Pandora (Insel Verlag)
Die Reihe Pandora ist eine 1920 und 1921 im Leipziger Insel Verlag erschienene Buchreihe mit überwiegend fremdsprachigen Texten.

Editionsgeschichte sowie vertretene Sprachen und Autoren
1920 (40 Titel) und 1921 (12 Titel) erschien als Seitenstück zur Insel-Bücherei im Leipziger Insel Verlag die Buchreihe Pandora mit kleineren Werken aus sieben Originalsprachen, ausgenommen ein Titel mit Übertragungen deutscher Gedichte ins Russische (P 49), das waren: Deutsch (8), Englisch (14), Französisch (15), Italienisch (6), Lateinisch (2), Russisch (5) und Spanisch (2).
Die Reihe wurde vor allem deshalb aufgelegt, um nach dem Ersten Weltkrieg den Lesern in Deutschland die Lektüre auch ausländischer klassischer Literatur kleineren Umfangs im Originaltext zu ermöglichen. Deren Import war aufgrund der inflationsbedingten Devisenknappheit nämlich kaum mehr möglich.
Die Pandora-Bändchen stellten eine Ergänzung zu den gleichzeitig vom Insel Verlag edierten fremdsprachigen Reihen mit größerem Werkumfang dar. Dies war zum einen die Reihe Libri librorum (Bücher der Bücher), in der zum Beispiel Homers Ilias (Vorlage:Polytonisch) im altgriechischen und Dostojewskis Schuld und Sühne (Преступление и наказание) im russischen Originaltext erschienen, und zum anderen die von Stefan Zweig angeregte Reihe Bibliotheca mundi (Weltbibliothek). Hier wurden u. a. die Blumen des Bösen (Fleurs du mal) von Baudelaire, der Russische Parnaß (Русскiй Пapнac - eine Sammlung von Gedichten, die von Lomonossow bis Anna Achmatowa reicht und von Alexander Eliasberg zusammengestellt wurde), oder die Anthologia Hebraica (מבחר השירה העברית), eine vom Prager Oberrabbiner Chaim (Heinrich) Brody (1868 - 1942) herausgegebene Sammlung geistlicher Gedichte der 1492 aus Spanien vertriebenen Juden in hebräischer Sprache, verlegt.
Der Bogen der bei Pandora vertretenen Autoren spannt sich von der Antike mit Tacitus (Germania - P 7), über das Mittelalter mit Petrarca: Trionfi (P 20) und Boccaccio: Vita di Dante (P 42) hin zu Shakespeare: Sonnets (P 1) und schließlich zu Dichtern, Schriftstellern und Philosophen des 17. bis 19. Jahrhunderts (Angelus Silesius: Aus des Angelus Silesius Cherubinischem Wandersmann nebst geistlichen Liedern (P 34), Prosper Mérimée: Carmen (P 24), Lord Byron: Marino Faliero Doge of Venice (P 15), Immanuel Kant: Zum ewigen Frieden (P 3) und Leo N. Tolstoi: Volkserzählungen (P 45).
Nach dem Ende der Inflation im Dezember 1923 bestand für eine Fortsetzung dieser Reihe keine wirtschaftliche Notwendigkeit mehr, zumal nun wieder uneingeschränkt Literatur aus dem Ausland nach Deutschland eingeführt werden konnte und die Verkaufszahlen nicht den Erwartungen des Verlags entsprachen. Beleg für die generellen Absatzschwierigkeiten dieser Reihe ist der Umstand, dass sogar noch nach dem Zweiten Weltkrieg, also 25 Jahre nach dem Druck, im Leipziger Verlagshaus Restbestände dieser Reihe einheitlich in einem sonst bei der Insel-Bücherei verwandten, recht schmucklosen grün-grauen Einband, der für den von Kippenberg selbst verfassten Titel Schüttelreime (IB 219/3) vorgesehen war, aufgebunden und verkauft wurden.
Ausstattung, Auflagen und Vorkommen


Für die 52 verschiedenen Titel der Reihe wurden von Kippenberg vier Einbandpapiere ausgewählt, die in den 1920er Jahren in geringem Umfang auch bei Folgeauflagen von Titeln der Insel-Bücherei verwendet wurden. Daneben kamen auch die Musterpapiere der Insel-Bücherei zum Zuge. Der Reihe wurde ein eigenes, 1920 von Walter Tiemann entworfenes Signet beigegeben. Es zeigt im aufrecht stehenden Oval ein zweimastiges Segelschiff auf wellenbewegtem Wasser und darüber den Namenszug "PANDORA". Die Titelschilder erhielten abweichend von der Insel-Bücherei besondere graphische Gestaltungen.
Bei den Bänden der Reihe handelte es sich fast ausschließlich um reine Textbände. Lediglich drei Titeln wurden Holzschnitte oder Initialen beigegeben.
Für die Edition, deren Auflage nach Verlagsangaben etwa 10000 pro Titel betragen haben soll, mussten aufgrund der nachkriegsbedingten Materialknappheit stark holzhaltiges Papier und geringerwertige Einbandpappen, was häufig zu Schäden am Buchrücken führte, eingesetzt werden, so dass viele Bändchen nur noch in schlechter Qualität erhalten geblieben sind.
Heute sehr selten zu finden sind neben den russischsprachigen Ausgaben, da sehr wahrscheinlich die Nachfrage nach diesen Bändchen besonders gering war, viele der deutschen Ausgaben. Dies mag einerseits auf die Aufbindung von Restauflagen in der Insel-Bücherei zurückzuführen sein (siehe unten). Andererseits kommt eine Makulierung von Restauflagen der in schlechter Materialqualität hergestellten Bändchen Ende der 1920er Jahre in Betracht, da Kippenberg zwischenzeitlich alle deutschsprachigen Titel in neuen Ausgaben in der Insel-Bücherei verlegt hatte. Der wohl seltenste Titel dieser Reihe, Friedrich Schillers Wilhelm Tell, mag aufgrund des günstigen Preises zwar vollständig verkauft, jedoch in Schulen (Klassensatz) oder möglicherweise auch im Theaterbetrieb verschlissen worden sein.
Verwendung der Restbestände an Druckbogen deutschsprachiger Titel
Noch vorhandene Restbestände von fünf deutschsprachigen Titeln wurden 1924 in die Insel-Bücherei übernommen und mit deren Ausstattung und Bandnummer verkauft. Das Vorsatzblatt mit dem Pandora-Signet wurde bei diesen Aufbindungen meist belassen. Außerdem tragen sie die Pandora-Druckbogenzählnummer.
Die schon als Nummer 28 für diese Reihe vorbereitete Holzschnittfolge Bilder des Todes von Hans Holbein dem Jüngeren erschien angesichts des schlechten Verkaufserfolgs der Reihe wohl von vornherein ausschließlich in der Insel-Bücherei mit deren Ausstattung (Einband, Schilder und Titelblatt). Die Erstauflage ist aber anhand der Bogenzählnummer "P 28" und bei einigen wenigen Exemplaren auch an dem versehentlich mit eingebunden, ursprünglichen Pandora-Vorsatzblatt mit dem Pandora-Signet erkennbar.
Literatur
- Hans-Eugen Bühler u.a. (Hrsg.): Insel-Bücherei. Mitteilungen für Freunde. Insel Verlag Frankfurt am Main und Leipzig 1990 ff. (2007 Nr. 26)
- Helmut Jenne: Katalog der Sammlung Jenne. Die Varianten der Erstauflagen der Insel-Bücherei und nahestehenden Reihen und Gruppen mit über 900 Abbildungen, Eigenverlag des Autors 1995
- Herbert Kästner (Hrsg.): Insel-Bücherei. Bibliographie 1912 - 1999, Frankfurt/Main, Insel Verlag 1999, 264 S., ISBN: 458169865
- Friedrich Michael (Hrsg.): Die Insel-Bücherei 1912 - 1937, Leipzig, Insel Verlag 1937, 78 S.
- Helmut K. Musiol: Variationen der Insel-Bücherei (Verkaufskatalog), Selbstverlag des Autors, Murnau 1989
- Gerd Plantener (Hrsg.): Die Insel-Bücherei 1912-1984. Eine Bibliographie Frankfurt/Main, Selbstverlag des Autors, 1985, 230 S.
- Heinz Sarkowski, Heinz u. Wolfgang Jeske: Der Insel-Verlag 1899 - 1999. Die Geschichte des Verlags, Insel Verlag, Frankfurt am Main/Leipzig 1999, 680 S. ISBN 3458169857