Mariaberg (Gammertingen)

Stadtteil von Gammertingen, Baden-Württemberg, Deutschland
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Vorlage:Infobox Ortsteil einer Gemeinde Mariaberg ist ein Teilort der Stadt Gammertingen und liegt knapp vier Kilometer nördlich der Kernstadt im Landkreis Sigmaringen in Baden-Württemberg. Das Dorf hat rund 500 Einwohner.

Geographie

Mariaberg ist der nördlichste Ort im Landkreis Sigmaringen und grenzt im Norden unmittelbar an den Landkreis Reutlingen und im Westen an den Zollernalbkreis. Er befindet sich auf der Schwäbischen Alb, und der Region Bodensee-Oberschwaben. Der Ort liegt auf einer Anhöhe (bis ca. 780 m ü. NN ansteigend) über dem etwa 680 m ü. NN liegenden Tal der Lauchert an der Bundesstraße 313, auf halber Strecke zwischen den jeweils 30 km entfernten Kreisstädten Sigmaringen (im Süden) und Reutlingen (im Norden).

Geschichte

Namensgeber dieses Stadtteils ist das bis zur Säkularisierung von 1802 durch das damalige Herzogtum Württemberg etwa 600 Jahre als solches firmierende von Nonnen bewirtschaftete Kloster. Zunächst waren es Augustinerinnen, dann ab Ende des 13. Jahrhunderts bis 1802 Benediktinerinnen, die darin lebten, wobei die letzte Ordensschwester allerdings erst 1837 das Kloster verließ, das daraufhin zehn Jahre leer stand.

Heute ist das zentrale ehemalige Klostergebäude der Verwaltungssitz der am 1. Mai 1847 vom Uracher Oberamtsarzt Carl Heinrich Rösch ursprünglich als „Heil- und Pflegeanstalt Mariaberg“ gegründeten, 1966 in Mariaberger Heime umbenannten Einrichtung für ambulante und stationäre Hilfen für Menschen mit unterschiedlichen geistigen, körperlichen oder psychischen Behinderungen aller Altersgruppen. Nach 1945 wurde die Einrichtung Mitglied des Diakonischen Werkes Württemberg.

Mariaberg gilt als älteste Komplexeinrichtung der Behindertenhilfe in Deutschland, die von Beginn an einen über eine bloße Verwahranstalt hinausgehenden Ansatz hatte. Dieser Ansatz beinhaltete bereits bei der Gründung im 19. Jahrhundert einen damals revolutionären Anspruch der Behindertenbetreuung und -Förderung auf medizinisch-wissenschaftlicher Grundlage - mit Angeboten der Beschulung, der Beschäftigung und des Wohnens.

Bei alledem blieb Mariaberg im Lauf der Geschichte von historisch verhängnisvollen Entwicklungen nicht ausgespart. Besonders gravierend war hierbei die im Rahmen des so genannten „Euthanasie“-Programms Aktion T4 des NS-Regimes 1940 durchgeführte Deportation von 61 Männern und Frauen in die etwa 25 km östlich gelegene Anstalt Grafeneck, wo sie zusammen mit insgesamt etwa 10.000 weiteren Behinderten ermordet wurden. Zur Erinnerung an diese Opfer des Nationalsozialismus wurde 1990 eine Gedenkstätte als Mahnmal mit fünf abgestuften, in Richtung Grafeneck kleiner werdenden Steinsäulen neben der Mariaberger Klosterkirche errichtet. Die drei Gedenktafeln vor dem von ansteigendem (Feuer und Asche symbolisierenden) Wall aus Lavakies zählen unter der Überschrift „Wenn die Menschen schweigen, so werden die Steine schreien (Lukas, Kap. 19, 40)“ die Namen und jeweiligen Geburtsjahre der ermordeten Mariaberger Opfer auf, bevor der Text mit den Worten endet: „Ihr Tod verpflichtet uns, allem Denken und Tun zu widerstehen, das menschliches Leben in lebenswert und lebensunwert einteilen will. - "Und vergib uns unsere Schuld" (Matthäus 6,23)

Mariaberger Heime e.V.

Mariaberg ist Hauptsitz der diakonischen Einrichtung für Jugend- und Behindertenhilfe Mariaberger Heime e.V., deren Ursprünge auf die 1847 auf dem Gelände des gleichnamigen ehemaligen Benediktinerinnenklosters gegründete Heil- und Pflegeanstalt zurückreichen. Die Mariaberger Heime gelten als eine der ältesten Einrichtungen ihrer Art in Deutschland.

Es gibt dort eine nahezu eigenständige Ortsinfrastruktur mit verschiedenen zur Einrichtung gehörenden handwerklichen und hauswirtschaftlichen Betrieben beherbergt, in denen mehrere Fachwerkerausbildungen und Berufsvorbereitungsmaßnahmen für Lernbehinderte oder anderweitig sozial benachteiligte und verhaltensauffällige Jugendliche durchgeführt werden. Des Weiteren befinden sich in Mariaberg eine Werkstatt für behinderte Menschen, in der vor allem Kabeltrommeln produziert werden, drei Sonder-/Förderschulen für unterschiedliche Klientel, eine Schule für Heilerziehungspflege (vgl. Gotthilf-Vöhringer-Schule), verschiedene betreute Wohngruppen, ein Fachkrankenhaus für Kinder- und Jugendpsychiatrie und weitere diagnostische und therapeutische Praxen.

Die Mariaberger Heime e.V. sind einer der größten Arbeitgeber der näheren Region (rund 1000 Mitarbeiter) und eine bedeutende soziale und sozialpsychiatrische Einrichtung im Kreis Sigmaringen, deren Aktivitäten sich mit unterschiedlichen Angeboten auf das weitere Kreisgebiet und teilweise auch auf die Nachbarlandkreise erstreckt.

Die Zahl der in Mariaberg selbst tätigen oder stationär betreuten Menschen geht deutlich über die registrierten vor Ort wohnenden Einwohner hinaus. Nach eigenen Angaben zählen zu den von Mariaberg direkt stationär, teilstationär oder ambulant betreuten Klientel etwa 2400 Personen. Indirekt werden die verschiedenen Beratungs- und Serviceleistungen von einer weiteren nicht näher bestimmbaren Anzahl von Menschen, Institutionen und Gruppen wahrgenommen.

Literatur

  • Karl Rudolf Eder (Herausgeber): „150 Jahre Mariaberger Heime - Beiträge zur Geschichte geistig behinderter Menschen“. Gammertingen: Mariaberger Heime 1997. - 120 S.
  • Gottfried Klemm: „Dr. Karl Heinrich Rösch (1807-1866). Arzt - Demokrat - Auswanderer“ (Beitrag über den Gründer der Mariaberger Heime); In: Suevica 8 (1999/2000). Stuttgart 2000 [2001], S. 217-224 ISBN 3-88099-395-5
  • Wilhelm Wittmann, Karl Wacker: „Mariaberg als Kloster und Anstalt - Gedenkschrift zur 90-Jahr-Feier der Heil- und Pflegeanstalt Mariaberg“. Selbstverlag, 1937.

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