Pflegewissenschaft

Wissenschaft, die sich mit Fragen der Gesundheits- und Kranken-, Kinderkranken- und Altenpflege auseinandersetzt
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Pflegewissenschaft ist der wissenschaftliche Rahmen für die Praxisdisziplinen der Pflege-Fachrichtungen.

Spektrum der Pflegewissenschaft

Im Gegensatz zu der anatomisch-physiologischen Betrachtungsweise der Medizin wird in der Pflegewissenschaft versucht, ein ganzheitliches Menschenbild zugrunde zu legen, in dem die Sichtweise und das Erleben der geflegten Person eine wichtige Rolle einnimmt. Zentrale Themen sind dementsprechend:

Im Gegensatz zu früher, wo vor allem die (meta-) theoretische Auseinandersetzung um Grundbegriffe dominierte, sind zunehmend Fragestellungen der Pflegepraxis relevant, sprich Forschungsergebnisse sollten auf diese zurückwirken. Pflegepraxis und Pflegewissenschaft sind damit zwei sich wechselseitig beeinflussende Handlungsfelder der Pflege. Vor allem die Überprüfung der Wirksamkeit von Pflegemaßnahmen und -konzepte ist dabei in den Mittelpunkt geraten. Die Ergebnisse sollen (unmittelbar) der Qualitätsverbesserung dienen.

Methodische greift man vorrangig auf die Praktiken der qualitativen und quantitativen Sozialforschungzurück.

Geschichte

Erste pflegewissenschaftliche Orientierungen finden sich bereits im 19. Jahrhundert. So nutzte die englische Krankenschwester Florence Nightingale, die als die Pionierin der modernen Krankenpflege gilt, statistische Methoden zur Sammlung und Untersuchung von Gesundheitsdaten.

Die Wurzeln der modernen Pflegewissenschaft liegen hingegen im US-amerikanischen Raum: Der erste Studiengang wird dort bereits auf das Jahr 1907 datiert. Nach dem Ende des 2. Weltkrieges sorgte in den USA die von der Russell Sage Foundation unterstützte und von Esther Lucille Brown herausgebrachte Studie Nurses for the future für neue Impulse[1], indem sie über die mangelhafte pflegerische Versorgung in den USA berichtete und ausdrücklich die Verweisung der Ausbildung an die Universitäten forderte. Dementsprechend entstanden zunächst pflegepädagogische und pflegemanagerielle Studiengänge. Zeitlich deutlich versetzt bildeten sich dann originär pflegewissenschaftliche Studienangebote, entstanden Forschungsinstitute und entsprechende Fachzeitschriften. 1952 eröffnete Hildegard Peplau den Wissenschaftsdiskurs um Pflegetheorien und Pflegemodelle[2].

Von den USA ausgehend gelangte die Akademisierungs-Bewegung mit unterschiedlicher Geschwindigkeit in Europa an: In Heidelberg begannen bereits 1946 Gespräche zur Einrichtung eines Pflegestudienganges an der Universität Heidelberg. Diese führten 1953 zur Gründung der Schwesternschule der Universität Heidelberg. Der Wunsch nach einer akademischen Ausbildung scheiterte jedoch, nicht zuletzt am Widerstand der Schwesternorganisationen. In der DDR existierten erste pflegebezogene Studiengänge an der Humboldt-Universität zu Berlin und in Halle/Wittenberg bereits ab den 60er Jahren, wenngleich mit einer stärkeren pädagogisch-didaktischer oder medizin-naturwissenschaftlicher Prägung. Auch in Großbritannien und den skandinavischen Ländern wurden verhältnismäßig früh mit dem Aufbau von Pflegestudiengängen begonnen.

Ab der zweiten Hälfte der 80er Jahre entstanden auch in der Bundesrepublik Deutschland pflegebezogene Studiengänge, zum Teil in Verbindung mit anderen Fachbereichen - wie beispielsweise die Besetzung des Lehrstuhls „Pflege- und Sozialwissenschaften“ an der Fachhochschule Osnabrück durch Ruth Schröck im Jahr 1987. In Ermangelung anderer Möglichkeiten war es zum damaligen Zeitpunkt üblich, dass die Lehrbeauftragten einem pflegewissenschaftlichen Abschluss aus den USA oder Großbritannien inne hatten oder anderen wissenschaftlichen Disziplinen entstammten (z. B. Soziologie, Psychologie, Pädagogik). An dieser Situation hat sich - trotz inzwischen vielfältiger Studienabschlüsse und Promotionsmöglichkeiten - auch heutzutage nicht viel geändert.

Im selben Zeitraum entstanden auch außerhalb Fachhochschulen und Universitäten Institutionen, die sich der Förderung der Pflegewissenschaft und -forschung verschrieben haben. Zu nennen sei nur das aus einer Stiftung hervorgegangene Agnes-Karll-Institut für Pflegeforschung des DBfK. Im Jahre 1991 konnte das Institut eines der ersten Forschungsprojekte im Kernbereich von Pflege abschließen: Der Pflegeprozeß am Beispiel von Apoplexiekranken – Eine Studie zur Erfassung und Entwicklung ganzheitlich-rehabilitativer Prozeßpflege, die über die Dauer von drei Jahren vom Bundesministerium für Gesundheit gefördert und unter der Leitung von Monika Krohwinkel durchgeführt wurde[3].

1988 erschien mit der Zeitschrift Pflege aus dem Huber Verlag (Bern) erstmalig eine deutschsprachige Wissenschaftspublikation für die Pflege.

Probleme im deutschsprachigen Raum

Hinsichtlich der eigenen Nachwuchsförderung sind in den letzten Jahren erste Fortschritte gemacht worden. So sind an verschiedenen Universitäten diverse Möglichkeiten zur Vorbereitung auf eine Promotion geschaffen worden (z. B. an der Universität Witten/Herdecke oder an der Humboldt-Universität zu Berlin). Zugleich scheint es aber so, dass sich für Absolventen von Fachhochschulen - trotz der Bologna-Erklärung - nur wenig geändert hat. So werden von diesen weiterhin Zusatzleistungen verlangt[4].

Zugleich sind die Karrieremöglichkeiten begrenzt: Zum einen sind weiterhin viele Lehrstühle mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus anderen Wissenschaftsdisziplinen besetzt, zum anderen schränken strukturelle und finanzielle Möglichkeiten die Handlungsmöglichkeiten in Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Staaten (Niederlande, England, Schottland) stark ein. Darüber hinaus - auch aufgrund der noch jungen Forschungstradition - stehen bisher kaum Instrumente zur Verfügung, die hohen wissenschaftlichen Standards genügen[5], geschweige denn eine flächendeckende Forschungsstuktur.

Pflegewissenschaftler/-innen

  • Bekannte deutschsprachige Pflegewissenschaftler/-innen
Chris Abderhalden, Sabine Bartholomeyczik, Evelin Burns, Theo Dassen, Sabina DeGeest, Georges Christoffel Maria Evers, Dorothea Gross, Liliane Juchli, Sylvia Käppeli, Annemarie Kesselring, Monika Krohwinkel, Christa Lohrmann, Ian Needham, Jürgen Osterbrink, Susanna Schaffer, Doris Schaeffer, Ruth Schröck, Hilde Steppe
  • Prominente nicht deutschsprachige Pflegewissenschaftler/-innen
Virginia Henderson, Dorothy Johnson, Madeleine Leininger, Myra Levine, Florence Nightingale, Dorothea Orem, Ida Jean Orlando, Martha Rogers, Nancy Roper, Callista Roy, Jean Watson

Pflegeforschungsinstitute

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Artikel in Nurseweek
  2. Silvia Käppeli: Standortbestimmung von Pflegewissenschaft und Pflegeforschung im deutschsprachigen Raum unter Berücksichtigung der internationalen Entwicklung. In: Gesellschaft zur Förderung der Pflegewissenschaft NRW e.V. (Hrsg.): Die Bedeutung der Pflegewissenschaft für die Professionalisierung der Pflege. Bielefeld 1996 ISSN 1435-4081 [1]
  3. Gertrud Hundenborn: Zur Entwicklung von Pflegewissenschaft und Pflegeforschung. In: Gesellschaft zur Förderung der Pflegewissenschaft NRW e.V. (Hrsg.): Die Bedeutung der Pflegewissenschaft für die Professionalisierung der Pflege. Bielefeld 1996 ISSN 1435-4081 [2]
  4. Renate Stemmer: Aktueller Stand und Perspektiven der Pflegewissenschaft. In: Pflege und Gesellschaft. Heft 4/2004, S. 126-163 , ISSN 1430-9653 [3]
  5. a.a.O.

Literatur (Auswahl)

  • Hermann Brandenburg, Stephan Dorschner (Hrsg.): Pflegewissenschaft 1. Lehr- und Arbeitsbuch zur Einführung in die Pflegewissenschaft. Huber, Bern 2001, ISBN 3-456-84161-2
  • Nancy Burns, Susan K. Grove: Pflegeforschung verstehen und anwenden. Elsevier, München 2005, ISBN 3-437-25996-2
  • Geri Lobiondo-Wood, Judith Haber: Pflegeforschung. Methoden, Bewertung, Anwendung. Elsevier, München 2005, ISBN 3-437-25936-9
  • Hanna Mayer: Thema Pflegeforschung 2006. Facultas, Wien 2006, ISBN 3-85076-756-6