Wohlfahrtsfunktion

Begriff aus der Volkswirtschaftslehre
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Das Konzept der Wohlfahrtsfunktion beruht auf Arbeiten von Amartya Sen. Das Ziel einer beispielsweise auf Einkommen angewandten Wohlfahrtfunktionen ist es, ein Einkommen zu ermitteln, das jenem Einkommen entspricht, wie es in breiten Bevölkerungsschichten wahrgenommen wird. Damit ist die Wohlfahrtsfunktion eine Alternative zum Median.

Mit dem einfachsten aller Ungleichverteilungsmaße, der Hoover-Ungleichverteilung stellt die Wohlfahrtsfunktion das von breiten Bevölkerungsschichten wahrgenommene Einkommen als das Einkommen dar, von dem der Anteil abgezogen wurde, der zur völligen Nivellierung von Ungleichheiten erforderlich wäre.

Sens und Fosters Wohlfahrtsfunktionen

Der ursprüngliche Vorschlag von Amartya Sen mit dem Ginikoeffizienten   war:

 

Sen schrieb die zweite Auflage[1] seines wesentlich erweiterten Buches gemeinsam mit James E. Foster. Anstelle des Ginikoeffizienten verwendet Foster ein Entropiemaß von Atkinson[2] zur Berechnung der Wohlfahrtsfunktion  . Da der Theil-Index einfach in das Entropiemaß von Atkinson   umgerechnet werden kann, lässt sich Fosters Wohlfahrtsfunktion auch direkt aus dem zu betrachtenden Einkommen und dem Theil-Index   berechnen:

 

Mit Entropiemaßen wie dem Theil-Index wird versucht, nicht die Ungleichverteilung direkt darzustellen, sondern ihre Wirkung zu erfassen. So werden kleinere Ungleichverteilungen der Bevölkerungen toleriert oder im Sinn der Leistungsgerechtigkeit sogar für erforderlich gehalten. Sehr große Ungleichheiten dagegen führen immer wieder beobachtbar zu gewalttätiger Umverteilung. Von den an der statistischen Physik und der Informationstheorie angelehnten ökonometrischen Entropiemaßen wird angenommen, dass sie die Wirkung einer Ungleichverteilung von Ressourcen gut darstellen können. Aus diesem Grund wählte Foster ein Entropiemaß, um die Abweichung zwischen dem arithmetischen Durchschnittseinkommen und dem breiten Bevölkerungschichten zur verfügung stehenden Einkommen darstellen zu können.

Rechenbeispiel

Aus den Lohn- und Einkommensteuerstatistiken[3] für 1995[4] und 2001[5] lassen sich für das Nettomonatseinkommen pro Einkommensteuerzahler die folgende Kennzahlen ermitteln[6]:

Nettomonatseinkommen (Euro) im Jahr 1995  und  2001
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Atkinson-Ungleichverteilung:       32.8%      33.1%
symmetrische Ungleichverteilung:   32.2%      36.0%
Gini-Ungleichverteilung:           42.2%      43.2%
Hoover-Ungleichverteilung:         29.7%      30.0%
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Theil-Redundanz:                   0.398      0.402
symmetrische Redundanz:            0.391      0.446
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arithm. Durchschnitt:               2509       2280
Median:                        8/18 1702  9/22 1864
Wohlfahrt (Gini):                   1451       1296
Wohlfahrt (Theil, Atkinson):        1685       1526
Wohlfahrt (symmetrisch):            1697       1460

Quellen

  1. James E. Foster und Amartya Sen, 1996, On Economic Inequality, expanded edition with annexe, ISBN 0-19-828193-5
  2. Von Anthony B. Atkinson gibt es mehrere Ungleichverteilungsmaße.
  3. Jahrbücher des Bundesamtes für Statistik: Tabelle „Lohn- und Einkommensteuerpflichtige“ (Die für die Ungleichverteilungsberechnung erforderlichen Daten finden sich in den statistischen Jahrbüchern nicht im Kapitel für Einkommen, sondern unter Steuern und Finanzen: Im statistischen Jahrbuch für 2006 findet man die Einkommensverteilung für 2001 im Abschnitt 23.9.1. Im Jahr 1995 (Abschnitt 20.10.4 des Jahrbuchs für 1999) gab es eine Aufteilung in 18 Einkommensquantile und für 2001 gab es 22 Quantile. Im Jahr 1995 wurde nur Westdeutschland erfasst. .)
  4. Verteilung der Nettoeinkommen in Westdeutschland, 1995
  5. Verteilung der Nettoeinkommen in Deutschland, 2001
  6. http://luaforge.net/frs/?group_id=49&release_id=773 (darin Beispiel 1a und 1b) dokumentiert den Rechengang in Form eines Lua-Skripts. Die Symmetrierung des Theil-Index (bzw. der Theil-Redundanz) ist im Artikel zu diesem Index beschrieben. Der Median für 1995 ist in diesem Rechenbeispiel das mit der Quantilspopulation gewichtete Durchschnittseinkommen des 7. und 8. Quantils von 18 Quantilen. Der Median für 2001 ist das gleichermaßen gewichtete Durchschnittseinkommen des 8. und 9. Quantils von 22 Quantilen.