Esoterik

Lehre, die nur für einen begrenzten „inneren“ Personenkreis zugänglich ist
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Esoterik (von altgriechisch Vorlage:Polytonisch esoterikós „innerlich“) ist in der ursprünglichen Bedeutung des Begriffs die Lehre oder Wissenschaft des Geheimen oder (zunächst) Verborgenen, im Gegensatz zu Exoterik als öffentlichem Wissen. Heute wird der Begriff „Esoterik“ aber meist zusammenfassend für ein breites Spektrum verschiedenartiger Weltanschauungen gebraucht, welche die spirituelle Entwicklung des Individuums betonen, jedoch durch keine organisierte Religion oder religiöse Konfession im engeren Sinn als Glaube vertreten werden. Ein verwandter Sammelbegriff ist „New Age“.

Die christliche Mystikerin Hildegard von Bingen: Liber Divinorum Operum - „Buch von den göttlichen Werken“; Darstellung einer Vision des Menschen als Teil des Kosmos

Den sich teilweise deutlich unterscheidenden oder sogar widersprechenden Lehren, die unter den Begriff „Esoterik“ fallen, ist gemeinsam, dass sie die Existenz von Phänomenen außerhalb des wissenschaftlich erfassbaren postulieren und sowohl naturwissenschaftliche als auch konfessionell religiöse Betrachtungsweisen als nicht ausreichend ansehen, um die Welt vollständig erklären zu können.

Wortbedeutung und Etymologie

Wörtlich bedeutet der griechische Begriff mit dem Adjektiv esoteriki (Vorlage:Polytonisch [γνώση]) „das innere, innerliche, verborgene oder geheime [Wissen]“ oder „zum inneren Kreis gehörig“ (esôteros – das Innere). Etymologisch ist daher keine klare Bedeutung abzuleiten, und entsprechend war und ist auch der Wortgebrauch sehr heterogen.[1] Vielfach wird das Wort „Esoterik“ als Bezeichnung für Geheimlehren verwendet, die nur Eingeweihten zugänglich gemacht werden (Arkanprinzip); im Gegensatz dazu bezeichnet der Begriff der Exoterik eine offene und für jeden zugängliche Lehre. Dem steht aber eine Fülle von als esoterisch bezeichneten Publikationen gegenüber, die allgemein zugänglich und in diesem Sinne gar nicht geheim sind.[2]

Eine allgemein gültige Umschreibung gibt der Esoterikforscher Kocku von Stuckrad: „Dreh- und Angelpunkt aller esoterischen Traditionen sind Erkenntnisansprüche, die auf das „eigentliche“ oder das absolute Wissen abheben, und die Modi, dieses Wissen verfügbar zu machen – sei es durch einen individuellen Aufstieg des Suchenden, wie in gnostischen oder neuplatonischen Entwürfen, sei es durch ein Initiationsgeschehen, wie in den Geheimgesellschaften der Neuzeit, sei es durch Kommunikation mit geistigen Wesen, wie im „Channeling“ des zwanzigsten Jahrhunderts. (…) Die Modi, in denen sich ein Diskurs absoluter Erkenntnis entfaltet, haben mit der Dialektik von Verborgenem und Offenbartem zu tun, also durchaus mit „Geheimnis“, jedoch nicht in dem Sinne, dass die esoterische Wahrheit nur Eingeweihten zugänglich ist. Was einen Diskurs esoterisch macht, ist die Rhetorik einer verborgenen Wahrheit, die auf einem bestimmten Weg enthüllt werden kann und gegen andere Deutungen von Kosmos und Geschichte – nicht selten die der institutionalisierten Mehrheit – in Stellung gebracht wird.“[3]

Der Gebrauch des Substantivs „Esoterik“ (frz. ésotérisme) ist historisch erstmals 1828 nachgewiesen, das Adjektiv „esoterisch“ wurde aber schon lange davor verwendet. Etabliert hat sich das Substantiv dann Mitte des 19. Jahrhunderts, zunächst in der freimaurerischen Literatur.[4]

Geschichte

Antike

 
Phytagoras, dargestellt auf einer Antiken Münze

Allgemein gilt Pythagoras (ca. 570 - 500 v. Chr.) und die von ihm in Kroton (heute Crotone, Kalabrien, Süditalien) gegründete pythagoräische Bruderschaft, welche dem Schweigegelübde verbunden war, als erste historisch erfassbare Erscheinung der (europäischen) Esoterik. Pythagoras lehrte, dass der Mensch eine vom Körper ablösbare Seele besitze, die nach dem körperlichen Tod weiter bestehe und sich in einem anderen Körper wieder inkarniere (Reinkarnation). Er prägte auch den Begriff des Kosmos als einer harmonisch geordneten Welt, welcher das Chaos gegenübersteht. Die Bewegung der Planeten setzte er in Beziehung zu den Intervallen der Musik („Sphärenharmonie“). Seine Reinkarnationslehre wurde von bedeutenden Philosophen wie Parmenides von Elea, Empedokles und Platon übernommen und modifiziert, wobei die beiden ersteren daraus die Forderung nach einem strengen Vegetarismus ableiteten, um das Verspeisen von als Tiere wiederverkörperten Menschen auszuschließen.[5]

Bei Platon (427-347 v. Chr.), dessen Schriften anders als die der Vorgenannten ausführlich erhalten sind, ist die unsterbliche Seele der eigentliche, wahre Kern des Menschen, der Körper dagegen, in den sie sich nur vorübergehend inkarniert, ihr „Grab“. Das steht in scharfem Kontrast zu der älteren, von Homer repräsentierten Anschauung, in dessen Ilias der Begriff der Seele (psyche) zwar erstmals nachweisbar auftaucht, aber nur als Attribut der ganz mit dem Körper identifizierten Person. Platons Seelenlehre wurde wieder aufgegriffen und modifiziert im Neuplatonismus, vor allem durch Plotin (205-270 n. Chr.), wobei das christliche Motiv der Erlösung hinzukam.[6]

Eine andere Traditionslinie ist die Hermetik, die sich auf Offenbarungen des Gottes Hermes beruft und eine Synthese griechischer Philosophie mit ägyptischer Mythologie und Magie darstellt. Hier taucht das Motiv des Mittlers auf, der – ob als Gott oder als „aufgestiegener“ Mensch – höheres Wissen offenbart. Inhaltlich handelt die hermetische Literatur neben philosophischen Themen von Magie, Alchemie und Astrologie. Teilweise nahm sie auch neuplatonische Elemente auf, darunter das Konzept der unsterblichen Seele und das der Erlösung bis hin zum Einswerden mit Gott.[7]

Vieles von den bisher angesprochenen Lehren fand auch Eingang in Teile des frühen Christentums. Die sich staatlich etablierende Kirche wendete sich jedoch gegen derartige Tendenzen und brandmarkte sie als Ketzerei. Erst dadurch wurden die betreffenden Lehren schließlich „esoterisch“. In diesem Zusammenhang wurden auch die Bezeichnungen Gnosis und Gnostizismus geprägt, deren Gebrauch in neuerer Zeit allerdings umstritten ist, weil sie aus der Perspektive der Ketzerverfolgung entstanden und im Grunde nur ein Abweichlertum kennzeichnen. Eine wesentliche Differenz zwischen der etablierten Kirche und den von ihr so genannten Gnostikern bestand darin, dass letztere die eigene Erkenntnis (griech. gnosis) des Einzelnen betonten und eine „Selbstermächtigung des erkennenden Subjekts“ (Stuckrad) propagierten, während die Kirche großen Wert auf die Begrenztheit des menschlichen Erkenntnisvermögens legte und die höchsten Wahrheiten nur in der göttlichen Offenbarung der Bibel gegeben sah. Im Konkreten ging es besonders um Astrologie und Magie.[8]

Mit der Gnosis vergleichbare Richtungen gab es auch im Judentum und im Islam, wo sich im Unterschied zum Christentum ein ausgeprägter Pluralismus entfalten konnte.[9]

Mittelalter

 
Das Zentrale Symbol der Kabbala: Der Lebensbaum mit den Sephirot

Im Mittelalter gerieten große Teile dieser antiken Lehren im christlichen Kulturraum in Vergessenheit, während sie im islamischen Raum bewahrt und vielfach aufgegriffen wurden und teils auch in die jüdische Mystik einflossen. Im 12. Jahrhundert entstand in Südfrankreich die mystische Geheimlehre der jüdischen Kabbala, die zunächst im Judentum eine große Bedeutung erlangte, später aber auch außerhalb desselben in der Geschichte der Esoterik eine bedeutende Rolle spielen sollte. Ursprünglich auf die Deutung der Heiligen Schrift (Tora) beschränkt, entwickelte die Kabbala bald auch eine eigenständige theologische Lehre (siehe Sephiroth), die mit magischen Elementen (Theurgie) verbunden war. Manche Kabbalisten (am prominentesten Abraham Abulafia) vertraten (wie die christlichen Gnostiker) die Ansicht, dass man nicht nur durch Interpretation der Tora, sondern auch durch direkte mystische Erfahrung zu „absolutem“ Wissen gelangen könne.[10]

Bis ins 13. Jahrhundert finden sich auch innerhalb des offiziellen Christentums noch wesentliche Teile dessen, was man später als Esoterik bezeichnen würde, darunter kosmologische Lehren, das Denken in Entsprechungen, die Imagination und die Idee der spirituellen Transformation. Beispiele dafür sind in Deutschland die Mystikerin Hildegard von Bingen, in Frankreich die Schule von Chartres (Bernardus Silvestris, Guillaume de Conches), von Italien ausgehend die Franziskaner, in Spanien die neuplatonisch geprägte, der Kabbala nahestehende Lehre des Mallorquiners Ramon Llull und in England die Schule von Oxford (Theosophie des Lichts bei Robert Grosseteste, Alchemie und Astrologie bei Roger Bacon). Um 1300 setzte sich jedoch in der Theologie der Averroismus durch, der den Rationalismus betont und Imaginatives ablehnt.[11]

Esoterische Praktiken wie die Magie und die Astrologie waren im Mittelalter verbreitet. Zur Magie gehörte auch die Beschwörung (Invokation) von Dämonen und Engeln, wobei die Existenz von Dämonen als gefallener Engel auch in der Theologie anerkannt war (Dämonologie). Die Alchemie erlangte erst im 12. Jahrhundert eine gewisse Bedeutung, ausgehend von arabisch-muslimischen Quellen in Spanien.[12]

Renaissance und Reformation

In der Renaissance, in der man sich auf die Antike zurückbesann, erlebte auch die Esoterik einen Aufschwung. Maßgeblich dafür waren die Wiederentdeckung bedeutender hermetischer Schriften (Corpus Hermeticum), die Erfindung des Buchdrucks, durch den sich ein viel breiteres Publikum erschloss, und auch die Auswirkungen der Reformation.[13] Antoine Faivre, der Altmeister der Esoterikforschung, sieht im 16. Jahrhundert sogar den eigentlichen „Ausgangspunkt dessen, was man später als Esoterik bezeichnen sollte“ und degradiert damit die antike und mittelalterliche Esoterik zu bloßen Vorläufern: „als sich die Naturwissenschaften von der Theologie ablösten und man begann, sie um ihrer selbst willen zu betreiben (...), da konnte sich die Esoterik als eigener Bereich konstituieren, der in der Renaissance zunehmend die Schnittstelle zwischen Metaphysik und Kosmologie einnahm“.[14]

Das Corpus Hermeticum, eine Sammlung von Schriften des Hermes Trismegistos, wurde 1463 in Mazedonien entdeckt und gelangte in den Besitz des Mäzens Cosimo de' Medici in Florenz. Diese Texte schienen sehr alt zu sein, sogar älter als die Schriften Moses und damit die gesamte jüdisch-christliche Überlieferung, und eine Art „Urwissen“ der Menschheit zu repräsentieren. Cosimo gab deshalb sofort eine Übersetzung ins Lateinische in Auftrag, die 1471 erschien und großes Aufsehen erregte. Das Corpus wurde als „ewige Philosophie“ (Philosophia perennis) betrachtet, die der ägyptischen, griechischen, jüdischen und christlichen Religion als gemeinsamer Nenner zugrunde liege. Dank des Buchdrucks erlangte es weite Verbreitung, und bis 1641 kamen 25 Neuauflagen heraus; auch wurde es in verschiedene andere Sprachen übersetzt. Im 16. Jahrhundert kamen jedoch Zweifel an der korrekten Datierung dieser Texte auf, und 1614 konnte der Genfer Protestant Isaac Casaubon nachweisen, dass sie erst in nachchristlicher Zeit entstanden sein konnten. Da hatten sie ihre enorme Wirkung jedoch längst entfaltet.[15]

Der Übersetzer des Corpus Hermeticum, Marsilio Ficino (1433-1499), übertrug auch die Werke Platons und etlicher Neuplatoniker ins Lateinische und verfasste eigene Kommentare und Einführungen in die platonische Philosophie. Die Neuplatoniker wurden dadurch nach langer Vergessenheit überhaupt erst wieder bekannt, und Platon wurde im Wortlaut verfügbar. Auch das hatte enorme Auswirkungen. Platonisches Gedankengut wurde gegen die aristotelisch geprägte Theologie in Stellung gebracht. Ein Aspekt dieser Kontroversen betraf die Frage, wie weit menschliche Erkenntnis reichen kann, womit ein wesentlicher Konflikt aus Zeiten des frühen Christentums wieder auflebte (vgl. oben). Manche Neuplatoniker der Renaissance vertraten sogar pantheistische Positionen, was aus Sicht des monotheistischen Christentums an Ketzerei grenzte.[16]

Ein dritter wichtiger Einfluss auf die Esoterik der Renaissance ging von der Kabbala aus, indem deren Methoden zur Deutung der religiösen Urkunden auch von Christen übernommen wurden. Die bedeutendsten Vertreter dieser „christlichen Kabbala“ waren Pico della Mirandola (1463-1494), Johannes Reuchlin (1455-1522) und Guillaume Postel (1510-1581). Im Zentrum der christlich-kabbalistischen Hermeneutik stand der Versuch, auch auf der Grundlage der originär jüdischen Überlieferung die Wahrheit der christlichen Botschaft (Christus ist der Messias) zu beweisen. Das war teils mit anti-jüdischer Polemik verbunden (die Juden würden ihre eigenen heiligen Schriften nicht richtig verstehen), rief aber auf der anderen Seite die Inquisition auf den Plan, was 1520 in der Verurteilung Reuchlins durch den Papst kulminierte.[17]

In Deutschland entwickelte der Kölner Philosoph und Theologe Agrippa von Nettesheim (1486-1535) aus Elementen der Hermetik, des Neuplatonismus und der Kabbala eine „okkulte Philosophie“ (De occulta philosophia, 1531). Darin unterschied er drei Welten: die elementare, die himmlische und die göttliche Sphäre, denen beim Menschen Körper, Seele und Geist entsprechen. Die antike Lehre von den vier Elementen (Erde, Wasser, Luft und Feuer) ergänzte er durch eine „fünfte Essenz“, womit er den Begriff der Quintessenz prägte. Größte Bedeutung maß Agrippa der Magie bei, die er als höchste Wissenschaft und erhabenste Philosophie auffasste. Nicht durch Wissenschaft im herkömmlichen Sinn, die er scharf verurteilte, sondern nur durch den „guten Willen“ könne der Mensch sich in mystischer Ekstase dem Göttlichen annähern.[18]

Die neuplatonische Dreiteilung von Mensch und Welt und die Entsprechung von Mikrokosmos (Mensch) und Makrokosmos liegen auch der medizinischen Lehre des Paracelsus (1493-1541) zugrunde. Neben den vier Elementen maß er besonders den drei Prinzipien der Alchemie (Sal, Sulfur und Mercurius) eine große Bedeutung bei. Der Quintessenz Agrippas entspricht bei ihm der Archaeus, eine organisierende und formbildende Kraft. Für Paracelsus gehörte auch die Astrologie notwendig zur Medizin hinzu, denn der Mensch trage den ganzen Kosmos in sich, Diagnose und Therapie setzten genaue Kenntnisse der astrologischen Entsprechungen voraus, und die Beurteilung des Krankheitsverlaufs und der Wirkung von Medikamenten müsse unter Berücksichtigung der Planetenbewegungen erfolgen.[19]

 
Die vier Elemente bei Giordano Bruno

Zu den bedeutenden Esoterikern der frühen Neuzeit gehört auch Giordano Bruno (1548-1600). Er schrieb mehrere Bücher über Magie, die er als mit der empirischen Naturwissenschaft vereinbar ansah (Magia naturalis), und vertrat die Lehre von der Seelenwanderung. Letzeres gehörte zu den Gründen, warum er als Ketzer verbrannt wurde. Mit der im Geiste Brunos sich vom kirchlichen Dogmatismus befreienden Naturwissenschaft schienen esoterische Anschauungen dagegen vielfach kompatibel zu sein. So waren die astronomischen "Revolutionäre" Nikolaus Kopernikus (1473-1543), Galileo Galilei (1564-1642) und Johannes Kepler ((1571-1630) überzeugte Anhänger der Astrologie, Kepler und Galilei praktizierten diese sogar, und Isaac Newton (1643-1727), der neben Galilei als Begründer der exakten Naturwissenschaft gilt, verfasste daneben auch Beiträge über Hermetik, Alchemie und Astrologie.[20]

An die Forderung Martin Luthers, neben der Bibel nur auf einen individuellen Zugang zu Gott zu vertrauen, knüpfte im 16. und 17. Jahrhundert die „klassische“ Theosophie an. Deren wichtigster Vertreter war Jakob Böhme (1575-1624), ein Schuster, der im Alter von 25 Jahren nach einer schweren Lebenskrise eine mystische Vision hatte und später darüber schrieb. Nach Böhme ist der Ausgangspunkt allen Seins der „Zorn Gottes“, den er jedoch nicht wie das Alte Testament als eine Reaktion auf menschliche Verfehlungen, sondern als ein willenshaftes Urprinzip beschreibt, das vor der Schöpfung, ja „vor der Zeit“ besteht. Dem Zorn steht die Liebe gegenüber, die als Sohn Gottes oder auch als dessen Wiedergeburt angesehen wird. Diesen „wiedergeborenen Gott“ kann der Mensch nur erkennen, wenn er selbst „wiedergeboren“ wird, indem er mit Gott kämpft und durch einen Gnadenakt von diesem Kampf erlöst und mit absolutem Wissen beschenkt wird. Diese theosophische Lehre Böhmes wurde als ketzerisch eingestuft, und nachdem ein erstes, nicht zur Veröffentlichung bestimmtes Manuskript in die Hände eines Pfarrers gelangt war, wurde der Autor zeitweilig inhaftiert und schließlich mit einem Publikationsverbot belegt. Jahre später (ab 1619) widersetzte er sich jedoch diesem Verbot, und seine Schriften trugen in hohem Maß zur Ausbildung eines spirituellen Bewusstseins auf der Grundlage des Protestantismus bei.[21]

In den Jahren 1614 bis 1616 erschienen einige mysteriöse Schriften, die großes Aufsehen erregten. Ihre anonymen Autoren beriefen sich auf die mythische Gestalt des Christian Rosencreutz, der von 1378 bis 1484 gelebt haben soll und dessen Hinterlassenschaft sie in seinem Grab entdeckt hätten. Die von diesen ersten Rosenkreuzern propagierte Lehre ist eine Synthese verschiedener esoterischer und naturphilosophischer Traditionen mit der Idee einer „Generalreformation“ der ganzen Welt. Ihre Publikation löste eine Flut von zustimmenden und ablehnenden Kommentaren aus; schon 1620 waren über 200 diesbezügliche Schriften erschienen. Der angeblich dahinter stehende geheime Orden bestand nach heutigem Kenntnisstand jedoch wahrscheinlich nur aus wenigen Personen an der Tübinger Universität, darunter Johann Valentin Andreae (1586-1654).[22]

Einen wichtigen Wendepunkt in der Rezeption esoterischer Lehren markiert die 1699/1700 publizierte Unparteyische Kirchen- und Ketzer-Historie von Gottfried Arnold, in der erstmals ein Überblick über „alternative“ Anschauungen innerhalb des Christentums gegeben wurde, ohne diese als Irrlehren zu verdammen. Der Protestant Arnold rehabilitierte insbesondere die Gnosis, indem er sie als Suche nach „ursprünglicher Religiosität“ beschrieb.[23]

18. bis 20. Jahrhundert

An Böhme anschließend, entwickelte sich im 18. Jahrhundert eine weniger visionäre, stärker intellektuell geprägte Theosophie, deren wichtigster Vertreter, Friedrich Christoph Oetinger (1702-1782), zugleich auch ein bedeutender Propagator der lurianischen Kabbala im deutschen Sprachraum war. Durch die erste deutsche Übersetzung im Jahre 1706 wurde das Corpus Hermeticum breiter bekannt und zum Gegenstand wissenschaftlicher Darstellungen. Populär waren Themen wie Vampirismus und Hexerei, und zwielichtige Gestalten wie der Graf von Saint Germain oder Alessandro Cagliostro hatten Konjunktur. Daneben etablierte sich eine institutionalisierte Esoterik in Form von Geheimen Bruderschaften, Orden und Logen (vor allem die Rosenkreuzer und Teile der Freimaurerei).[24]

Eine Sonderstellung nimmt der renommierte schwedische Naturwissenschaftler und Erfinder Emanuel Swedenborg (1688-1772) ein, der ähnlich wie Böhme aufgrund von Visionen, die er 1744/45 hatte, zum Mystiker und Theosophen wurde. Nach Swedenborgs Überzeugung leben wir mit unserem Unbewussten in einer jenseitigen geistigen Welt, in welcher wir bewusst „erwachen“, wenn wir sterben. Als Autor etlicher umfangreicher Werke avancierte er bald zu einem der einflussreichsten, aber auch umstrittensten Mystiker im Zeitalter der Aufklärung. Anhänger seiner Lehre gründeten die bis heute bestehende Glaubensgemeinschaft „Neue Kirche“, unter den Theosophen seiner Zeit blieb er jedoch ein wenig geschätzter Außenseiter, und sein bedeutendster Kritiker war kein geringerer als Immanuel Kant (1724-1804), der ihm 1766 die Streitschrift Träume eines Geistersehers widmete.[25]

In der Aufklärung, zu deren wichtigstem Denker Kant durch seine späteren Hauptwerke avancieren würde, war der Esoterik neben den etablierten Kirchen eine weitere mächtige Gegnerschaft erwachsen. Aufgrund seines Verständnisses von Vernunft und Wissen musste Kant, obwohl er in jungen Jahren selbst der Seelenwanderungslehre angehangen hatte, Lehren wie diejenige Swedenborgs ablehnen, und darin folgte ihm bald die große Mehrheit der Gelehrten. Zwar könne man, so Kant, nicht beweisen, dass Swedenborgs Behauptungen über die Existenz von Geistern und dergleichen falsch seien, ebenso wenig aber das Gegenteil, und wenn man auch nur eine einzige Geistererzählung als wahr anerkennen würde, würde man damit das gesamte Selbstverständnis der Naturwissenschaften in Frage stellen.[26]

Dass Aufklärung und Esoterik nicht notwendigerweise im Gegensatz zueinander stehen mussten, zeigen hingegen die Freimaurer, bei denen ein aktives Eintreten für die rationale Aufklärung und ein verbreitetes Interesse für Esoterik nebeneinander bestanden und „Aufklärung“ vielfach mit einem Streben nach „höherem“ Wissen gleichgesetzt wurde, verbunden mit dem esoterischen Motiv der Transformation des Individuums. Esoterisch ausgerichteten Orden gehörten im 18. Jahrhundert viele bedeutende Personen an, darunter der preußische Kronprinz und spätere König Friedrich Wilhelm II., dessen Orden allerdings nur bis zu seiner Krönung bestand, weil er damit aus der Sicht der Ordensleitung seinen Zweck erfüllt hatte. Obwohl auch einige andere Adlige bedeutende Freimaurer waren, spielte das Freimaurertum insgesamt aber eher eine Rolle bei der Stärkung des sich emanzipierenden Bürgertums gegenüber dem absolutistischen Staat.[27]

In die Naturphilosophie und Kunst der deutschen Romantik floss in erheblichem Maß esoterisches Gedankengut ein. So war Franz von Baader (1765-1841) zugleich ein bedeutender Naturphilosoph und der herausragende Theosoph dieser Epoche. In letzterer Hinsicht knüpfte er stark an Böhme an, allerdings in einer äußerst spekulativen Weise. In der romantischen Dichtung tritt der esoterische Einfluss besonders deutlich bei Novalis (1772-1801) hervor, aber auch etwa bei Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832), Justinus Kerner (1786-1862) und etlichen anderen bedeutenden Dichtern. Novalis fasste die Natur als ein großes lebendiges Ganzes auf, mit der der Mensch im Zuge einer Initiation erkennend verschmelzen kann. Dabei griff er auch alchemistische und freimaurerische Symbole auf. In der Musik ist vor allem Mozarts in einem freimaurerischen Umfeld entstandene Oper Die Zauberflöte zu nennen, in der Malerei Philipp Otto Runge.[28]

 
Das Symbol von Franz Anton Mesmer, dem Begründer des Mesmerismus

Mit der Begründung der modernen Chemie im späten 18. Jahrhundert (vor allem durch die Schriften Lavoisiers 1787/1789) war der Niedergang der „operativen“ Alchemie eingeleitet, was deren Popularität allerdings zunächst wenig beeinträchtigte, und daneben bestand eine „spirituelle“ Alchemie als eine spezielle Form der Gnosis weiter. Auch Elektrizität und Magnetismus waren in dieser Zeit geläufige Themen esoterischer Diskurse, wobei sich besonders der schwäbische Arzt Franz Anton Mesmer (1734-1815) mit seiner Theorie des „animalischen Magnetismus“ hervortat. Mesmer verband die alte alchemistische Vorstellung eines alles durchströmenden unsichtbaren Fluidums mit dem modernen Begriff des Magnetismus und mit der Behauptung, damit Krankheiten heilen zu können. Nachdem er sich 1778 in Paris niedergelassen hatte, eroberten die von ihm entwickelten „magnetischen“ Heilgeräte vor allem die dortige Kaffeehaus-Szene. Seine „Therapiemethode“, zu Mehreren um ein solches Gerät herum zu sitzen, dabei in Trance und Ekstase zu geraten und den „Magnetismus“ daran beteiligter gesunder Personen in sich einströmen zu lassen, kann als ein Vorläufer der späteren spiritistischen Séancen gelten.[29]

Ende des 18. Jahrhundert tauchte die neue Praktik auf, zumeist weibliche Personen in einen „magnetischen Schlaf“ zu versetzen und dann über die übersinnliche Welt zu befragen. Im deutschen Sprachraum befasste sich der schon genannte Justinus Kerner damit. Eine Abwandlung dieser Praktik ist der Spiritismus, dessen Ursprung 1848 bei zwei Schwestern in den USA liegt, der aber schnell auch auf Europa übergriff und Millionen Anhänger fand. Auch hierbei dient eine Person als „Medium“, und diesem werden Fragen gestellt, welche sich an die Geister von Verstorbenen wenden. Die Geister sollen antworten, indem sie den Tisch, an dem die Sitzung stattfindet, in Bewegung versetzen. In Verbindung mit dem Reinkarnationsgedanken entwickelte sich daraus eine regelrechte Religion.[30]

Als Begründer des Okkultismus im eigentlichen Sinn in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gilt Eliphas Lévi (1810-1875). Obwohl seine Werke nur „wenig geschickte Kompilationen“ (Faivre) waren, war er zeitweilig der bedeutendste Esoteriker überhaupt. Einflussreich war auch das umfangreiche okkultistische Werk von Papus (1865-1915); im deutschen Sprachraum ist vor allem Franz Hartmann (1838-1912) zu nennen. Der Okkultismus war damals eine Gegenströmung gegen die vorherrschende Wissenschaftsgläubigkeit und die Entzauberung der Welt durch den Materialismus. Er verstand sich selbst jedoch als modern (Faivre nennt ihn eine Antwort der Moderne auf sich selbst), und lehnte im allgemeinen den wissenschaftlichen Fortschritt nicht ab, sondern versuchte, diesen in eine umfassendere Vision zu integrieren.[31]

Der Beginn der „modernen“ Esoterik kann um die Mitte des 19. Jahrhunderts ausgemacht werden. Vor allem der Spiritismus und die Neugeist-Bewegung, die sich sprunghaft in Nordamerika entwickelten, sind Indikatoren für eine neue Form der Weltbegnung. Vor allem unter dem Einfluss vieler Einwanderer aus dem östlichen Raum, entfernte man sich zunehmend von einer rein christlichen Doktrin. Es entwickelten sich synkretistische Lehren, in denen man versuchte östliche und westliche Weltanschauungen zu verbinden. Eine Begründerin dieses neuen esoterischen Synkretismus ist Helena Petrovna Blavatsky (1831-1891), deren „Theosophie“ - im Unterschied zu älteren theosophischen Lehren - stark von östlicher Philosophie beeinflusst war. 1875 gründete sie die Theosophische Gesellschaft in New York. So finden sich hier Elemente der Neugeist-Bewegung, des Rosenkreuzertums, der Freimaurerei und okkulten Welt des Hinduismus und Buddhismus wieder. Auch Max Théon, zu dessen ehemalige Schülerin Blavatsky gezählt wird, ist mit seiner Kosmischen Philosophie ein Wegbereiter der „mordernen“ Esoterik. Diese breitete sich rasant von den USA bis nach Europa aus. Unter diesem Einfluss entstand auch die Anthroposophie von Rudolf Steiner, dessen Lehren zu Beginn des 20. Jahrhunderts aufkamen. Zu den alten Geheimlehren der Renaissance und Antike entstanden neue Interpretationsmodelle, die gegen Ende des 19. Jahrhunderts zur Gründung zahlreicher Organisationen führten, die unter anderem zu einer Wiederbelebung des Rosenkreuzermythos beitrugen. Berühmt wurden vor allem der Golden Dawn, der Ordo Templi Orientis, die Rosicrucian Fellowship sowie der Alte Mystische Orden vom Rosenkreuz. Daneben entwickelte sich durch Karl Otto Schmidt, der bereits zu Beginn der 1920er Vorträge über die Theosophie hielt, ein starker Zweig der Neugeist-Bewegung in Deutschland. In seinen Werken verarbeitete er neben Inhalten der christlichen Mystik auch Themen der Theosophie, die vor allem im modernen Rosenkreuzertum wiederzufinden sind. Mit ihm erhielt die Esoterik der 1920er und 1930er einen gewissen Aufschwung im deutschen Sprachraum. Es entwickelten sich eigene Strömungen in Deutschland, wie der Adonismus, aus denen Franz Bardon als berühmtester Vertreter hervorging. Seit den 1930er und in einer zweiten großen Welle seit den 1980er Jahren ist die Esoterik – insbesondere im westlichen Kulturkreis – zu einer Massenbewegung mit Breitenwirkung geworden.

Richtungen und Praktiken

Es gibt zahlreiche unterschiedliche Strömungen der heutigen Esoterik, die sich teilweise überlappen, teilweise nicht viel miteinander zu tun haben. Nicht alle von ihnen können vollständig zur Esoterik gerechnet werden. Die meisten esoterischen Richtungen betonen eine spirituelle Entwicklung des Menschen.

Esoterische Weltanschauungen beziehen sich meist auf fünf Bereiche:

  • Praktische Entscheidungshilfen für die Lebensplanung, teilweise auch für Alltagsentscheidungen: In diesen Bereich fallen vor allem Techniken wie Astrologie, Tarot, Pendeln oder Handlesen.
  • Selbsterkenntnis: Manche Anhänger der Esoterik versuchen, ihren Charakter und ihre Bedürfnisse mit Hilfe esoterischer Welterklärungskonzepte zu bestimmen, vor allem mittels der verschiedenen Varianten der Astrologie.
  • Medizinische Hilfe: Mit Techniken der alternativen Medizin wird versucht, das körperliche und seelische Wohlbefinden zu verbessern, zum Beispiel mit Aromatherapie, Bach-Blütentherapie, Reiki, oder Homöopathie. Die Esoterik nimmt sich dabei vor allem Bereichen an, die die klassische Medizin nicht abdeckt (zum Beispiel ‚Hilfe beim Wohlfühlen‘) oder in denen deren Erfolge als unzureichend empfunden werden, wie bei der Behandlung chronischer Schmerzen, aber auch bei akuten Krankheiten.
  • Spirituelle Hilfe: Die meisten esoterischen Richtungen postulieren das Vorhandensein einer unsterblichen menschlichen Seele und befassen sich mit Wegen, deren Schicksal zu verbessern. Bei vielen dieser Richtungen kommen Konzepte indischer Religionen wie Karma und Reinkarnation vor. Häufig wird gelehrt, dass eine ‚Reinigung‘ oder eine ‚Erleuchtung‘ des Anhängers nötig sei, um in dieser Welt oder nach dem Tod einen besseren Zustand zu erreichen.
  • Verbesserung der Welt insgesamt: Unter manchen esoterischen Richtungen ist die Ansicht verbreitet, dass man durch Verhalten entsprechend esoterischer Lehren die Welt insgesamt grundlegend verändern und somit verbessern könne. Solche Ansichten sind Grundlage der ‚New Age‘-Bewegung, die ein neues Zeitalter, etwa das ‚Wassermannzeitalter‘ angebrochen sieht oder erwartet. Entsprechende Auffassungen vertritt beispielsweise Fritjof Capra.

Zu den esoterischen Richtungen und den zahlreichen Praktiken, die in der Esoterik aufgegriffen werden, gehören unter anderem:

Esoterik als Gegenstand wissenschaftlicher Forschung

Die Anfänge einer wissenschaftlichen Erforschung der Esoterik bestehen in Arbeiten christlicher, jüdischer und islamischer Religionswissenschaftler über abendländische Mystik und Gnosis. Bedeutende Vertreter dieser frühen Esoterikforschung waren Martin Buber (1878-1965), Gershom Scholem (1897-1982), Henry Corbin (1903-1978) und Mircea Eliade (1907-1986).

Ein erster spezieller Lehrstuhl für die „Geschichte der christlichen Esoterik“ wurde 1965 an der Sorbonne in Paris eingerichtet (1979 umbenannt in „Geschichte der esoterischen und mystischen Strömungen im neuzeitlichen und zeitgenössischen Europa“). Seit 1999 gibt es in Amsterdam einen Lehrstuhl für die „Geschichte der hermetischen Philosophie und verwandter Strömungen“. Drittens wurde an der Universität von Exeter (England) ein Zentrum für Esoterikforschung eingerichtet. Und seit Oktober 2006 hat sogar der Vatikan an der Päpstlichen Universität Angelicum in Rom einen “Lehrstuhl für nichtkonventionelle Religionen und Spiritualitätsformen„.[32]

Hermetik und neuzeitliche Wissenschaft: Das Yates-Paradigma

In ihrem aufsehenerregenden Buch Giordano Bruno and the Hermetic Tradition versuchte die Historikerin Frances A. Yates 1964 nachzuweisen, dass die Hermetik bei der Begründung der neuzeitlichen Wissenschaft in der Renaissance eine wesentliche Rolle gespielt habe und dass diese Wissenschaft ohne den Einfluss der Hermetik gar nicht entstanden wäre. Obwohl das „Yates-Paradigma“ sich in dieser starken Form letztlich nicht etablieren konnte, wird es wegen der Debatten, die es auslöste, als wichtige „Initialzündung“ für die moderne Esoterikforschung betrachtet.[33]

Esoterik als Denkform: Das Faivre-Paradigma

Antoine Faivre, damals Inhaber des Lehrstuhls an der Sorbonne, stellte 1992 die These auf, dass man die Esoterik als eine Denkform (frz. forme de pensée) betrachten könne, und beschrieb vier grundlegende Komponenten dieser Denkform[34]:

  • Die Entsprechungen: Zwischen allen Teilen der sichtbaren Welt und allen Teilen der unsichtbaren Welt und umgekehrt existieren symbolische oder reale Verbindungen. Diese Verbindungen können durch den Menschen erkannt, gedeutet und benutzt werden. Es lassen sich dabei zwei Arten von Entsprechungen unterscheiden: die in der Natur vorgefundenen Konstellationen mit dem Menschen oder Teilen seiner Psyche oder seines Körpers (z.B. Astrologie) sowie zwischen der Natur und offenbarten Schriften (z.B. Kabbala).
  • Die lebendige Natur: Die Natur in allen ihren Teilen wird als wesenhaft lebendig angesehen. Ihr können deshalb neben der materiellen Wirklichkeit auch seelische und geistige Eigenschaften zugesprochen werden. Sie zu erkennen und zu beschreiben nimmt einen besonders großen Stellenwert in der paracelsischen Tradition ein.
  • Imagination und Mediation: Es gibt eine Reihe von Vermittlern, die die Entsprechungen offenbaren können (z.B. Rituale, Geister, Engel, symbolische Bilder etc.). Das wichtigste Hilfsmittel dafür stellt die Imagination dar, sie ist eine Art „Seelenorgan“, mit dessen Hilfe der Mensch eine Verbindung zu einer unsichtbaren Welt herzustellen vermag. Das Fehlen dieses Merkmals ist für Faivre der wesentliche Unterschied der Esoterik zur Mystik.
  • Erfahrung der Transmutation: Transmutation ist ein ursprünglich aus der Alchemie stammender Begriff und meint die Verwandlung eines Teils der Natur in etwas anderes auf qualitativ neuer Ebene. In der Alchemie wäre dies beispielsweise die Verwandlung von Eisen in Gold. Dieses Prinzip wird in er Esoterik auch allgemein auf den Menschen angewendet und steht dann für die sogenannte „zweite Geburt“ bzw. der Wandlung zum „wahren Menschen“. Dieses Prinzip steht somit für den individuellen, spirituellen Heilsweg.

Daneben identifiziert Faivre in einigen Traditionen die „Transmission“, d.h. die Übertragung einer esoterischen Lehre durch einen Meister als Teil einer Initiation.

Dieser Ansatz Faivres erwies sich als sehr fruchtbar für die vergleichende Forschung, wurde aber auch grundsätzlich kritisiert. Vor allem wurde bemängelt, dass Faivre seine Charakterisierung hauptsächlich auf Untersuchungen des Hermetismus der Renaissance, der Naturphilosophie, der christlichen Kabbala und der protestantischen Theosophie stützte und damit den Begriff der Esoterik so eng fasste, dass er auf entsprechende Erscheinungen in der Antike, im Mittelalter und in der Moderne sowie außerhalb der christlichen Kultur (Judentum, Islam, Buddhismus) vielfach nicht mehr anwendbar war.[35]

Kritik

Von den etablierten Religionen, namentlich vom Christentum[36], dem Islam und dem Judentum, werden esoterische Ansichten im allgemeinen als Irrglauben abgelehnt. Auch aus naturwissenschaftlicher und atheistischer Sicht wird die Esoterik als rückschrittlich und Irrtum kritisiert, den die Aufklärung und die Wissenschaft eigentlich schon überwunden hätten.

Viele Kritiker, aber auch manche Esoteriker selber beklagen auch einen „Supermarkt der Spiritualität“:[37] Verschiedene, teils widersprüchliche spirituelle Traditionen, die über Jahrhunderte in unterschiedlichen Kulturen der Welt entstanden, würden in der Konsumgesellschaft zur Ware, wobei sich verschiedene Trends und Moden schnell abwechselten („gestern Yoga, heute Reiki, morgen Kabbala“), und als Produkt auf dem Markt ihres eigentlichen Inhalts beraubt würden (Lifestyle). Dieser Umgang sei oberflächlich, reduziere Spiritualität auf Klischees und beraube sie ihres eigentlichen Sinns.

Viele Mediziner und kritische Journalisten warnen vor einem Missbrauch der Esoterik. Es komme immer wieder vor, dass Kranke auf „esoterischem Unfug“ vertrauen, statt notwendige medizinische Versorgung in Anspruch zu nehmen.

Trotz Berufung auf ein angeblich „gemeinsames Urwissen“ werden Begriffe von einzelnen esoterischen Strömungen oft sehr unterschiedlich gebraucht“[38]. Einige Esoterikgegner kritisieren, dass Hilfs- und Beratungsangebote, die auf esoterischen Grundlagen beruhen, unrealistische Erwartungen wecken oder Versprechungen machen.

Quellen

  1. „Der lexikalische Gehalt des Wortes Esoterik ist wenig ausgeprägt (…). Wie ein jedes Wort, das an sich selbst ziemlich bedeutungsleer ist, hat sich auch dieses als dehnbar, durchlässig und semantisch überdeterminierbar erwiesen. Von der Etymologie ist denn auch keine Auskunft zu erwarten, es gilt vielmehr, den Begriff auf seine Funktion hin zu befragen, und die besitzt die Eigenart, ein ganzes Bündel von Haltungen und eine Vielzahl von Diskursen aufrufen zu können.“ Antoine Faivre: Esoterik im Überblick. 2001. S. 11
  2. Faivre, S. 13
  3. Kocku von Stuckrad: Was ist Esoterik? Kleine Geschichte des geheimen Wissens. 2004. S. 21
  4. Faivre, S. 11, 108 und 111
  5. Stuckrad, S. 28-30
  6. Stuckrad, S. 26-28
  7. Stuckrad, S. 34-41
  8. Stuckrad, S. 41-47
  9. Stuckrad, S. 50-59 und 74f
  10. Stuckrad, S. 58-77
  11. Faivre, S. 50-52
  12. Stuckrad, S. 77f; Faivre, S. 53f
  13. Stuckrad, S. 72 und 79
  14. Faivre, S. 18f
  15. Stuckrad, S. 90-92; Faivre, S. 59-61
  16. Stuckrad, S. 81-85 und 88f
  17. Stuckrad, S. 113-120; Faivre, S. 61-63
  18. Stuckrad, S. 107-110
  19. Stuckrad, S. 110-113
  20. Stuckrad, S. 122f und 143-152
  21. Stuckrad, S. 156-159; Faivre, S. 67-69
  22. Stuckrad, S. 182-187; Faivre, S. 69-72
  23. Stuckrad, S. 160f
  24. Stuckrad, S. 156 und 187-190, Faivre, S. 81, 84 und 88
  25. Stuckrad, S. 162-167; Faivre, S. 83
  26. Stuckrad, S. 165-167
  27. Faivre, S. 93-98; Stuckrad, S. 190f
  28. Faivre, S. 98-107; Stuckrad, S. 170-173
  29. Faivre, S. 89-93; Stuckrad, S. 167-169
  30. Faivre, S. 109f
  31. Faivre, S. 111-113
  32. 2006: DIE ZEITLernen mit Osho
  33. Stuckrad, S. 11
  34. Faivre, S. 24-34; Stuckrad, S. 12-15
  35. Stuckrad, S. 14f
  36. http://www.vatican.va/archive/DEU0035/__P7L.HTM
  37. Lau, Kimberley J. 2001. New Age Capitalism. Philadelphia: Univ of Pennsylvania Press.
  38. Thiede, Werner: Theologie und Esoterik, Leipzig 2007

Literatur

  • Claudia Barth: Über alles in der Welt - Esoterik und Leitkultur. Eine Einführung in die Kritik irrationaler Welterklärungen. Aschaffenburg, Alibri, 2003, ISBN 3-86569-036-X
  • Antoine Faivre: Esoterik im Überblick - Geheime Geschichte des abendländischen Denkens. Freiburg im Breisgau, Herder, 2001, ISBN 3-451-04961-9
  • Wolfram Frietsch: Newtons Geheimnis. Wissenschaft und Esoterik - Zwei Seiten einer Medaille. Gaggenau, 2006, ISBN 978-3935164047
  • Wouter J[acobus] Hanegraaff in collaboration with Antoine Faivre, Roelof van den Broek and Jean-Pierre Brach (Ed.): Dictionary of Gnosis & Western Esotericism. Vol. 1/ 2. Brill, Leiden, Boston 2005, ISBN 9004141871
  • Martin Lambeck: Irrt die Physik? Über alternative Medizin und Esoterik, Beck, 2003, ISBN 3406494692
  • Kocku von Stuckrad: Was ist Esoterik? - Kleine Geschichte des geheimen Wissens. München, C.H.Beck, 2004, ISBN 3406521738

Siehe auch

Portal: Esoterik – Übersicht zu Wikipedia-Inhalten zum Thema Esoterik
Wiktionary: Esoterik – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen