetzlichen Richter [sog. Justizgrundrecht]
103 Abs.1: Anspruch auf rechtliches Gehör [sog. Justizgrundrecht]
Abs.2: Verbot rückwirkender Gesetze [sog. Justizgrundrecht]
Abs.3: Verbot der Doppelbestrafung [sog. Justizgrundrecht]
104 Rechtsgarantien bei Freiheitsentzug [sog. Justizgrundrecht]

Der Grundrechtskatalog des Grundgesetzes wird durch die Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) erweitert. Die Grundrechte dienen in erster Linie dem Schutz gegenüber staatlichen Eingriffen, strahlen aber auch auf das gesamte Recht aus. die EMRK genießt jedoch nur den Status eines einfachen Bundesgesetzes und steht damit in der Normhierarchie unterhalb des Grundgesetzes.

Von den Grundrechten und grundrechtsgleichen Rechten, die vor Gericht eingeklagt werden können, sind die Staatszielbestimmungen zu unterscheiden. Sie bilden die Richtschnur zur Auslegung der Gesetze, geben jedoch dem Bürger kein eigenes subjektives Recht. Beispiel ist hier der Umweltschutz (Art. 20a GG). Auf daneben noch mögliche andere Grundrechte, die nicht einklagbar sein würden, wurde bei Abfassung des Grundgesetzes bewusst verzichtet, um es nicht "zu verwässern". Solche Rechte finden sich in jüngeren Verfassungen wie der Berlins oder Brandenburgs, z. B. das Recht auf Arbeit, das Recht auf Wohnraum oder das Recht auf Sport. Solche Grundrechte haben ihren "politischen Wert" darin, dass sie als in den Verfassungsrang gehoben von jeder Regierung beachtet werden sollten (unabhängig von Parteiprogrammen oder Koalitionsvereinbarungen).

Gegen die Verletzung eines Grundrechts durch die öffentliche Gewalt kann jedermann nach Erschöpfung des Rechtswegs Verfassungsbeschwerde erheben.

Entwicklung

Bereits die Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche 1848 biiligte am 21. Dezember 1848 einen Katalog von Grundrechten, der allerdings nicht soweit reichte wie der moderne Grundrechtskatalog des Grundgesetzes. Bereits aufgeführt wurden die Gleichheit der Bürger vor dem Gesetz, Meinungsfreiheit, Niederlassungsfreiheit, Pressefreiheit und Versammlungsfreiheit sowie die Habeas-Corpus-Grundrechte. Der Grundrechtskatalog wurde zwar im März 1849 noch verabschiedet, durch den preußischen König jedoch zurückgewiesen, sodass sie niemals Rechtskraft erlangten.

Nachdem die Weimarer Reichsverfassung lediglich Programmsätze enthielt, sollte mit dem Grundgesetz ein Regelwerk geschaffen werden, das dem Staat gegenüber verbindlich festlegte, inwieweit er in bestimmte Rechte des Bürgers eingreifen darf. Grundsätzlich sind Eingriffe, die die Grundrechte nicht selbst vorsehen und die sich nicht aus anderen Verfassungswerten ergeben, unzulässig. Gegen diese kann der Bürger sich wehren, z. B. mit Klagen vor den Verwaltungsgerichten oder vor den ordentlichen Gerichten. Sollte der Bürger nach Erschöpfung des Rechtswegs der Meinung sein, dass immer noch eine Grundrechtsverletzung besteht, kann er das Bundesverfassungsgericht im Wege einer Verfassungsbeschwerde anrufen.

Über diese anfängliche Abwehrfunktion hinaus haben sich die Grundrechte jedoch auch zu Teilhabe- und Leistungsrechten entwickelt. So folgt aus Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit einer Verwaltungspraxis, dass ein Bürger ebenfalls Anspruch auf eine behördliche Leistung haben kann, z. B. wenn vergleichbare Bürger Subventionen erhalten haben.

Außerdem können die objektiven Wertentscheidungen, die in den Grundrechten enthalten sind, Schutzpflichten für den Staat begründen. So wird aus Art. 2 Abs. 2 GG, dem Schutz des Lebens, abgeleitet, dass der Staat auch Selbstmörder vor ihrem Tod schützen muss, und dass auch das ungeborene Leben Rechte hat.

Streitig ist nach wie vor wie weit die Drittwirkung von Grundrechten reicht. (Haben also Grundrechte Wirkung zwischen den Bürgern, wenn der Staat selbst nicht beteiligt ist, z.B. bei der Frage der Sozialbindung des Eigentums) Als Abwehrrechte gegen den Staat können die Grundrechte hier nur in Ausnahmefällen Einfluss haben. (Auslegung von zivilrechtlichen Generalklauseln "im Lichte des Grundgesetzes"(BVerfG) )

Siehe auch:

Literatur

  • Alexy, R., Theorie der Grundrechte, 3. Aufl., Suhrkamp 1996, ISBN 3518281828.
  • Merten, D./Papier, H.-J., Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, C.F. Müller, mehrere Bände.
  • Grundrechte-Report 2004. Hrsgg. von T. Müller-Heidelberg, U. Finckh, E. Steven, B. Rogalla, J. Micksch, W. Kaleck, M. Kutscha, Fischer Taschenbuchverlag, Juni 2004 (ca. 224 Seiten, ISBN 3596163811, EUR 9,90 pro Expl.). Mehr Informationen auf report.humanistische-union.de.
  • Siekmann, H./Duttge, G., Staatsrecht I: Grundrechte; 4. Auflage, EuWi-Verlag Thüngersheim 2004