Chemische Gasphasenabscheidung
Unter dem Begriff chemische Gasphasenabscheidung (englisch chemical vapor deposition) versteht man ein Beschichtungsverfahren.
Es handelt sich um eine Gruppe von Beschichtungsverfahren, deren wichtigste Anwendung die Waferbeschichtung ist.
Historie
Der Begriff CVD bzw. Chemical Vapor Deposition wurde im Jahr 1960 von John M. Blocher, Jr. geprägt. Mit diesem Begriff sollte die chemische Gasphasenabscheidung von physikalischen Beschichtungsverfahren unterschieden werden, die John Blocher unter dem Begriff PVD (Physical Vapor Deposition) zusammenfasste.
Die Geschichte des Verfahrens beginnt jedoch sehr viel früher. Bereits 1852 berichtete der deutsche Chemiker Robert Wilhelm Bunsen über die Abscheidung von Fe2O3 aus gasförmigem Eisenchlorid (FeCl3) und Wasserdampf [1]. Je nach Begriffsdefinition lassen sich auch noch deutlich ältere Berichte über CVD-Prozesse finden.
Verfahrensprinzip
An der erhitzten Oberfläche eines Substrates wird aufgrund einer chemischen Reaktion aus der Gasphase eine Feststoffkomponente abgeschieden.
Voraussetzung hierfür ist, dass flüchtige Verbindungen der Schichtkomponenten existieren, die bei einer bestimmten Reaktionstemperatur die feste Schicht abscheiden.
Das Verfahren der chemischen Gasphasenabscheidung zeichnet sich durch mindestens eine Reaktion an der Oberfläche des zu beschichtenden Werkstücks aus. An dieser Reaktion müssen mindestens zwei gasförmige Ausgangsverbindungen (Edukte) und mindestens zwei Reaktionsprodukte - davon mindestens eines gasförmig und mindestens eines in der festen Phase - beteiligt sein.
Um die Oberflächenreaktion gegenüber konkurrierenden Reaktionen in der Gasphase zu bevorzugen und somit die Bildung von festen Partikeln zu vermeiden, werden Prozesse der chemischen Gasphasenabscheidung zumeist bei reduziertem Druck betrieben (typisch: 0,01-10 hPa).
Eine besondere Eigenschaft des Verfahrens ist die konforme Schichtabscheidung. Im Unterschied zu physikalischen Verfahren ermöglicht die chemische Gasphasenabscheidung auch die Beschichtung von komplex dreidimensional geformten Oberflächen. So können z. B. feinste Vertiefungen in Wafern oder auch Hohlkörper auf ihrer Innenseite gleichmäßig beschichtet werden.
Beispiele
- synthetische kristalline Diamantschichten werden aus einer Gasphase abgeschieden, die im Allgemeinen zu etwa 99 Vol.% aus Wasserstoff und nur etwa 1 Vol.% aus einer Kohlenstoffquelle (Methan, Acetylen) besteht. Die Gase werden entweder thermisch, mit Hilfe eines Plasmas oder eines Lasers aktiviert. Der Überschuss an Wasserstoff unterdrückt u. a. die gleichzeitige Bildung von sp² hybridisierten Kohlenstoffspezies (Graphit, amorpher Kohlenstoff).
- Eine Siliciumnitrid-Schicht wird aus Ammoniak und Dichlorsilan erzeugt.
- Für Siliciumdioxid-Schichten benutzt man Silan und Sauerstoff oder TEOS (Tetraethyl-Orthosilicat) und Sauerstoff.
- Zur Herstellung von Metall/Silicium-Hybriden (Siliciden) wird Wolframhexafluorid eingesetzt.
- Titannitrid-Schichten zum Härten von Werkzeugen (Bohrer, Schneidwerkzeuge) werden aus TDMAT und Stickstoff erzeugt.
- Zinnoxid-Schichten werden aus Zinn-Chlorid oder Zinn-organischen Verbindungen und Sauerstoff oder Wasserdampf auf Flachglas und auf Behälterglas abgeschieden.
- Siliciumcarbid-Schichten werden auf heißen Oberflächen (über ca. 800 °C) aus einem Gemisch aus Wasserstoff und Methyl-Trichlor-Silan (CH3SiCl3) abgeschieden.
Anwendung
Beschichtungen werden in der Elektronikindustrie angewendet, um z. B. Si3N4, SiO2, poly-Si, kristallines Si (EPI-Si) und SiONx auf Waferoberflächen abzuscheiden.
Vor der Abscheidung wird der Wafer in einem Trockenätzverfahren (Dry Etch Process) gereinigt, bei dem entweder Schwefelhexafluorid oder eine Mischung aus Tetrafluormethan und hochreinem Sauerstoff eingesetzt werden. Stickstoff und Wasserstoff dienen dabei als Trägergase. Die CVD-Reaktionskammern werden mit Stickstofftrifluorid gereinigt.
Für die Strukturierung von Silicium durch Ätzverfahren kann mittels Gasphasenepitaxie eine mit Bor dotierte EPI-Si-Schicht als Ätzstoppschicht abgeschieden werden.
Außerhalb der Elektronikindustrie ist die Veredelung von Glas eines der größten Anwendungsgebiete der chemischen Gasphasenabscheidung. So werden jährlich ca. 10 Mio m² Architekturglas mit Wärmeschutzschichten aus Fluor-dotierten Zinnoxid überzogen [2]. Eine weitere wichtige Anwendung von Zinnoxid-Schichten ist der Schutz von Behälterglas. Die Beschichtung der Außenflächen schützt das Glas gegen mechanische Stoßbelastungen, z. B. in Abfüllanlagen.
Weitere Anwendungen sind optische Schichten auf Glas [3], auf Kunststoff [4] sowie gasdichte Barriere-Schichten [5].
Bordotierte CVD-Diamantelektroden [6] werden u. a. in der industriellen Wasserbehandlung zur Abwasseroxidation und Desinfektion von Prozesswässern eingesetzt.
Verfahrensgrenzen
Nicht für jede wünschenswerte Schicht gibt es eine gasförmige Verbindung, aus der sie hergestellt werden könnte.
Eine weitere Einschränkung des Verfahrens stellt die hohe Temperaturbelastung des Substrates dar. Die Hitzebelastung kann unter anderem Verzug an Werkstücken bedingen oder oberhalb der Erweichungstemperatur des zu beschichtenden Materials liegen, sodass das Verfahren nicht angewendet werden kann. Außerdem kommt es bei hohen Temperaturen zu Diffusionsprozessen, dadurch werden Dotierprofile verschmiert oder Metalle nach Beschichtungsprozessen diffundieren ein. Allerdings gibt es auch Varianten, wo die thermische Belastung geringer ist und dadurch die negativen Effekte verringert werden.
Varianten
Durch die plasmaunterstützte chemische Gasphasenabscheidung (PECVD: Plasma Enhanced CVD) kann die Temperaturbelastung des Substrates reduziert werden. Dabei wird oberhalb des Wafers ein Plasma gezündet. Die eingeleiteten Gase werden in diesem Plasma angeregt, dadurch reduziert sich die Reaktionsenergie und die Temperatur kann dadurch niedriger sein. Allerdings besteht hierbei der Nachteil, dass durch die Strahlung des Plasmas die Kristallstruktur des Wafers geschädigt wird.
Beim RPECVD (Remote Plasma Enhanced CVD) wird das Plasma räumlich vom Substrat getrennt. Dadurch wird die Strahlungsbelastung des Substrats reduziert.
Das HFCVD Verfahren (Hot Filament Chemical Vapour Deposition = Heissdraht aktivierte Gasphasenabscheidung) ermöglicht die Schichtabscheidung durch im Rezipienten gespannte Filamente (Drähte), die üblicherweise aus Wolfram oder Tantal bestehen. Durch eine angelegte Spannung werden die Filamente zum Glühen gebracht, wobei Drahttemperaturen von bis zu 2.600 °C erreicht werden. Die verwendeten Gase werden durch diese hohen Temperaturen an den Filamenten zu Radikalen gespalten und die so gebildeten Species sorgen für den Schichtaufbau (z. B. Herstellung von polykristallinen Diamantschichten).
APCVD (Atmospheric Pressure CVD) wird im Unterschied zu den meisten CVD-Prozessen nicht bei reduziertem, sondern bei Normaldruck betrieben.
Mit MOCVD (Metal Organic CVD, auch: OMCVD) wird die chemische Abscheidung aus metallorganischen Ausgangsverbindungen bezeichnet. Eine Untergruppe des MOCVD ist die Gasphasen-Epitaxie (MOVPE: Metal Organic Vapor Phase Epitaxy), bei der kristalline Schichten sehr hoher Qualität hergestellt werden. Im Bereich der Verbindungshalbleiterherstellung wie z. B. III-V und II-VI Halbleiter werden diese Bezeichnungen, je nach Sprachraum, für identische Prozesse verwendet.
Eine Spezialität, die den besonderen Vorteil des CVD nutzt, auch poröse Körper gleichmäßig beschichten zu können ist das CVI (Chemical Vapor Infiltration). Diese Methode wird z. B. für die Beschichtung von Faserbündeln eingesetzt.
CVD-Variante | typ. Arbeitstemperatur | typ. Arbeitsdruck | Aktivierungsenergie | Verwendungszwecke |
---|---|---|---|---|
APCVD | 1000 – 1300 °C | 1 bar | thermisch aktiviert | Poly-Si abscheiden für Leiterbahnen, Gateoxid, Epitaxie von Si-Wafern |
LPCVD | 500 – 1000 °C | 0,01 – 10 mbar | thermisch aktivierter Prozess | Leiterbahnen, Gateoxid Si3Ni4 |
PECVD | 200 – 500 °C | 1 mbar | plasma + thermisch | SiO2 abscheiden => Dielektrikum Si3N4 => Passivierung |
Einzelnachweise und Fußnoten
Literatur
Eine hervorragende Übersicht über die chemische Gasphasenabscheidung ist in dem Klassiker C. F. Powell; J. H. Oxley, J. M. Blocher, Jr. Vapor Deposition, Wiley (New York), (1966). zu finden, der trotz seines Alters in den Grundlagen noch immer sehr aktuell ist.
Ein sehr ausführlicher Übersichtsartikel neuerer Zeit, in dem auch neben den einzelnen Verfahren auch Vor- und Nachteile der einzelnen Reaktortypen beschrieben werden, ist:
- K. L. Choy: Chemical vapour deposition of coatings. In: Progress in Materials Science 48 (2003), Nr. 2, S. 57–170 doi:10.1016/S0079-6425(01)00009-3