Schleiereule

Art der Gattung Schleiereulen (Tyto)
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Die Schleiereule (Tyto alba) ist eine Vogelart aus der Ordnung der Eulen (Strigiformes) und der Familie der Schleiereulen (Tytonidae).

Schleiereule
Schleiereulen
Schleiereulen
Schleiereule (Tyto alba)
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Aussehen

Die Schleiereule ist eine 33-35 cm lange, hell gefärbte, relativ langflügelige und langbeinige Eule. Sie erreicht eine Flügelspanne von bis zu 76 cm und hat einen recht kurzen Schwanz. Männchen und Weibchen ähneln einander sehr; Weibchen sind im allgemeinen jedoch etwas größer und etwas dunkler gefärbt.
Die Unterarten T. a. alba aus Westeuropa, Südeuropa und Nordwest-Afrika, T. a. ernesti aus Sardinien und Korsika und T. a. erlangeri aus Südwestasien sind auf der Unterseite weiß. Die mitteleuropäische Unterart T. a. guttata ist unterseits gelbbräunlich gefärbt. Der Gesichtsschleier ist bei allen Unterarten weiß, die Oberseite goldbraun gemustert. Der Schnabel ist glaßgelb, Augen und Klauen sind dunkel.

Verbreitung

Die Schleiereule ist in zahlreichen Rassen (Unterarten) in Afrika, Europa, Südwest- und Südasien, Australien, Südamerika und den wärmeren Teilen Nordamerikas verbreitet. In Europa kommt die Schleiereule nordwärts bis Schottland und Dänemark, nach Osten bis in die Ukraine vor.

 
Verbreitung der Schleiereule
Verbreitung der Schleiereule

Lebensraum

Die Schleiereule besiedelt offenes Gelände mit einzelnen Bäumen, etwa Weideland, Heide oder anderes Kulturland. Sie ist vor allem in Niederungsgebieten anzutreffen, nur ganz selten dringt sie in Mittelgebirgslagen vor. In ihrem außereuropäischen Verbreitungsgebiet kommt sie sowohl im Kulturland als auch in Savannen und Halbwüsten vor.
Schleiereulen sind ziemlich ortstreu und verharren auch in strengen Wintern mit hoher Schneedecke sehr lange in ihren angestammten Gebieten. Zusammen mit der vergleichsweise schlechten Nahrungsauswertung und der geringen Fettspeicherung führt diese wenig ausgeprägte Neigung zu Wetterfluchten oft zu katastrophalen Bestandseinbrüchen, die bis zum Erlöschen regionaler Vorkommen führen können.

Während ihrer Ruhezeit am Tage sitzt sie an versteckten Plätzen in Scheunen, Ruinen, in Baumhöhlen oder Felsspalten. Wird sie während des Tages von Kleinvögeln entdeckt, zeigen diese ihr gegenüber ein deutliches agressives Verhalten (sogenanntes "hassen").

Nahrung und Jagdverhalten

Die Schleiereule macht in der Dämmerung und nachts Jagd auf kleine Nagetiere wie Feldmäuse, Wühlmäuse, Ratten und kleine Kaninchen oder auch auf Vögel, Frösche, Spitzmäuse und Insekten. Bei ungünstigen Wetterbedingungen sowie während der Jungenaufzucht dehnt sie ihre Jagdzeit auch auf den Tag aus.
Zur Ortung der Beute verlässt sie sich hauptsächlich auf das Gehör. Der Gesichtsschleier verstärkt die Schallsammlung für das Gehör. Aufgrund dieser Eigenschaft nutzt sie praktisch alle nachtaktiven und geräuschverursachenden Kleinsäuger in ihrem Revier als Nahrung.
Während der Jagd gleitet sie oft nur wenige Meter über dem Erdboden; ihr Flug ist dabei nahezu völlig geräuschlos. Beobachtungen lassen darauf schließen, dass sie dabei regelmäßige Flugrouten einhält und dabei besonders Hecken, Zäunen und Gräben entlangfliegt. Hier findet sie mehr Beute als über sonstigem Kulturland. Entdeckt sie während des Jagdflugs Beute, läßt sie sich aus dem Flug plötzlich herabfallen und ergreift mit den Klauen die Beute.
Seltener sitzt sie auf Pfosten oder Baumstümpfen an und läßt sich beim Auftauchen von Jagdbeute lautlos herabgleiten.

 
Schleiereule
Schleiereule (Tyto alba)

Fortpflanzung

Brut

Die Schleiereule brütet meist in Gebäuden, z.B. Kirchtürmen, Schlössern, Ruinen oder Scheunen. Natürliche Brutplätze in Höhlen sind in Mitteleuropa die Ausnahme. Die 3-12 Eier werden ca. 30 Tage lang vom Weibchen bebrütet. Es beginnt bereits vom ersten Ei an zu brüten, sodass die Jungvögel nach und nach im Abständen von 2-3 Tagen schlüpfen. Die ungleich großen Jungvögel werden dann von beiden Elternteilen mit Nahrung versorgt und sind nach etwa 2 Monaten flügge. Die Jungvögel wechseln aus ihrem Dunenkleid direkt in das Gefieder der erwachsenen Tiere.

Die Schleiereule brütet nur bei ausreichendem Nahrungsangebot, sodass Bruten regional über mehrere Jahre ausfallen können. In guten Mäusejahren kommt es jedoch zu bis drei oft verschachtelten Bruten pro Saison.

Wanderungsbewegungen der Jungvögel

Im Herbst wandern die Jungvögel ab; Ringfundauswertungen zeigen, dass etwa 2/3 aller Wanderungsbewegungen innerhalb eines Radius von 50 km um den Geburtsort enden. Die Wanderungen können jedoch auch erheblich weiter führen. In Baden-Württemberg beringte Vögel wurden noch im ersten Lebensjahr beispielsweise an der holländischen Küste, in Südfrankreich oder in Spanien wieder aufgefunden. Zu sehr starken Wanderungsbewegungen kommt es immer dann, wenn sehr hohe Schleiereulen-Bestände mit einem Zusammenbruch der Feldmaus-Population zusammentrifft. In Jahren, in denen sich Feldmäuse sehr stark vermehren, siedeln sich die Jungvögel in nächster Nähe zu den Elterntieren an.

Gefährdung

In Mitteleuropa ist die Schleiereule in den letzten Jahrzehnten deutlich seltener geworden. Der Rückgang ist nicht auf eine einzelne Ursache zurückzuführen, sondern mehrere Faktoren wirken hier zusammen.

Moderne landwirtschaftliche Produktionsmethoden

Insbesondere die moderne Ackerbewirtschaftung hat über die Einschränkung der Lebensräume für Feld- und Wühlmäuse auch indirekt die Lebensräume für Schleiereulen eingeschränkt:

Noch in den 1950er bzw. 1960er Jahren blieben nach der Getreideernte die Strohbüschel - oft wochenlang - auf den Feldern in Gruppen zusammengestellt stehen. Von den angrenzenden Wiesenflächen, Ödländern und Feldrainen war eine rasche Besiedelung der Stoppeläcker durch die Feldmäuse möglich. Häufig hielten sich die Feldmäuse gerade unter den aufgestellten Strohbüscheln auf und hatten dort die beim Mähdrusch ausgefallenen Getreidekörner zu großen Lagern zusammengetragen. Das ansonsten deckungsarme Stoppelfeld bot mit den aufgestellten Strohbüscheln als Ansitzwarten optimale Jagdmöglichkeiten für die Schleiereulen gerade in der Hoch- und Spätsommerzeit, in der durch die Jungenaufzucht ein hoher Nahrungsbedarf besteht und in der Zweitbruten vorbereitet bzw. ausgelöst werden. (Hölzinger, S. 1059f)

Bei den heute verwendeten Anbaumethoden wird das Stroh sehr kurz nach der Ernte von den Feldern geräumt und das Stoppelfeld umgepflügt. Größere Feldmauspopulationen können unter diesen Bedingungen nicht mehr überleben.

Begleitet wurden diese Veränderungen in der landwirtschaftlichen Produktionsmethode durch die Flurbereinigung. Hecken wurden entfernt und Feldraine, Ödländer und Feuchtgebiete umgewandelt. Damit fehlen Feldmäusen und anderen Kleinsäugern Lebensraum beziehungsweise Überwinterungsmöglichkeiten. Und parallel dazu verlor die Schleiereule damit auch ihre typischen Winterjagdgebiete.

Gleichzeitig wirkt sich durch den hohen Anteil von Wühlmäusen in der Nahrung auch der Einsatz von Pestiziden negativ auf die Schleiereule aus.

Straßenbau

Zersiedelung und Verstädterung

Die Baupolitik mit Neubausiedlungen im Umland der Städte hat ebenfalls dazu geführt, dass den Schleiereulen Lebensraum verloren gegangen ist. Ortsnahe Habitate mit Streuobstwiesen, Bauerngärten und Hecken, die einen fließenden Übergang von Städten zur Feldflur darstellten, sind heute nur noch selten zu finden. Neubausiedlungen grenzen heute meist unmittelbar an landwirtschaftlich intensiv genutzte Feldfluren an. Schleiereulen besiedeln diese Gebiete nicht mehr, selbst wenn sie ausreichend Brutplätze anbieten. In einer Untersuchung des Institut für Ökologie und Naturschutz wurden im Jahre 1987 für Baden-Württemberg festgehalten, dass Gebiete wie das mittlere Neckartal, der Bereich von Esslingen/Plochingen/Stuttgart, der Großraum rund um die Stadt Ludwigsburg, die Filderhochfläche und der Bereich Böblingen/Sindelfingen/Herrenberg nicht mehr als schleiereulentauglich einzustufen sei.

Nistplatzmangel

Schleiereulen brüten bevorzugt in menschlicher Nähe und nutzen dabei u.a. Scheune, Ställe und Kirchtürme. Moderne Stallungsgebäude verzichten auf die traditionellen "Uhlenlöcher"; Ortskernsanierungen führten zum Abbruch alter Gebäude mit Schleiereulen-Brutplätzen und Kirchtürme - traditionell häufiger Brutplatz von Schleiereulen - wurden zunehmend vergittert und waren damit Schleiereulen nicht mehr zugänglich. Eine Untersuchung für 390 Gemeinden in Baden-Württemberg zeigt, dass im Zeitraum von 1947 bis 1982 72% der Gemeinden ihre Kirchtürme so umbauten, dass diese für Schleiereulen nicht mehr zugänglich waren. Diese Entwicklung hat sich vor allem seit den 1960er Jahren verstärkt; moderne Glockenläutanlagen sollten vor Eulenkot geschützt werden und verwilderten Haustauben keine Brutgelegenheit geboten werden.

Schutzmaßnahmen

In vielen Gebieten haben Schutzmaßnahmen, Bruthilfen und erfolgreiche Wiederansiedlungen zu einer Erholung der Bestände geführt, sodass optimale Schleiereulenhabitate zur Zeit wieder gut besiedelt sind. Dennoch fehlt sie gebietsweise nach den Kältewintern der 60er und 70er Jahren noch immer, wie zum Beispiel in weiten Teilen Österreichs.

Mensch und Schleiereule

Als Jäger von Mäusen und Ratten wird die Schleiereule vielerorts von Landwirten geschätzt. Traditionell gebaute Scheunen und Ställe haben deshalb in vielen Regionen sogenannte Eulentüren oder Eulenlöcher, die den Vögeln Zugang zu geeigneten Brutplätzen bieten.

Mit dem jahrtausendelangen Kulturfolger verbindet sich jedoch auch viel Aberglaube. Eine an die Scheunentür genagelte Eule soll Unheil vom Hof abwenden und ihn vor Blitzeinschlag und Feuer schützen. Ihr Ruf kündigt in manchen Regionen den Tod an, in anderen Regionen weist Eulengeschrei auch auf eine bevorstehende Geburt.

Der Aberglaube differenziert dabei meistens nicht zwischen den einzelnen Eulenarten. Da die Schleiereule mit ihrem bevorzugten Brutplatz in Scheunen, Ställen, Ruinen und Kirchtürmen als Art jedoch in der größten Nähe zum Menschen lebt, war bzw. ist sie in abergläubische Rituale am ehesten involviert.

Sonstiges

Die Schleiereule ist Vogel des Jahres 1977

Commons: Tyto alba – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Literatur

  • John A. Burton (Hrsg); Eulen der Welt - Entwicklung - Körperbau - Lebensweise, Neumann-Neudamm Verlag Melsungen, 1986, ISBN 3-7888-0495-5
  • Jochen Hölzinger Hrsg); Die Vögel Baden-Württembergs, Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg, Institut für Ökologie und Naturschutz, Ulmer Verlag Stuttgart, 1987, ISBN 3-8001-3440-3, S. 1054 - 1069
  • Hanns Bächtold-Stäubli, Eduard Hoffmann-Krayer (Hrsg): Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens, Walter de Gruyter Verlag 1987, ISBN 3-11-011194-2 (Unveränderter photomechanischer Nachdruck der Ausgabe von 1927), Band 2, Stichwort Eule