Rodentizid

Pestizid gegen Nager
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Ein Rodentizid ist ein chemisches Mittel zur Bekämpfung von Nagetieren. Es kommt im wesentlichen in Fressködern und zur Begasung von Nagetiergängen zur Anwendung.

Wirkstoffe

Phosphinbildner - Phosphide

Als Begasungsmittel

Zinkphosphid, Aluminiumphosphid und Calciumphosphid bilden mit der Feuchtigkeit der Erde Phosphorwasserstoff, der sich als Atemgift in den Gängen der Nagetiere verbreitet und diese tötet. Phosphorwasserstoff ist leicht entzündlich und kann mit der Luft eine gefährliche explosionsfähige Atmosphäre bilden. Das Mittel darf nicht in der Nähe von Oberflächengewässern eingesetzt werden. Achtung: Die Durchführung von Begasungen mit einigen der hier genannten Wirkstoffe ist in Deutschland erlaubnispflichtig.

Als Fraßgift

Zinkphosphid wird auch als Wirkstoff in Giftweizen verwendet. Nachteil: Diese Phosphide sind auch für den Menschen, Vögel und Wild sehr giftig und sehr umweltgefährdend. Das Mittel darf nicht in der Nähe von Oberflächengewässern eingesetzt werden. Achtung: Die Durchführung von Begasungen mit einigen der hier genannten Wirkstoffe ist in Deutschland erlaubnispflichtig.



Cumarine

Warnung

Alle Angaben in diesem Artikel über Cumarine beziehen sich auf die Gebrauchsfertigen Zubereitungen. Reine oder technische Cumarine sind hochgiftig (T+).

Allgemeines

Fraßköder, neben denen tote Ratten liegen, werden von Artgenossen in der Regel nicht mehr angenommen. Zur Verwendung als Rodentizid bieten sich Cumarine wegen ihrer in den Zubereitungen relativ niedrigen akuten Toxizität für Menschen an. Die gebräuchlichen Cumarine sind als Fertigköder nur als gesundheitsschädlich (Xn) und nicht wie viele andere Rodentizide als giftig (T) oder sehr giftig (T+) eingestuft. Cumarine werden oft mit Sulfonamiden wie Sulfachinoxalin als Verstärker kombiniert, die die körpereigene Vitamin K-Synthese hemmen.

Wirkung

Sowohl bei der Anwendung als Medikament (Cumarine (Medizin)), als auch als Rodentizid wird folgende Wirkung der Cumarine ausgenutzt:

Cumarine besitzen eine Strukturähnlichkeit zu Vitamin K. Dieses wird in der Leber bei der Synthese verschiedener Gerinnungsfaktoren benötigt. Dieses sind

Die Cumarine binden statt Vitamin K an das jeweilige Enzym, blockieren es und stoppen so die Bildung der betreffenden Faktoren (kompetetive Hemmung). Die Wirkung tritt daher auch erst ein, nachdem die zum Zeitpunkt der Gabe des Cumarinderivats im Blut zirkulierenden Gerinnungsfaktoren teilweise verbraucht worden sind. Dies ist erst nach ca. 6 Stunden der Fall. Das Wirkmaximum wird nach 48-36 Stunden erreicht.

Chemie

Die in der Medizin und in der Schädlingsbekämpfung verwendeten Cumarine leiten sich strukturell vom in 4-Position hydroxylierten Cumarin ab. Für ihre Entwicklung stand Dicumarol, ein Naturstoff, der bei Weidevieh in Folge der blutgerinnungshemmung zu inneren Verblutungen führte, Pate.

Warfarin

Chemischer Name: 3-(α-Acetonylbenzyl)-4-hydroxycumarin
Warfarin wird mit großem Erfolg gegen die Wanderratte (Rattus norvegicus) und die Hausmaus (Mus musculus) eingesetzt. In den späten 70er und frühen 80er Jahren des 20. Jahrhunderts entwickelten Nager eine gewisse Resistenz gegenüber Warfarin. Inzwischen ist der Wirkstoff wieder einsetzbar.

Sicherheit, Gesundheits- und Umweltschutz (SGU): Warfarin wird als fruchtschädigend (teratogen) eingestuft. Hierfür ist allerdings eine regelmäßige Einnahme erforderlich. Der einmalige auch orale Kontakt mit einem Fraßköder führt zu zu keiner Fruchtschädigung.
Warfarin ist wasserunlöslich. Warfarin ist für Fische leicht giftig (Regenbogenforelle) bis giftig (Wels), für Zooplankton leicht giftig. Vorschriftsgemäß ausgebrachte Fraßköder gefährden andere Tiere kaum. Allerdings können bei Raubtieren Sekundärvergiftungen vorkommen, wenn sie über eine bestimmte Zeit durch Warfarin getötete Tiere fressen. Dies sollte beachtet werden, wenn Warfarin im Bereich gefährdeter Raubtiere oder Allesfresser eingesetzt wird.

Bromadiolon

Chemischer Name: 3-[3-(4′-bromobiphenyl-4-yl)-3-hydroxy-1-phenylpropyl]-4-hydroxycumarin
Bromadiolon ist ein Antikoagulationsmittel der zweiten Generation und wird vor allem in der kommunalen und landwirtschaftlichen Rattenbekämpfung als Fraßköder eingesetzt. Es ist auch gegen Warfarinresistente Tiere wirksam.

Sicherheit, Gesundheits- und Umweltschutz (SGU): Die Aufnahme erfolgt oral, über die Haut oder über die Atmung. Analog zu Warfarin ist eine teratogene Wirkung bei längerer Aufnahme durch schwangere Frauen anzunehmen. Hierbei ist auch der Aufnahmeweg "Haut" zu beachten. Langzeituntersuchungen liegen nicht vor.
Bromadiolon ist als reiner oder technischer Stoff giftig für Wasserorganismen. Raubtiere sind durch Sekundärvergiftungen gefährdet, wenn sie überwiegend vergiftete Tiere konsumieren.

Difenacoum

Chemischer Name: 3-(3-biphenyl-4-yl-1,2,3,4-tetrahydro-1-naphthyl)-4-hydroxycumarin
Difenacoum ist ein Antikoagulationsmittel der zweiten Generation. Es wird gegen Mäuse und Ratten eingesetzt.
Sicherheit, Gesundheits- und Umweltschutz (SGU): Die Aufnahme erfolgt oral, über die Haut oder über die Atmung. Analog zu Warfarin ist eine teratogene Wirkung bei längerer Aufnahme durch schwangere Frauen anzunehmen. Hierbei ist auch der Aufnahmeweg "Haut" zu beachten. Langzeituntersuchungen liegen nicht vor.
Difenacoum ist praktisch wasserunlöslich. Wirkungen auf Wasserorganismen wurden noch nicht veröffentlicht. Raubtiere sind durch Sekundärvergiftungen gefährdet, wenn sie überwiegend vergiftete Tiere konsumieren.

Brodifacoum

Chemischer Name: 3-[3-(4′-bromobiphenyl-4-yl)-1,2,3,4-tetrahydro-1-naphthyl]-4-hydroxycumarin
Brodifacoum ist ein Antikoagulationsmittel der zweiten Generation. Dieses Rodentizid ist nur für die Anwendung in Innenräumen geeignet. Vergiftete Tiere dürfen nicht ins Freie gelangen (Gründe: siehe SGU).
Sicherheit, Gesundheits- und Umweltschutz (SGU): Die Aufnahme erfolgt vor allem oral oder über die Haut. Eine teratogene Wirkung ist anzunehmen. Hierbei ist auch der Aufnahmeweg "Haut" zu beachten. Langzeituntersuchungen liegen nicht vor.
Brodifakoum ist praktisch wasserunlöslich. Der Stoff selbst ist hochgiftig für Wasserorganismen. Raubtiere (Vögel und Säugetiere) sind durch Sekundärvergiftungen stark gefährdet. Sie können bereits durch den Konsum eines vergifteten Nagetieres verenden. Der Wirkstoff soll deshalb nur in geschlossenen Räumen und auch da nur in den Fällen verwendet werden, wo eine Resistenz gegen alle anderen Wirkstoffe der Cumarinderivatgruppe nachgewiesen ist. Der Wirkstoff ist nur als letztes Mittel einzusetzen.

Antidot

Bei Vergiftungen mit Cumarinen muss unverzüglich Vitamin K als Antidot gegeben werden. Seine Wirkung beruht auf der Verdrängung der Cumarine von den Gerinnunsfaktoren bildenden Enzymen. Auch hier besteht eine Verzögerung in der Wirkung, da die fehlenden Gerinnungsfaktoren erst nach und nach durch die Leber ersetzt werden können. Insbesondere bei einer Vergiftung durch Brodifacoum ist eine Langzeittherapie mit Vitamin K erforderlich. Im Notfall können die fehlenden Gerinnungsfaktoren direkt ersetzt werden.


andere Blutgerinnungshemmer - von 1,3-Indandion abgeleitete Wirkstoffe

Chlorphacinon

Chemischer Name: 2-[2-(4-chlorphenyl)-2-phenylacetyl]indan-1,3-dion

Chlorphacinon ist ebenfalls ein Wirkstoff, der die Blutgerinnung verhindert. Er wirkt auch gegen Nagetiere, die gegen Warfarin resistent geworden sind. Der einmalige Fraß am Köder reicht für die Tötung des Tieres in der Regel aus.

Sicherheit, Gesundheits- und Umweltschutz (SGU): Der reine oder technisch reine Wirkstoff ist hochgiftig (T+). Eine teratogene Wirkung ist noch nicht untersucht worden, aber anzunehmen. Hierbei ist auch der Aufnahmeweg "Haut" zu beachten. Der Stoff selbst ist hochgiftig für Wildtiere und Wasserorganismen.

Antidot

Bei Vergiftungen mit 1,3-Indandionen muss unverzüglich Vitamin K1 als Antidot gegeben werden. Im Notfall müssen die fehlenden Gerinnungsfaktoren direkt ersetzt werden. Nach mehreren Quellen ist weder Vitamin K3 noch K4 als Antidot für diesen Stoff geeignet.


hochgefährliche Oldtimer

Arsenverbindungen, Thalliumsulfat, Strychnin und Weisser Phosphor hatten früher eine gewisse Bedeutung als Rodentizide, sind aber so gefährlich in der Anwendung, dass sie für die Anwendung nicht mehr zugelassen sind oder ihre Anwendung stark eingeschränkt ist.
Bitte verwenden Sie auch keine noch vorhandenen Reste dieser Gifte, sondern entsorgen Sie sie nach den örtlichen Vorschriften (Sondermüll).


Hausmittel

Rodentizider Teig aus 1 Teil Zucker, 2 Teilen Kalk und 3 Teilen Mehl ist ein Hausmittel und soll bei Ratten nach 2 Tagen zu einem tödlichen Darmverschluss führen und ungefährlich für Raubtiere wie Eulen sein.


Mauki und Co. - Motorabgase

Ein anderes etwas exotisches Rodentizid sind Auspuffabgase von Verbrennungsmotoren, die mit Benzindämpfen gemischt und mit Lanzen in die Gänge der Nager eingeleitet werden.


Repellentien

Calciumcarbid ist kein Rodentizid im eigentlichen Sinn sondern ein Repellent gegen Nagetiere. Es entwickelt mit der Erdfeuchte stinkendes technisches Ethin, das in Spuren Phosphorwasserstoff, Ammoniak und Schwefelwasserstoff enthält und das die Nager vorübergehend vertreibt. Ethin ist ein leicht entzündliches Gas, das mit der Luft eine gefährliche explosionsfähige Atmosphäre bilden kann. Calciumkarbid darf nicht in Gewässer gelangen, da das bei der Reaktion entstehende Calciumhydroxid einen recht hohen pH-Wert hat und für Fischnährtiere gefährlich ist.

Siehe auch: Landwirtschaft, Cumarine (Medizin)

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SGU: Bitte beachten Sie vor Verwendung der einzelnen Mittel das Sicherheitsdatenblatt und die Verwendungshinweise des Herstellers.