Schweizer Parlamentswahlen 2007

Wahl
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Die Schweizer Parlamentswahlen 2007 werden am 21. Oktober 2007 abgehalten. Dabei sind die 200 Mandate des Nationalrats sowie 43 der 46 Mandate im Ständerat neu zu vergeben. Diese 48. Legislaturperiode wird 4 Jahre bis im Oktober 2011 dauern.

Nationalratssaal

Im Dezember 2007 wird das neue Parlament, die Vereinigte Bundesversammlung, die neue Schweizer Regierung, den Bundesrat, wählen.

Ausgangslage (Nationalrat)

Bei den letzten Nationalratswahlen 2003 erzielten die Parteien folgende Ergebnisse:

Partei: SVP SP FDP CVP Grüne LPS EVP EDU PdA SD Lega CSP SGA SolidaritéS
Sitze: 55 52 36 28 13* 4 3 2 2 1 1 1 1 1
Wähleranteil in %: 26.73 23.33 17.30 14.38 7.62 2.18 2.28 1.26 0.90 0.92 0.35 0.36 0.50
 
Entwicklung des Wähleranteils bei Nationalratswahlen

* Während der Legislatur wechselte Martin Bäumle zur neu gegründeten Grünliberalen Partei, was für die Grüne Partei einen Sitzverlust zur Folge hatte.

Wichtige Einschnitte im Wahlgeschehen der Schweiz sind 1919 (Nationalrat erstmals nach Proporzbedingungen gewählt) und 1959 mit der Einführung der Zauberformel für die Zusammensetzung des Bundesrates nach Konkordanzbedingungen. 1995 setzte die Phase der Polarisierung im schweizerischen Parteiensystem ein, die 2003 ihren (bisherigen) Höhepunkt erreichte. Sie brachte vor allem der SVP WählerInnengewinne, etwas eingeschränkt auch der SP und den Grünen. Das so die beiden Pole in der Parteienlandschaft gestärkt wurden, spricht man häufig auch von Bi-Polarisierung.

Die Bi-Polarisierung hatte 2003/2004 grössere Folgen: Die bisherigen Zusammensetzung des Bundesrates nach der Zauberformel (2 FDP, 1 SVP, 2 CVP und 2 SP), die seit 1959 unbestritten galt, wurde gebrochen. Die CVP verlor dabei einen Sitz im Bundesrat an die die SVP. Damit büsste sie auch ihre entscheidende Scharnierrolle in der Landesregierung ein. Die Verlagerung des Schwerpunktes im Bundesrat nach Mitte/Rechts, verbunden mit der Wahl des SVP-Anführers Christoph Blocher in die Landesregierung, brachte eine erhebliche Unruhe in die schweizerische Politik. 2004 verloren die Behörden die ersten 8 Volksabstimmungen.


Zürcher Kantonsratswahlen

Die Wahlen in den Kantonsrat des bevölkerungsreichsten Kantons Zürich am 15. April 2007 werden als Hauptprobe für die nationalen Wahlen angesehen. Die SP erlitt dabei einen Einbruch von 26.72 auf 19.47 % der Wählerstimmen. Gewinner der Wahlen waren die Grünliberale Partei, die bei ihrem ersten Antreten 5.75 % der Wählerstimmen erreichte, und die Grüne Partei, die ihren Wähleranteil von 8.14 auf 10.44 % steigern konnte.[1] Die SP führte ihr schwaches Abschneiden neben der neuen Konkurrenz auf eine verfehlte Kommunikation und fehlgeschlagene Mobilisierung ihrer Wählerschaft zurück.

Im Vergleich zu allen kantonalen Wahlen seit den letzten eidgenössischen Parlamentswahlen ergibt sich aber ein differenziertes Bild. Das Parteienbarometer, das alle kantonalen Parlamentserneuerung nach einem einheitlichen Raster bewertet, spricht von einer abgeschwächten Bi-Polarisierung. Es zeigten sich neu auch eigentliche Links- resp. Rechtsrutsche. In ausgewählten Fällen wurde sogar das Zentrum wieder gestärkt, oder es obsiegten nur kantonale Aussenseiterparteien.


Wahlziele der Parteien

Die Parteien gaben folgende Wahlziele bekannt:

  • SVP: „100'000 neue Wähler gewinnen und Wähleranteil erneut steigern.“
  • SP: „Stärkste Partei werden und die rechte Mehrheit im Bundesrat sprengen.“
  • FDP: 6 zusätzliche Sitze für die FDP-Fraktion (FDP und LPS)
  • Grüne: „Drei bis fünf zusätzliche Sitze im Nationalrat und Einzug in den Ständerat.“


Rücktritte

Bisher haben folgende Ratsmitglieder angekündigt, nicht mehr zur Wahl anzutreten:

  • SVP: Fritz Abraham Oehrli (BE), Walter Schmied (BE), Hermann Weyeneth (BE), Otto Laubacher (LU), Jean Fattebert (VD), Robert Keller (ZH)
  • SP: Paul Günter (BE), Peter Vollmer (BE), Ruth-Gaby Vermot (BE), Remo Gysin (BS), Marlyse Dormond-Beguelin (VD), Barbara Haering (ZH)
  • FDP: Jean-Paul Glasson (FR), John Dupraz (GE), Jacques-Simon Eggly (LPS GE), Gerold Bührer (SH), Yves Guisan (VD), Rene Vaudroz (VD), Rolf Hegetschweiler (ZH)
  • CVP: Walter Jermann (BL), Pierre Kohler (JU), Adriano Imfeld (OW)
  • Grüne: Anne-Catherine Menetrey-Savary (VD)


Wahlkampfthemen

Folgende Sachthemen spielten im Wahlkampf eine bedeutende Rolle:

Klimaschutz und Energie

Durch den UN-Klimabericht, Al Gores Film Eine unbequeme Wahrheit und Unwetterereignisse hat das Thema Klimaschutz neuen Auftrieb erhalten. Es wird vorausgesagt, dass vor allem die Grünen davon profitieren werden können – überwiegend auf Kosten der SP, die trotz langjährigem Leistungsausweis auf diesem Gebiet eine Verschiebung zu den Grünen kaum verhindern kann. Zentrale Forderungen der linken Seite sind eine CO2-Abgabe, die Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene und die staatliche Förderung der erneuerbaren Energien. Die bürgerlichen Parteien FDP und CVP haben sich, auch angesichts der neuen Konkurrenz der Grübliberalen Partei, ebenfalls diesem Thema angenommen.

Während die bürgerlichen Parteien den Bau eines neuen Atomkraftwerkes befürworten, da damit eine drohende Abhängigkeit vom Ausland abgewendet werden und gegenüber Gaskraftwerken Treibhausgasemmissionen eingespart werden könnten, lehnt die Linke AKWs kategorisch ab und setzt stattdessen auf Effizienzsteigerungen und die erneuerbaren Energien.

Die FDP will mit einer Volksinitiative das Verbandsbeschwerderecht beschneiden, das Umweltverbänden wie dem Verkehrs-Club der Schweiz die Möglichkeit gibt, behördliche Entscheide auf Übereinstimmung mit dem Umweltgesetz richterlich prüfen zu lassen.

Jugendgewalt

Obwohl über die Zunahme der Jugendgewalt von Polizei und Jugendanwaltschaft scheinbar widersprüchliche Statistiken aufgestellt werden, ist die Bedeutung dieses Themas gewachsen. Verschiedene Fälle, insbesondere von Vergewaltigungen von Jugendlichen, wurden öffentlich und sorgten für Aufsehen. Ein Inserat der SVP, das ein Bild eines Rappers zum Thema Jugendkriminalität zeigt, erzürnte die Hip-Hop-Szene – Rapper wie Gimma und Stress protestierten lautstark. Die SVP sieht das Problem vor allem als Ausländerproblem, obwohl die Delikte der Jugendlichen mit Schweizer Pass stärker zugenommen hat, und fordert härtere Massnahmen. Aufsehen erregte auch SP-Ständeratskandidatin Chantal Galladé mit der Fordeung, das Strafrechtsalter zu senken.

Ausländerintegration und -kriminalität

Die SVP fordert mit ihrer Ausschaffungsintitative eine konsequente Ausschaffung von kriminellen Ausländern. Insbesondere die linken Parteien fordern hingegen verstärkte Integrationsbemühungen nach dem Motto «fördern und fordern». Das Basler Modell von Thomas Kessler dient dabei oft als Vorbild.

Steuern

Durch den Steuerwettbewerb unter den Kantonen versuchen die Kantone mit verschiedenen Modellen, Reiche und Unternehmen anzulocken. Die bürgerlichen Parteien sehen den Steuerwettbewerb als Mittel zur Förderung der Standortattraktivität. Die linken Parteien möchten ihn begrenzen, da er vor allem den Reichen nütze und den Staat ruiniere. Das Bundesgericht beurteilte das im Kanton Obwalden eingeführte Steuermodell mit degressiven Elementen als nicht verfassungskonform.

Mit ihrem Modell Swiss Easy Tax will die FDP die Steuererklärung stark vereinfachen, indem viele Möglichkeiten für Abzüge gestrichen werden. Dadurch sollen Steuerschlupflöcher gestopft werden. Damit gekoppelt will sie Steuersenkungen durchbringen. Auch eine Flat Tax ist im Gespräch. Die SP will die Steuererklärung noch stärker vereinfachen. Mit ihrer Steuergerechtigkeitsinitiative fordert sie einen Mindeststeuersatz für Superreiche und die Verankerung des Verbots von degressiven Steuermodellen in der Verfassung.

Wahlumfragen

Wahlumfragen über das Ergebnis der Nationalratswahlen sind in der Schweiz wegen der komplizierten Zuteilung der Sitze schwierig zu erstellen. Aus folgenden Gründen können die durch Umfragen auf nationaler Ebene gewonnenen Stimmenanteile praktisch nichts darüber aussagen, wie der nächste Nationalrat parteipolitisch zusammengesetzt sein wird:

  1. Die Stimmenanteile der Parteien werden nicht wie in Deutschland auf Bundesebene auf Mandate umgerechnet, sondern jeder der 26 Kantone bildet einen eigenen Wahlkreis, innerhalb dessen die dem Kanton zustehenden Sitze proportional zugeteilt werden.
  2. In den Kantonen können die Parteien ihre Parteilisten zu Listenverbindungen vereinigen. Diese bilden bei der Zuteilung der Mandate zunächst eine den Parteilisten übergeordnete Einheit, die durch Proporzglück oftmals Anspruch auf mehr Sitze hat als die Parteilisten getrennt erzielt hätten.
  3. Durch das Panaschieren kann der Wähler Kandidaten verschiedener Listen auf einer neuen Liste vereinigen. Jede Stimme, die er dabei einer Kandidatur einer anderen Partei gibt, wird der Partei, deren Liste verwendet wird, anteilsmässig zu den vorhandenen Linie abgezogen.
  4. In den vielen kleinen Kantonen, denen aufgrund ihrer niedrigen Bevölkerungszahl nur wenige Sitze im Nationalrat zustehen, sind kleinere Parteien traditionell benachteiligt. Dies gilt zumal für die Kantone Uri, Obwalden, Nidwalden, Glarus, Appenzell Ausserrhoden und Appenzell Innerrhoden, die nur je 1 Nationalrat nach dem Majorzverfahren wählen. Hier ist, wenn nur eine einzige Person kandidiert, sogar Stille Wahl möglich. Zwei weitere Kantone (Schaffhausen und Jura) wählen nur je 2 Nationalräte.

Wahlbarometer

Vor den Wahlen führt das Meinungsforschungsinstitut gfs.bern im Auftrag der SRG SSR idée suisse in regelmässigen Abständen repräsentative Wahlumfragen durch. Diese ergaben bisher folgende Resultate:[2]

Partei: SVP SP FDP CVP Grüne LPS EVP glp PdA
Oktober 2006: 26.4 23.5 15.5 14.2 9.2 1.1 1.9 1.2
Januar 2007: 27.0 23.0 16.1 14.9 9.0 1.0 1.9 1.0 0.8
April 2007: 26.2 22.6 15.6 14.6 10.7 1.9 1.7 1.5 1.4
4.–16. Juni 2007: 25.1 22.1 17.0 15.0 10.9 1.0 1.4 1.3 1.6
9.–21. Juli 2007: 26.2 21.6 16.2 14.6 10.3 1.5 1.8 1.8 1.4
6.-18. August 2007: 26.2 22.8 15.8 15.2 9.5 1.5 1.9 1.5 1.1

Politbarometer

Auch das Meinungsforschungsinstitut Isopuplic führt Umfragen durch. Deren Resultate unterscheiden sich teilweise deutlich von denjenigen des „Wahlbarometers“.

Partei: SVP SP FDP CVP Grüne LPS EVP CSP PdA EDU SD FPS andere (inkl. glp)
20.–28. Oktober 2006[3]: 24.7 25.3 15.2 14.1 9.1 3.8 3.3 0.4 0.4 0.3 0.3 0.2 2.9
6.–23. Juni 2007[4]: 24.6 24.2 15.4 14.6 9.8 4.2 3.2 0.4 0.6 0.3 0.2 2.5

Schliesslich hat auch das Institut Demoscope eine Wahlumfrage veröffentlicht, zu der jedoch nur beschränkt technische Daten[5] verfügbar sind.

Partei: SVP SP FDP CVP Grüne
März 2007: 29.1 23.1 15.4 15.6 8.1
Juni 2007: 24.4 25.2 15.9 15.0 9.8


Ständeratswahlen

 
Ständeratssaal

Die Ständeratswahlen richten sich nach kantonalem Recht. Mit Ausnahme der Kantone Appenzell-Innerrhoden und Zug wird in allen Kantonen auch die Ständevertretung am 21. Oktober gewählt. Im Kanton Graubünden finden die Ständeratswahlen zum ersten Mal gleichzeitig mit den Nationalratswahlen statt. Zug hat seine beiden Ständeräte bereits am 29. Oktober 2006 bestimmt, Appenzell-Innerrhoden wählte seinen (einzigen) Ständerat, Ivo Bischofberger (CVP) am 29. April 2007 an der Landsgemeinde.

Zürich

Sieben Kandidatinnen und Kandidaten bewerben sich für die frei werdenden Sitze von Hans Hofmann und Trix Heberlein. FDP und SVP wollen mit Felix Gutzwiller und Ueli Maurer das „bürgerliche Ticket“ verteidigen. Daneben treten alt Regierungsrätin Verena Diener (GLP), Chantal Galladé (SP), Daniel Vischer (Grüne), Kathy Riklin (CVP) und Ruedi Aeschbacher (EVP) an.

Quellen

  1. Wahlstatistik des Kantons Zürich
  2. gfs-Wahlbarometer
  3. http://www.isopublic.ch/publikationen/archiv/2006/30.10.06_Politbarometer3.pdf
  4. http://www.isopublic.ch/publikationen/pdf/Wahlen.pdf
  5. http://www.nzz.ch/2007/06/29/il/newzzF3IX4U05-12.html