Aristoteles

klassischer griechischer Philosoph
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'Aristoteles’ (griechisch Vorlage:Polytonisch, * 384 v. Chr. in Stageira/Makedonien; † 322 v. Chr. in Chalkis/Euböa) gilt neben Platon und dessen Lehrer Sokrates als der bedeutendste griechische Philosoph. Im Mittelalter war seine Autorität so überragend, dass er einfach nur "Der Philosoph" genannt wurde. Außerdem war er ein wichtiger Naturforscher und einer der einflussreichsten Denker der abendländischen Geistesgeschichte, der zahlreiche Disziplinen entweder selbst begründete oder entscheidend beeinflusste. Nach seiner Herkunft wurde Aristoteles auch Der Stagirit genannt.

Aristoteles-Büste

Überblick und Einführung

Leben

Aus Makedonien stammend trat Aristoteles mit 17 Jahren in Platons Akademie ein. Hier studierte und lehrte er und veröffentlichte schon früh eigene Schriften, bis er Athen aus politischen Gründen 347 verließ. In dieser Phase beschäftigte er sich überwiegend mit Logik.

Zwischen 347 und 334 hielt Aristoteles sich an verschiedenen Orten auf: Unter anderem betrieb er biologische Forschungen in der Ägäis und war Erzieher Alexander des Großen.

334 kehrte Aristoteles nach Athen zurück, allerdings nicht an die Akademie, dessen Mitglied er noch immer war. Im Lykeion unterrichtete er und forschte gemeinsam mit Mitarbeitern auf verschiedenen Gebieten. 322 verließ er wiederum aus politischen Gründen Athen und starb im selben Jahr auf Chalkis.

Werk

Ein großer Teil der Schriften des Aristoteles sind verloren gegangen. Überliefert sind vor allem die Schriften, die Aristoteles nicht selbst veröffentlicht hat, sondern an denen er im Rahmen seiner Lehrtätigkeit wiederholt gearbeitet hat. Aristoteles sehr breites Werk umfasst weite Teile des damaligen Wissens.

Logische Schriften
In den logischen Schriften begründet Aristoteles mit der Syllogistik die formale Logik arbeitet auf Grundlage von Diskussionspraktiken in der Akademie eine Argumentationstheorie (Dialektik) aus und verfasst die erste systematisch angelegte Rhetorik. Des Weiteren verfasst er auf Basis seiner Syllogistik eine Wissenschaftstheorie liefert u. a. bedeutende Beiträge zur Definitionstheorie und Bedeutungstheorie.

Naturphilosophie und Naturwissenschaft
Aristoteles’ Naturphilosophie thematisiert die Grundlagen jeder Naturbetrachtung: die Arten und Prinzipien der Veränderung. Der zeitgenössisch virulenten Frage wie Entstehen und Vergehen möglich ist, begegnet er mithilfe seiner bekannten Unterscheidung von Form und Materie. In seinen naturwissenschaftlichen Werken untersucht er vor allem die Teile und Verhaltensweise der Tiere und deren Funktionen. In seiner Theorie der Seele – in der „beseeltsein“ „lebendig“ bedeutet – argumentiert er, dass die Seele, die die verschiedenen vitalen Funktionen von Lebewesen ausmacht, dem Körper wie die Form der Materie zukommt und vertritt in der Philosophie des Geistes damit eine Position jenseits von Dualismus und Materialismus.

Metaphysik
Zentrales Thema seiner Metaphysik sind seine Theorien der Substanz. In der frühen argumentiert er (gegen Platon) dafür, dass die grundlegenden Entitäten der Wirklichkeit, Substanzen, konkrete Einzeldinge wie Sokrates sind. Dies ergänzt er um seine spätere Lehre, dass die Substanz konkreter Einzeldinge ihre Form ist.

Praktische Philosophie
Das eigentlich Ziel – so Aristoteles in seiner Ethik – ist das gute Leben, das Glück. Um dies zu erreichen, so argumentiert er, muss man Verstandestugenden und (durch Erziehung und Gewöhnung) Charaktertugenden ausbilden, womit ein entsprechender Umgang mit seinen Begierden und Emotionen verbunden ist. Die politische Philosophie schließt an die Ethik an, indem sie feststellt, dass der Staat als Gemeinschaftsform notwendig für das menschliche Glück ist, nach den Bedingungen des Glücks für einen Staat fragt und Verfassungen zu diesem Zweck vergleicht.

Dichtungstheorie
In seiner Dichtungstheorie behandelt Aristoteles insbesondere die Tragödie, deren Funktion darin besteht Emotionen zu erregen und schließlich diese zu reinigen.

Rezeption

Antike
In der Antike wurde Aristoteles zunächst wenig rezipiert. Erst die Neuplatoniker setzten sich insbesondere mit seiner Logik auseinander und begannen eine Kommentartradition. Im antiken Christentum fanden Aristoteles' Schriften wenig Aufnahme.

Mittelalter
Das byzantische Frühmittelalter ignorierte Aristoteles weitgehend. Im islamischen Raum hingegen gab es hingegen schon im 9. Jahrhundert eine breite Rezeption zahlreicher bedeutender Aristoteliker. Das lateinische Mittelalter kannte bis ins 12. Jahrhundert nur wenige, logische Schriften, bis dann im 13. Jahrhundert fast sämtliche Werke vorlagen und diese in der Folge die Standardlehrbücher wurden, was allerdings auch auf Widerstand der Kirche stieß.

Neuzeit
Die Renaissance ging auf die griechischen Originaltexte zurück und schuf zahlreiche Kommentare. Die entstehende neuzeitliche Physik verdrängte nach und nach im 16. und 17. Jahrhundert das aristotelische Weltbild. Die aristotelische Tragödientheorie beeinflusste immens die europäische Literatur.

Leben

384 v. Chr. wurde Aristoteles in Stageira an der Ostküste der Chalkidike als Sohn des Nikomachos und der Phaestis geboren. Sein Vater war Leibarzt am Hof des Königs Amyntas III. von Makedonien. Sein Vater starb, bevor er volljährig wurde, Proxenos aus Atarneus wurde zu seinem Vormund bestimmt.

Erster Athenaufenthalt

367 v. Chr., mit 17 Jahren, trat Aristoteles in Platons Akademie in Athen ein. Dort beschäftigte er sich zunächst mit den methodologischen, logischen und dialektischen Themen, die Platon in seinen späteren Dialogen behandelte und hörte die Vorträge Platons über dessen Prinzipienlehre. Schon früh begann er Werke zu verfassen, zunächst Dialoge in der Tradition Platons. Er setzte sich auch mit der zeitgenössichen Rhetorik auseinander, insbesondere mit der Position des Isokrates und dem Verhältnis von Rhetorik und Philosophie.

Er nahm eine Lehrtätigkeit an der Akademie auf, in der die ersten überlieferten Schriften entstanden – die logischen Schriften des so genannten Organon. Auch die Arbeit an Schriften zu anderen Themen dürfte er in dieser Phase begonnen haben. Indizien insbesondere in den logischen Schriften legen nahe, dass er dafür über Räumlichkeiten verfügte, in der es u. a. eine Tafel sowie Darstellungen von Sokrates und Kallias – vermutlich mit einer Szene des Protagoras.

Reisejahre

347 v. Chr. verließ Aristoteles Athen. Im Jahr 348 hatte Philipp II. von Makedonien Olynth erobert und zerstört. In der Folge entstand in Athen eine antimakedonische Stimmung, die zu Verleumdungen gegen den Makedonen Aristoteles (der kein Bürger, sondern Metöke war) führte. 347 v. Chr. starb Platon. Die Leitung der Akademie übernahm dessen Neffe Speusippos. Aristoteles verließ Athen Richtung Assos, einer Stadt in Kleinasien.

Er folgte der Einladung des Hermias Herrscher von Assos und Atarneus. In Assos hielten sich bereits andere Platoniker auf. Aristoteles und seine Kollegen – unter denen möglicherweise der mitgereiste Xenokrates befand – fanden dort gute Forschungsbedingungen vor und mit Hermias verband ihn eine Freundschaft. 345/44 siedelte Aristoteles nach Mytilene auf Lesbos um, wo er mit Theophrast, seinem engsten Schüler zusammenarbeitete. Hauptforschungsgebiet waren hier die Botanik und insbesondere die Zoologie. Nach einem kurzen Aufenthalt in seiner (349 zerstörten) Heimatstadt Stageira ging Aristoteles auf Einladung von Philipp II. nach Mieza, um dessen zu der Zeit 13-jährigen Sohn Alexander zu erziehen. Über die Art der Erziehungstätigkeit ist nichts bekannt. Aristoteles hat Alexander vermutlich die griechische Kultur und Literatur eröffnet; beispielsweise ließ er eine Abschrift der Ilias für ihn anfertigen, die der Verehrer von Achilleus später in den Eroberungszügen mit sich führte. Die Hinrichtung 341/40 des Hermias durch die Perser berührte Aristoteles offenbar tief, wie ein Hermias gewidmetes Gedicht zeigt. Auch heiratete Aristoteles dessen Schwester (oder Nichte) Pythias irgendwann nach Hermias' Tod. Mit der Übernahme der Regentschaft 340/39 durch den 16-jährigen Alexander endete die Erziehungstätigkeit.

Da Aristoteles 339/8 – als Speusipp, der Leiter der Akademie starb – in Makedonien weilte, konnte er nicht an der Wahl des Nachfolgers teilnehmen, obwohl er als Akademiemitglied geführt wurde. Etwa 338 ging Aristoteles nach Delphi Aristoteteles, von dessen Amphiktyonen er damit beauftragt worden war, eine Siegerliste der delphischen Spiele anzufertigen. Bei dieser Arbeit unterstützte ihn sein Großneffe Kallisthenes.

Zweiter Athenaufenthalt

335/4 wurde Theben zerstört, von dem die antimakedonischen Spannungen ausgingen. In der Folge änderte sich die politische Stimmung auch in Athen, so dass die antimakedonische Partei des Demosthenes neutralisiert wird. Unter diesen Umständen kehrte Aristoteles 335/4 nach Athen zurück. Er lehrte aber nicht an der von Xenokrates geleiteten Akademie, sondern hielt Vorlesungen im Lykeion. Es ist umstritten, ob Aristoteles hiermit eine Schule als Forschungs- und Lehreinrichtung gründete oder nicht. Bekannt ist, dass erst später Theophrast den entsprechenden Grundbesitz erworben hat (was für einen Metöken – wie Aristoteles und Theophrast – in Athen nicht ohne weiteres möglich war) und somit juristisch gesehen der Schulgründer war. Neuere Grabungen legen jedoch die Vermutung nahe, dass schon vor der juristischen Gründung für Aristoteles eine Bibliothek und Lehrgebäude errichtet worden sind.[1] Neben den öffentlichen Vorlesungen wertete er Materialsammlungen aus, wobei davon auszugehen ist, dass er bei der Sammlung des Materials (etwa zu den 158 Verfassungen der griechischen Stadtstaaten) über zahlreiche Mitarbeiter verfügte, die auch außerhalb von Athen recherchierten.

Tod

323 starb Alexander der Große. In Griechenland und in Athen überwogen antimakedonische Tendenzen; so wurde 323 auch das Aristoteles aufgrund der Arbeit in Delphi verliehene Ehrendekret widerrufen. 322 verließ Aristoteles Athen, ein zweites Mal aufgrund in der antimakedonischen Stimmung entstandenen Verleumdungen und Angriffen. Es ist von ihm der Ausspruch überliefert, dass er Athen verlassen habe, da er nicht wollte, dass die Athener sich ein zweites Mal gegen die Philosophie vergingen.[2] Dies bezieht sich auf den Asebieprozess gegen Sokrates im Jahr 399, in dem dieser zum Tode verurteilt worden war. Aristoteles zog nach Chalkis auf Euboia in das Haus seiner Mutter. Im Oktober des Jahres 322 starb er im Alter von 62 Jahren an einer nicht näher bekannten Krankheit. „Im Testament (Diogenes Laertios Kap. V 1, 11-16) tritt uns ein umsichtiger, um das Wohl seiner Angehörigen besorgter Mensch entgegen. Als Testamentsvollstrecker wird der makedonische Feldherr Antipater, der Statthalter Alexanders in Griechenland, eingesetzt, als Nachfolger im Lykeion Theophrast. Aristoteles äußert den Wunsch, nebne seiner Frau Pythias bestattet zu werden, und trifft Verfügungen über Angehörige und Bedienstete.“[3] Er hinterließ eine Tochter mit dem Namen Pythias und einen Sohn, Nicomachos. Es ist angesichts seines unsteten Lebens unter politischen Druck und häufigem Ortswechsel immer wieder mit Erstaunen zur Kenntnis genommen worden, was für ein umfangreiches und vielschichtiges Werk Aristoteles hinterlassen hat. Die Schule des Aristoteles wurde von Theophrast fortgeführt und hieß fortan Peripatos.

Werk

Überlieferung und Charakter der Schriften

Verschiedene antike Verzeichnisse schreiben Aristoteles eine große Zahl, fast 200 Titel zu. Sofern die Angabe des Diogenes Laertios stimmt, hat Aristoteles ein Werk von über 445270 Zeilen hinterlassen (wobei in dieser Zahl zwei der umfangreichsten Schriften - die Metaphysik und die Nikomachische Ethik – vermutlich noch nicht berücksichtigt sind). Nur etwa ein Viertel dessen ist auf uns gekommen. Es werden zwei Gruppen unterschieden: exoterische Schriften (die für ein breiteres Publikum veröffentlicht worden sind) und esoterische (die zum internen Gebrauch der Schule dienten). Alle exoterischen Schriften sind nicht oder nur in Fragmenten überliefert, die meisten esoterischen überliefert. Einen besonderen Überlieferungsweg ging die Die Verfassung der Athener, die als verloren galt und Ende des 19. Jahrhunderts in Papyrusform gefunden wurde.

exoterische und esoterische Schriften

Die exoterischen Schriften bestanden vor allem aus Dialogen in der Tradition Platons, z. B. des Protreptikos – einer Werbeschrift für die Philosophie –, Untersuchungen wie Über die Ideen aber auch propädeutische Sammlungen. Cicero lobt ihren „goldenen Fluß der Rede“.[4] Die auch Pragmatien genannten esoterischen Schriften sind vielfach als Vorlesungsmanuskripte bezeichnet worden, gesichert ist dies nicht und für einige Schriften oder Abschnitte auch unwahrscheinlich. Weitgehend geteilt wird die Auffassung, dass sie aus der Lehrtätigkeit erwachsen sind. Weite Teile der Pragmatien weisen einen eigentümlichen Stil voller Auslassungen, Andeutungen, Gedankensprünge und Dubletten auf. Daneben finden sich aber auch stilitisch ausgefeilte Passagen, die (neben den Dubletten) deutlich machen, dass Aristoteles wiederholt an seinen Texten gearbeitet hat und die Möglichkeit nahelegen, dass er auch auch an Veröffentlichtungen mindestens einiger der Pragmatien gedacht hat. Aristoteles unterstellt seinem Adressaten große Vorkenntnisse fremder Texte und Theorien. Verweise auf die exoterischen Schriften zeigen, dass deren Kenntnis ebenfalls vorausgesetzt wird.

Die Manuskripte des Aristoteles

Nach dem Tod des Aristoteles blieben die Manuskripte des Aristoteles zunächst im Besitz der Schüler. Als sein Schüler und Nachfolger Theophrast starb, soll dessen Schüler Neleus die Bibliothek des Aristoteles erhalten und mit dieser – aus Ärger nicht zum Nachfolger gewählt worden zu sein – mit einigen Anhängern Athen Richtung Skepsis in der Nähe Trojas in Kleinasien verlassen haben. Die antiken Berichte erwähnen eine abenteuerliche und zweifelhafte Geschichte, nach der die Erben des Neleus die Manuskripte vor fremden Zugriff im Keller vergraben haben und diese vergessen worden sein sollen. Weitgehend gesichert ist, dass im ersten Jahrhundert v. Chr. Apellikon von Teos die beschädigten Manuskripte erworben und nach Athen gebracht hat und sie dort bei der Eroberung von Athen im Jahr 86 v. Chr. durch Sulla nach Rom gelangt sind. Dessen Sohn beauftragte Mitte des Jahrhunderts Tyrannion die Manuskripte zu sichten und durch weiteres Material zu ergänzen.

Weitere Überlieferungswege

Auch wenn mit der Bibliothek des Aristoteles seine Manuskripte Jahrhunderte verschollen waren, ist es unbestritten, dass die Lehre des Aristoteles im Hellenismus mindestens teilweise bekannt war. Quellen waren vor allem die exoterischen Schriften. Indirekt war sie wohl auch durch Theophrasts Wirken bekannt. Daneben müssen aber auch einige Pragmatien bekannt sein, von denen es möglicherweise Abschriften in der Bibliothek des Peripatos gab.

Andronikos von Rhodos. Die erste Ausgabe

Auf der Grundlage des Tyrannion besorgte dessen Schüler Andronikos von Rhodos im ersten Jahrhundert v. Chr. die erste Ausgabe der aristotelischen Pragmatien, die wohl nur zum Teil auf den Manuskripten des Aristoteles beruhte. Die Schriften dieser Edition bilden das Corpus Aristotelicum. Vermutlich gehen einige Zusammenstellungen von zuvor ungeordneten Büchern sowie einige Titel auf diese Ausgabe zurück. Möglicherweise hat Andronikos auch darüber hinaus Eingriffe in den Text – wie Querverweise – vorgenommen. Im Fall der zahlreichen Dubletten hat er möglicherweise verschiedene Texte zum selben Thema hintereinander angeordnet. Die heutige Anordnung der Schriften entspricht weitgehend der dieser Ausgabe. Die zu seiner Zeit noch vorliegenden exoterischen Schriften berücksichtigte Andronikos nicht. Sie gingen in der Folgezeit verloren.

Mittelalterliche Handschriften und Druckausgaben

Heutige Ausgaben beruhen auf Abschriften, die auf die Andronikos-Ausgabe zurückgehen. Mit über 1000 Handschriften ist dabei Aristoteles der griechisch-sprachige, profane Autor mit der weitesten Verbreitung. Die ältesten Handschriften stammen aus dem 9. Jahrhundert. Das Corpus Aristotelicum ist dabei schon allein aufgrund des Umfangs nie in einem einzigen Codex enthalten. Nach der Erfindung des Buchdrucks erfolgte die erste Druckausgabe des Aldus Manutius 1495-1498. Auf diese Aldina genannten Ausgabe folgten zahlreiche weitere Editionen. Die von Immanuel Bekker 1831 besorgte Gesamtausgabe der Berliner Akademie ist die Grundlage der modernen Aristotelesforschung. Sie beruht auf Kollationen der besten damals zugänglichen Handschriften. Nach ihr wird heute noch zitiert und für einige wenige Werke bietet sie noch immer den maßgeblichen Text, für die meisten Werke liegen heute jedoch maßgebliche Einzelausgaben vor.

Sprache, Logik und Wissen

Das Organon

Die Themen dieses Kapitels finden sich vor allen in den Schriften, die traditionell unter dem Titel Organon zusammengestellt werden. Diese Zusammenstellung und ihr Titel ist nicht von Aristoteles und ihre Reihenfolge gibt keine Chronologie wieder. Auch gehört die Rhetorik der Sache nach dazu, wurde traditionell aber nicht aufgenommen. Eine Berechtigung für die Zusammenstellung besteht aber in dem gemeinsamen methodologisch-propädeutischen Charakter.

Bedeutungstheorie

In folgendem Abschnitt – der als der einflussreichste Text in der Geschichte der Semantik gilt[5] – unterscheidet Aristoteles vier Elemente, die in zwei verschiedenen Beziehungen zueinander stehen, einer Abbildungsbeziehung und einer Symbolbeziehung:

„Nun sind [a] die (sprachlichen) Äußerungen unserer Stimme Symbole für [c] das, was (beim Sprechen) unserer Seele widerfährt, und [b] unsere schriftlichen Äußerungen sind wiederum Symbole für die (sprachlichen) Äußerungen unserer Stimme. Und wie nicht alle Menschen mit denselben Buchstaben schreiben, so sprechen sie auch nicht dieselbe Sprache. Die seelischen Widerfahrnisse aber, für welche dieses (Gesprochene und Geschriebene) an erster Stelle ein Zeichen ist, sind bei allen Menschen dieselben; und überdies sind auch schon [d] die Dinge, von denen diese (seelischen Widerfahrnisse) Abbildungen sind, für alle dieselben.“

De Interpretatione 1, 16a4-13

Gesprochene und geschriebene Worte sind demnach bei den Menschen verschieden; geschriebene Worte symbolisieren gesprochene Worte. Seelische Widerfahrnisse und die Dinge sind bei allen Mensch gleich; seelische Widerfahrnisse bilden die Dinge ab. Demnach ist die Beziehung von Rede und Schrift zu den Dingen konventionell, die Beziehung aber von den mentalen Eindrücken zu den Dingen natürlich.

Da Wörter konventionell und nicht von Natur bezeichnen, können sie nicht wahr oder falsch sein. Wahr oder falsch kann – wie Aristoteles feststellt – nur der Aussagesatz (logos apophantikos) sein.

Prädikate und Eigenschaften

Einige sprachlich-logische Themen sind für Aristoteles’ Philosophie fundamental und spielen auch außerhalb der (im weiteren Sinne) logischen Schriften eine bedeutende Rolle. Hierbei geht es insbesondere um das Verhältnis von Prädikaten und (wesentlichen) Eigenschaften.

Definitionen

Unter einer Definition versteht Aristoteles primär keine Nominaldefinition (die er auch kennt), sondern eine Realdefinition. Eine Definition von X gibt notwendige Eigenschaften von X an und was es heißt, ein X zu sein: das Wesen. Möglicher Gegenstand einer Definition ist das, was ein Wesen aufweist, insbesondere Arten wie Mensch. Eine Art wird definiert durch die Angabe einer (logischen) Gattung und der artbildenden Differenz. So lässt sich Mensch definieren als vernunftbegabtes (Differenz) Lebewesen (Gattung).

Für materielle Gegenstände verwendet Aristoteles noch einen weiteren wichtigen Definitionstyp, der die (später behandelte) Form-Materie-Unterscheidung zugrunde legt und ontologisch ist. Demgemäß ist beispielsweise ein Haus definiert als eine auf bestimmte Weise strukturierte Anordnung von Holz und Ziegeln. (Vgl. Met. VIII 3, 1043a31f.)

Kategorien als zehn Aussageklassen

Aristoteles behauptet, dass es zehn nicht aufeinander zurückführbare Aussageweisen gibt, die zehn Kategorien. Die Kategorien haben sowohl eine sprachlich-logische als auch eine ontologische Funktion. Denn von einem Zugrundeliegendem (hypokeimenon, wird auch mit Subjekt oder Substrat übersetzt) werden einerseits Prädikate ausgesagt und ihm kommen anderseits Eigenschaften zu. Entsprechend stellen die Kategorien sowohl Klassen von Prädikaten wie auch von Arten des Seienden dar. Dabei hebt Aristoteles die Kategorie der Substanz, die wesentliche Prädikate enthält, von den anderen ab, die akzidentelle Prädikate enthalten.

Bezeichnung griechisch Frage Beispiel
Substanz ousia, ti esti' Was ist etwas? Mensch, Pferd
Quantität poson Wieviel/groß ist etwas? zwei Ellen lang
Qualitatives poion Wie beschaffen ist etwas? weiß, des Lesens kundig
Relation pros ti In welcher Beziehung steht etwas (zu etwas)? doppelt, halb, größer
Ort pou Wo ist etwas? im Lyzeum, auf dem Marktplatz
Zeit pote Wann ist etwas? gestern, voriges Jahr
Lage keisthai In welcher Position ist etwas? es ist aufgestellt, sitzt
Haben echein Was hat etwas? hat Schuhe an, ist bewaffnet
Tun poiein Was tut etwas? schneidet, brennt[6]
Erleiden paschein Was erleidet etwas? wird geschnitten, gebrannt

Prädiziert man Mensch von Sokrates handelt es sich um eine wesentliche Prädikation, die vom Subjekt (Sokrates) angibt, was er ist. Dies unterscheidet sich offenbar von einer Prädikation wie Sokrates ist auf dem Marktplatz, in der man etwas Akzidentelles angibt, nämlich wo Sokrates ist und nicht was.

Deduktion und Induktion: Argumenttypen und Erkenntnismittel

Aristoteles unterscheidet zwei Typen von Argumenten oder Erkenntnismittel: Deduktion (syllogismos) und Induktion (epagôgê). Die Übereinstimmung mit den modernen Deduktions- und Induktionsbegriffen ist dabei weitgehend, aber nicht vollständig. Deduktionen und Induktionen spielen in den verschiedenen Bereichen der aristotelischen Argumentationstheorie und Logik die zentrale Rolle. Deduktionen wie Induktionen stammen ursprünglich aus der Dialektik.

Deduktion

Nach Aristoteles besteht eine Deduktion aus Prämissen und einer von diesen verschiedenen Konklusion. Die Konklusion folgt mit Notwendigkeit aus den Prämissen; die Konklusion kann nicht falsch sein, wenn die Prämissen wahr sind.

„Eine Deduktion (syllogismos) ist ein Argument (logos), in welchem sich, wenn bestimmte Dinge vorausgesetzt werden, etwas von dem Vorausgesetzten Verschiedenes sich mit Notwendigkeit dadurch ergibt, dass dieses der Fall ist.“

An. Pr. I 1, 24b18-20; Ähnlich Top. I 1, 100a25-27; Soph. el. 1, 165a1f.

Die Definition der Deduktion (syllogismos) ist also weiter als die der – traditionell Syllogismus genannten – Deduktion, die aus zwei Prämissen und drei Termen besteht.

Aristoteles unterscheidet dialektische, eristische, rhetorische und demonstrative Deduktionen. Diese Formen unterscheiden sich vor allem nach der Art ihrer Prämissen.

Induktion

Der Deduktion stellt Aristoteles explizit die Induktion gegenüber; deren Bestimmung und Funktion ist allerdings nicht so klar wie die der Deduktion. Er nennt sie

„den Aufstieg vom Einzelnen zum Allgemeinen. Zum Beispiel, wenn derjenige Steuermann, der sich auskennt, der beste (Steuermann) ist und so auch beim Wagenlenker, dann ist überhaupt in jedem Bereich, derjenige, der sich auskennt, der beste.“

Top. I 12, 105a13f.

Aristoteles ist klar, dass ein derartiges Übergehen von singulären zu allgemeinen Sätzen nicht – ohne weitere Bedingungen –[7] logisch gültig ist. (Vgl. Apo II 5, 91b34f.) Entsprechende Bedingungen werden beispielsweise in dem ursprünglichen, argumentationslogischen Kontext der Dialektik erfüllt, da der Kontrahent einen durch Induktion eingeführten Allgemeinsatz akzeptieren muss, wenn er kein Gegenbeispiel nennen kann. Vor allem aber hat die Induktion die Funktion in anderen, nicht folgernden Kontexten, durch das Anführen von Einzelfällen das Allgemeine deutlich zu machen – sei es als didaktisches oder heuristisches Verfahren. Eine derartige Induktion stellt plausible Gründe dafür bereit, einen allgemeinen Satz für wahr zu halten. Aristoteles rechtfertigt aber nirgends – ohne weitere Bedingungen – induktiv die Wahrheit eines solchen Satzes.

Dialektik: Theorie der Argumentation

Die in der Topik behandelte Dialektik ist eine Form der Argumentation, die (ihrer genuinen Grundform nach) in einer dialogischen Disputation stattfindet. Sie geht vermutlich auf Praktiken in der Akademie zurück. Die Zielsetzung der Dialektik lautet:

„Die Abhandlung beabsichtigt ein Verfahren zu finden, aufgrund dessen wir in der Lage sein werden, über jedes vorgelegte Problem aus anerkannten Meinungen (endoxa) zu deduzieren, und wenn wir selbst ein Argument vertreten, nichts Widersprüchliches zu sagen. Top. I 1, 100a18-21“

Die Dialektik hat demnach keinen bestimmten Gegenstandsbereich, sondern kann universal angewendet werden. Aristoteles bestimmt die Dialektik durch die Art der Prämissen dieser Deduktion. Ihre Prämissen sind anerkannte Meinungen (endoxa), d.h.

„„diejenigen, die entweder (a) von allen oder (b) den meisten oder (c) den Fachleuten und dabei entweder (ci) von allen oder (cii) den meisten oder (ciii) den bekanntesten und anerkanntesten für richtig gehalten werden.“

Top. I 1, 100b21-23; [8]

Für dialektische Prämissen ist es unerheblich, ob sie wahr sind oder nicht. Weshalb aber anerkannte Meinungen? In ihrer Grundform findet Dialektik in einem argumentativen Wettstreit zwischen zwei Gegnern statt mit genau zugewiesenen Rollen. Auf ein vorgelegtes Problem der Form 'Ist S P oder nicht?' muss der Antwortende sich auf eine der beiden Möglichkeiten als These festlegen.[9] Das dialektische Gespräch besteht nun darin, dass ein Fragender dem Antwortenden Aussagen vorlegt, die dieser entweder bejahen oder verneinen muss.[10] Die beantworteten Fragen gelten als Prämissen. Das Ziel des Fragenden besteht nun darin, mithilfe der bejahten oder verneinten Aussagen eine Deduktion zu bilden, sodass die Konklusion die Ausgangsthese widerlegt oder aus den Prämissen etwas Absurdes oder ein Widerspruch folgt. Die Methode der Dialektik weist nun zwei Bestandteile auf:

  1. herausfinden, welche Prämissen ein Argument für die gesuchte Konklusion ergeben.
  2. herausfinden, welche Prämissen der Antwortende akzeptiert.

Für 2. bieten die verschiedenen Typen (a)-(ciii) anerkannter Meinungen dem Fragenden Anhaltspunkte, welche Fragen der jeweilige Antwortende bejahen wird, d.h. welche Prämissen er verwenden kann. Aristoteles fordert dazu auf, Listen solcher anerkannten Meinungen anzulegen. (Vgl. Top. I 14). Vermutlich meint er nach den Gruppen (a)-(ciii) getrennte Listen; diese wurden wiederum nach Gesichtspunkten geordnet.

Für 1. hilft in seinem Argumentationsaufbau dem Dialektiker das Instrument der Topen. Ein Topos ist eine Konstruktionsanleitung für dialektische Argumente, d.h. zur Auffindung geeigneter Prämissen für eine gegebene Konklusion. Aristoteles listet in der Topik etwa 300 dieser Topen auf. Der Dialektiker kennt diese Topen auswendig, die sich aufgrund ihrer Eigenschaften ordnen lassen. Die Basis dieser Ordnung stellt das System der Prädikabilien dar.

Nach Aristoteles ist die Dialektik für dreierlei nützlich: (1) als Übung, (2) für die Begegnung mit der Menge und (3) für die Philosophie. Neben (1) der Grundform des argumentativen Wettstreits – bei der es eine Jury und Regeln gibt und die wahrscheinlich auf Praktiken in der Akademie zurückgeht – gibt es mit (2) auch Anwendungsweisen, die zwar dialogisch, aber nicht als regelbasierter Wettstreit angelegt sind sowie mit (3) welche, die nicht dialogisch sind, sondern in denen der Dialektiker im Gedankenexperiment (a) Schwierigkeiten nach beiden Seiten hin durchgeht (diaporêsai) oder auch (b) Prinzipien untersucht.(Vgl. Top. I 4) Auch prüft er an zahlreichen Stellen seiner Schriften zu Problemen vorab anerkannte Meinungen. Bei Aristoteles ist die Dialektik aber nicht wie bei Platon die Methode der Philosophie oder eine Fundamentalwissenschaft.

Rhetorik: Theorie der Überzeugung

Aristoteles definiert Rhetorik als „Fähigkeit bei jeder Sache das möglicherweise Überzeugende (pithanon) zu betrachten.“ (Rhet. I 2, 1355b26f.) Er nennt sie ein Gegenstück (antistrophos) zur Dialektik. Denn ebenso wie die Dialektik ist die Rhetorik ohne abgegrenzten Gegenstandsbereich, sie verwendet dieselben Elemente (wie Topen, anerkannte Meinungen und insbesondere Deduktionen) und dem dialektischen Schließen entspricht das auf rhetorischen Deduktionen basierende Überzeugen. Rhetorik kommt im Athen des vierten Jahrhunderts, insbesondere in der Volksversammlung und den mit durch Los bestimmten Laienrichtern besetzten Gerichten des demokratischen Athens eine herausragende Bedeutung zu. Es gibt zahlreiche Rhetoriklehrer und Rhetorikhandbücher kommen auf. Aristoteles’ dialektische Rhetorik ist eine Reaktion auf die Rhetoriktheorie seiner Zeit, die – wie er kritisiert – bloße Versatzstücke für Redesituationen bereitstellt und Anweisungen, wie man durch Verleumdung und Emotionserregung das Urteil der Richter trüben kann. Der Kern seiner dialektischen Rhetorik dagegen besteht in der Auffassung: Wir sind dann am meisten überzeugt, wenn wir meinen, dass etwas bewiesen worden ist.(Vgl. Rhet. I 1, 1355a5f.) Dass die Rhetorik sachorientiert sein und das jeweils in der Sache liegende Überzeugungspotential entdecken und ausschöpfen müsse, drückt sich auch in der Gewichtung der drei Überzeugungmittel:

  • Charakter des Redners,
  • emotionaler Zustand des Hörers und
  • Argument

aus, von denen er das Argument für am wichtigsten hält.

Unter den Argumenten unterscheidet Aristoteles das Beispiel – eine Form der Induktion – und das Enthymem – eine rhetorische Deduktion (wobei wiederum das Enthymem wichtiger als das Beispiel ist).[11] Das Entyhmem ist eine Art der dialektischen Deduktion; es unterscheidet sich von diesem aufgrund der rhetorischen Situation aber dadurch, dass seine Prämissen nur die anerkannten Meinungen sind, die von allen oder den meisten für wahr gehalten werden. (Die verbreitete, kuriose Ansicht, das Enthymem sei ein Syllogismus, in dem eine der zwei Prämissen fehle, vertritt Aristoteles nicht; sie basiert auf einem schon in der antiken Kommentierung belegten Missverständnis von 1357a7ff.) Der Redner überzeugt demnach die Zuhörer, indem er eine Behauptung (als Konklusion) aus den Überzeugungen (als Prämissen) der Zuhörer herleitet. Die Konstruktionsanleitungen dieser Enthymeme liefern rhetorische Topen, z.B.:

„Ein weiterer (Topos ergibt sich) aus dem Eher und Weniger, wie zum Beispiel: 'Wenn schon die Götter nicht alles wissen, dann wohl kaum die Menschen.' Denn das bedeutet: Wenn etwas dem, dem es eher zukommen könnte, nicht zukommt, dann ist offensichtlich, dass es auch nicht dem zukommt, dem es weniger zukommen könnte.“

Rhet. II 23, 1397b12-15.

An den zeitgenössischen Rhetoriklehrern kritisiert Aristoteles, dass sie – die Argumentation vernachlässigend – ausschließlich die Emotionserregung thematisierten und dass diese durch Verhalten wie Jammern oder Mitbringen der Familie zur Gerichtsverhandlung erreicht würde und dabei ein sachbezogenes Urteil der Richter verhindert werde. Aristoteles’ Theorie zufolge können alle Emotionen definiert werden, indem drei Faktoren berücksichtigt werden, indem man fragt: (1) Worüber, (2) wem gegenüber und (3) in welchem Zustand empfindet jemand die jeweilige Emotion? So lautet die Definition von Zorn:

„Es soll also Zorn [3] ein mit Schmerz verbundenes Streben nach einer vermeintlichen Vergeltung sein [1] für eine vermeintliche Herabsetzung einem selbst oder einem der Seinigen gegenüber [2] von solchen, denen eine Herabsetzung nicht zusteht.“

Rhet. II 2, 1378a31-34.

Wenn der Redner mit diesem Definitionswissen den Zuhörern deutlich machen kann, dass der entsprechende Sachverhalt vorliegt und sie sich im entsprechenden Zustand befinden,[12] empfinden sie die entsprechende Emotion. Sofern der Redner mit dieser Methode bestehende Sachverhalte eines Falles hervorhebt, lenkt er hierbei nicht – wie bei den kritisierten Vorgängern – von der Sache ab, sondern fördert nur dem Fall angemessene und verhindert somit unangemessene Emotionen. Schließlich sollte der Charakter des Redners aufgrund seiner Rede für die Zuhörer glaubwürdig, d. h. tugendhaft, klug und wohlwollend erscheinen.(Vgl. Rhet. I 2, 1356a5-11; II 1, 1378a6-16)

Die sprachliche Form dient ebenfalls einer argumentativ-sachorientierten Rhetorik. Denn Aristoteles definiert ihre optimale Form (aretê) dadurch, dass sie (a) primär klar, zugleich aber (b) weder banal noch zu erhaben ist.(Vgl. Rhet. III 2, 1404b1-4) (b) soll dabei das Interesse, die Aufmerksamkeit und das Verständnis fördern und angenehm sein. Unter den Stilmitteln erfüllt insbesondere die Metapher diese Bedingungen.

Syllogistische Logik

Besteht die dialektische Logik in einer Methode des konsistenten Argumentierens, so besteht die syllogistische in einer Theorie des Beweisens selbst. In der Syllogistik zeigt Aristoteles, welche Schlüsse gültig sind. Hierfür verwendet er eine Form, die traditionell Syllogismus (der lateinischen Übersetzung von syllogismos) genannt wird. Jeder Syllogismus ist eine Deduktion (syllogismos), aber nicht jede Deduktion ist ein Syllogismus. Aristoteles verwendet aber keinen eigenen Begriff, um den Syllogismus von anderen Deduktionen abzugrenzen.

Ein Syllogismus ist eine Deduktion, die aus genau zwei Prämissen und einer Konklusion besteht, wobei Prämissen und Konklusion genau drei verschiedene Terme aufweisen, von denen sie genau einen Term gemeinsam haben, der in der Konklusion nicht vorkommt. Durch die Stellung des gemeinsamen Terms, des Mittelterms (hier immer B) unterscheidet Aristoteles folgende syllogistische Figuren:

1. Figur: Mittelterm ist in (1) Subjekt, in (2) Prädikat 2. Figur: Mittelterm ist in (1) und in (2) Prädikat. 3. Figur: Mittelterm ist in (1) und in (2) Subjekt.
(1) AxB BxA AxB
(2) BxC BxC CxB
Konklusion AxC AxC AxC

[13]

Ein Prädikat (P) kann einem Subjekt (S) entweder zu- oder abgesprochen werden und dies kann in partikulärer oder in allgemeiner Form geschehen, so dass es vier Formen gibt, in denen S und P miteinander verbunden werden können, die die folgende Tabelle zeigt. (Die Vokale werden seit dem Mittelalter für den jeweiligen Aussagetypus und auch in der Syllogistik verwendet.) (Vgl. De Interpretatione 7)

zusprechen absprechen
allgemein Jedes S ist P: a Jedes S ist nicht P = Kein S ist P: e
partikular Irgendein S ist P: i Irgendein S ist nicht P =Nicht jedes S ist P: o

Der Syllogismus verwendet genau diese vier Aussagetypen in folgender Form:

Inverse Stellung[14] übliche Notation Normale Wortstellung
A kommt allen B zu. AaB Alle B sind A
A kommt keinem B zu. AeB Kein B ist A
A kommt einigen B zu. AiB Einige B sind A.
A kommt nicht B zu. AoB Einige B sind nicht A.

Aristoteles untersucht folgende Frage: Welche der 192 möglichen Kombinationen sind logisch gültige Deduktionen? Bei welchen Syllogismen ist es nicht möglich, dass, wenn die Prämissen wahr sind, die Konklusion falsch ist? Aristoteles unterscheidet vollkommene Syllogismen, die unmittelbar einsichtig sind, von unvollkommenen. Die unvollkommenen Syllogismen führt er mittels Konversionsregeln auf die vollkommenen zurück (dies Verfahren nennt er analysis) oder beweist sie indirekt. [15] Ein vollkommener Syllogismus ist der – seit dem Mittelalter sogenannte – Barbara:[16]

Aristotelische, inverse Stellung übliche Notation Normale Stellung
(1) A kommt allen B zu. AaB Alle Griechen sind Menschen.
(2) B kommt allen C zu. BaC Alle Menschen sind sterblich.
Konklusion Also: A kommt allen C zu. AaC Also: Alle Griechen sind sterblich.

(Zu den weiteren gültigen Syllogismen und deren Beweise vgl. Syllogismus).

Die Anwendung der – in der Analytica Priora ausgearbeiteten – Syllogistik sieht Aristoteles in seiner Wissenschaftstheorie der Analytica Posteriora.

Aristoteles entwickelt zudem eine modale Syllogistik, die die Begriffe möglich und notwendig einschließt. Diese Modalsyllogistik ist sehr viel schwieriger zu interpretieren als die einfache Syllogistik. Ob eine konsistente Interpretation dieser modalen Syllogistik überhaupt möglich ist, ist noch heute umstritten. Interpretatorisch problematisch, aber auch bedeutend ist Aristoteles’ Definition von möglich. Er unterscheidet hierbei die sogenannten einseitige und zweiseitige Möglichkeit:

  1. Einseitig: p ist möglich insofern nicht p nicht notwendig ist.
  2. Zweiseitig: p ist möglich, wenn p nicht notwendig und nicht-p nicht notwendig ist, d.h. p ist kontigent.

Damit lässt sich der Indeterminismus, den Aristoteles vertritt, als der Zustand charakterisieren, der kontingent ist.

Wissen und Wissenschaft

Stufen des Wissens

Aristoteles unterscheidet verschiedene Stufen des Wissens, die sich folgendermaßen darstellen lassen: (Vgl. Met. I 1; An. post. II 19)


Epistemische Stufe Welche Lebewesen
Wissen Mensch
Erfahrung einige Tiere im eingeschränkten Sinn; Mensch
Erinnerung die meisten Lebewesen
Wahrnehmung Alle Lebewesen

Mit dieser Stufung beschreibt Aristoteles auch, wie Wissen entsteht: Aus Wahrnehmung entsteht Erinnerung und aus Erinnerung durch Bündelung von Erinnerungsinhalten Erfahrung. Erfahrung besteht in einer Kenntnis einer Mehrzahl konkreter Einzelfälle und gibt nur das Dass an, ist bloße Faktenkenntnis. Wissen bzw. Wissenschaft (epistêmê bezeichnet beides) unterscheidet sich von Erfahrung dadurch, dass es[17]

  • (i) allgemein ist;
  • (ii) nicht nur das Dass eines Sachverhalts, sondern auch das Warum, den Grund oder die erklärende Ursache angibt.

In diesem Erkenntnisprozess schreiten wir nach Aristoteles von dem, was für uns bekannter und näher an der sinnlichen Wahrnehmung ist zu dem vor, was an sich oder von Natur aus bekannter ist, die Prinzipien und Ursachen der Dinge.

Dass Wissen an oberster Stelle steht und überlegen ist, bedeutet aber nicht, dass es im konkreten Fall die anderen Stufe in dem Sinne enthält, dass es sie ersetzte. Im Handeln ist zudem die Erfahrung als Wissen vom Einzelnen den Wissensformen, die aufs Allgemeine gehen, mitunter überlegen.(Vgl. Met. 981a12-25)

Ursachen und Demonstrationen

Unter einer Ursache (aitia) versteht Aristoteles in der Regel nicht ein von einem verursachten Ereignis B verschiedenes Ereignis A. Die Untersuchung von Ursachen dient auch nicht dazu, Wirkungen vorherzusagen, sondern Sachverhalte zu erklären. Eine aristotelische Ursache gibt einen Grund auf bestimmte Warum-Fragen an. (Aristoteles unterscheidet vier Ursachentypen, die genauer im Abschnitt Naturphilosophie behandelt werden).

Nach Aristoteles hat Ursachenwissen die Form einer Demonstration, d.h. eines Syllogismus mit wahren Prämissen, die Ursachen für den in der Konklusion ausgedrückten Sachverhalt angeben. Ein Beispiel:

Inverse Stellung Formal Normale Wortstellung
1. Prämisse Aus Bronze zu sein kommt allen Statuen zu. BaC Alle Statuen sind aus Bronze.
2. Prämisse Schwer zu sein kommt Bronze zu. AaC Bronze ist schwer.
Konklusion Schwer zu sein kommt allen Statuen zu. AaB Alle Statuen sind schwer.

Aristoteles spricht davon, dass die Prämissen einiger Demonstrationen Prinzipien (archê; wörtl. Anfang) sind, erste wahre Sätze, die selbst nicht demonstrativ bewiesen werden können.

Nicht-Beweisbare Sätze

Neben den Prinzipien kann auch die Existenz und die Eigenschaften der behandelten Gegenstände einer Wissenschaft sowie bestimmte, allen Wissenschaften gemeinsame Axiome nach Aristoteles nicht demonstriert werden, wie beispielsweise der Satz vom Widerspruch. Dass beispielsweise Geometrie die Existenz von Punkten oder die Biologie die von Lebewesen mit bestimmten Eigenschaften voraussetzt, ist weniger problematisch. Vom Satz vom Widerspruch zeigt Aristoteles, dass er nicht geleugnet werden kann. Dieser lautet: X kann Y nicht zugleich in derselben Hinsicht zukommen und nicht zukommen.(Vgl. Met. IV 3, 1005b19f.) Aristoteles argumentiert, dass, wer dies leugnet, etwas und somit etwas Bestimmtes sagen muss. Wenn er z. B. 'Mensch' sagt, bezeichnet er damit Menschen und nicht Nicht-Menschen. Mit dieser Festlegung auf etwas Bestimmtes setze er aber den Satz vom Widerspruch voraus. Dies gelte sogar für Handlungen, insofern eine Person etwa um einen Brunnen herumgeht und nicht in ihn hinein fällt.

Dass diese Sätze und auch Prinzipien nicht demonstriert werden können, liegt an Aristoteles’ Lösung eines Begründungsproblems: Wenn Wissen Rechtfertigung enthält, dann führt dies in einem konkreten Fall von Wissen entweder (a) zu einem Regress, (b) einem Zirkel oder (c) zu fundamentalen Sätzen, die nicht begründet, gerechtfertigt werden können. Prinzipien in einer aristotelischen demonstrativen Wissenschaft sind solche Sätze, die nicht demonstriert, sondern auf andere Weise gewusst werden.(Vgl. Apo I 3)

Das Verhältnis von Definition, Ursache und Demonstration

Aristoteles spricht zudem davon, dass sofern die Prämissen Prinzipien sind, sie auch Definitionen darstellen können. Wie ungefähr sich Demonstration, Ursache und Definition zueinander verhalten, illustriert folgendes Beispiel: Der Mond weist zum Zeitpunkt t eine Finsternis auf, weil (i) immer wenn etwas im Sonnenschatten der Erde ist, es eine Finsternis aufweist und (ii) der Mond zum Zeitpunkt t im Sonnenschatten der Erde liegt. Demonstration:

Inverse Stellung Formal
1. Prämisse Finsternis kommt allen Fällen zu, in denen die Erde die Sonne verdeckt. AaB
2. Prämisse Verdecken der Sonne durch die Erde kommt Mond zum Zeitpunkt t zu. BiC
Konklusion Finsternis kommt Mond zum Zeitpunkt t zu. AiC

Mittelterm: Verdecken der Sonne durch die Erde.
Ursache: Verdecken der Sonne durch die Erde kommt dem Mond zum Zeitpunkt t zu.

Die Definition wäre hier etwa: Mondfinsternis ist der Fall, in dem die Erde die Sonne verdeckt. Sie erklärt nicht das Wort 'Mondfinsternis'. Vielmehr gibt sie an, was eine Mondfinsternis ist. Indem man die Ursache angibt, schreitet man von einem Faktum zu seinem Grund fort. Das Verfahren der Analyse besteht darin bottom-up zu einem bekannten Sachverhalt, die nächste Ursache zu suchen bis eine letzte Ursache erreicht ist.

Status der Prinzipien und Funktion der Demonstration

Aristotelische Wissenschaft wurde in der Neuzeit und bis in das 20 Jh. als ein top-down-Beweisverfahren verstanden. Die unbeweisbaren Prinzipien, seien notwendig wahr und würden durch Induktion und Intuition (nous) erlangt. Es folgten – in einer axiomatischen Struktur – alle Sätze einer Wissenschaft aus ihren Prinzipien. Wissenschaft bestehe dabei in zwei Schritten: Zunächst würden die Prinzipien intuitiv erfasst, dann würde top-down aus ihnen Wissen demonstriert.[18]

Gegner dieser top-down Interpretation stellen vor allem infrage, dass für Aristoteles

  1. die Prinzipien immer wahr sind;
  2. die Prinzipien durch Intuition gewonnen werden;
  3. die Funktion der Demonstration darin besteht, dass aus obersten Prinzipien Wissen erschlossen wird.

Eine Interpretationsrichtung behauptet, die Demonstration habe didaktische Funktion. Da Aristoteles in den naturwissenschaftlichen Schriften seine Wissenschaftstheorie nicht befolge, lege diese nicht dar, wie Forschung durchgeführt, sondern wie sie didaktisch präsentiert werden soll. Eine andere Interpretation weist auch die didaktische Interpretation zurück, da sich sich sehr wohl Anwendungen seines wissensschaftstheoretischen Modells in naturwissenschaftlichen Schriften finden ließen. Vor allem aber kritisiert sie die erste Lesart damit, dass sie nicht zwischen Wissensideal und Wissenskultur unterscheide; denn Aristoteles halte Prinzipien für fallibel und die Funktion der Demonstration für heuristisch. Sie liest die Demonstration bottom-up: Zu bekannten Sachverhalten würden mithilfe der Demonstration deren Ursachen gesucht. Die wissenschaftliche Forschung gehe von dem für uns bekannteren empirischen (meist universalen) Sätzen aus. Zu einer solchen Konklusion werden Prämissen gesucht, die für den entsprechenden Sachverhalt Ursachen angeben.

Der wissenschaftliche Forschungsprozess besteht nun darin, die Verknüpfung von 'Schwere' und Statue oder Mond und Finsternis in der Weise genauer zu analysieren, indem man Mittelterme sucht, die sie als Ursache miteinander verknüpfen. Im einfachsten Fall gibt es dabei nur einen Mittelterm, in anderen mehrere.

Top-down wird dann das Wissen von den erklärenden Prämissen zu den erklärten universalen empirischen Sätzen präsentiert. Dabei geben die Prämissen den Grund für den in der Konklusion beschriebenen Sachverhalt an.

Dies trifft auf alle Disziplinen einzeln zu, denn für Aristoteles hat jede Wissenschaft eine abgegrenzten Bereich, eigentümliche Objekte und somit eigene Prinzipien. Das Ziel jeder Disziplin besteht in einer derartigen demonstrativen Darstellung des Wissens, in der die nicht demonstrierbaren Prinzipien dieser Wissenschaft Prämissen sind.

Erfassen der Prinzipien

Wie Prinzipien erfasst werden, bleibt undeutlich und ist umstritten. Vermutlich werden sie durch Allgemeinbegriffe gebildet, die durch einen induktiven Vorgang entstehen, einem Aufstieg innerhalb der oben beschriebenen Wissensstufen: Wahrnehmung wird Erinnerung, wiederholte Wahrnehmung verdichtet sich zu Erfahrung und aus Erfahrung bilden wir Allgemeinbegriffe. Mit dieser auf der Wahrnehmung basierenden Konzeption der Bildung von Allgemeinbegriffen weist Aristoteles sowohl Konzeptionen zurück, die diese aus einem höheren Wissen ableiten als auch die, die behaupten, diese seien angeboren. Vermutlich auf Grundlage dieser Allgemeinbegriffe werden die Prinzipien, Definitionen gebildet. Die Dialektik, die Fragen in der Form 'Trifft P auf S zu oder nicht' behandelt, ist vermutlich ein Mittel Prinzipien zu prüfen. Das Vermögen, das diese grundlegenden Allgemeinbegriffe und Definitionen erfasst, ist der Geist, die Einsicht (nous).

Naturphilosophie

Natur

In Aristoteles’ Naturphilosophie meint Natur (physis) zweierlei: Zum einen besteht der primäre Gegenstandsbereich in den von Natur aus bestehenden Dinge (Tiere, Pflanzen, die Elemente), die sich von Artefakten unterscheiden. Zum anderen ist Natur ein Prinzip, oder der Ursprung (archê) der Veränderung (kinêsis) und Ruhe (stasis) , das die Naturdinge in sich enthalten. Bei Artefakten kommt das Prinzip jeder Veränderung von außen.(Vgl. Phys. II 1, 192b8-22) Der zentrale Begriff der Naturphilosophie ist somit die Veränderung bzw. Bewegung (kinêsis). Die Wissenschaft der Natur hängt von der Kenntnis der Prinzipien und Ursachen der Veränderung ab.

Definition, Prinzipien und Arten der Veränderung

Ein Veränderungsprozess von X ist gegeben, wenn X, das (i) der Wirklichkeit nach die Eigenschaft F und (ii) der Möglichkeit nach G aufweist, die Eigenschaft G verwirklicht. Bei Bronze (X), die der Wirklichkeit nach ein Klumpen ist (F) und der Möglichkeit nach eine Statue (G), liegt Veränderung dann vor, wenn die Bronze der Wirklichkeit nach die Form einer Statue (G) wird; der Prozess ist abgeschlossen, wenn die Bronze diese Form besitzt. Entsprechend: Wird der ungebildete Sokrates gebildet, so verwirklicht sich ein Zustand, der der Möglichkeit nach schon vorlag. Der Veränderungsprozess ist also durch seinen Übergangsstatus gekennzeichnet und setzt voraus, dass etwas, das der Möglichkeit vorliegt, verwirklicht werden kann. (Vgl. Phys. III 1, 201a10-201b5)

Für alle Veränderungsprozesse hält Aristoteles (in Übereinstimmung mit seinen naturphilosophischen Vorgängern) Gegensätze für grundlegend. Er vertritt die darüber hinaus These, dass in einem Veränderungsprozess diese Gegensätze (wie gebildet-ungebildet) immer an einem Substrat oder Zugrundeliegendem (hypokeimenon) auftreten, so dass sein Modell folgende drei Prinzipien aufweist:

  1. Substrat der Veränderung (X);
  2. Ausgangszustand der Veränderung (F);
  3. Zielzustand der Veränderung (G).

Wird der ungebildete Sokrates gebildet, so ist er dabei an jedem Punkt der Veränderung Sokrates, entsprechend bleibt die Bronze Bronze. Das Substrat der Veränderung, an dem die Veränderung sich vollzieht, bleibt dabei mit sich selbst identisch. Den Ausgangszustand der Veränderung fasst Aristoteles dabei als einen Zustand, dem die entsprechende Eigenschaft des Zielzustands ermangelt (Privation). (Vgl. Phys. I 7)

Aristoteles unterscheidet vier Arten der Veränderung:

  1. Qualitative Veränderung:
  2. Quantitative Veränderung:
  3. Ortsbewegung.
  4. Entstehen/Vergehen.

Bei jeder Veränderung – so Aristoteles – gibt es ein zugrundeliegendes, numerisch identisches Substrat.(Vgl. Physik I 7, 191a13-15)Im Falle qualitativer, quantitativer und Ortsveränderung ist dies ein konkretes Einzelding, das seine Eigenschaften, seine Größe oder seine Position verändert. Wie verhält sich dies aber beim Entstehen/Vergehen konkreter Einzeldinge? Die Eleaten hatten die einflussreiche These vertreten, Entstehen sei nicht möglich, da sie es für widersprüchlich hielten, wenn Seiendes aus Nicht-Seiendem hervorginge. (Bei Entstehen aus Seiendem vertreten sie ein ähnliches Problem.) Die Lösung der Atomisten, Entstehen sei ein Prozess, in dem durch Mischung und Trennung unvergänglicher und unveränderlicher Atome aus alten neue Einzeldinge hervorgehen, führt nach Aristoteles’ Ansicht Entstehen illegitimerweise auf qualitative Veränderung zurück.(Vgl. Gen. Corr. 317a20ff.)

Form und Materie bei Entstehen/Vergehen

Aristoteles’ Analyse von Entstehen/Vergehen basiert nun auf der innovativen Unterscheidung von Form und Materie (Hylemorphismus). Er akzeptiert, dass kein konkretes Einzelding aus Nichtseiendem entstehe, analysiert den Fall Entstehen jedoch folgendermaßen. Ein konkretes Einzelding des Typs F entsteht nicht aus einem nicht-seiendem F, sondern aus einem zugrundeliegendem Substrat, das nicht die Form F aufweist: die Materie. Ein Ding entsteht, indem Materie eine neu hinzukommende Form annimmt. So entsteht eine Bronzestatue, indem eine Bronzemasse eine entsprechende Form annimmt. Die fertige Statue besteht aus Bronze, die Bronze liegt der Statue als Materie zugrunde. Als Antwort auf die Eleaten entspricht einer nicht-seienden Statue die Bronze als Materie, die durch Hinzukommen einer Form zur Statue wird. Der Entstehungsprozess ist dabei von verschiedenen Seinsgraden gekennzeichnet. Die tatsächliche, aktuale, geformte Statue entsteht aus etwas, das potentiell eine Statue ist, nämlich Bronze, die Materie. (Vgl. Phys. I 8, 191b10-34)

Materie und Form sind Aspekte eines konkreten Einzeldings und treten nicht selbstständig auf.[19] Materie ist immer Stoff eines bestimmten Dings, das schon eine Form aufweist. Sie ist ein relativer Abstraktionsbegriff zu Form. Indem eine derartige Materie in einer neuen Weise strukturiert wird, entsteht ein neues Einzelding. Ein Haus setzt sich aus Form (dem Bauplan) und Materie (Holz und Ziegel) zusammen. Die Ziegel als Materie des Hauses sind durch einen bestimmten Prozess auf eine bestimmte Weise geformter, konfigurierter Lehm.[20] Unter Form versteht Aristoteles seltener die äußere Gestalt (dies nur bei Artefakten), sondern die innere Struktur oder Natur, das, was durch eine Definition erfasst wird. Die Form eines Gegenstandes eines bestimmten Typs beschreibt dabei Voraussetzungen, welche Materie für diesen geeignet ist und welche nicht.

Ursachen

Um Wissen von Veränderungsprozessen und so von der Natur zu besitzen, muss man – so Aristoteles – die entsprechenden Ursachen (aitia) kennen.(Vgl. Phys. I 1, 184a10-14) Aristoteles behauptet, es gibt genau vier Ursachentypen, die auf vier verschiedene Weisen auf die Frage Warum antworten und die in der Regel bei einer vollständigen Erklärung alle angegeben werden müssen: (Phys. II 3, 194b23-35) Ursachen eines Hauses

Bezeichnung traditionelle Bezeichnung Erläuterung Beispiel
Materialursache causa materialis das, aus dem eine Sache entsteht und dabei in ihr enthalten ist Holz und Ziegel
Formalursache causa formalis die Struktur; das, was angibt, worin das Sein einer Sache besteht Bauplan
Bewegungsursache causa efficiens das, woher der erste Anlass von Bewegung und Ruhe kommt Architekt
Finalursache causa finalis das Ziel worumwillen etwas geschieht Schutz vor Unwetter

Der aristotelische Ursachenbegriff unterscheidet sich – wie schon oben gesagt – weitgehend von modernen. In der Regel treffen zur Erklärung desselben Sachverhaltes oder Gegenstandes verschiedene Ursachen zugleich zu. Die Formursache fällt oft mit der Bewegungsursache und Finalursache zusammen. Die Ursache eines Hauses sind so Ziegel und Holz, der Bauplan, der Architekt und der Schutz vor Unwetter. Letztere drei fallen oft zusammen, insofern beispielsweise der Zweck Schutz vor Unwetter den Bauplan (in der Seele) des Architekten bestimmt.

Die Finalursache ist im Zuge der mechanistischen Physik seit der Neuzeit kritisiert worden. Von einer im ganzen teleologisch ausgerichteten Natur wie bei Platon setzt sich Aristoteles jedoch weitgehend ab. Finale Ursachen treten für ihn in der Natur vor allem in der Biologie auf, und zwar beim funktionellen Aufbau von Lebewesen und der Artenreproduktion.

Metaphysik

Metaphysik als Erste Philosophie

Aristoteles gebraucht den Ausdruck 'Metaphysik' nicht; gleichwohl trägt eines seiner wichtigsten Werk diesen Titel. Die Metaphysik ist eine von einem späteren Herausgeber zusammengestellte Sammlung von Einzeluntersuchungen, die ein mehr oder weniger zusammenhängendes Themenspektrum abdecken, indem sie nach den Prinzipien und Ursachen des Seienden und der dafür zuständigen Wissenschaft fragen. Ob der Titel (ta meta ta physika: die <Schriften, Dinge> nach der Physik) einen bloß bibliografischen oder einen sachbezogenen Hintergrund hat, ist unklar.

Aristoteles spricht in der Metaphysik von einer allen anderen Wissenschaften vorgeordneten Wissenschaft, die er Erste Philosophie, Weisheit (sophia) oder auch Theologie nennt. Diese Erste Philosophie wird in dieser Sammlung aus Einzeluntersuchungen auf drei Weisen charakterisiert:

  1. als Wissenschaft der allgemeinsten Prinzipien, die für Aristoteles’ Wissenschaftstheorie zentral sind;
  2. als Wissenschaft vom Seienden als Seienden, der aristotelischen Ontologie;
  3. als Wissenschaft des Göttlichen, der aristotelischen Theologie.

Ob bzw. inwieweit diese drei Projekte zusammenhängende Aspekte derselben Wissenschaft oder voneinander unabhängige Einzelprojekte sind, ist kontrovers. Aristoteles behandelt später metaphysisch genannte Themen auch in anderen Schriften.

Ontologie

Im Corpus Aristotelicum finden sich in zwei Werken unterschiedliche Theorien des Seienden: in den frühen Kategorien sowie in der späten Metaphysik.

Substanzen in den Kategorien

Die Kategorien, die die erste Schrift im Organon bilden, sind vermutlich das einflussreichste Werk des Aristoteles und der Philosophiegeschichte überhaupt.

Die frühe Ontologie der Kategorien lässt sich im Kontext der Frage 'Was ist das eigentlich Seiende' bzw. 'Wie ist das Seiende geordnet?' und dabei als eine Kritik der Position Platons verstehen. Das vermutliche Ausgangsproblem lässt sich folgendermaßen skizzieren: Unterschieden werden Eigenschaften die Einzeldingen zukommen (P kommt S zu). Dann scheinen zwei Positionen naheliegend: Das eigentlich Seiende, die Substanz (ousia)[21] sind

  1. abstrakte, unabhängig existierende Universalien als Ursache und Erkenntnisgegenstand von Eigenschaften.
  2. konkrete Einzeldinge als Träger von Eigenschaften.

Aristoteles selbst berichtet, Platon habe gelehrt, man müsse von den wahrnehmbaren Einzeldingen getrennte, nicht sinnlich wahrnehmbare, unveränderliche, ewige Universalien unterscheiden. Platon nahm an, dass es Definitionen und – für ihn somit – Wissen von den Einzeldingen, die sich beständig änderten, nicht geben kann. Gegenstand der Definition und des Wissens sind die Ideen[22] , die für die Ordnungsstruktur des Seienden ursächlich seien. (Vgl. Met. I 6) Verdeutlichen lässt sich dies an einer von allen Menschen getrennten, einzelnen und numerisch identischen Idee des Menschen, die für deren jeweiliges Menschsein ursächlich ist und die Erkenntnisgegenstand ist für die Frage: 'was ist ein Mensch?'.

In der Konsequenz – so Platon – existieren im eigentlichen, unabhängigen Sinne allein die unveränderlichen Ideen und die Einzeldinge existieren nur in Abhängigkeit von ihnen. Diese ontologische Konsequenz kritisiert Aristoteles. Die Ideen könnten nicht zugleich Universalien sein und als Einzelnes getrennt von konkreten Einzeldingen selbstständig existieren. (Vgl. Met. XIII 9, 1086a32-34)

Aristoteles’ Einteilung des Seienden in den Kategorien scheint sich von der skizzierten Position Platons abzugrenzen. Er orientiert sich dabei an der sprachlichen Struktur einfacher Sätze der Form 'S ist P' und der sprachlichen Praxis.[23]

Einige Ausdrücke – wie 'Sokrates' – können nur die Subjektposition S in dieser sprachlichen Struktur einnehmen, alles andere wird von ihnen prädiziert. Die Dinge, die in diese Kategorie der Substanz fallen und die er erste Substanz nennt, sind ontologisch selbstständig; sie bedürfen keines anderen Dinges um zu existieren. Daher sind sie ontologisch primär, denn alles andere ist von ihnen abhängig und nichts würde ohne sie existieren. Diese abhängigen Eigenschaften bedürfen eines Einzeldings, einer ersten Substanz als eines Trägers, an der sie vorkommen. Derartige Eigenschaften (z.B. weiß, sitzend) können einem Einzelding (etwa Sokrates) jeweils zukommen oder auch nicht zukommen und sind daher akzidentelle Eigenschaften. Dies betrifft alles außerhalb der Kategorie der Substanz.

Für einige Eigenschaften (z.B. 'Mensch') gilt nun, dass sie in der Weise von einem Einzelding (z.B. Sokrates) ausgesagt werden können, dass ihre Definition (vernünftiges Lebewesen) auch von diesem Einzelding gilt und kommen ihm daher notwendig zu. Dies sind die Art und die Gattung. Aufgrund dieses engen Bezugs – in dem die Art und die Gattung angeben, was eine erste Substanz jeweils ist (etwa in der Antwort auf die Frage 'Was ist Sokrates?': 'ein Mensch') – nennt Aristoteles sie zweite Substanz. Dabei hängt auch eine zweite Substanz von einer ersten Substanz ontologisch ab.

  • A) Kategorie der Substanz:
    • 1. Substanz: Merkmal der Selbstständigkeit.
    • 2. Substanz: Merkmal der Erkennbarkeit.
  • B) Nicht-Substanziale Kategorien: Akzidenzien.

Aristoteles vertritt also folgende Thesen:

  1. Nur Einzeldinge (erste Substanzen) sind selbstständig und daher ontologisch primär.
  2. Alle Eigenschaften hängen von den Einzeldingen ab: Es existieren keine unabhängigen, nicht-exemplifizierten Universalien.
  3. Neben kontingenten, akzidentellen Eigenschaften (wie 'weiß'), gibt es notwendige, essentielle Eigenschaften (wie 'Mensch'), die angeben, was ein Einzelding jeweils ist.
Die Substanztheorie der Metaphysik

In der Metaphysik vertritt Aristoteles im Rahmen des Projektes das Seiende als Seiendes zu untersuchen die Auffassung, dass alles Seiende entweder eine Substanz ist oder auf eine bezogen ist. (Vgl.Metaphysik IV 2)In den Kategorien hatte er ein Kriterium für Substanzen formuliert und Beispiele (Sokrates) für diese gegeben. In der Metaphysik thematisiert er nun abermals die Substanz, um nach den Prinzipien und Ursachen einer Substanz, eines konkreten Einzeldings zu suchen. Er fragt nun: Was macht etwa Sokrates zu einer Substanz? Substanz ist hier also ein zweistelliges Prädikat (Substanz von X), so dass man die Frage so formulieren kann: Was ist die Substanz-X einer Substanz?[24][25] Dabei spielt die Form-Materie-Unterscheidung eine entscheidende Rolle, die in den Kategorien nicht präsent ist.

Aristoteles scheint die Substanz-X vor allem mithilfe zweier Kriterien zu suchen, die in der Theorie der Kategorien auf die erste und zweite Substanz verteilt sind:

  • (i) Selbstständige Existenz bzw. Subjekt für alles andere, aber nicht selbst Subjekt zu sein (erste Substanz);
  • (ii) Definitionsgegenstand zu sein, Erkennbarkeit garantieren d.h. auf die Frage 'Was ist X?' antworten (zweite Substanz).

Das Kriterium (ii) wird genauer erfüllt, indem Aristoteles das Wesen als Substanz-X bestimmt. Mit Wesen meint er dabei, was ontologisch einer Definition entspricht.(Vgl.Metaphysik VII 4; 5, 1031a12; VIII 1, 1042a17) Das Wesen beschreibt die notwendigen Eigenschaften, ohne die ein Einzelding aufhören würde, ein und dieselbe Sache zu sein. Fragt man: Was ist die Ursache, dass diese Materie Sokrates ist? ist Aristoteles’ Antwort: Das Wesen von Sokrates, welches weder ein weiteres Bestandteil neben den materiellen Bestandteilen (dann bedürfte es eines weiteren Strukturprinzips um zu erklären, wie es mit den materiellen Bestandteilen vereint ist) noch etwas aus materiellen Bestandteilen (dann müsste man erklären, wie das Wesen selbst zusammengesetzt ist).

Aristoteles ermittelt die Form (eidos)[26] eines Einzeldings als sein Wesen und somit als Substanz-X. Mit Form meint er weniger die äußere Gestalt, sondern eher die Struktur: Die Form

  • wohnt dem Einzelding inne,
  • bewirkt
    • bei Lebewesen die Entstehung eines Exemplars derselben Art (vgl. Met. VII 8, 1033b30-2)
    • bei Artefakten (z.B. Haus) als formale Ursache (Bauplan) (vgl. Met. VII 9, 1034a24) in der Seele des Produzenten (vgl. Met. VII 7, 1032b23) (Architekt) die Entstehung des Einzeldings.
  • geht der Entstehung eines aus Form und Materie zusammengesetzten Einzeldings voraus und entsteht und verändert sich nicht und bewirkt so (bei natürlichen Arten) eine Kontinuität der Formen (die für Aristoteles ewig ist); (vgl. Met. VII 8, 1033b18)
  • ist Ursache, Erklärung der wesentlichen Eigenschaften und Fähigkeiten eines Einzeldings (Beispielsweise ist die Form eines Menschen die Seele (vgl. Met. VII 10, 1035b15), welche sich aus Fähigkeiten wie Nährvermögen, Wahrnehmungsvermögen, Denkvermögen u. a. konstituiert. (Vgl. An. II 2, 413b11-13)

Dass die Form als Substanz-X auch das genannte Kriterium (ii), selbstständig zu sein erfüllen muss, und dies teilweise als Kriterium für etwas Individuelles aufgefasst wird, ist einer von vielen Aspekten in folgender zentralen interpretatorischen Kontroverse: Fasst Aristoteles die Form (A) als etwas Allgemeines oder (B) als etwas (dem jeweiligen Einzelding) Individuelles auf? Als Problem formuliert: Wie kann die Form, das eidos zugleich Form eines Einzeldings und Gegenstand des Wissens sein?[27] Für (A) spricht insbesondere, dass Aristoteles an mehreren Stellen davon ausgeht, dass die Substanz-X und somit die Form definierbar ist,(Vgl. Met. VII 13) und dies für ihn (wie für Platon) nur auf Allgemeines zutrifft. (Vgl. VII 11, 1036a; VII 15, 1039b31-1040a2) Für (B) hingegen spricht vor allem, dass Aristoteles kategorisch die (als Absetzung von Positionen wie Platons aufzufassende) Position zu vertreten scheint: Kein Allgemeines kann Substanz-X sein. (Vgl. Met. VII 13.) Nach (B) besitzen Sokrates und Kallias zwei auch qualitativ verschiedene Formen. Definierbar müssten dann zu separierende, überindividuelle Aspekte dieser beiden Formen sein. Die Interpretation (A) hingegen löst das Dilemma etwa, indem sie die Aussage Kein Allgemeines ist Substanz-X als Nichts allgemein Prädizierbares ist Substanz-X interpretierend entschärft. Die Form nun werde nicht auf herkömmliche Weise (wie die Art 'Mensch' von 'Sokrates' in den Kategorien) prädiziert und sei daher nicht im problematischen Sinne allgemein. Vielmehr werde die Form von der unbestimmten Materie einer Weise 'prädiziert', die einen Einzelgegenstand erst konstituiere.[28]

Aktualität und Potentialität

Die für die Ontologie wichtige Beziehung zwischen Form und Materie wird durch ein weiteres Begriffspaar genauer erläutert: Aktualität/Wirklichkeit (energeia, entelecheia) und Potentialität/Vermögen (dynamis).

Für die Form-Materie-Unterscheidung ist die – später ontologisch genannte – Bedeutung von Vermögen, Potentialität wichtig.[29] Potentialität ist hier ein Zustand, dem ein anderer Zustand – Aktualität – gegenübersteht, indem ein Gegenstand der Wirklichkeit nach F oder dem Vermögen, der Möglichkeit nach F ist. So ist ein Junge der Möglichkeit nach ein Mann, ein ungebildeter Mensch der Möglichkeit nach ein gebildeter. (Vgl. Met. IX 6)

Dieses (hier diachron beschriebene) Verhältnis von Aktualität und Potentialität bildet die Grundlage für das (auch synchron zu verstehende) Verhältnis von Form und Materie. Denn Form und Materie sind Aspekte eines Einzeldings, nicht dessen Teile. Sie sind im Verhältnis von Aktualität und Potentialität miteinander verbunden und konstituieren so (erst) das Einzelding. Die Materie eines Einzeldings ist demnach genau das potentiell, was die Form des Einzeldings und das Einzelding selbst aktual sind. (Vgl. Met. VIII 1, 1042a27f.; VIII 6, 1045a23-33; b17-19) Zum einen ist zwar (diachron betrachtet) eine bestimmte Portion Bronze potentiell eine Kugel wie auch eine Statue. Zum anderen aber ist (synchron als konstituierender Aspekt) die Bronze an einer Statue potentiell genau das, was die Statue und deren Form aktual sind. Die Bronze der Statue ist ein Konstituens der Statue, ist aber nicht mit ihr identisch. Und so sind auch Fleisch und Knochen potentiell das, was Sokrates oder seine Form (die für einen Menschen typische Konfiguration und Fähigkeiten seiner materiellen Bestandteile, vgl. Psychologie) aktual sind.

So wie die Form gegenüber der Materie, ist für Aristoteles auch die Aktualität gegenüber der Potentialität primär. (Vgl. Met. IX 8, 1049b4-5) Unter anderem ist sie der Erkenntnis nach primär. Man kann nur dann ein Vermögen angeben, wenn man Bezug auf die Wirklichkeit nimmt, zu der es ein Vermögen ist. Das Sehvermögen etwa lässt sich nur bestimmen, indem man auf die Tätigkeit 'Sehen' Bezug nimmt. (Vgl. Met. IX 8, 1049b12-17) Des Weiteren ist die Aktualität im entscheidenden Sinne auch zeitlich früher als die Potentialität. Denn ein Mensch entsteht durch einen Menschen, der aktual Mensch ist.(Vgl. Met. IX 8, 1049b17-27)

Theologie

Aristoteles unterscheidet im Vorfeld seiner Theologie drei mögliche Substanzen: (i) sinnlich wahrnehmbare vergängliche, (ii) sinnlich wahrnehmbare ewige und (iii) nicht sinnlich wahrnehmbare ewige und unveränderliche. (Vgl. Met. XII 1, 1069a30-1069b2) (i) sind die konkreten Einzeldinge (der sublunaren Sphäre), (ii) die ewigen, bewegten Himmelsobjekte, (iii) erweist sich als der selbst unbewegte Ursprung aller Bewegung.

Aristoteles argumentiert für einen göttlichen Beweger, indem er feststellt, dass, wenn alle Substanzen vergänglich wären, alles vergänglich sein müsste, die Zeit und die Veränderung selbst jedoch notwendig unvergänglich ist. (Vgl. Phys. VIII 1, 251a8-252b6; Met. XII 6, 1071b6-10) Nun ist die einzige Veränderung, die ewig existieren kann, die Kreisbewegung. (Vgl. Phys. VIII 8-10; Met. XII 6,1071b11) Die entsprechende beobachtbare kreisförmige Bewegung der Fixsterne muss daher als Ursache eine ewige und immaterielle Substanz haben. (Vgl. Met. XII 8, 1073b17-32) Enthielte das Wesen dieser Substanz Potentialität, könnte die Bewegung unterbrochen werden. Daher muss sie reine Aktualität, Tätigkeit sein. (Vgl. Met. XII , 1071b12-22) Als letztes Prinzip muss der dieser Beweger selbst unbewegt sein. Nach Aristoteles bewegt der unbewegte Beweger „wie ein Geliebtes“, nämlich als Ziel.(Met. XII 7, 1072b3). Denn das Begehrte, das Gedachte und insbesondere das Geliebte kann bewegen, ohne bewegt zu sein. (Met. XII 7, 1072a26) Seine Tätigkeit ist die lustvollste und schönste. Da er immaterielle Vernunft (nous) ist, und seine Tätigkeit im Denken des besten Gegenstandes besteht, denkt er sich selbst: das „Denken des Denkens“ (noêsis noêseôs). (Met. XII 9, 1074b34f.) Da nur Lebendiges denken kann, muss er zudem lebendig sein. Den unbewegten Beweger identifiziert Aristoteles mit Gott. (Vgl. Met. XII 7, 1072b23ff.)

Der unbewegte Beweger bewegt die gesamte Natur. Die Fixsternsphäre bewegt sich, da sie mit der Kreisbewegung die Vollkommenheit nachahmt. Die anderen Himmelskörper werden vermittelt über die Fixsternsphäre bewegt. Die Lebewesen haben Anteil an der Ewigkeit, indem sie mittels der Fortpflanzung ewig bestehen. (GA II 1, 731b31-732a1)

Biologie

Stellung der Biologie

Obwohl ein bedeutender Teil seiner überlieferten Texte naturwissenschaftliche sind, ist der Naturwissenschaftler Aristoteles heute kaum bekannt. Aristoteles hat auch andere naturwissenschaftliche Bereiche bearbeitet. Bei weitem am bedeutendsten und umfangreichsten sind aber die biologischen Schriften, fast ein Drittel der überlieferten Schriften umfassen. Vermutlich in Arbeitsteilung wurde die Botanik von seinem engsten Mitarbeiter Theophrast, die Medizin von seinem Schüler Menon bearbeitet.

Aristoteles kontrastiert das Studium von unvergänglichen Substanzen (dem Gott und den Himmelskörpern) und vergänglichen Substanzen (den Lebewesen). Beides hat für ihn seinen Reiz. Die unvergänglichen Substanzen, die höchsten Erkenntnisgegenstände zu untersuchen, bereitet zwar die größte Freude. Von Lebewesen aber ist es eher möglich, Wissen zu erlangen, da sie uns näher stehen. Auch sollte man nicht der Untersuchung niederer Lebewesen abgeneigt sein. Denn auch diese zeigen etwas Natürliches und Schönes, das sich nicht in den zerlegten Bestandteilen erschöpft, sondern erst durch die Funktion der Teile zeigt. (Vgl. PA I 5, 645a21-645b1)

Aristoteles als empirischer Forscher

Aristoteles hat selbst empirische Forschung betrieben, jedoch vermutlich nicht Experimente im eigentlichen Sinne einer methodischen Versuchsanordnung. Sicher ist, dass er selbst Sezierungen vornahm. Einem Experiment am nächsten kommt die in festgelegten zeitlichen Abständen wiederholte Untersuchung von befruchteten Hühnereiern, mit dem Ziel zu beobachten, in welcher Reihenfolge die Organe entstehen. (Vgl. GA VI 3, 561a6-562a20). Allerdings sind Experimente in seiner eigentlichen Domäne – der deskriptiven Zoologie – auch nicht das wesentliche Instrument der Forschung. Neben eigenen Beobachtungen und einigen wenigen Textquellen (deren Inhalt er teilweise wiederum empirisch überprüfen ließ) erhielt er auch Informationen von Berufsgruppen wie Fischern, Bienenzüchtern, Jägern und Hirten. Ein verlorenes Werk bestand vermutlich großteils aus Zeichnungen und Diagrammen von Tieren.

Methodologie der Biologie: Trennung von Fakten und Ursachen

Aufgrund des lange vorherrschenden Interpretationsmodells von Aristoteles Wissenschaftstheorie und der Vernachlässigung der biologischen Schriften ging man lange davon aus, dass er diese Theorie nicht auf die Biologie anwendet. Demgegenüber wird heute durchaus angenommen, dass seine Wissenschaftstheorie Vorbild für die Biologie ist, wenngleich der Umfang und Grad umstritten ist.

Faktensammlungen

Von Aristoteles ist keine Beschreibung seines naturwissenschaftliches Vorgehens überliefert. Überliefert sind neben der allgemeinen Wissenschaftstheorie nur Texte, die ein Endprodukt der wissenschaftlichen Forschung darstellen. Die biologischen Schriften weisen dabei eine eigentümliche Arbeitsteilung auf, die in keiner anderen Disziplin begegnet: Eine Schrift (Historia Animalium) beschreibt die verschiedenen Tierarten und ihre spezifischen Differenzen. Sie enthält die Faktenaussage wie z.B., dass alle Lebewesen mit Lungen Luftröhren aufweisen. Andere Schriften (De Generatione Animalium, De Partibus Animalium) hingegen enthalten die Angaben von Ursachen, die notwendig für Wissen ist.

In den Faktensammlungen ordnet Aristoteles Lebewesen nach verschiedenen Merkmalen, wie etwa blutführend, lebendgebärend usw. Nach Merkmalen geordnet stellt er allgemeine Relationen zwischen verschiedenen Aspekten der Beschaffenheit von Lebewesen an. So stellt er beispielsweise fest: Alle Vierfüßler, die lebendgebärend sind, weisen Lungen und Luftröhren auf. (Vgl. HA II 15, 505b32f.) In diesen Faktensammlungen gibt er weder Ursachen an noch behauptet er, dass etwas notwendig oder unmöglich so sei.

Ursachenwissen

Diese Faktensammlungen dienen dazu Wissen auf Grundlage von Ursachen zu erreichen. Zentral für die Biologie sind dabei finale Ursachen, die die Funktion etwa von Organen angeben. Die Ursache für die Existenz einer Luftröhre bei allen Lebewesen, die eine Lunge besitzen, besteht für Aristoteles in der Funktionsweise der Lunge. Die Lunge kann (anders als der Magen) nicht unmittelbar an den Mund anschließen, da sie eines zweigeteilten Kanals bedarf, so dass einatmen und ausatmen auf optimale Weise möglich ist. Da dieser eine gewisse Länge aufweisen muss, haben alle Lebewesen mit Lunge einen Hals. Fische haben daher keinen Hals, weil sie keine Luftröhre haben, die sie – da sie mit Kiemen atmen – nicht benötigen. (Vgl. PA III 3, 664a14-34)

Finale Ursachen in der Biologie

Finale Ursachen sind in der Biologie des Aristoteles (wie in anderen Bereichen) vielfach kritisiert worden. Unter finalen Ursachen versteht Aristoteles hier allerdings keine übergreifenden Zwecke, die etwa eine bestimmte Spezies hätte. Ihm geht es vielmehr um eine interne Funktionsbestimmung der Organismen und ihrer Teile.

Inhalte der Biologie

Aristoteles' Biologie besteht in weiten Teilen aus Zoologie. Über 500 Spezies hat er untersucht. Seine Faktensammlungen führen systematisch die inneren und äußeren Teile der einzelnen Tiere auf, Bestandteile wie Blut und Knochen, Arten der Fortpflanzung, die Nahrung, den Lebensraum und das Verhalten. Dies beschreibt er von Haustieren, exotischen Raubtieren wie dem Krokodil, Vögeln und Insekten und Meerestieren. Zu diesem Zweck ordnet er die Lebewesen.

Einteilung der Arten

Aristoteles teilt die Lebewesen in zwei Hauptgruppen: blutführende und blutlose Tiere. Dies entspricht der heutigen Einteilung in Vertebraten und Invertebraten. Diese ordnet er nach größten Gattungen:

  • Blutführende Tiere:
    • lebend gebärende Vierfüßler
    • Eier legende Vierfüßler
    • Vögel
    • Fische
    • Cetaceen (Meeressäugetiere)
    • eierlegende Fußlose (Schlangen)
    • lebend gebärend Fußlose (Vipern)
    • Mensch (bildet eine isolierte Gattung)
  • Blutlose Tiere:
    • Weichtiere
    • Krustentiere
    • Schaltiere
    • Kerbtiere

Vermutlich war es nicht Aristoteles’ Absicht eine vollständige Taxonomie zu schaffen. Das System einer Taxonomie ist für ihn auch kein Hauptgegenstand. Ziel seiner Untersuchungen scheint eher eine Klassifikation der Lebewesen anhand charakteristischer Merkmale zu sein. So hat er die Gattungen zwischen den genannten sowie Untergattungen nicht terminologisch fixiert.

Beispiel einer Beschreibung. Der Kraken

Ein Auszug einer Beschreibung eines Meerestieres dient der Veranschaulichung seiner Beschreibungen.

„Der Krake benutzt seine Fangarme sowohl als Füße wie auch als Hände. Er nimmt die Nahrung mit den beiden auf, welche über seinem Mund liegen, und der letzte seiner Fangarme, der spitz zuläuft als einziger weißlich und an der Spitze gegabelt ist (er rollt sich zur rhachis hin ab – die rhachis ist die glatte Oberfläche, die der mit Saugnäpfen besetzen gegenüberliegt), dient zur Fortpflanzung. Vor dem Mantel und über den Fangarmen verfügt er über über eine hohle Röhre, wodurch er das Meereswasser entläßt, das in den Mantel fließt, wann immer er etwas mit dem Mund aufnimmt. Er bewegt diese Röhre nach rechts und links und stößt Tinte durch sie aus. Er schwimmt in schiefer Lage in Richtung des sogenannten Kopfes, und streckt dabei seine Füße aus. Und wenn er auf diese Weise schwimmt, kann er nach vorne sehen und hat seinen Mund hinten. Solange das Tier lebt, ist der Kopf hart und gleichsam als wäre er aufgeblasen. Es ergreift und hält die Dinge mit der Unterseite seiner Fangarme fest, und die Haut zwischen seinen Füßen ist ganz gespannt. Wenn es auf Sand gerät, kann es sich nicht länger festhalten.“

HA IV 1, 524a3-20 [30]
Aristoteles und die Erkenntnisse moderner Biologie

In vielen Fällen hat sich der Biologe Aristoteles geirrt. Einige seiner Irrtümer erscheinen reichlich kurios wie die Beschreibung des Bisons, das sich „durch Ausschlagen und Ausstoßen seines Kots, welchen es bis siebeneinhalb Meter weit von sich schleudern kann, verteidigt.“ (HA IX 45, 630b8f.)[31] Vermutlich war seine Informationsquelle über dieses exotische Tier nicht sehr verlässlich. Andere bekannte Irrtümer umfassen die Behauptung, der Mann habe mehr Zähne als die Frau (Vgl. HA II 3, 501b19), das Gehirn sei ein Kühlorgan und das Denken geschehe in der Herzgegend (Vgl. PA II 7, 652b21-25; III 3, 514a16-22) und viele mehr.

Aristoteles hat aber auch auf Grundlage seiner Beobachtungen Feststellungen gemacht, die nicht nur zutreffend sind, sondern die erst in der Moderne wiederentdeckt oder bestätigt worden sind. Beispielsweise behauptet er in der Beschreibung des angeführten Kraken, dass die Paarung durch einen Fangarm des Männchens geschieht, der gegabelt ist – die so genannte Hektokotylisation. Er beschreibt auch diesen Fortpflanzungsvorgang. (Vgl. HA V 5, 541b9-15; V 12, 544a12; GA V 15, 720b33) Dieses Phänomen war in der Biologie bis ins 19. Jahrhundert völlig unbekannt und der Fortpflanzungsvorgang wurde erst 1959 vollständig verifiziert. Bedeutender noch ist seine Hypothese der Epigenesis, nach der die Teile eines Organismus in einer hierarchischen Ordnung ausgebildet werden und nicht – wie die (bereits von Anaxagoras vertretene) Präformationslehre annimmt – vorgebildet sind. (Vgl. GA 734a28-35) Die empirische Grundlage dieser Hypothese bilden seine oben genannten Sezierungen. Die Präformationslehre war dennoch bis zum Ende des 18. Jahrhunderts die allgemein akzeptierte Theorie, bis Caspar Friedrich Wolff unter Einsatz von Mikroskopen keine Präformation nachweisen konnte. Endgültig wurde die Epigenesis erst im 20. Jahrhundert in der Experimentalbiologie durch Hans Driesch und Hans Spemann bestätigt. [32] Auch gibt es eine größere Nähe zwischen der aristotelischen, zielhaften Epigenesis und der Genetik.[33]

Psychologie: Theorie des Lebendigseins

Ausgangssituation

Lebewesen unterscheiden sich von anderen natürlichen und künstlichen Körpern dadurch, dass sie lebendig sind. Schon bei Homer ist die Seele das, was eine belebte Person von einem unbelebtem Leichnam unterscheidet. Im 6. und 5. Jahrhundert v. Chr. weitet sich dieser Sprachgebrauch auf alles Lebendige aus: beseelt (empsychos) zu sein bedeutet lebendig zu sein. Aristoteles nimmt diesen Sprachgebrauch auf. In seiner Seelentheorie ist er mit zwei Positionen konfrontiert: Zum einen mit dem Materialismus der vorsokratischen Naturphilosophen die behaupten, die Seele bestehe aus einer besonders kleinteiligen Materie, zum anderen mit der dualistischen Position Platons, für den die Seele unsterblich, immateriell und ihrer Natur nach eher etwas intelligibles ist.

Auf die Streitfrage zwischen Materialismus und Dualismus Sind Körper und Seele miteinander identisch oder voneinander unterscheidbar? lautet Aristoteles Antwort gewissermaßen: Die Frage ist falsch gestellt. Dies erläutert er mit einem Vergleich: Man muss ebensowenig fragen Sind Körper und Seele identisch? wie man nicht fragen muss Sind Wachs und seine Form identisch?. (Vgl. An. II 1, 412b6-9). Zustände der Seele sind allerdings immer auch Zustände des Körpers. Eine Identität von Körper und Seele verneint Aristoteles jedoch ebenso wie die Unsterblichkeit der Seele.[34]

Bestimmung der Seele

Was die Seele ist, bestimmt Aristoteles mithilfe seiner Unterscheidung von Form und Materie (siehe auch oben). Die Seele verhält sich zum Körper, wie die Form zur Materie, d.h. wie eine Statuenform zur Bronze. Form und Materie eines Einzeldings sind aber nicht zwei verschiedene Objekte, nicht dessen Teile, sondern Aspekte eben dieses Einzeldings.

Die Seele definiert Aristoteles als „erste Wirklichkeit (entelecheia) eines natürlichen organischen Körpers“. (Vgl. An. II 1, 412b5f.) Eine Wirklichkeit oder Aktualität ist die Seele, weil sie als Form den Aspekt des Lebendigen an der potentiell belebten Materie (nämlich der organischen) darstellt. Eine erste Wirklichkeit ist sie, insofern das Lebewesen dann auch lebendig ist, wenn es nur schläft und keine weiteren Tätigkeiten ausübt (die ebenfalls Aspekte des Seelischen sind, s.u.). (Vgl. An. II 1, 412a19-27)

Fähigkeiten

Die weiteren seelischen Aspekte sind die Funktionen, die für ein Lebewesen charakteristisch sind, seine spezifischen Fähigkeiten (dynamis). Aristoteles unterscheidet vor allem folgende Fähigkeiten:

  • Ernährungs- und Fortpflanzungsvermögen (threptikon)
  • Wahrnehmungsvermögen (aisthêtikon)
  • Denkvermögen (dianoêtikon)

Ernährungs- und Fortpflanzungsvermögen kommen – als grundlegende Vermögen allen Lebendigens – auch den Pflanzen zu, Wahrnehmungsvermögen weisen nur die Tiere (die sich zudem auch Fortbewegung ) auf und das Denken besitzt allein der Mensch zu.

Wahrnehmungsvermögen

Aristoteles unterscheidet folgende fünf Sinne und behauptet, dass es nicht mehr geben kann:

  1. Tastsinn
  2. Geschmacksinn
  3. Riechen
  4. Hören
  5. Sehen

Wahrnehmung (aisthesis) fasst Aristoteles allgemein als ein Erleiden oder eine qualitative Veränderung. (Vgl. An. II 5, 416b33f.) Das, was die Sinne wahrnehmen ist, dabei jeweils durch ein kontinuierliches Gegensatzpaar bestimmt: Sehen durch hell und dunkel, Hören durch hoch und tief, Riechen und Schmecken durch bitter und süßer; Tasten weist verschiedene Gegensatzpaare auf: hart und weich, heiß und kalt, feucht und trocken. Aristoteles behauptet, dass beim Wahrnehmungsvorgang das jeweilige Organ wie das Wahrgenommene wird. (Vgl. An. 418a 3-6) Desweiteren sagt er, dass das Organ die Form „ohne die Materie“ aufnimmt so „wie das Wachs das Siegel des Ringes ohne Eisen und ohne Gold aufnimmt“. (An. II 12, 424a18f.) Dies ist – schon von Thomas von Aquin – zum einen so interpretiert worden, dass das Organ keine natürliche (mutatio naturalis), sondern eine geistige (mutatio spiritualis) Veränderung erfahre. Andere Interpreten meinen, dass „ohne Materie“ schlicht meint: Es gelangen keine Partikel in das Organ. Das Organ verändere sich aber tatsächlich dem Wahrnehmungsobjekt entsprechend.

Den Tastsinn besitzen alle Lebewesen, die Wahrnehmung besitzen. Der Tastsinn ist ein Kontaktsinn, d.h. zwischen Wahrnehmungsorgan und Wahrgenommenen befindet sich kein Medium. (Vgl. An. II 11, 423a13f.) Der Geschmacksinn ist eine Art Tastsinn. (Vgl. An. II 10, 422a8f.) Die drei Distanzsinne Riechen, Hören und Sehen hingegen benötigen ein Medium, das den Eindruck vom Wahrgenommen zum Organ transportiert.

Vernunft

Die Vernunft oder das Denkvermögen ist spezifisch für den Menschen. Aristoteles definiert sie als „das, womit die Seele denkt und Annahmen macht.“ (An. III 4, 429a22f.) Die Vernunft ist unkörperlich, da – wie Aristoteles feststellt – sie andernfalls in ihren möglichen Denkgegenständen eingeschränkt wäre, was aber nicht der Fall sein darf. (Vgl. An. III 4, 429a17-22) Allerdings ist sie körpergebunden, da sie auf Vorstellungen (phantasmata) angewiesen sind. Vorstellungen bilden das Material der Denkakte, sie sind konservierte Sinneswahrnehmungen. Das entsprechende Vermögen (die Vorstellung, phantasia) ist auf Sinneseindrücke angewiesen (wenngleich Sinneseindruck und Vorstellung qualitativ mitunter stark voneinander abweichen können, etwa bei Halluzinationen) und den Wahrnehmungsvermögen zugeordnet. (An. III 8, 428b10-18) Insofern die Vernunft also in ihrer Tätigkeit an Vorstellungen gebunden ist, ist sie auch an einen Körper gebunden.[34]

Ethik

Glück (eudaimonia) und Tugend bzw. Bestzustand (aretê) sind die in Aristoteles’ Ethik zentralen Begriffe. Aristoteles vertritt zum einen die These, dass das Ziel aller absichtlichen Handlungen das gute Leben, das Glück ist. Zum anderen hält er die Ausbildung von Tugenden wesentlich dafür, dies Ziel zu erreichen.

Wissenschaft der Ethik

Aristoteles betont, dass es im Gegenstandsbereich der praktischen Philosophie – nämlich im Bereich der Handlungen – nicht dieselbe Genauigkeit geben kann wie im Bereich der theoretischen Wissenschaften. Es ist zwar eine Wissenschaft der Ethik möglich, aber ihre Sätze gelten nur in der Regel. Auch kann diese Wissenschaft nicht für alle möglichen Situationen die richtige Handlungsweise vorgeben. Stattdessen liefert die Ethik ein Grundrisswissen, das allein aber noch nicht zu einer erfolgreichen Lebensführung befähigt, sondern hierfür an Erfahrungen und bestehende Haltungen anschließen muss.

Glück als das Ziel des guten Lebens

Strebenshierarchie der Güter

In ihren (absichtlichen) Handlungen streben alle Menschen nach etwas, das ihnen gut erscheint. Einige dieser erstrebten Güter werden nur als Mittel erstrebt, um andere Güter zu erreichen andere sind sowohl Mittel als auch selbst ein Gut. Es muss, so Aristoteles, ein oberstes Gut und letztes Strebensziel geben, da das Streben nicht unendlich sein kann. Dies wird nur um seiner selbst willen erstrebt und wird offenbar allgemein 'Glück' (eudaimonia) genannt.(Vgl. EN I 1)

Definition des Glücks, des oberstes Guts

Um umrisshaft zu bestimmen, worin das Glück, das oberste Gut für den Menschen besteht, fragt Aristoteles: Worin besteht seine spezifische Funktion oder Aufgabe (ergon)? Dies ist das Vermögen der Vernunft (logos), das den Menschen von anderen Lebewesen unterscheidet. Der eine (a) für den Menschen spezifische Seelenteil verfügt über dieses Vermögen der Vernunft. Der andere (b), aus Emotionen und Begierden bestehende Seelenteil, ist zwar selbst nicht vernünftig, kann sich aber durch die Vernunft leiten lassen. Für das Glück nun muss das Individuum das Vermögen Vernunft gebrauchen, nicht bloß besitzen, und zwar auf Dauer und in einem Bestzustand (aretê). Demgemäß ist „das Gut für den Menschen“, das Glück, eine

„Tätigkeit der Seele gemäß der Gutheit (kat' aretên) und wenn es mehrere Arten der Gutheit gibt, im Sinn derjenigen, welche die beste und am meisten ein abschließendes Ziel (teleios) ist. Hinzufügen müssen wir noch: 'in einem ganzen Leben'. Denn eine Schwalbe macht noch keinen Frühling, auch nicht ein Tag. So macht auch ein Tag oder eine kurze Zeit keinen selig (makarios) und glücklich (eudaimôn). EN I 7, 1098a17-19.“

Tugenden

Um den Zustand der Vortrefflichkeit zu erreichen, muss man den beiden Seelenteilen entsprechend (a) Verstandestugenden und (b) Charaktertugenden ausbilden. Tugenden sind für Aristoteles Haltungen, zu denen jeder Mensch die Anlage besitzt, die sich jedoch durch Erziehung und Gewöhnung erst ausbilden müssen.

Verstandestugenden. Klugheit

Unter den Verstandestugenden beschäftigen sich einige mit dem Wissen von Unveränderlichem oder der Herstellung von Gegenständen. Allein die Klugheit (phronêsis) bezieht sich auf das Handeln, und zwar als Tugend mit dem Ziel eines guten Lebens. Sie ist – neben den Charaktertugenden – notwendig, um in konkreten Entscheidungssituation im Hinblick auf das gute Leben handeln zu können. Im Bereich menschlicher Handlungen gibt es – anders als in den Wissenschaften – keine Beweise und um klug zu sein, bedarf es dabei auch der Erfahrung. Die Funktion der Klugheit besteht darin, die Mitte (mesotês) zu wählen.

Charaktertugenden

Charaktertugenden sind Haltungen (hexis), für die kennzeichnend ist, dass man sie loben und tadeln kann. Sie werden durch Erziehung und Gewöhnung ausgeprägt, wobei dies nicht als eine Konditionierung zu verstehen ist. Zwar hängt von Kindheit an sehr viel von der Gewöhnung ab (Vgl. EN II 1, 1103b24), Charaktertugenden liegen jedoch erst vor, wenn jemand sich wissentlich für die entsprechenden Handlungen entscheidet, und zwar nicht wegen möglicher Sanktionen, sondern um tugendhafter Handlungen selbst willen und dabei auch nicht ins Wanken gerät (Vgl. EN II 3, 1105a26-33). Auch unterscheidet sich der Tugendhafte vom Selbstbeherrschten (der dieselben Handlungen ausführen mag, sich aber zu ihr zwingen muss) dadurch, dass er an der Tugend Freude empfindet. (Vgl. EN II 2, 1104b3ff.)

Durch Gewöhnung ausgeprägt werden die Charaktertugenden, indem Übermaß und Mangel vermieden werden.

„Wer alles flieht und fürchtet und nirgends standhält, wird feige, wer aber nichts fürchtet und auf alles losgeht, wird tollkühn. Ebenso wird, wer jede Lust genießt und sich keiner Lust enthält, unmäßig, wer aber jede Lust meidet wie ein ungehobelter Bauer, wird unempfindlich.“

EN II 2, 1104a20-24

Das Instrument der Mitte bestimmt die Charaktertugenden genauer. So ist beispielsweise die Tugend der Tapferkeit eine Mitte zwischen den Lastern Tollkühnheit und Feigheit. Grundlage für die Tugenden sind dabei sowohl die Handlungen als auch die Emotionen und Begierden. Nicht tapfer sondern tollkühn ist jemand, der entweder in einer bestimmten Situation völlig furchtlos ist, obwohl die Situation bedrohlich ist, oder der in einer ernsten Bedrohungssituation seine Furcht ignoriert. Die Mitte besteht also – hier wie bei den anderen Charaktertugenden – darin angemessene Emotionen zu haben und diesen angemessen zu handeln. Dabei ist diese Lehre von der Mitte vermutlich nicht in konkreten Situationen als normativ handlungsleitend, sondern nur als Beschreibungsinstrument der Charaktertugenden aufzufassen.[35] Sie ist auch keine arithmetische Mitte, sondern eine Mitte für uns (pros hêmas), die die jeweilige Emotion, die Person sowie die Situation berücksichtigt. Dies Tabelle zeigt einige wichtige Charaktertugenden: (Vgl. EN II 7)[36]

Gegenstandsbereich Mangel Charaktertugend Übermaß
Furcht/Mut Feigheit Tapferkeit Tollkühnheit
Lust/Unlust Zügellosigkeit Besonnenheit Gefühllosigkeit
Zorn Schwächlichkeit Sanftmut Jähzorn
Scham Schüchternheit Feinfühligkeit Schamlosigkeit
Ehre Kleinmütigkeit Großgesinntheit Eitelkeit

Aristoteles definiert die Charaktertugend dementsprechend als

„eine auf Entscheidung begründete Haltung, die in einer Mitte in Bezug auf uns besteht, und die bestimmt wird durch Überlegung, das heißt so, wie der Kluge (phronimos) sie bestimmen würde.“

EN II 6, 1106a36-1107a2

Lebensformen und Lust

Aristoteles unterscheidet im Kontext der Analyse des guten Lebens drei Lebensformen, die verschiedene Ziele verfolgen:

  1. das Genussleben – mit dem Ziel Lust;
  2. das politische Leben – mit dem Ziel Ehre;
  3. das theoretische Leben – mit dem Ziel Erkenntnis. (Vgl. EN I 3)

Das Genussleben im Sinne einer bloßen Befriedigung der Begierden hält Aristoteles für sklavisch und verwirft es. (Gelderwerb als Lebensform und Reichtum als Ziel hält er nicht für eine Lebensform, da Geld immer nur Mittel zu einem Zweck, aber nie selbst Ziel ist). Aristoteles argumentiert für das theoretische Leben als beste Lebensform. Die Tätigkeit des Theoretikers (der Erste Philosophie, Mathematik etc. betrachtet) ist die beste Tätigkeit, die in der Glücksdefinition gesucht wird. Denn sie bedeutet Muße, dient keinem anderen Zweck, betätigt mit den Verstandestugenden das Beste im Menschen und weist die besten Erkenntnisgegenstände auf. (Vgl. EN X 7, 1177a18-35) Nun hält er zwar das theoretische Leben für das bestmögliche, weist jedoch darauf hin, dass die Betrachtung als Lebensform den Menschen als Menschen übersteigt, eher etwas Göttliches ist. (Vgl. EN X 7, 1177b26-31) Das zweitbeste Leben ist das politische Leben. Es besteht in der Betätigung der Charaktertugenden, die den Umgang mit anderen Menschen sowie mit unseren Emotionen bestimmen. Da Betätigung der Charaktertugenden und Verstandestugenden sich nicht ausschließen, meint Aristoteles möglicherweise, dass selbst der Theoretiker, insofern er gesellschaftliches und mit Emotionen ausgestattetes Wesen ist, sich im Sinne des zweitbesten Lebens betätigen muss.

Aristoteles fasst die Betätigung der Verstandestugenden (mindestens der Klugheit) und der Charaktertugenden als wesentliche Elemente des Glücks auf. Gleichwohl hält er äußere oder körperliche Güter und auch die Lust für Bedingungen, die hilfreich oder sogar notwendig sind, um glücklich zu werden. Güter wie Reichtum, Freunde und Macht verwenden wir als Mittel. Fehlen einige Güter, wird das Glück getrübt, wie bei körperlicher Verunstaltigung, Einsamkeit oder missratenen Kindern. (Vgl. EN I 9, 1099a31-1099b6)

Aristoteles meint, das Genussleben führe nicht zum Glück und hält die Lust nicht für das oberste Gut. Gegenüber lustfeindlichen Positionen macht er jedoch geltend, dass das gute Leben Lust einschließen muss und hält die Lust für ein Gut (Vgl. EN VII 14). Auch könne man einen Tugendhaften, der „auf das Rad geflochten sei“, nicht als glücklich bezeichnen. (EN VII 14, 1153b18-20)

Gegen Platons Auffassung, Lüste seien – einen Mangel beseitigenden – Prozesse (kinêsis) (wie Lust beim Durstlöschen), und somit sei das Vollenden des Prozesses besser als dieser selbst, argumentiert Aristoteles dafür, dass Lüste Tätigkeiten (energeia) sind, die kein Ziel außer sich aufweisen. Paradigmatische Fälle sind Wahrnehmen und Denken. Mit diesem Lustkonzept, die Lust als „unbehinderte Tätigkeit“ bzw. „Vervollkommnung der Tätigkeit“ definiert (EN VII 13, 1153a14f.; X 4, 1174b33) [37], macht er geltend, dass die Betätigung der Verstandestugenden wie der Charaktertugenden lustvoll sein können. Ob nun Lüste gut oder schlecht sind, hängt davon ab, ob die entsprechenden Tätigkeiten gut oder schlecht sind. Bei körperlichen Lüsten ist dies etwa der Fall, wenn sie im Übermaß auftreten oder wenn sie gute Handlungen verhindern, und so dem Glück abträglich sind.

Politische Philosophie

Aristoteles Politische Philosophie schließt an seine Ethik an. Als umfassende Form aller Gemeinschaften besteht der Staat (polis) um des höchsten Gutes willen, des Glücks. (Vgl. EN I 1, 1094a26-b11; Pol. I 1, 1252a1-7) Die politische Philosophie fragt also nach den Bedingungen des Glücks für einen Staat. Hierfür analysiert er zum einen die Bestandteile jeder menschlichen Gemeinschaft und jedes Staates. Zum anderen untersucht er, welches die beste Verfassung (politeia) ist und für welche besonderen Bedingungen welche Verfassung (politeia) die richtige ist.

Bestandteile des Staates

Entstehung, Bestandteile und Zweck des Staates

Nach Aristoteles besteht der Staat von Natur aus. (Vgl. Pol. I 2, 1253a1) Betrachtet man die Teile des Staates so liegen zunächst zwei grundlegende Beziehungen vor: die zwischen Mann und Frau, deren Zweck die Fortpflanzung ist, und die von Herr und Sklave mit dem Zweck den Lebensunterhalt zu sichern. Beide gemeinsam ergeben die kleinste Gemeinschaft: das Haus.[38] Mehrere Häuser ergeben ein Dorf, in dem Arbeitsteilung bessere Versorgung ermöglicht, und mehrere Dörfer einen Staat, der schließlich autark in dem Sinne ist, dass er die Bedingungen für ein gutes Leben bereitstellt. Aristoteles unterscheidet den Grund der Entstehung vom Zweck eines Staates. Entsteht die Stadt um zu überleben, so besteht ihr Ziel jedoch im guten Leben (eu zên). Vgl. Pol. I 2, 1252a25-1253a1)

Nach Aristoteles gehört es zur Natur des Menschen in Gemeinschaft zu leben: Dieser ist ein „zôon politikon“, ein politisches Lebewesen. (Pol. I 2, 1253a3) Nur im Staat kann der Mensch das gute Leben verwirklichen. Auch sei, wer des Staates nicht bedürfe „entweder ein Tier oder ein Gott.“ (Pol. I 2, 1253a29)

Bürger und Verfassung eines Staates

Eine Polis (ein Staat) besteht wesentlich darin, dass sie über freie Bürger verfügt. Darüber hinaus ist der Zweck eines Staates immer das gute Leben; Militär- oder Handelsbündnisse machen noch keinen Staat aus. Entscheidendes Merkmal für einen bestimmten Staat ist seine Verfassung.

Der Bürger

Bürger sind die Einwohner, die aktiv am politischen Geschehen beteiligt sind, d.h. die Anteil am Richten und Regieren haben. (Vgl. Pol. III 1, 1275a22) Den Bürger bestimmt Aristoteles also primär nicht über die Herkunft oder den Wohnort, sondern über Partizipation an den politischen Institutionen des Staates. Wie im Athen der Zeit sind Frauen, Kinder, Sklaven und Fremde keine Bürger. Ein Bürger darf auch nicht für seinen Lebensunterhalt arbeiten müssen, sodass Lohnarbeiter und Handwerker keine Bürger sein können. (Vgl. Pol. III 5, 1278a11) Die jeweilige Verfassung eines Staates bestimmt genauer, wer Bürger ist und wer nicht.

Theorie der Verfassungen

In seiner Unterscheidung der verschiedenen Verfassungen stellt Aristoteles zwei Fragen:

  1. Wer herrscht?
  2. Zu wessen Nutzen wird geherrscht?

Bei der ersten Frage unterscheidet er drei mögliche Antworten: Einer, wenige, viele. In der zweiten Frage unterscheidet er zwei mögliche Zustände und Nutznießer: die Verfassung ist gerecht, wenn zum Nutzen aller geherrscht wird, die Verfassung ist ungerecht oder entartet, wenn allein zum Nutzen der Herrschenden geherrscht wird. (Vgl. Pol. III 6, 1279a17-21) Demgemäß unterscheidet er folgende sechs Formen: (Vgl. Pol, III 6-8)

Herrschende(r) zum Nutzen aller zum Nutzen der/s Herrschenden
Einer Monarchie Tyrannis
Wenige Aristokratie Oligarchie
Viele Politie Demokratie

Die verschiedenen Verfassungen wenden auf unterschiedliche Weise die distributive Gerechtigkeit an. (Vgl. Pol. III 9, 1280a7-22). Distributive Gerechtigkeit bestimmt er als die Verteilung proportional nach Leistung oder Würde. (Vgl. EN V 6)

Kritik an schlechten Verfassungen

Unter den schlechten, nicht am Gemeinwohl interessierten Verfassungen hält er die Tyrannis für die schlechteste, denn in ihr herrscht der Tyrann über den Staat im Sinne einer despotischen Alleinherrschaft wie der Herr über den Sklaven. (Vgl. Pol. III 8, 1279b16) Für etwas weniger schlecht erachtet er die durch die Herrschaft der Reichen gekennzeichnete Oligarchie, die wie auch die Tyrannis sehr instabil ist. (Vgl. Pol. V 12) Für den Grundirrtum der Oligarchie hält Aristoteles die Auffassung, dass die, die in einer, nämlich in Hinsicht des Besitzes ungleich sind, in allen Hinsichten ungleich wären. Entsprechend besteht der Grundirrtum der Demokratie darin, zu glauben, dass die, die in einigen Hinsichten gleich sind, dies in allen wären. (Vgl. Pol. V 1, 1301a25-36) Die Demokratie hält Aristoteles für weniger schlecht als die Tyrannis und Oligarchie. Sie ist neben Gleichheit durch Freiheit gekennzeichnet. Freiheit meint dabei, so zu leben wie man will, Gleichheit, dass das Regieren und Regiertwerden reihum geht (Vgl. 1317b2-12). Die absolute Freiheit, so zu leben wie man will, hält Aristoteles insofern für problematisch, als sie mit der Herrschaft der Verfassung in Konflikt steht. (Vgl. Pol. V 9, 1310a30-35) Gleichheit kritisiert er, wenn sie als totale arithmetische interpretiert wird, die dazu führe, dass die Herrschaft der Unvermögenden die Besitzenden enteignet.

Gute Verfassungen

Unter den guten Verfassungen ist die Monarchie (unter der Aristoteles nicht zwingend ein Königtum, sondern nur eine Alleinherrschaft versteht) am wenigsten gut. Insofern sie nicht gesetzgebunden ist, ist sie eine bloße Herrschaftsform, teilweise kaum eine Verfassung und insofern problematisch, als nur das Gesetz unbeeinflusst von Emotionen herrschen kann. Unter einer Aristokratie versteht er eine Herrschaft der Guten, d.h. derjenigen, die am meisten Anteil an der Tugend (aretê) haben, und weniger eine Herrschaft des Geburtsadels. Da das Ziel des Staates, das gute Leben, in einer Aristokratie im höchsten Maße verwirklicht wird, hält Aristoteles sie (neben einer bestimmten Form der Monarchie, nämlich der Königsherrschaft) für die beste Verfassung. (Vgl. Pol. IV 2, 1289a30-32)

Aristoteles diskutiert Verfassungstheorie allerdings nicht ohne Realitätsbezug. Oft – so Aristoteles – ist eine absolut beste Verfassung in einem bestimmten Staat nicht möglich. Was am besten für einen konkreten Staat ist, muss immer relativ zu den Umständen bestimmt werden. (Vgl. Pol. IV 1, 1288b21-33) Solche Überlegungen durchziehen die ganze Verfassungstheorie, zeigen sich aber insbesondere im Modell der Politie, die Aristoteles als die bestmögliche für die meisten zeitgenössischen Staaten ansieht. (Vgl. Pol. IV 11, 1295a25) Die Politie ist eine Mischverfassung, sie enthält Elemente der Demokratie und Oligarchie. Hierbei werden die Interessen nach Gleichheit auf der einen und nach Reichtum auf der anderen Seite zum Ausgleich gebracht. Dieser Ausgleich wird u. a. durch Ämterzuteilung nach Klassenzugehörigkeit erreicht. (Vgl. Pol. V 8, 1308b26) Er erhöht die Stabilität und vermeidet die (in griechischen Staaten häufigen) sozialen Unruhen. Besondere Stabilität verleiht ein breiter Mittelstand einem Staat. (Vgl. Pol. V 11, 1295b25-38)

Dichtungstheorie

Mimêsis

Der zentrale Begriff der Dichtungstheorie (poiêtikê) ist die mimêsis, mit Nachahmung bzw. Darstellung übersetzt. Neben der Dichtung sind auch die Dithyrambendichtung, Teile der Musik und der Tanz für Aristoteles mimetische Künste. (Vgl. Poet. 1, 1447a14f.; 1447a (Abbildende Künste wie Malerei und Plastik behandelt Aristoteles nicht als mimetische Künste). Gemeinsam ist den behandelten mimetischen Künsten die zeitliche Sukzession. Insofern lässt sich mimêsis als ästhetisches Handeln auffassen.

In der mimêsis sieht Aristoteles eine anthropologische, allen Menschen gemeinsame Grundlage. Denn die Freude an ihr sowie an ihren Produkten ist den Menschen angeboren, da sie gerne lernen. (Vgl. Poet. 4, 1448b5-15) In Abgrenzung von den anderen mimetischen Künsten ist für die Dichtung nun die Verwendung von Sprache spezifisch. Alle Dichtung ist zudem Darstellung von Handlungen, allerdings nicht von tatsächlich Geschehenem, sondern von dem, „was geschehen könnte, d. h. das nach den Regeln der Wahrscheinlichkeit oder Notwendigkeit Mögliche.“ (Poet. 9, 1451a37f.) Dargestellt werden Handlungen die etwas über den Menschen im allgemeinen aussagen, nicht über zufällige und beliebige Verhältnisse. Ziel ist nicht die Nachahmung von Menschen, die Darstellung von Figuren oder Charakteren, sondern von Handlungen; ersteres ist nur das Mittel. (Poet. 6, 1450a26-23)

Arten der Dichtung

Aristoteles klassifiziert vier Formen der existierenden Dichtung nach zwei Kriterien: (i) der Art der Darstellung von Handlung und (ii) die Art der dargestellten Figuren.

Dramatische Darstellung berichtende Darstellung
Darstellung von Besseren Tragödie Epos
Darstellung von Schlechteren Komödie Spottlied

Dramatische Darstellung ist dadurch gekennzeichnet, dass die jeweilige Figur selbst die Handlung darstellt, berichtende dadurch, dass über die Handlung berichtet wird. Mit besser und schlechter sind die Figuren und ihre Handlungen gemeint. Bessere Figuren oder Charaktere sind etwas besser als wir selbst, schlechtere schlechter. Beides aber nie soweit, dass wir uns nicht mehr mit ihnen identifizieren könnten. ( Poet. 5, 1449a31-1449b13) Aristoteles vertritt dabei die Hypothese, dass die Tragödie und Komödie aus dem Epos bzw. Spottlied entstanden seien. (Vgl. Poet. 4, 1449a2-7)

Eine Untersuchung der Komödie kündigt Aristoteles an, ist aber – wie auch eine des Spottliedes – nicht überliefert. Das Epos behandelt er recht kurz, seine überlieferte Dichtungstheorie ist daher primär eine Tragödientheorie.

Tragödie

Aristoteles definiert die Tragödie als eine

„Darstellung (mimêsis) [1] einer guten und in sich geschlossenen Handlung von bestimmter Größe, [2] in anziehend geformter Sprache [...] , (Nachahmung) [3] von Handelnden und nicht durch Bericht, [4a] die Mitleid (eleos) und Furcht (phobos) hervorruft, und [4b] hierdurch eine Reinigung (katharsis) der derartigen Emotionen bewirkt.“

Poet. 6, 1449b24-28

Dieser kurze Satz ist eine der am meisten diskutierten Passagen im gesamten aristotelischen Werk. (3) nennt das dramatisch-darstellende Element. (1) nennt (neben oben schon genannten Aspekten) die – später so genannte – Einheit der Handlung. Die Einheit des Ortes und der Zeit wurde in der Renaissance der aristotelischen Tragödientheorie zugeschrieben, vertritt er selbst aber so nicht. (2) bezieht sich darauf, dass die Sprache der Tragödie Melodie und Rhythmus aufweist. Die weitaus meiste Aufmerksamkeit hat (4) erhalten, insbesondere (4b).

Emotionserregung und Katharsis

In (4) beschreibt Aristoteles die Funktion der Tragödie, was sie leisten soll. Weitgehend unumstritten ist nur (4a): Beim Zuschauer sollen durch die dargestellte Handlung die Emotionen Mitleid und Furcht erregt werden.[39] Mitleid wird erregt, wenn die Protagonisten unverdient Unglück erleiden, Furcht, wenn diese dabei dem Zuschauer (oder Leser) ähnlich sind.

(4b) ist höchst kontrovers, da die Funktionsweise nicht weiter erläutert. Allein das Wort Katharsis (das als Metapher (wie “Reinigung” im Deutschen) einen Sinnüberschuss aufweist), hat zu den verschiedensten Deutungen Anlass gegeben, insbesondere weil es schon vor Aristoteles u. a. in der griechischen Medizin (durch Brech- und Abführmittel) und in religiösen Kulten (von unreinen Personen durch religiöse Praktiken) verwandt worden ist. Schon grammatikalisch ist darüber hinaus die Art der Reinigung unklar. Vermutlich sollen die Emotionen selbst (durch eine Emotionserregung) gereinigt werden; die Aussage ist aber auch als Reingung von den Emotionen gelesen worden.

Der normativ-deskriptive Charakter der Tragödientheorie

Aristoteles’ Tragödientheorie weist zwei Typen von Aussagen auf: Zum einen untersucht er (wie gezeigt) die Grundlagen der Dichtung, unterscheidet verschiedene Arten der Dichtung und nennt Teile einer Tragödie und deren Funktionsweise. Zum anderen spricht er aber auch davon, was eine gute Tragödie ist und was der Dichter entsprechend machen soll. So spricht er etwa davon, dass in einer guten Tragödie ein Protagonist vom Glück ins Unglück gerät weder aufgrund seines guten noch seines schlechten Charakters, sondern aufgrund eines Fehlers (hamartia), etwa wie Ödipus aufgrund von Unwissenheit. Nur eine schlechte Tragödie würde zeigen, wie ein guter Charakter vom Glück ins Unglück oder ein schlechter vom Unglück ins Glück gerät. Der Grund besteht in der Funktion der Tragödie, dem Bewirken von Mitleid und Furcht. In den schlechten Tragödien würden Mitleid und Furcht nicht erregt werden. In der guten Tragödie ist dies aber aufgrund der Beschaffenheit des Protagonisten und des Fehlers als Ursache des Unglücks der Fall. (Vgl. Poet. 13, 1452b28-1453a12)

Nachwirkung der Philosophie des Aristoteles

Rezeption in der Antike

Die Lehre des Aristoteles hat auf seine Schule, den Peripatos, nach seinem Tode weit weniger Einfluss ausgeübt als Platons Lehre auf dessen Akademie. Aristoteles wurde keine Verehrung zuteil, die mit derjenigen Platons bei den Platonikern vergleichbar wäre. Dies bedeutete einerseits Offenheit und Flexibilität, andererseits Mangel an inhaltlich begründetem Zusammenhalt. Die Peripatetiker widmeten sich vor allem empirischer Naturforschung und befassten sich u.a. auch mit Ethik, Seelenlehre und Staatstheorie. Dabei kamen Aristoteles’ Schüler Theophrastos, sein Nachfolger als Leiter der Schule, und dessen Nachfolger Straton zu teilweise anderen Ergebnissen als der Schulgründer. Nach Stratons Tod (270/268 v. Chr.) begann eine Periode des Niedergangs.

Das Studium und die Kommentierung der Schriften des Aristoteles wurde im Peripatos anscheinend vernachlässigt, jedenfalls weit weniger eifrig betrieben als das Platonstudium in der konkurrierenden Akademie. Erst im ersten Jahrhundert v. Chr. sorgte Andronikos von Rhodos für eine Zusammenstellung der Lehrschriften (Vorlesungen) des Aristoteles. Die für die Öffentlichkeit bestimmten "exoterischen" Schriften, insbesondere die Dialoge, waren lange populär, gingen aber in der römischen Kaiserzeit verloren. Cicero hat sie noch gekannt. Die Peripatetiker betrachteten die Lehrschriften als speziell für ihren internen Unterrichtsgebrauch bestimmt. In der römischen Kaiserzeit war der einflussreichste Repräsentant des Aristotelismus Alexander von Aphrodisias, der gegen die Platoniker die Sterblichkeit der Seele vertrat.

Obwohl Aristoteles großen Wert auf die Widerlegung von Kernbestandteilen des Platonismus gelegt hatte, waren es gerade die Neuplatoniker, die in der Spätantike einen maßgeblichen Beitrag zur Erhaltung und Verbreitung seiner Hinterlassenschaft leisteten, indem sie seine Logik übernahmen, kommentierten und in ihr System integrierten. Eine besonders wichtige Rolle spielten dabei im 3. Jahrhundert n. Chr. Porphyrios, im 5. Jahrhundert Proklos und schließlich als letzter im 6. Jahrhundert Simplikios, der bedeutende Aristoteleskommentare verfasste. Im 4. Jahrhundert schrieb Themistios Paraphrasen zu Werken des Aristoteles, die eine starke Nachwirkung erzielten. Er war unter den spätantiken Kommentatoren der einzige Aristoteliker; die anderen strebten eine Synthese platonischer und aristotelischer Auffassungen an, wobei den platonischen das Übergewicht zukam.

Bei den prominenten antiken Kirchenvätern war Aristoteles wenig bekannt und unbeliebt, manche verachteten und verspotteten seine Dialektik. Sie verübelten ihm, dass er das Weltall für ungeschaffen und unvergänglich hielt und die Unsterblichkeit der Seele bezweifelte (bzw. nach ihrem Verständnis bestritt). Ein positiveres Verhältnis zu Aristoteles hatten hingegen manche christliche Gnostiker und andere häretische Christen: Arianer (Aetios, Eunomius), Monophysiten, Pelagianer und Nestorianer – ein Umstand, der den Philosophen für die kirchlichen Autoren erst recht suspekt machte. Syrer – monophysitische wie nestorianische – übersetzten das Organon in ihre Sprache und setzten sich intensiv damit auseinander. Im 6. Jahrhundert schrieb Johannes Philoponos Aristoteles-Kommentare, übte aber auch scharfe Kritik an der aristotelischen Kosmologie und Physik. Er war mit seiner Impetustheorie ein Vorläufer spätmittelalterlicher und frühneuzeitlicher Kritik an der aristotelischen Bewegungslehre.

Rezeption im Mittelalter

 
Mittelalterliche Darstellung des Aristoteles

Im Byzantinischen Reich des Frühmittelalters wurde Aristoteles wenig beachtet. Sein Einfluss machte sich vorwiegend indirekt geltend, nämlich über die meist neuplatonisch gesinnten spätantiken Autoren, die Teile seiner Lehre übernommen hatten. Daher war Vermischung mit neuplatonischem Gedankengut von vornherein gegeben. Bei Johannes von Damaskus tritt die aristotelische Komponente deutlich hervor. Im 11. und 12. Jahrhundert kam es zu einer Wiederbelebung des Interesses an aristotelischer Philosophie: Michael Psellos, Johannes Italos und dessen Schüler Eustratios von Nikaia (beide wegen Häresie verurteilt) sowie der primär philologisch orientierte Michael von Ephesos schrieben Kommentare. Die Kaisertochter Anna Komnena förderte diese Bestrebungen.

Im islamischen Raum setzte die Wirkung der Werke des Aristoteles früh ein und war breiter und tiefer als in der Spätantike und im europäischen Früh- und Hochmittelalter. Der Aristotelismus dominierte qualitativ und quantitativ gegenüber der übrigen antiken Tradition. Schon im 9. Jahrhundert waren die meisten Werke des Aristoteles in arabischer Sprache verfügbar, ebenso antike Kommentare. Hinzu kam ein reichhaltiges unechtes (pseudo-aristotelisches) Schrifttum teilweise neuplatonischen Inhalts. Zu letzterem zählten Schriften wie die Theologie des Aristoteles’ und der Kalam fi mahd al-khair (Liber de causis). Die aristotelischen Ideen waren von Anfang an mit neuplatonischen vermischt, und man glaubte an eine Übereinstimmung der Lehren Platons und des Aristoteles. In diesem Sinne deuteten al-Kindi (9. Jahrhundert) und al-Farabi (10. Jahrhundert) und die ihnen folgende spätere Tradition den Aristotelismus; bei ibn Sina (Avicenna) trat das neuplatonische Element stärker in den Vordergrund. Einen relativ reinen Aristotelismus vertrat hingegen im 12. Jahrhundert ibn Rušd (Averroes), der zahlreiche Kommentare schrieb und die aristotelische Philosophie gegen al-Ghazali verteidigte.

Im lateinischen Mittelalter war zunächst bis ins 12. Jahrhundert nur ein kleiner Teil des Gesamtwerks des Aristoteles verbreitet, nämlich zwei der logischen Schriften (Kategorien und De interpretatione), die Boethius im frühen 6. Jahrhundert übersetzt und kommentiert hatte, zusammen mit der Einleitung des Porphyrios zur Kategorienlehre. Dieses Schrifttum, später als Logica vetus bezeichnet, bildete die Grundlage des Logikunterrichts. Diese enge Begrenzung änderte sich mit der großen Übersetzungsbewegung des 12. und 13. Jahrhunderts. Im 12. Jahrhundert wurden die bisher fehlenden logischen Schriften (Analytiken, Topik, Sophistici elenchi) in lateinischer Sprache verfügbar; sie machten die Logica nova aus. Dann kamen eines nach dem anderen fast alle restlichen Werke hinzu (teils erst im 13. Jahrhundert). Die meisten Schriften wurden mehrmals ins Lateinische übertragen (entweder aus dem Arabischen oder aus dem Griechischen). Michael Scotus übersetzte Aristoteleskommentare des Averroes aus dem Arabischen. Sie wurden eifrig benutzt, was in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts zur Entstehung des lateinischen Averroismus führte, der ein für damalige Verhältnisse relativ konsequenter Aristotelismus war.

Im Lauf des 13. Jahrhunderts wurden die Schriften des Aristoteles als Standardlehrbücher zur Grundlage der an den Universitäten (in der Fakultät der Freien Künste) betriebenen scholastischen Wissenschaft; 1255 wurden seine Logik, Naturphilosophie und Ethik an dieser Fakultät der Pariser Universität als Lehrstoff vorgeschrieben. Die Führungsrolle kam der Pariser und der Oxforder Universität zu. Wegweisend waren die Aristoteleskommentare des Albertus Magnus. Das Verfassen von Aristoteleskommentaren wurde eine Hauptbeschäftigung der Magister, und viele von ihnen hielten die kommentierten Lehrbücher für praktisch irrtumsfrei. Besonders intensiv studierte man neben der aristotelischen Methodik die Wissenschaftstheorie, um sie als Basis für ein hierarchisch geordnetes System der Wissenschaften zu verwenden. Widerstand erhob sich allerdings von theologischer Seite gegen einzelne Lehren, vor allem gegen die Thesen von der Ewigkeit der Welt und der absoluten Gültigkeit der Naturgesetze (Ausschluss von Wundern), sowie gegen den Averroismus. Daher kam es 1210, 1215, 1231, 1245, 1270 und 1277 zu kirchlichen Verurteilungen von Lehrsätzen und zu Aristotelesverboten. Sie richteten sich aber nur gegen die naturphilosophischen Schriften bzw. gegen einzelne Thesen und konnten den Siegeszug des Aristotelismus nur vorübergehend hemmen. Diese Verbote betrafen nur Frankreich (vor allem Paris), in Oxford galten sie nicht. Aristoteles wurde „der Philosoph“ schlechthin: mit Philosophus (ohne Zusatz) war immer nur er gemeint, mit Commentator Averroes. Gegenpositionen (vor allem in der Erkenntnistheorie und Anthropologie) vertraten Anhänger der platonisch beeinflussten Lehren des Augustinus, besonders Franziskaner ("Franziskanerschule"). Schließlich setzte sich das von dem Dominikaner Thomas von Aquin abgewandelte und weiterentwickelte aristotelische Lehrsystem (Thomismus) durch, zunächst in seinem Orden und später in der gesamten Kirche. Allerdings schrieb man weiterhin neuplatonische Schriften zu Unrecht dem Aristoteles zu, wodurch das Gesamtbild seiner Philosophie verfälscht wurde.

Rezeption in der Neuzeit

 
Aristoteles, seine Ethik haltend. Detail aus dem Fresko Schule von Athen von Raphael

In der Renaissance fertigten Humanisten neue, viel leichter lesbare Aristotelesübersetzungen ins Lateinische an, und man begann auch die griechischen Originaltexte zu lesen. Es kam zu heftigem Streit zwischen Platonikern und Aristotelikern, wobei die beteiligten Humanisten mehrheitlich zu Platon neigten. Es gab in der Renaissance aber auch bedeutende Aristoteliker wie Pietro Pomponazzi (1462–1525) und Jacopo Zabarella (1533–1589), und es entstanden damals im Abendland mehr Aristoteleskommentare als während des gesamten Mittelalters. Wie im Mittelalter herrschte auch noch bei vielen Renaissance-Gelehrten das Bestreben vor, platonische und aristotelische Standpunkte untereinander und mit der katholischen Theologie und Anthropologie zu versöhnen. Seit dem 15. Jahrhundert war es aber möglich, dank des besseren Zugangs zu den Quellen das Ausmaß der fundamentalen Gegensätze zwischen Platonismus, Aristotelismus und Katholizismus besser zu verstehen. Bei der Vermittlung dieser Erkenntnisse spielte der byzantinische Philosoph Georgios Gemistos Plethon eine wichtige Rolle. Unabhängig davon herrschte der (neu)scholastische Aristotelismus, der die mittelalterliche Tradition fortsetzte, mit seiner Methode und Terminologie an Schulen und Universitäten noch bis tief in die Neuzeit, auch in den lutherischen Gebieten, obwohl Luther den Aristotelismus ablehnte.

Im sechzehnten Jahrhundert unternahmen Bernardino Telesio und Giordano Bruno Frontalangriffe auf den Aristotelismus, und Petrus Ramus trat für eine nichtaristotelische Logik ein (Ramismus). Bereits Giovanni Battista Benedetti (1530-1590) widerlegte 1554 in seinem Werk Demonstratio proportionum motuum localium contra Aristotilem et omnes philosophos in einem simplen Gedankenexperiment die aristotelische Annahme, dass Körper im freien Fall umso schneller fallen, je schwerer sie sind: Zwei gleiche Kugeln, die durch eine (masselose) Stange fest verbunden werden, fallen mit derselben Geschwindigkeit wie jede der beiden Kugeln allein.

 
Aristoteles vor der Büste des Homer, von Rembrandt

Aber erst seit dem 17. Jahrhundert verdrängte ein neues Wissenschaftsverständnis die aristotelisch-scholastische Tradition. Den Umschwung in der Physik leitete Galileo Galilei ein. 1647 konnte die von Aristoteles aufgestellte Hypothese des Horror vacui von Blaise Pascal mit dem Versuch Leere in der Leere widerlegt werden. Erst in der 1687 veröffentlichten Schrift Philosophiae Naturalis Principia Mathematica von Isaac Newton wurde mit dem Trägheitsprinzip ein Fundament der neuen klassischen Mechanik errichtet, das die aristotelischen Annahmen ersetzte. In der Biologie konnten sich aristotelische Auffassungen bis ins 18. Jahrhundert halten.

Sehr stark und anhaltend war die Nachwirkung der Poetik des Aristoteles, insbesondere seiner Tragödientheorie (siehe Regeldrama). Sie prägte Theorie und Praxis des Theaters während der gesamten Frühen Neuzeit, abgesehen von manchen gewichtigen Ausnahmen besonders in Spanien und England (Shakespeare). Die Poetik lag seit 1278 in lateinischer Übersetzung vor, 1498 und 1536 erschienen humanistische Übersetzungen. Auf ihr fußte die Poetik des Julius Caesar Scaliger (1561), die Dichtungslehre von Martin Opitz (1624), die französische Theaterlehre des 17. Jahrhunderts (doctrine classique) und schließlich die von Johann Christoph Gottsched geforderte Regelkunst (Critische Dichtkunst, 1730).

 
Aristoteles’', gemalt von Francesco Hayez

Im 19. Jahrhundert begann die moderne Aristotelesforschung mit der Aristoteles-Gesamtausgabe der Berliner Akademie, die Immanuel Bekker ab 1831 besorgte. Nach ihren Seiten- und Zeilenzahlen wird Aristoteles noch heute zitiert.

Auf die Philosophie des 20. Jahrhunderts hat Aristoteles nicht mit seinem Wissenschaftssystem eingewirkt, sondern sie hat seinem Werk nur einzelne Anregungen entnommen, besonders auf ontologischem Gebiet und hinsichtlich der Unterscheidung von praktischer und theoretischer Vernunft und Wissenschaft.


Werke (Auswahl)

Überblick, siehe auch Corpus Aristotelicum

Literatur

Primärtexte

Griechische Textausgaben
  • Diverse Hgg. in der Reihe: Oxford Classical Texts (OCT) bei Oxford University Press ediert.
  • Diverse Hgg. und Übersetzer in der Reihe: Loeb Classical Texts (LCT) bei Harvard University Press ediert (Griechischer Text mit englischer Übersetzung)
Übersetzungen
  • Grumach, Ernst (Begr.), Flashar, Hellmut (Hrsg.): Aristoteles. Werke in deutscher Übersetzung. 19 Bde., Akademie Verlag, Berlin 1965 ff. (mit in der Regel sehr guten Kommentarteilen)
  • Jonathan Barnes (Hrsg.): The Complete Works of Aristotle, 2 Bde., Princeton 1995 (Sammlung der maßgeblichen englischen Übersetzungen)

Einzelausgaben siehe bei den jeweiligen Werkartikeln.

Sekundärliteratur

Einführungen und Gesamdarstellungen
  • Jonathan Barnes: Aristoteles: eine Einführung, Reclam, Stuttgart 1999 [1982], ISBN 3-15-008773-2
  • Thomas Buchheim: Aristoteles. Freiburg i. Br. 1996
  • Wolfgang Detel: Aristoteles. Leipzig 2005 (Problemorientierte Einführung)
  • Otfried Höffe: Aristoteles. Beck'sche Reihe Denker, 2. überarbeitete Aufl., München 1999. (Hervorragende Einführung, welche die praktische Philosophie des Aristoteles und die Rezeptionsgeschichte näher beleuchtet)
  • Werner Jaeger: Aristoteles. Berlin 1923 (sehr bedeutend innerhalb der Forschungsgeschichte; als Einführung ungeeignet)
  • Alberto Jori: Aristotele (mit einem Vorwort von H. Flashar), Mailand 2003 ISBN 8842497371 (Preis 2003 der "International Academy of the History of Science")
  • Christof Rapp: Aristoteles zur Einführung. Hamburg 2004, ISBN 3885063980 (Eine der besten deutschsprachigen Einführungen zu Aristoteles mit sehr guter thematisch gegliederter Bibliografie für Einsteiger)
  • David Ross: Aristotle. Oxford 1995 [1923] (etwas ältere, aber solide und sehr umfassende Darstellung; sehr nah am Text mit zahlreichen Stellenangaben)
thematische Kompendien
  • Jonathan Barnes (Hrsg.): The Cambridge Companion to Aristotle. Cambridge 1995 (sehr gute Einführung zu Aristoteles mit thematisch geordneten Beiträgen einiger der namhaftesten Aristotelesforscher und einer aktuellen, thematisch gegliederten 80-Seiten-Bibliografie)
  • Thomas Buchheim, Hellmut Flashar (Hrsg.): Kann man heute noch etwas anfangen mit Aristoteles?, Meiner, Hamburg 2003 (Beiträge namhafter Aristotelesforscher in Hinblick auf Aristoteles und moderne Philosophie)
Philosophiegeschichte und Doxografie
  • Ingemar Düring: Aristoteles. Heidelberg 1966 (einflußreiche Gesamtdarstellung; schwach zur Ethik).
  • Hellmut Flashar (Hrsg.): Grundriss der Geschichte der Philosophie. Die Philosophie der Antike Band 3: Ältere Akademie. Aristoteles. Peripatos. 2. durchgesehene und erweiterte Auflage, von Hellmut Flashar, Hans Krämer †, Fritz Wehrli, Georg Wöhrle, Basel 2004 (ausführlichste philosophiegeschichtliche Darstellung zu Aristoteles und seiner Wirkungsgeschichte)
  • W. K. C. Guthrie: Aristotle - An Encounter. Cambridge 1981 (= A History of Greek Philosophy; 6.) (sehr gut lesbare Gesamtdarstellung, nicht so systematisch wie Düring, nichts zur Logik)
Hilfsmittel
  • Otfried Höffe (Hrsg.): Aristoteles-Lexikon. Stuttgart 2005, ISBN 3520459019 (350 Einträge zu den wichtigsten Originalbegriffen in lateinischer Transkription) (Rezension)
  • Christoph Horn, Christof Rapp (Hrsg.): Wörterbuch der antiken Philosophie. München 2002, ISBN 3406476236 (mit zahlreichen Einträgen zu für Aristoteles zentralen Termini)

Weitere, nach Themen geordnete Sekundärliteratur findet sich Aristoteles#Literaturverweise.

Siehe auch

Wiktionary: Aristoteles – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Über Aristoteles
Wikiquote: Aristoteles – Zitate
Commons: Aristoteles – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien
Texte von Aristoteles
Wikisource: Aristoteles – Quellen und Volltexte (griechisch)
Wikisource: Aristoteles – Quellen und Volltexte (englisch)

Quellenangaben und Fußnoten

Literaturverweise

Literaturverweise auf aristotelische Texte befinden sich im Text, und zwar mit Titel- (Abkürzungen werden an der ersten Stelle im Kapitel per Link aufgelöst) ggf. Buch- und Kapitelangaben sowie der Bekker-Zahl. Die Bekker-Zahl gibt eine genaue Stelle im gesamten Corpus an und findet sich in jeder (guten) modernen Ausgabe.

Im Folgenden wird – nach Abschnitten geordnet – die verwendete Sekundärliteratur aufgeführt. (Die aufgeführten Abschnitte geben dabei nicht die vollständige Gliederung des Artikels wieder, sondern nur die für diesen Zweck notwendigen Gliederungspunkte.)
Leben

  • Hellmut Flashar: Aristoteles, in: ders. (Hrsg.): Grundriss der Geschichte der Philosophie. Die Philosophie der Antike Band 3: Ältere Akademie. Aristoteles. Peripatos. 2. durchgesehene und erweiterte Auflage, von Hellmut Flashar, Hans Krämer †, Fritz Wehrli, Georg Wöhrle, Basel 2004 , S. 213-219.

Werk
Überlieferung und Charakter der Schriften

  • Jonathan Barnes: Life and Work in: ders. (Hg.):The Cambridge Companion to Aristotle, Cambridge 1995, S. 6-15.
  • Hellmut Flashar: Aristoteles, in: ders. (Hg.) 2004, S. 178-182.
  • Otfried Höffe: Aristoteles, München 1996, S. 22-28.
Das Organon

Deduktion und Induktion

  • Robin Smith: "Aristotle's Logic, The Stanford Encyclopedia of Philosophy (Winter 2006 Edition), Edward N. Zalta (Hg.)
  • Wolfgang Detel: Aristoteles. Analytica Posteriora, Berlin 1993, Bd. I, S. 233ff.; S. 257-262:

Dialektik

  • Otfried Höffe: Aristoteles, München 1996, S. 56 ff.
  • Christof Rapp: Aristoteles. Rhetorik, Berlin 2002, Bd. I, 236-265
  • Robin Smith: Logic, in: Barnes (Hg.): The Cambridge Companion to Aristotle, Cambridge 1995, 57-64.
  • Smith, Robin: Aristotle's Logic, The Stanford Encyclopedia of Philosophy (Winter 2006 Edition), Edward N. Zalta (Hg.)]
  • Robin Smith: Aristotle. Topics Books I and VIII, Oxford 1997, S. xi-xxxv
  • Tim Wagner / Christof Rapp: Aristoteles. Topik, Stuttgart 2005, S. 11-38


Rhetorik

  • Christof Rapp: Aristotle's Rhetoric", The Stanford Encyclopedia of Philosophy (Summer 2002 Edition), Edward N. Zalta (Hg.)
  • Christof Rapp: Aristoteles. Rhetorik, Berlin 2002, Bd. 1: S. 236-265, 323-335, 358-369. Bd. II: S. II 141-144, 223-240, 543-583, 921-930, 942-953.
  • Christof Rapp: rhetorikê (technê), in: Otfried Höffe (Hg.): Aristoteles-Lexikon, Stuttgart 2005, S. 517

Syllogistische Logik

  • Wolfgang Detel: Aristoteles, Leipzig 2005, S. 47 f.
  • Robin Smith: Logic, in: Jonathan Barnes (Hg.): The Cambridge Companion to Aristotle Cambridge 1995, S. 33-45.
  • Robin Smith: "Aristotle's Logic", in: The Stanford Encyclopedia of Philosophy (Winter 2006 Edition), Edward N. Zalta (Hg.)

Wissen und Wissenschaft

  • Wolfgang Detel: Aristoteles, Analytica Posteriora. Übersetzung und Erläuterung, 2 Bde., Berlin 1993, insb. Bd. I, S. 263-334
  • Wolfgang Detel: Aristoteles, Leipzig 2005, S. 20-34
  • Wolfgang Detel: Artikel epistêmê, apodeixis in Höffe 2005.
  • Otfried Höffe: Aristoteles, München 1996, S. 78-95
  • Christof Rapp: Aristoteles, Hamburg 2001, S.131-145
  • Robin Smith: "Aristotle's Logic, in: The Stanford Encyclopedia of Philosophy (Winter 2006 Edition), Edward N. Zalta (Hg.)

Naturphilosophie

  • Istvan Bodnar: "Aristotle's Natural Philosophy", The Stanford Encyclopedia of Philosophy (Fall 2006 Edition), Edward N. Zalta (Hg.)
  • Stephan Fölliger: kinêsis, in: Otfried Höffe (Hg.): Aristoteles-Lexikon, Stuttgart 2005,, S. 312-218.
  • Otfried Höffe: Aristoteles, München 1996, S. 118-122.
  • Christof Rapp: Aristoteles, Hamburg 2001, S. 122-130.
  • David Ross: Aristotle Oxford 1995 [1926], S. 65-77; 83-85.
  • David Ross: Aristotle. Physics 1998 [1938], S. 19-48.

Metaphysik Ontologie

  • S. Marc Cohen: "Aristotle's Metaphysics", The Stanford Encyclopedia of Philosophy (Winter 2003 Edition), Edward N. Zalta (Hg.)
  • Christof Rapp, in ders. (Hg.) 1996, S. 3 f.
  • David Ross: Aristotle Oxford 1995 [1926], S. 178
  • Christof Rapp: Einleitung in: ders. (Hg.): Aristoteles. Metaphysik, Die Substanzbücher (Ζ, Η, Θ), Berlin 1996, S. 1-26.
  • Christof Rapp: Aristoteles, Hamburg 2001, S. 146-173
  • Christoph Rapp/Tim Wagner: eidos, in: Otfried Höffe (Hg.): Aristoteles-Lexikon, Stuttgart 2005, S. 147-158
  • Christopher Shields: Aristotle New York 2007, S. 232-269.
  • Holmer Steinfath: Selbstständigkeit und Einfachheit, Frankfurt a.M. 1991, S. 11-53.

Theologie

  • David Ross: Aristotle Oxford 1995 [1926], 184 ff.;
  • Otfried Höffe: Aristoteles, München 1996, 157 ff.

Biologie

Psychologie

  • Otfried Höffe: Aristoteles’', München 1996, S. 151 f.
  • Hendrik Lorenz: Ancient Theories of Soul", in: The Stanford Encyclopedia of Philosophy (Winter 2003 Edition), Edward N. Zalta (Hg.)
  • Christof Rapp: Aristoteles, Hamburg 2001, S. 174-185
  • Christopher Shields: Aristotle's Psychology", in: The Stanford Encyclopedia of Philosophy (Winter 2005 Edition), Edward N. Zalta (Hg.)

Ethik

  • D. S. Hutchinson: Ethics in: Jonathan Barnes (Hg.): The Cambridge Companion to Aristotle, Cambridge 1995, S. 295-232
  • Richard Kraut: Aristotle's Ethics", in: The Stanford Encyclopedia of Philosophy (Fall 2007 Edition), Edward N. Zalta (Hg.)
  • Christof Rapp: Aristoteles, in: Marcus Düwell, Christoph Hübenthal, Micha H. Werner (Hrsg.): Handbuch Ethik. Metzler, Stuttgart u.a., 2. akt. Aufl. 2006 Handbuch Ethik, S. 69-77
  • Ursula Wolf: Aristoteles' 'Nikomachische Ethik', Darmstadt 2002

Politische Philosophie

  • Rolf Geiger: aristokratie, monarchie in: Otfried Höffe (Hg.): Aristoteles-Lexikon, Stuttgart 2005, 80 f.; 367 f.
  • Otfried Höffe: polis, in: Otfried Höffe (Hg.): Aristoteles-Lexikon, Stuttgart 2005, S. 474-478
  • Fred Miller: Aristotle's Political Theory", in: The Stanford Encyclopedia of Philosophy (Fall 2002 Edition), Edward N. Zalta (Hg.)
  • Henning Ottmann: Geschichte des politischen Denkens Bd. 1.2 Von Platon bis zum Hellenismus, Stuttgart 2001, S. 171-224
  • C.C.W. Taylor, in: Jonathan Barnes (Hg.): The Cambridge Companion to Aristotle Cambridge 1995, S. 233-258

Dichtungstheorie

  • Christof Rapp: Aristoteles, Hamburg 2001, S. 63-73
  • Christof Rapp: katharsis, in: Otfried Höffe (Hg.): Aristoteles-Lexikon, Stuttgart 2005, S. 304-306
  • David Ross: Aristotle, Oxford 1995 [1923], S. 286-295

Werk
Antike

Mittelalter

  • Edward Grant, Das physikalische Weltbild des Mittelalters, Zürich 1980
  • Ludger Honnefelder / Mechthild Dreyer /Rega Wood: Albertus Magnus und die Anfänge der Aristoteles-Rezeption im lateinischen Mittelalter, Münster 2005

Neuzeit

  • Aristoteles, in: Lexikon des Mittelalters
  • Paul Oskar Kristeller, Humanismus und Renaissance, München 1974/1976 2 Bde.
  • Leijenhorst, Cees (Hg.) The Dynamics of Aristotelian Natural Philosophy from Antiquity to the Seventeenth Century, Leiden 2002

Fußnoten

Auf aristotelische Texte wird nach der üblichen Bekker-Zählung verwiesen.

  1. „Aristoteles Rückkehr fällt zeitlich zusammen mit den restaurativen Baumassnahmen (Dionysos-Theater, Anlagen auf der Pynx, Baudenkmäler auf der Agora), die der athenische Finanzbeamte Lykurg veranlasst hat [...]. Es ist sicher bezeugt, dass die Bautätigkeit des Lykurg sich auch auf das Lykeion und dort u.a. auf den Bau oder Umbau des Gymnasions erstreckt hat (Plutarch: Mor. 841 C; Pausanias I 29, 16). Wenn nun neueste Grabungen im Lykeionpark Ruinen eines Bauensembles ans Licht gebracht haben, das als Bibliothek und Lehrgebäude des Aristoteles angesehen werden kann [...], so liegt die Vermutung nahe, dass Lykurg diese Bautätigkeit gezielt für Aristoteles veranlasst hat, wobei mögliche politische Differenzen (Lykurg war Antimakedone) hinter der Tendenz zurücktraten, die grossen geistigen Leistungen Athens herauszustellen.“ Flashar, 218
  2. Aelian, Varia Historia III 36
  3. Otfried Höffe: Aristoteles, München 1996, S. 21
  4. Cicero: Academica II 119
  5. Hermann Weidemann: Aristoteles. Peri Hermeneias, Berlin 2002. S. 134
  6. schneiden, brennen sind zwei Techniken der zeitgenössischen Medizin
  7. So sagt er, dass man „eine Induktion durchführt dadurch, daß die einzelnen Dinge klar sind – daß alles so ist dadurch, daß nichts anders ist“. (An. post. II 5, 92a37f. Detel erläutert: „Nach dieser Bemerkung weist die Induktion einen Allsatz dadurch nach, daß sie sämtliche Einzelinstanzen durchgeht und zeigt, daß es unter ihnen keine Gegeninstanzen gibt.“ Detel 1993 I, S. 251.
  8. Als zusätzliche Bedingung gilt eine Meinung des Typs (ciii) nur dann als anerkannte, wenn sie der Meinung der Menge nicht widerspricht.
  9. Z.B. „Ist 'zweibeiniges, sich zu Lande bewegendes Lebewesen' die Definition des Menschen oder nicht“ Top. I 4, 101b28-31
  10. Es gibt Ausnahmen (z.B. wenn die Frage mehrdeutig ist), für die es Regeln gibt. Vgl. Top. VIII
  11. Aristoteles definiert das Enthymem als Deduktion; allerdings sagt er von einem Sonderfall des Enthymems, er sei keine Deduktion.
  12. Hier sind charakterliche Dispositionen (z.B. kann nur der zürnen, der über entsprechende Selbstachtung verfügt; vgl. 1387b13f.) und physiologische Voraussetzungen relevant. Vgl. Rapp II, 559-570; 582f.
  13. Eine vierte Figur ist möglich, wird von Aristoteles aber als Syllogismus der ersten Figur betrachtet.
  14. Aristoteles selber verwendet die inverse Satzstellung: B kommt allen A zu. etc.
  15. Ein drittes Verfahren, die sogenannte êkthesis wendet er selten, und zwar ausschließlich in der dritten Figur an.
  16. Die Namen geben Aufschluss auf die Form sowie ggf. darüber, wie sie bewiesen werden können. Barbara weist beispielsweise nur zusprechende, allgemeine Verbindungen auf.
  17. Kunst (technê) (=produktives Wissen): Kunst als herstellende Erkenntnis sich vom Wissen insofern unterscheidet, als sich ihre Gegenstände auch anders verhalten können)
  18. Wobei die neuzeitlichen Kritiker einen ähnlichen Typ favorisierten, den sie in Aristoteles sahen und verwarfen.
  19. Für eine Ausnahme einer materielosen Form siehe Theologie
  20. Es ist umstritten, ob Aristoteles eine völlig unbestimmte Materie annimmt, die sogenannte prima materia. Vgl. hierzu: William Charlton: Aristotle. Physics Books I and II, Oxford1970, S. 129-145
  21. Das Wort Ousia, Partizip zu 'sein', wörtlich: „Seiendheit“ wird meist mit 'Substanz' übersetzt. Mag 'Substanz' noch für die Theorie der Kategorien adäquat sein, so ist dieser Ausdruck für die Metaphysik irreführend und problematisch. „Der entscheidende Nachteil der geläufigen Übersetzung 'Substanz' ist, daß damit eine bestimmte Konzeption der ousia assoziiert wird, nämlich die der Kategorien, wonach das konkrete Einzelding als Träger wechselnder Eigenschaften die eigentliche Substanz ist.“ Christof Rapp, in Rapp 1996, S. 8). Vgl. auch Vasilis Politis, Aristotle and the Metaphysics, New York 2004 12; 192; Der Ausdruck taucht in dieser Bedeutung auch schon bei Platon auf. (Vgl. Christoph Horn / Christof Rapp: ousia, in: dies.: Wörterbuch der antiken Philosophie, München 2002, S. 320 f). Aristoteles geht davon aus, dass der Sache nach die Frage: 'Was ist die "ousia"' schon die Vorsokratiker gestellt haben.
  22. “Was in der Philosophiegeschichtsschreibung als Platonische 'Idee' bezeichnet wird, nennt Platon [...] u. a. idea, morphê, eidos[!] oder zusammenhangsabhängig auch genos und sogar usia[!] sowie physis.“ Christian Schäfer: Idee/Form/Gestalt/Wesen, in: ders.: Platon-Lexikon, Darmstadt 2007, S. 157.
  23. Tatsächlich unterscheidet er die sprachliche und die ontologische Ebene nicht immer explizit voneinander.
  24. Der Übersicht halber diese etwas technische Schreibweise: Substanz-X = Substanz-von etwas. Ähnlich Rapp 2001, S. 160. Die entsprechende Unterscheidung wird auch in Metaphysik V 8 gemacht, wo Aristoteles den Begriff Substanz in seinem 'Begriffslexikon' erläutert.
  25. Es ist allerdings kontrovers, ob die Substanz-Theorie der Kategorien kompatibel sind und dabei auch ob die Theorie der Metaphysik die der Kategorien eher ergänzen oder ersetzen soll.
  26. Dass mit eidos Aristoteles sowohl die Art wie auch die Form bezeichnet, hat zu zahlreichen interpretatorischen Schwierigkeiten geführt, insbesondere zum Verhältnis der Theorie der Kategorien (in der eidos (als Art) zweite Substanz ist) zu der der Metaphysik (in der eidos (als Form) Substanz-X ist und erste Substanz genannt wird).
  27. Eine gute Darstellung dieser Kontroverse bei Steinfath, 43
  28. Einen guten Überblick über die Problemlage bietet Marc Cohen: "Aristotle's Metaphysics", The Stanford Encyclopedia of Philosophy (Winter 2003 Edition), Edward N. Zalta (Hg.), § 10. Substance and Universals. Die drei wesentlichen Positionen, die von einer konsistenten Theorie ausgehen, stellt Christof Rapp in des Einleitung des von ihm herausgegebenen Bands Aristoteles. Metaphysik, Die Substanzbücher (Ζ, Η, Θ), Berlin 1996, S. 22 ff. dar.
  29. Vermögen hat für Aristoteles verschiedene Bedeutungen. Die Grundbedeutung von Vermögen betrifft Veränderung. Hierbei gibt es (i) ein aktives Vermögen etwas zu tun und (ii) ein passives etwas zu erleiden. (Vgl. Met. V 12, 1019b35 ff.; IX 1, 1046a4 f.) Beispielsweise besitzt der Baumeister das Vermögen bestimmte Bauteile so anzuordnen, dass daraus ein Haus entsteht und zugleich besitzen bestimmte Bauteile das Vermögen zu einem Haus angeordnet zu werden. (iii) Die ontologische Potentialität ist demgegenüber das Vermögen etwas zu sein.
  30. Zitiert nach: Jonathan Barnes: Aristoteles Stuttgart 1992, S. 19f.
  31. Zitiert nach: Jonathan Barnes: Aristoteles’' Stuttgart 1992, S. 21.
  32. „Denn die aristotelische Auffassung von der Entwicklung der Lebewesen als epigenetischem Prozess ist, jahrhundertelang bekämpft, 'erst durch die Experimentalbiologie von Hans Driesch und Hans Spemann unseres Jahrhunderts endgültig als richtig erwiesen' „worden.“ Flashar, S. 369. Flashar zitiert Wolfgang Kullmann: Aristoteles und die moderne Wissenschaft, Stuttgart 1998, S. 285.
  33. “Aristoteles’ Anschauungen stimmen auch mit der entscheidenden These der modernen Molekularbiologie zusammen, dass – in der Sprache Monods formuliert – die invariante Reproduktion der Arten aufgrund teleonomischer Information nach streng kausalen, technischen, genauer: nach chemischen Gesetzmässigkeiten abläuft. Durch die Entdeckung der unterschiedlichen Funktion der Nukleinsäuren einerseits, die die genetische Invarianz verbürgen, und der Proteine, die für die teleonomischen Strukturen und Leistungen verantwortlich sind, andererseits, erweist sich, dass die aristotelische Vorstellung einer programmierten zielgerichteten Epigenesis in ihrem wesentlichen Kern der Realität näher kommt als manche andere Theorie neueren Datums“. Wolfgang Kullmann: Die Teleologie in der aristotelischen Biologie: Aristoteles als Zoologe, Embryologe und Genetiker, Heidelberg 1979, S. 61. zitiert nach: Flashar 2004, S. 369.
  34. a b In einer in ihrer Bedeutung stark umstrittenen Passage spricht er allerdings von einer Vernunft „die alles bewirkt“, die unsterblich sei. (An. III 5, 430a15)
  35. Vgl. Philipp Brüllmann / Katharina Fischer: mêson, in: Otfried Höffe (Hg.): Aristoteles-Lexikon, Stuttgart 2005, S. 346
  36. Dies ist eine Auswahl der von Aristoteles behandelten Charaktertugenden. Eine vollständige Übersicht bei Wolf, S. 79 f.
  37. Die Nikomachische Ethik weist in Buch VII und X zwei Lustabhandlungen mit zwei Definitionen auf.
  38. Die sicher unrühmlichste Passage im Werk des Aristoteles besteht in der Rechtfertigung der Sklaverei ist sicher die unrühmlichste Passage im Werk des Aristoteles und auch voller Widersprüche. (Vgl. Ottmann, S. 179-183; C.C.W. Taylor, in Barnes 1995: S. 254-257) Er vertritt die These, dass in einigen Fällen ein Sklave von Natur aus Sklave ist. Sklaven von Natur – so Aristoteles – hätten nur geringen Anteil an der Vernunft und daher sei es nicht nur gerechtfertigt, sondern sogar für diese Personen vorteilhaft, wenn sie als Sklave dienen müssten. (Vgl. Pol. I 5, 1254b20-23; 1255a1f.) Ähnlich problematisches behauptet er von der Rolle der Frau. (Vgl. Pol. VII 10, 1330a20f.) Von der Frau behauptet Aristoteles, dass es für sie in ähnlicher Weise besser sei, vom Mann beherrscht zu werden, da ihre kognitiven Fähigkeiten zu urteilen weniger ausgeprägt seien. (Vgl. Pol. I 5, 1254b10-15; I 13, 1259a12)
  39. Nicht unstrittig ist allerdings, ob eleos und phobos mit “Mitleid” und “Furcht” oder mit “Elementareffekten” '”Jammer” und “Schauder” übersetzt werden sollen.” Wolfgang Schadewaldt: Furcht und Mitleid? Zur Deutung des Aristotelischen Tragödiensatzes, in: Hermes 83 (1955), S. 129-171. – Dass die Handlung selbst und nicht die Aufführung die entscheidende Rolle bei der Emotionserregung spielt, ist jedoch daraus klar, dass Aristoteles auch die gelesenene Tragödie durch seine Theorie berücksichtigt sieht.


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