Kamashastra

Lehrwerke über Erotik in der indischen Literatur
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In der indischen Literatur bezieht sich der Begriff Kamashastra auf die Tradition von Arbeiten über Erotik. Diese Werke gehören zu einer Tradition von Texten über

Eine schöne junge Frau als Liebhaberin aller Kreaturen
Datei:Indu pordetras.jpg
Analsex
Arthashastra (Politik)
Dharmashastra (Sitte, Recht, Gesetz, Religion, Ethik und Moral)
Jyotihshastra (Wissenschaft (Astronomie, Mathematik, Astrologie, Prophezeiung))
Samudrikashastra (Physiognomie, Diagnose)
Vaidyakashastra (Ayurveda), (Medizin - Gliedmaßen, Chirurgie, Dämonenlehre, Pädiatrie, Toxikologie, Heilmittel, Aphrodisiakum)

Während z.B. Arthashastra Könige und Minister über das Regieren anweist oder Dharmashastra persönliche Gewohnheiten, soziale und familiäre Bindungen, Fasten und Feste, religiöse Rituale, Gerechtigkeit und Moral und sogar die Regeln der persönlichen Hygiene und Essenszubereitung bestimmt, gibt Kamashastra dem Bürger {nāgarika) Anleitungen wie man sexuelle Beziehungen und sexuelles Vergnügen und Erfüllung erreicht. Im Hinduismus haben Religion, irdischer Besitz und Seelenheil den gleichen Stellenwert. Das Fehlen oder Vernachlässigen einer dieser Komponenten macht das menschliche Leben unvollständig. Vernachlässigt man die Erotik, wird die menschliche Gesellschaft leiden. Im Kamashastra werden z. B. Menschen in Bezug auf ihre sexualle Neigungen eingeteilt und beschrieben, welche Klasse von Männern und Frauen kompatibel sind und daher befriedigende sexuelle Beziehungen eingehen können.
Der früheste und umfangreiche Text (1000 Kapitel) dieser Tradition von Mahadeva beschreibt Äusserungen, die Nandi der heilige Stier und Türhüter Shivas zufällig beim Geschlechtsverkehr des Gottes und seiner Frau Parvati gehört hatte. Im 8. Jahrhundert v. Chr. schrieb Auddalaka Shvetaketu, Sohn von Uddalaka, eine noch immer sehr umfangreiche Zusammenfassung dieses Textes (500 Kapitel). Ein Gelehrter und seine Schüler enzyklopädidierten unter dem Namen Babhravya (auch Vabhravya ) den Text von Shvetaketu in 150 Kapitel. Zwischen dem 3. und 1. Jahrhundert v. Chr. wurden verschiedene Teile dieser Enzyklopädie von z.B. Charayana, Ghotakamukha, Gonardiya, Gonikaputra, Suvarnanabha und Dattaka in Abhandlungen reproduziert.
Der erste Diskurs zu diesem Thema findet sich im Upanisad von Vrhadaranyaka (auch Brhadaranyaka). Der älteste überlieferte Text dieser Tradition ist das Kama Sutra von Vatsyayana. Vatsyayana bediente sich der Kamashastra Texte für das Kamasutra (36 Kapitel). In seinem Kommentar zum Kama Sutra schreibt Yashodhara den Ursprung der erotischen Wissenschaft Mallanaga, dem Prophet des Asuras zu. Damit wird ausgedrückt, dass das Kama Sutra in prähistorischen Zeiten entstand. Der Name Mallanaga zu Vatsyayana bedeutet eine Zuerkennung als mythischen Schöpfers der erotischen Wissenschaft. Vatsyayana muss vor dem 7. Jahrhundert gelebt haben, da sich Vāsavadattā in seinem Gedicht Subandhu auf ihn bezieht. Viele Texte, auf die sich Vātsyāyana bezieht (z.B. Arthashastra von Kautilya), sind verloren gegangen.
Nach Vāsavadattā schrieben weitere Autoren Kāmashastra Werke. Viele dieser Werke kommentieren das Kamasutra während andere neue Handbücher über die Erotik sind. Kommentare zu Vātsyāyana Werk sind z.B. Jayamangala von Yashodhara (13. Jahrhundert) oder Kuttanimata von Damodargupta (8. Jahrhundert). Neue Werke sind z.B. das Ratirahasya von Kokkaka (12./13. Jahrhundert) und Ananga Ranga von Kalyanamalla (15. oder 16. Jahrhundert). Diese neuen Werke wurden ebenfalls kommentiert. Kommentare zum Ratirahasya sind z.B. das Panchashayaka von Jyotirishvar (14. Jahrhundert), Ratiratnapradipika von Immadi Paudhadevaray (15. Jahrhundert) und Anangaranga von Kalyanmalla (15./16. Jahrhundert). [1] [2] [3] [4]

Etymology

Kama (काम kāma) hat im Sanskrit die allgemeine Bedeutung von Wunsch, Verlangen und Absicht in Bezug auf Vergnügen und (sexuelle) Liebe Kama, dem Hindu Gott der Liebe. Als Name bezieht sich das Wort auf Kama, dem Hindu Gott der Liebe. [5] [6] [7]
Shastra (शास्त्र śāstra) bezeichnet ganz allgemein eine Schrift, Lehre oder Anweisung.

Kamashastra und Kāvya Poesie

Bei der Reproduktion von Texten konnten sich leicht Fehler einschleichen, wodurch sich die Interpretation des Textes ändert. Sutra ist in der Sanskrit-Literatur eine Textart, die der mündlichen Überlieferung und Anweisung gerecht wird. Ein Sutra ist ein knapp und prägnant formulierter Lehrsatz oder Aphorismus, den man sich leicht merken kann. Allerdings sind die Informationen so komprimiert, dass der genaue Sinn ohne Kommentar oft kaum zu verstehen ist. Ein Kommentar zu einem Werk, wie z.B. das Jayamangala, dient daher dem besseren Verständnis des Originaltextes.

Das Interesse an den Kamashastra Werken liegt in ihrer aufwändigen Poesie (Kāvya) in Sanskrit. Die gesamte Beschreibung der Liebe und Sexualität in der Kāvya Poesie wird durch das Kamashastra geregelt.

Liste der Kamashastra Arbeiten

Verlorene Arbeiten

Einige Arbeiten sind nicht mehr erhalten. Durch ihre Nennung in anderen Werken weiss man aber von ihrer Existenz. In einigen Fällen ist der Titel, Autor oder Umfang der Arbeit bekannt. Autoren verlorener Kâmashâstra sind Auddalaki Shvetaketu (500 Kapitel), Babhravya, Chârâyana, Ghotakamukha, Gonardîya, Gonikâputra, Dattaka, Ishvara, Jyotirishvara, Maheshvara, Nagarjuna, Nandi oder Nandikeshvara (1000 Kapitel), Shvetaketu, Surupa, Suvarnanbha. Verlorene Werke, bei denen der Titel bekannt ist, sind das Bâbhravyakârikâ und das Ratinirnaya von Suvarnanâbha. Der Autor Dattaka wurde nach einer Legende während einer bestimmten Zeit in eine Frau umgewandelt.

Mittelalterliche und moderne Texte

Manche diese Texte wurden mitunter nur auszugsweise in Englisch, Deutsch, Spanisch etc. übersetzt. [3] [4] [8] [9] [10]


Werk Autor Umfang Kommentar des Jahrhundert
Ananga Ranga (Bühne der Liebe) König Kalyanmalla 10 Kapitel Ratirahasya 15./16.
Dattakasûtra König Mâdhava II der Ganga Dynastie von Mysore
Janavashya Kallarasa Ratirahasya
Jaya Devadatta Shâstrî Hindi Kommentar des Kama Sutra 20.
Jayamangala Yashodhara Kama Sutra 13.
Kalavilasa Kashmiri Kshemendra
Kâmasamuha Ananta Kama Sutra 15.
Kama Sutra (कामसूत्र kāmasūtra) (Verse des Verlangens) Mallanaga Vatsyayana 3./4.
Kamapravodha Vyasajanardan Ananga Ranga 17.
Kandarpacudamani (Kronjuwelen der Liebe) König Virabhadra (auch Virabhadradeva) 16.
Kuchopanishad (auch Kuchopanisad) Kuchumâra (auch Uchumâra Tantra) Kama Sutra 10.
Kuttînimata (auch Kuttanimata) Kashmiri-Dichter Damodara Gupta Kama Sutra 8.
Mânasollâsa (auch Manasolasa, Abhilashitartha Chintâmani, Abhilashitachintamani) (Glückliche Gemütsverfassung, Geistige Erfrischung) König Bhulokamalla Someshvara oder Somadeva III der Châlukya Dynastie von Kalyâni Fünf Bücher mit je 20 Kapitel Das Werk ist eine Enzyklopädie (über Kunst, Architektur, Tanz, Musik, Ornamente, Essen und Trinken, Liebe und Lust) mit einem Kamashastra Kapitel , das Yoshidupabhoga (oder Yosidupabhoga) (Genuss von Frauen). 12.
Nagarasarvasva (auch Nagarsarvasva) Bhikshu Padmashrî (auch Padmasri, Padmashrijnana) Kama Sutra (buddhistisch) 10./11.
Pancasayaka (auch Panchashayaka) Jyotirisha (auch Maithila Jyotrishvara, Jyotirishvar) Ratirahasya 13./14.
Panchashâyaka (auch Panchasakya, Panchsayaka) (Fünf Pfeile [des Liebes Gottes]) Jyotirîshvara Kavishekhara 600 Verse 14.
Rasamanjari (auch Rasmanjari) (Knospe der Liebe) Bhânudatta Misîra (Provinz Tirhoot, Sohn des Dichter-Brahmanen Ganeshwar) 3 Kapitel 17.
Ratikallolini (Fluss der Liebe) Dikshita Samaraja 18./19.
Ratimanjari (Blumenkranz der Liebe) Jayadeva (auch Jaydev) 125 Verse Synthesis des Smaradîpika durch Minanatha 15./16.
Ratirahasya (auch Koka Shastra) (Geheimnisse der Liebe) Kokkoka 800 Verse, 15 Abschnitte 12./13.
Ratiramana 527 Verse, 11 Abschnitte, 1 Addendum 17.
Ratiratnapradîpika (Erklärung der Kleinodien der Liebe) Praudha Devarâja, Maharaja von Vijayanagara oder Immadi Paudhadevaray Ratirahasya 15.
Ratisastra (Gattenliebe) Nagarjuna 272 Verse 16.
Shringararasaprabandhadîpika Kumara Harihara
Smaradîpika (Illustrationen der Liebe) Minanatha (auch Kadra, Rudra, Garga) 14./15.
Samayamatrka Ksemendra Kama Sutra 12.
Shrngaradipika Harihar
Smarapradipika (Licht der Liebe) Gunâkara, Sohn von Vachaspati (Smara Pradipa) 400 Verse
Sûtravritti Naringha Shastri Kama Sutra 18.
Vâtsyâyanasûtrasara Kashmiri-Dichter Kshemendra Kama Sutra 11.

Literatur

  • Bhânudatta Misîra: Rasamanjari: With the commentaries Vyangyaîrthakoumudf of Ananta Pandit and Prakaîsa of Naîgeśa Bahtta. Braj B. Das & Co, 1904, ISBN B00086XB52(?!) – (Englisch).
  • Sir Richard Burton: Ananga Ranga - The Hindu Art of Love. Vision/Orient Paperbacks, 1998, ISBN 81-222-0227-6 (Englisch).
  • Alain Daniélou: The Complete Kama Sutra: The First Unabridged Modern Translation of the Classic Indian Text including the Jayamangala Commentary from the Sanskrit by Yashodhara and extracts from the Hindi Commentary by Devadatta Shastra. Park Street Press, 1994, ISBN 978-0-89281-492-3 (Englisch).
  • Kalyanamalla, Eduard Kolb, Julius Weltmann: Der Ananga-Ranga des Kalyana Malla. Karl Schustek Verlag, 1964, ISBN B0000BJYH3(?!) – (Deutsch).
  • F. Leiter/H. H. Thal.: Liebe im Orient. 3 Bde. (I. Das Kamasutram des Vatsyayana. Mit Anhang Das Erotische in der indischen Kunst. II. Anangaranga. Die Bühne des Liebesgottes. III. Der duftende Garten des Scheik Nefzaui.). Schneider & Co, Wien & Leipzig Leipzig 1929 (Deutsch).
  • Prof. Dr. Siegfried Lienhard: Kokkoka, Geheimnisse der Liebeskunst. Die altindische Liebeskunst des Ratirahasya. Matrix Verlag, Wiesbaden 2006, ISBN 978-3-86539-096-7 (Deutsch).
  • Macchaghnapada, Dalavirasimha Cauhana: Smaradipika: Eka Adbhuta Kamasastriya Grantha. 2004 (Hindi).
  • Sandhya Mulchandani: Erotic Literature of Ancient India : Kama Sutra, Koka Shastra, Gita Govindam and Ananga Ranga. Roli Books, New Delhi 2006, ISBN 81-7436-384-X (Englisch).
  • S. N. Prasad: Illustrated Kalyananakk's Anangaranga. An Indian Erotic (Sanskrit Text with English Translation). Varanasi: Chaukhambha Orientalia [Chaukhambha Oriental Research Series, 24], 1983 (Englisch und Sanskrit).
  • Ray, T. N., Rati Rahasyam: (The) Secrets of Love: Ativira Rama Pandian: Kokkokam (Translated from the Tamil by Yato Dharma Tato Jaya, D. Litt.) - Kokkoka: Rati-Rahasyam (Translated from the Sanskrit by Dr. Richard Schmidt). Medical Book Company Publishers, Calcutta 1949, zweite rev. Edition 1960 (Englisch).
  • Richard Schmidt: Das Kamasutram des Vatsyayana. Die Indische Ars Amatoria. Nebst dem vollständigen Kommentare (Jayamangala) des Yasodhara. Hermann Barsdorf Verlag, Berlin 1922 (Deutsch).
  • Richard Schmidt: Harihara's Srngaradipika. Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft, Nr. 55, S. 705–739 (Deutsch).
  • Swami Sivapriyananda: A South Indian Treatise On The Kamasastra. Abhinav Publications, 2000, ISBN 81-7017-388-4 (Englisch).
  • Pandit Kokkoka, S. C. Upadhyaya: Rati Rshasya, The Hindu Secrets of Love. Taraporevala, Bombay 1965 (Englisch).
Sekundärliteratur
  • Narendra Nath Bhattacharyya: History of Indian Erotic Literature. Munshiram Manoharlal Publishers Pvt. Ltd., 1975, ISBN 81-215-0307-8 (Englisch).
  • Gedün Chöpel, Jeffrey Hopkins: Les Arts tibétains de l'amour : Sexe, orgasme et guérison spirituelle. Dharma, 1999, ISBN 978-2-86487-026-5 (Französisch).
  • Mahadev N. Joshi, B.S. Hebbali: Manasollasa and Ayurveda. Sharada Publishing House, Delhi 2004, ISBN 81-85616-97-3 (Englisch).
  • Leo M. Pruden: Abhidharma Kosa Bhasyam, 4 Vols. Asian Humanities Press, Fremont, California, USA 1990, ISBN 0-89581-913-9 (Englisch).
  • Richard Schmidt: Beiträge zur Indischen Erotik. Das Liebesleben des Sanskrtvolkes. Hermann Barsdorf Verlag, Berlin 1922 (Deutsch).
  • Richard Schmidt: Liebe und Ehe im alten und modernen Indien. (Vorder- Hinter- und Niederländisch-Indien). Hermann Barsdorf Verlag, Berlin 1902 (Deutsch).
  • P. Thomas: Kama Kalpa or the Hindu Ritual of Love. Stosius Inc/Advent Books Division, 1981, ISBN 978-0-86590-031-8 (Englisch).


  • Leo M. Pruden: Karmasiddhiprakarana: The Treatise on Action by Vasubandhu. Asian Humanities Press, 2001, ISBN 978-0-89581-908-6 (Englisch).


e-Bücher

Weitere Quellen

  1. [Winternitz, Moriz <1863 - 1937>: Geschichte der indischen Literatur. Stuttgart : Koehler. -- Band 3: Die Kunstdichtung, die wissenschaftliche Literatur, neuindische Literatur. - 1920. -- S. 536 - 541]
  2. "Kāmasūtra: Leitfaden der Liebeskunst, Übersetzung mit Erläuterungen"
  3. a b Introduction to the History of Sex Manuals by Kamashastra
  4. a b Banglapedia
  5. Arthur A. Macdonell: A Practical Sanskrit Dictionary. Nataraj Books, 2006 (Sanskrit, Englisch)., p. 65.
  6. Arthur Anthony Macdonell. A Practical Sanskrit Dictionary'.
  7. Indica et Buddhica Dictionary
  8. Kamat Research Database; Mansollasa of Somadeva
  9. Kamat Research Database; A Brief Note on Manasollasa
  10. Fachbuch