Als "Verbanntendekret" (auch "Verbanntenedikt") wird in der geschichtswissenschaftlichen Forschung die allgemeine Verordnung Alexanders des Großen bezeichnet, die die sofortige Amnestie aller griechischen Verbannten mit Ausnahme der wegen Mordes oder Sakrileg verurteilten beinhaltete.
Die historischen Quellen liefern kaum Anhalte bezüglich der genauen Entstehung dieser Verordnung sowie zu den entscheidenden Ereignissen, die Alexander unmittelbar zum Beschluss des "Verbanntendekrets" veranlassten. Demnach erweist sich eine exakte Datierung dieses Erlasses als überaus schwierig und eher spekulativ. In der Forschung wird weitgehend davon ausgegangen, dass Alexander seinen Beschluss bereits mehrere Monate vor dessen öffentlicher Verkündigung gefasst hatte, möglicherweise im Frühjahr 324 v. Chr.
Zu diesem Zweck wurde Nikanor von Stageira, ein Offizier im makedonischen Heer und Schwiegersohn des Aristoteles von Stageira, nach Olympia geschickt mit dem Auftrag, Alexanders Brief an die griechischen Exilierten während der Olympischen Spiele verlesen zu lassen. Wohl am Hauptfesttag, dem 4. August 324 v. Chr., übergab Nikanor das Schreiben an den siegreichen Herold , der anschließend den Brief Alexanders und damit die Mitteilung der Rückkehrerlausbnis aller griechischen Exilierten außer Mördern und Tempelräubern, vielleicht auch Thebanern, in ihre Heimatstaaten vor angeblich rund 20.000 anwesenden Verbannten verlas. Als Garantiemacht für die Realisierung dieser allgemeinen Anweisung an alle griechischen Staaten sollte das derzeitig von Antipatros von Paliura als Reichsverweser geführte Makedonien eintreten.
Quellen
Einzelne Autoren
- Deinarch von Korinth: Orationes.
- Diodor von Agyrion: Griechische Weltgeschichte.
- Hypereides von Athen: Orationes.
- Marcus Iunianus Iustinus: Die Geschichte Philipps von Makedonien in 44 Büchern.
- Plutarch von Chaironeia: Alexander und Caesar.
- Plutarch von Chaironeia: Moralia.
- Quintus Curtius Rufus: Die Geschichte Alexanders des Großen.
Inschriften
- Die Staatsverträge des Altertums: StV III 403 Ia und Ib.
Literatur
- Hermann Bengtson: Griechische Geschichte. Von den Anfängen bis in die römische Kaiserzeit. 5. Auflage, München 1977 (Nachdruck als 9. Auflage 2002), ISBN 3-406-02503-X.
- Helmut Berve: Das Alexanderreich auf prosopographischer Grundlage. 2 Bände. München 1926.
- A. Brian Bosworth: Conquest and Empire. The Reign of Alexander the Great. Cambridge 1988, ISBN 0-521-40679-X.
- Sviatoslav Dmitriev: Alexander’s Exiles Decree. In: Klio. Beiträge zur alten Geschichte, 86 (2004), S. 348–381.
- Hans-Joachim Gehrke: Alexander der Grosse. 4. Auflage. (C. H. Beck Wissen, Band 2043). Beck, München 2005, ISBN 3-406-41043-X.
- Martin Jehne: Koine Eirene. Untersuchungen zu den Befriedungs- und Stabilisierungsbemühungen in der griechischen Poliswelt des 4. Jahrhunderts v. Chr. (Hermes. Zeitschrift für Klassische Philologie. Einzelschriften, Band 63). Steiner, Stuttgart 1994, ISBN 3-515-06199-1.
- Jakob Seibert: Die politischen Flüchtlinge und Verbannten in der griechischen Geschichte. Von den Anfängen bis zur Unterwerfung durch die Römer. 2 Bände. (Impulse der Forschung, Band 30.) Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1979, ISBN 3-534-06389-9.
- William Woodthorpe Tarn: Alexander der Grosse. 2 Bände. Darmstadt 1948.
- Hans-Ulrich Wiemer: Alexander der Große. München 2005, ISBN 3-406-52887-2.
- Ulrich Wilcken: Alexander der Große und der korinthische Bund. In: Sitzungsberichte der preussischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 1922, S. 97–118.
- Wolfgang Will: Athen und Alexander. Untersuchungen zur Geschichte der Stadt von 338–322 v. Chr. (Münchner Beiträge zur Papyrusforschung und Antiken Rechtsgeschichte, Band 77.) Beck, München 1983, ISBN 3-406-09577-1.
- Michael Zahrnt: Versöhnen oder Spalten? Überlegungen zu Alexanders Verbanntendekret. In: Hermes. Zeitschrift für Klassische Philologie, 131 (2003), S. 407–432.