Jahwist

jüdischer Autor
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Mit dem Begriff Jahwist bezeichnet die historisch-kritische Bibelwissenschaft eine der Quellenschriften, die in den ersten fünf Büchern Mose, dem s.g. Pentateuch, verarbeitet worden sein soll. Die Theorie vom "Jahwisten" entstand mit der historisch-kritischen Erforschung der Bibel im 16. Jh., verliert aber seit Mitte des 20. Jhs. mehr und mehr an Zustimmung in der alttestamentlichen Forschung.

Forschungsgeschichte

Bereits im 16. Jh begann die historisch-kritische Erforschung der Bibel. Den Anfang markieren die Beobachtungen des Hildesheimer Pfarrers Bernhard Witter. Er entdeckte in den ersten drei Kapiteln der Genesis eine Doppelüberlieferung. Die Erschaffung der Welt wird hier zweimal nacheinander, mit je unterschiedlichem Schwerpunkt und je unterschiedlichen Gottesbezeichnungen erzählt (einmal in Gen 1,1–2,4a unter Verwendung von Elohim und ein zweites mal in Gen 2,4b–3,24 unter Verwendung von Jahwe). Die These Witters wurde lange Zeit nicht rezipiert.

Erst ähnliche Beobachtungen des Franzosen Jean Astruc, der der Leibarzt des französischen Königs Ludwig XV war, stießen die kritische Forschung am Alten Testament an. Er entdeckte in den Mehrfachüberlieferungen innerhalb des Pentateuchs (vor allem der Genesis) zwei durchlaufende und zwei weitere kürzere, ehedem unabhänigige Quellenschriften, die von Mose in vier Kolumnen (Astruc nennt diese Quellen A, B, C und D) zusammengestellt wurden. Ein späterer, nachmosaischer Redaktor habe die vier Quellen ineinandergearbeitet.

In Deutschland weitete Johann Gottfried Eichhorn die These Astrucs auf den Textkomplex Gen 1 - Ex 2 aus und schied die Quellen in einen vormosaischen [Elohist] und einen nachmosaischen Jehowist. Die Schreibung Jehowist entspricht der damaligen Lesung des Gottesnamens Jahwe, der im 19.Jh, fälschlicherweise als "Jehowa" gelesen wurde. Karl David Ilgen baute die These weiter aus, die forschungsgeschichtlich dann unter der Bezeichnung ältere Urkundenhypothese bekannt wurde.

Im 18. und 19. Jh. entwickelten sich dazu Gegentheorien, die die Entstehung des Pentateuchs anders zu rekonstruieren versuchten. Einerseits die s. g. Fragmentenhypothese, die von ehedem selbständigen Erzählkränzen (einzelnen Themen wie Abraham, Schöpfung, Flut, etc.) ausgeht, die erst sukkzessive zu einer Gesamterzählung zusammengearbeitet wurden. Vertreter dieser Hypothese waren der englischen Pastor Geddes sowie Johann Severin Vater.

Als eine Art Mischung aus Urkunden- und Fragmentenhypothese entwickelte sich die Ergänzungshypothese, deren wichtigster Vertreter Wilhelm Martin Leberecht de Wette ist. Nach seiner Rekonstruktion bestand die Genesis zunächst aus einer einzigen (elohistischen) Grundschrift oder Quelle, in die ein jehowistischer Redaktor nach und nach einzelne, sich im Umlauf befindliche Erzählkränze einarbeitete.

Über viele Jahr bestimmend wurde die s.g. neuere Urkundenhypothese, die im ausgehenden 19. Jh. von den Alttestamentlern Karl Heinrich Graf, Abraham Kuenen und vor allem von Julius Wellhausen in seinen „Prolegomena zur Geschichte Israels“ (1886) entwickelt und von Martin Noth weiter ausgebaut wurde.

Noth entwarf zu Beginn des 20. Jhs. das Bild, das die alttestamentliche Forschung lange beherrschte. Demnach entstand die jahwistische Quellenschrift um 950 v. Chr. in Kreisen um den Jerusalemer Königshof. Sie erzählt die Geschichte Israels von der Erschaffung der Welt bis zur Auskundschaftung des verheißenen Landes (in den Büchern Genesis bis Numeri).

Seit Mitte der siebziger Jahre des 20. Jhs. wird die Existenz einer jahwistischen Quellenschrift zunehmend bestritten (erstmals von Hans Heinrich Schmid). Die Forschung geht seit dieser Zeit nur noch von einer wirklichen Quelle, nämlich der Priesterschrift (Bibel) aus. Allein die Priesterschrift hat einen von der Erschaffung der Welt bis zur Landnahme reichenden, durchgehenden Erzählfaden. Alle anderen Texten werden in der Regel älteren oder jüngeren Redaktionen zugewiesen oder sind ältere Einzeltraditionen, die keinen gesamten Geschichtsverlauf erzählen. In Bezug auf den Jahwisten spricht die Forschung heute daher häufig einfach von vor-priesterlichen Texten.

Nur ein kleiner Teil der alttestamentlichen Forschung hält an einem Jahwisten fest. Zum einen der Münchener Alttestamentler Christoph Levin, der den Jahwisten für eine Redaktionsschicht hält, die verschiedene Erzählkränze (Schöpfung, Abraham, Bileam, etc.) sammelt, sie zusammenarbeitet und so einen einheitlichen Erzählstrang von Gen 1 - Num 24, das "jahwistische Geschichtswerk" kreiert.

John van Seters, geht einen anderen Weg und sieht im Jahwisten einen Historiker ähnlich den griechischen Geschichtsschreibern (Hesiod, Herodot), der aus den umlaufenden Erzählungen Motive zusammenstellt und so seine Geschichte Israels schreibt. Die Priesterschrift ist für Van Seters hingegen eine Bearbeitungsschicht.

Die meisten der neueren exegetischen Entwürfe, etwa von Reinhard Gregor Kratz, Erhard Blum, Eckart Otto, Erich Zenger, Jan Christian Gertz, Konrad Schmid, Markus Witte, bestreiten die Existent einer jawistischen Quellenschrift, da es nicht möglich sei, eine durchlaufende Erzählung mit sinnvollem Anfang und Ende auszumachen. Gemeinhin spricht die alttestamentliche Wissenschaft bei den Texten, die ehemals dem Jahwisten zugeordnet wurden, daher nur noch von vor- oder nichtpriesterschriftlichem Material.

Theologisches Profil

Es ist bislang nicht gelungen, aus dem disparaten Textmaterial eine gemeinsames theologisches Profil herauszuarbeiten. Unstrittig ist nur, dass die ehemals "jahwistisch" genannten Texte weder die Kultzentralisation aus Dtn 12 noch einen strikten Monotheismus kennen oder voraussetzen.


siehe auch: Elohist, Priesterschrift_(Bibel)


Literatur

  • Christoph Levin: Der Jahwist. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1993. ISBN 3-525-53838-3
  • Jan Christian Gertz/Konrad Schmid/Markus Witte (Hrsg.): Abschied vom Jahwisten: Die Komposition des Hexateuch in der jüngsten Diskussion. Berlin/New York: de Gruyter, 2002. ISBN 3-11-017121-X