Kinderpornografie

Darstellung sexueller Handlungen von, an oder vor Kindern
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Kinderpornografie ist die pornografische Darstellung von Kindern.

Juristische Aspekte

Nach deutschem Recht wird die Herstellung, Verbreitung sowie der Besitz von kinderpornografischen Schriften mit einer Gefängnisstrafe von 3 Monaten bis zu 10 Jahren bestraft. Der Versuch, sich kinderpornografische Schriften zu verschaffen oder Dritten zugänglich zu machen, steht ebenfalls unter Strafe. Geregelt wird die durch die Paragrafen 184 StGB (Verbreitung pornografischer Schriften) sowie § 176a StGB Abs. 2 (Sexueller Missbrauch von Kindern zur Herstellung pornografischer Schriften). Pornografischen Schriften sind dabei Darstellungen in Bild, Ton und Schrift gleichgesetzt, unabhängig davon, ob sie ein tatsächliches oder nur ein wirklichkeitsnahes Geschehen (so genannte virtuelle Kinderpornografie) wieder geben wird.

Paragraf 184 StGB definiert Kinderpornografie als pornografische Schriften, die "den sexuellen Missbrauch von Kindern zum Gegenstand haben". Dazu im Widerspruch werden in der gängigen Rechtsprechung die Kriterien für herkömmliche Pornografie (Isolierungs- und Stimulierungstendenz, Aufdringlichkeit und Anstandsverletzung) der Kinderpornografie zugrunde gelegt (Laufhütte). Somit wird auch bei sexuell aufreizenden Darstellungen ohne sexuellen Missbrauch von Kindern ebenfalls verurteilt. Dagegen ist bloße Nacktheit kein hinreichendes Kriterium für herkömmliche Pornografie (Schönke/Schröder), somit gelten Darstellungen nackter Kinder (z.B. FKK-Bilder) nicht als Kinderpornografie.

Das geschützte Rechtsgut ist die "ungestörte sexuelle Entwicklung" des Kindes. Durch das Herstellungsverbot möchte der Gesetzgeber verhindert wissen, dass Kinder durch die Herstellung von Kinderpornografie zu Schaden kommen. Durch das Besitzverbot sucht er die Entstehung eines Marktes für Kinderpornografie zu verhindern und nimmt an, dass kinderpornografische Schriften den Konsumenten zu sexuellem Missbrauch verleiten kann. Dabei gilt der Straftatbestände des Besitzes der Herstellung und Verbreitung von Kinderpornografie als Risiko- bzw. abstraktes Gefährdungsdelikt. Das Risiko einer Schädigung von Kindern wird dabei vom Gesetzgeber angenommen, ohne dass er dies beweisen kann bzw. muss. Strafbar sind somit Taten, die zwar ein Risiko bergen, auch wenn sie im konkreten Fall nicht zu einer Schädigung geführt haben oder gar haben können (freiwillige Aufnahmen posierender Kinder). Der Gegenbeweis ist nicht rechtsgültig. Die Einstufung als abstraktes Gefährdungsdelikt stammt aus der Pornografiedefinition, die das Rechtsgut des Jugendschutzes zu Grunde legt. Bei herkömmlicher wie bei Kinderpornografie ist es im konkreten Fall unerheblich, ob die pornografischen Schriften einem Jugendlichen zugänglich gemacht wurden. Die alleinige Möglichkeit, dass dies hätte geschehen können reicht für das Vorliegen eines Straftatbestands aus (Schönke).

Es ergibt sich eine Diskrepanz zwischen juristischer Betrachtung und wissenschaftlicher Erkenntnisse. Ein Wirkungszusammenhang zwischen Konsum von Kinderpornografie und sexuellem Missbrauch konnte bisher nicht fest gestellt werden. Die Forschung über den Wirkungszusammenhang zwischen dem Konsum herkömmlicher Pornografie und sexueller Gewalt legt den Schluss nahe, dass eine Prohibition von Pornografie zu einem Ansteigen denn zu einem Rückgang sexueller Gewalttaten führt (Katharsis-Theorie).

Eine weitere Diskrepanz zeichnet sich zwischen juristischer Bewertung und der öffentlichen Diskussion ab. Während sich die juristische Bewertung an rechtsstaatlichen Grundsätzen (geschützte Rechtsgüter) orientiert, zielt die öffentliche Diskussion auf sittenmoralische Betrachtungen ab. Darstellungen nackter oder posierender Kinder werden als pervers empfunden und sollen demnach bestraft werden. Dies führt bei Kontroversen über Verschärfungen des Sexualstrafrechts häufig zu unverstandenen Positionen zwischen Öffentlichkeit und Strafrechtsexperten.

Darstellungen

Über die Inhalte kinderpornografischer Darstellungen ist wenig bekannt. Lediglich eine niederländische Studie des Institute for Psychological Therapies (IPT) hat kinderpornografisches Material einer genaueren Überprüfung unterzogen. Von den etwa 10.000 Darstellungen beinhalteten 0,9 Prozent bizarre Darstellungen, 10,7 Prozent Darstellungen von Geschlechtsverkehr, 6,8 Prozent mit Oralverkehr sowie 20,5 mit Körperkontakt. Der überwiegende Teil der Darstellungen bildete bekleidete, nackte und posierende Kinder ab. Eine Auswertung über den Gesichtsausdruck der beteiligten Kinder ergab, dass etwa 1 Prozent eine negative Reaktion auf die Aufnahmen zeigten, während bei 18 Prozent unzweideutig Lachen und Freude (Original: pleasure) festgestellt wurde (Beispiel). Auf den restlichen Darstellungen konnte der Gesichtsausdruck nicht mit Sicherheit ermittelt werden. Die Existenz so genannter Snuff-Videos konnte entgegen immer wieder auftretenden Gerüchten und intensiven Fahndungen bislang nicht bewiesen werden.

In der medialen Berichterstattung sind häufig Aussagen zu finden, nach denen bei kinderpornografischen Schriften eine Tendenz zu immer härter werdenden Darstellungen besteht. Dies ist jedoch bislang nicht mit hinreichend hoher Genauigkeit verifiziert worden.

Kommerzielle Kinderpornografie

Der überwiegende Teil der Kinderpornografie stammt aus privater Herstellung sowie aus kommerziellen Produktionen der 1960er und 1970er Jahre. Hinweise auf eine kommerzielle Produktion von Kinderpornografie in nennenswertem Umfang konnten trotz umfangreicher Ermittlungsbemühungen nicht gefunden werden. Das gleiche gilt für den kommerziellen Vertrieb von Kinderpornografie, der bisher nur in Einzelfällen nachgewiesen werden konnte. Die Aufgabe der Anonymität durch Bezahlung sowie das Angebot kostenloser Darstellungen stehen einer kommerziellen Verbreitung im Wege. Mediale Berichte über Kinderporno-Ringe beziehen sich nahezu ausnahmslos auf privaten, nicht-kommerziellen Austausch von kinderpornografischen Darstellungen, sollen aber den Eindruck einer weit verbreiteten Kinderporno-Mafia vermitteln (siehe Medien).

Während Kinderpornografie bis in die 1980er Jahre in geringem Ausmaß "unter dem Ladentisch" verkauft wurde, erfuhr sie durch das Aufkommen des Internet eine deutlich höhere Verbreitung durch nicht-kommerziellen Tausch. Sie findet vornehmlich durch Tauschbörsen, IRC und das Usenet in privaten Kreisen statt. Nach einem anfänglichen starken Anstieg der Ermittlungsfälle wegen Besitz von Kinderpornografie seit der Einführung des Besitzverbots im Jahre 1993, verbleiben sie auf einem geringem Niveau von etwa unter 4.000 pro Jahr. Davon entfallen lediglich etwa 2,7 Prozent der Fälle auf gewerbs- oder bandenmäßiges Handeln. Die Tatverdächtigen waren weit überwiegend allein handelnd (Polizeiliche Kriminalstatistik 2002).

Europäisches Recht

Nach einem Rahmenbeschluss der Europäischen Kommission und einer Grundsatzerklärung der EU Außenminister (2002) werden für die Mitgliedstaaten rechtsverbindliche Mindestbestimmungen für die Herstellung und Besitz von Kinderpornografie erlassen. Als Kinderpornografie gelten demnach "aufreizende und obszöne" Darstellungen von realen Kindern und "echten Personen mit kindlichem Erscheinungsbild". Als Kind gilt jede Person unter 18 Jahren. Als Pornografie gelten auch "anstößige Abbildungen der Genitalien oder der Schamgegend von Kindern". Nacktheit ist bei dieser Definition nicht erforderlich, auch bekleidete Jugendliche und jugendlich Aussehende fallen darunter. An dem Rahmenbeschluss wurde von nahezu allen deutschsprachigen sexualwissenschaftlichen Organisationen heftige Kritik geübt. Der Kritik nach sind wichtige Begriffe wie "aufreizend und obszön" nicht definiert, was zu großer und vermutlich beabsichtigter Rechtsunsicherheit führt. Ebenso handelt es sich bei diesen Definitionen um sittenmoralische Begrifflichkeiten, die mit den Rechtsgrundsätzen der meisten europäischen Staaten nicht vereinbar sind. So findet der Begriff der Obszönität im deutschen Strafrecht keine Verwendung mehr, da sittenmoralisch begründete Rechtsgüter mit der deutschen Verfassung nicht in Einklang zu bringen sind. Die Kriminalisierung von Abbildungen, auf denen Darsteller mit "kindlichem (d.h. jugendlichem) Erscheinungsbild" zu sehen sind, birgt die Gefahr einer Kriminalisierung aller herkömmlichen Pornografie mit Darstellern unter 25 Jahren. Ebenso sind Jugendliche betroffen, die Bilder von sich austauschen, da keine Nacktheit erforderlich ist. Nachdem in den 1970er bis 1990er Jahren eine Liberalisierung bei Pornografie zu beobachten war, zeichnen sich mehr Repressionen als vor Beginn der Liberalisierung (Kriminalisieren allein des Besitzes). In Österreich ist die Umsetzung in nationales Recht bereits im Gange, in Deutschland wird die in der Regierung bereits besprochen (Stand 2003). In den Medien wird dieses Thema nicht aufgegriffen.

Medien

Seit Mitte der 1980er und zunehmend im Laufe der 1990er Jahre geriet das Thema Kinderpornografie in das Interesse der Sex & Crime-Berichterstattung der Medien. Besonders groß angelegte Polizei-Operationen wie "Landslide" und "Marcy" fanden international ein großes Medienecho. Über "Operation Landslide" wurde 1999 als größter Schlag gegen kommerzielle Kinderpornografie "aller Zeiten" berichtet. Die Firma Landslide Inc. soll laut Medienberichten im Zusammenhang mit 5.000 kinderpornografischen Websites und 250.000 Konsumenten gestanden und 1,4 Millionen Dollar monatlich mit Kinderpornografie verdient haben. Thomas Reedy, der Besitzer, wurde zu 1.335 Jahren und seine Frau zu 15 Jahren Haft verurteilt. Tatsächlich war Landslide ein Dienstleistungsunternehmen, das für Anbieter herkömmlicher Pornografie Kreditkartenbezahlungen durchführte. Unter den 5.000 Websites befanden sich zwei, die Darstellungen anboten, die nach amerikanischem Recht (Darsteller jugendlich erscheinend, keine Nacktheit erforderlich) kinderpornografisch waren. Die Einnahmen der Firma bestanden aus legalen Dienstleistungen. Im Zuge der Operation wurde eine Datenbank mit 250.000 Personen gefunden, deren Herkunft unklar ist. Das FBI veröffentlichte auf der beschlagnahmten Internetpräsenz von Landslide Angebote, die den Eindruck von Kinderpornografie erwecken sollten. Im Zuge dieser "Sting-Operation" kam es zu zahlreichen Ermittlungen gegen Interessenten dieses Angebots, darunter viele in Österreich, Deutschland sowie in Großbritannien mit rund 7.000 Fällen. Die Hintergründe wurden in den Medien nicht erwähnt.

"Marcy" war eine im September 2003 groß angelegte internationale Operation gegen private Tauschringe kinderpornografischer Darstellungen, in deren Verlauf gegen etwa 26.000 Verdächtige ermittelt wurden, davon etwa 530 in Deutschland. Die Operation wurde medial inszeniert. Bei den Hausdurchsuchungen und Festnahmen waren zahlreiche Kamerateams zugegen. Tatverdächtige wurden als "Täter" bezeichnet und es wurde über die Verdächtigen identifizierend berichtet. Bislang begingen zwei der Verdächtigen Selbstmord. Unklar ist, in welchem Umfang kinderpornografische Darstellungen tatsächlich sichergestellt werden konnten. In der Berichterstattung wurden lediglich Ausschnitte aus Otto-Katalogen, legale Bücher und Videos sowie nicht einsehbare CD-ROMs gezeigt und als Kinderpornografie dargestellt. Als Konsumenten wurden aufgrund des Tatverdachts ohne genaue Diagnose Pädophile und Homosexuelle angenommen (Frank Hüttemann, LKA Magdeburg).

Laut Schätzungen der UNO wird durch Handel und Herstellung von Kinderpornografie weltweit so viel umgesetzt wie durch den illegalen Waffenhandel. Eine Grundlage für diese Schätzung ist nicht bekannt. Laut einem Papier von Interpol werden pro Jahr etwa 18 Milliarden US-Dollar mit "Pornografie und Kinderpornografie" umgesetzt. Eine Abschätzungsgrundlage fehlt. In Medien wurde bisweilen von einem Umsatz von 18 Milliarden US-Dollar mit Kinderpornografie berichtet.

Konsumenten

Über die Konsumenten von Kinderpornografie liegen keine wissenschaftlichen Erkenntnisse vor. Über diese lassen sich lediglich Vermutungen anstellen. So steht zu vermuten, dass der überwiegende Teil der Konsumenten Pädophile sind, die entsprechende Darstellung zur sexuellen Stimulation und zur Triebabfuhr benötigen. Ein weiterer großer Teil der Konsumenten dürfte sich aus Heterosexuellen konstituieren, die dieses Bildmaterial zur sexuellen Stimulation verwenden oder es aus dem Anreiz des "verbotenen Materials" sammeln. Einhellige Meinung ist, dass die Konsumenten aus allen gesellschaftlichen Schichten stammen und besondere Merkmale bei diesen nicht ausfindig zu machen sind. Das Sammeln kinderpornografischer Bilder kann einen ausgeprägten suchtartigen Charakter annehmen (Internetkinderpornografiesucht).

Literatur

  • Schönke/Schröder Strafgesetzbuch Kommentar, 25. Auflage Verlag C.H. Beck, C.H. Beck'sche Verlagsbuchhandlung München 1997

Hinweis Rechtsthemen

Siehe auch: Pornographie, Pädophilie, Heterosexualität, Homosexualität, sexueller Missbrauch von Kindern