Thor

Thor im Norden, oder Donar bei den kontinentalen germanischen Völkern, ist der „Donnerer“ (an. Þórr, ahd. Donar, as.Thunaer, ags. þunor, aus g. þunraR „donnern“).[1] Er fungiert für die zur See fahrenden Völker als der wichtige Gewitter- und Wettergott und in weiterer Funktion als Vegetationsgottheit innerhalb der bäuerlichen germanischen Volksgemeinschaft. In den eddischen Schriften hat er die Aufgabe des Beschützers von Midgard, der Welt der Menschen.[2]
Etymologie und Herkunft
Bei den Indogermanischen Sprachvölkern, und über sie hinaus, hat der Himmelsgott Blitz und Donner in seiner Gewalt. Thor/Donar entstand vermutlich aus den ererbten Grundzügen der indogermanischen Urreligion und entwickelte sich unter den regionalen kulturell-religiösen Schwankungen bei den germanischen Völkern fort. Nach der Theorie von Dumezil haben die drei Hauptgötter bei den indogermanischen Völkern jeweils eine Funktion, der donnernde Himmelsgott hat die erste Position inne. Bei den Germanen hat sich die Gestalt des Donnerers von der des Himmelsgottes gesondert abgelöst, so dass er die zweite Funktion ausfüllt.
„Jupiter tonans“, Zeus, der keltische Taranis, sie nutzen als Waffe den steinernen Donnerkeil, der durch den Blitzstrahl vom Himmel zur Erde geworfen wird. Der Himmel als Begriff geht auf eine indogermanische Wortwurzel zurück die Stein, Amboss bedeutet.[3] Vom gemeingermanischen *Þunraz wird wie beispielsweise von Zeus gesagt, das dessen Donner dem Fahren eines Wagens gleicht, wie über ein Gewölbe. So geht der germanische Name des Gottes gleichlautend mit dem des Naturphänomens auf eine Wortwurzel zurück, die einen Schalllaut darstellt, und welchen speziell Wörter für „Donner“und „donnern“ aufweisen; ig. *ten. Hierzu als erläuternder Vergleich lat. tonare „donnern“, an. Þónarr „donnern“, ai. tanyu „donnernd“, ags. Þunian ebenfalls „donnern“.
Eine weitere Parallele zu anderen indogermanischen Mythen ist die des Drachen- bzw. Schlangenkampfes, die der Donnergott austrägt. Bei Thor ist es die Auseinandersetzung mit der Midgardschlange, bei den Griechen Apollon mit Python und Herakles gegen Hydra, der hethitische Gott Tarhunna und die Schlange Illuyanka, und in der indischen Mythologie der Kampf des Gottes Indra mit dem Vrithra-Drachen. Dieser wird in den Rigveden mit immer neuen Hymnen gepriesen. Das Besingen des Drachenkämpfers und Ungeheuerbezwingers im Mythos ist in allen genannten Kulturen evident, es handelt sich um kultsymbolische Kämpfe die zum prägenden religiösen Typus wurden.[4]
Tacitus stellte in seiner Germania durch die Interpretatio Romana dem Donar Hercules gleich (Kap.9), aus den sich gleichenden Wesensmerkmalen heraus. Als Verkörperung der „Kraft“ ähneln sie sich auch durch ihre Attribute, die des Hammers und der Keule. Darüber hinaus schildert Tacitus im Kapitel 3., das die Germanen bei der „Herculesverehrung“ diesen durch einen „Barditus“ besangen, und dies besonders auch vor einer Schlacht.[5] In attischer Urzeit wurde den Athenern durch das delphische Orakel geraten den Paian (Παιάν) zu singen als mythische Beschwörung des Sieges. Dieses Singen des Paian geht auf den Apollon Mythos und dessen siegreichen Kampf mit Python zurück.[6]
Die Vorstellung des Hammer schwingenden, wagenfahrenden Wetter/Donnergottes ist ein uraltes Gottesbild, der hethitische Tarhunna wird identisch geschildert als wagenfahrende, hammerschwingende Gottheit. In zahlreichen skandinavischen Felszeichnungen und Abbildungen in Steingräbern sind männliche Figuren wiederzufinden die einen Hammer oder vielmehr Äxte (Doppeläxte) bzw. Beile erhebend zeigen,[7] oftmals in phallischer Pose (z.B. Grab von Kivik), die daher auch als göttliches Wesen gedeutet werden. Im indogermanischen Vergleich ist festzustellen, das die verwandten Donnergottheiten von Thor/Donar zwischen Axt und Hammer tendieren. Der Thorshammer als Amulett galt in spätheidnischer Zeit besonders bei Frauen als Fruchtbarkeitsymbol (Grabungsfunde in Haithabu).
Die Vorstellung von Thor ist unter den germanischen Völkern einheitlich, dennoch gab es durchaus Entwicklungen und Veränderungen, z.B. in den Positionierungen dem Rang nach, vor allem in der römischen Zeit, der Zeit der Völkerwanderung und in der Wikingerzeit.[8] Odin nimmt von Süden nach Norden wandernd die höchste Stellung ein und verdrängt den alten Himmelsgott Tyr, auch Thor wird ihm untergeordnet. In Norwegen wird Thor aber als wichtigster Gott verehrt, und das vor allen von der bäuerlich lebenden Bevölkerung. Ihm waren Tempel, Quellorte und Haine geweiht, Ortsnamen die auf Thor's Namen zurück gehen sind noch heute wahrnehmbar; in England, Schweden, Norwegen und Island im zahlenmäßigen Vergleich vor allen anderen theophoren Ortsnamen. Die Schilderung des Odin als den obersten Gott, und dessen Verehrung war in Skandinavien vor allem eine höfische Sitte durch die Skalden. Das hatte unmittelbaren Einfluss auf die mythischen Überlieferungen der im 13. Jahrhundert schriftlich fixierten Edda. Durch die frühe und intensive Christianisierung der kontinentalen germanischen Stämme und Völker, und die hauptsächlich klerikal geprägte Literatur des frühen Mittelalters und einhergehender gezielter Vernichtung von Schriften heidnischen Inhalts bzw. den Aufschluß über das germ. Heidentum, sind wenige Zeugnisse und keine tiefergehenden charakterisierenden Mitteilungen von Donar überliefert. Somit sind die heutigen Kenntnisse über Thor fast zur Gänze den isländischen Sagas und eddischen Schriften entnommen. Diese sind aber von christlichen Einflüssen nicht unberührt geblieben.[9]
Donar in der frühmittelalterlichen Überlieferung
Im sächsischen Taufgelöbnisdes 8. Jh., einer Abschwörungsformel vom tradierten paganen Glauben, wird Donar in angelsächsischer Transkription als Thunaer zusammen mit anderen Göttern erwähnt.
Ausschnitt aus dem sächsischen Taufgelöbnis
[...] end ec forsacho [...] Thunaer ende Uuoden ende Saxnote ende allum them unholdum
„[...] und ich entsage [...] [dem] Donar und Woden und Saxnot und allen Unholden.“
Die alemannische Runenfibel(spange) von Nordendorf (Anf. 7. Jh.) nennt unter anderem Wodan.
Der langobardische Gelehrte Paulus Diaconus erwähnt in einem Gedicht über den dänischen König die Götter Waten und Thonar. Die Formen der Namen zeigen aber oberdeutsche Formen und nicht dänische.
Das wohl bekannteste dem Donnergott geweihte Heiligtum war die Donareiche (im Text: robur Iovis) bei Fritzlar in Nordhessen, die Bonifatius im Jahre 723 fällen ließ. Aus dem Holz der gefällten Eiche wurde ein Bethaus für St. Petrus errichtet.
Thor in der nordischen Mythologie
Die hoch- und spätmittelalterliche skandinavische Literatur zeichnet ein deutliches Bild von Thor. Die heute erhaltenden Niederschriften sind größtenteils im 13./14. Jh. erstellt worden. Die stoffliche Tradition reicht nur teilweise gesichert in die Zeit vor der Christianisierung zurück. Die Motive wurden also stark literarisch überformt und zeigen Thor in den z. T. schwankhaften Gedichten der Lieder-Edda sogar als Witzfigur. Ebenfalls gibt Adam von Bremen eine Beschreibung der Attribute und Eigenschaften Thors. So schreibt der Historiograph ihm etwa die Steuerung von Wind und Regen zu: "Thor führt in der Luft den Vorsitz, indem er Donner und Blitz, Wind und Regen lenkt." (IV,26)
Zusammenfassung aus Lieder- und Prosa-Edda und Sagaliteratur
Thor ist nach Odin der oberste und gefürchtetste der Götter. Er ist der Sohn von Odin und Jörd (die Erde), seine Ehefrau war die schöne goldhaarige Sif, von der er die Tochter, Thrud (Kraft) hatte. Mit der Jotenjungfrau Jarnsaxa, einer Riesin die von solcher Schöhnheit war, dass Thor, obwohl ein geschworener Feind der Joten (Riesen), diese unbedingt nehmen wollte; hatte er zwei Söhne, Magni und Modi, sein Lieblingsohn war Magni, der unter allen an Mut und Stärke ihm am ähnlichsten war.
Furchtbar fährt Thor daher, rollend, donnernd, über den Wolken auf seinen Wagen gezogen durch die Ziegenböcke Tanngnjostr und Tanngrisnir; doch noch schrecklicher ist er, wenn er seinen Kraftgürtel Megingjarder umschnallt, der ihm doppelte Kraft verleiht, mit seinen Eisenhandschuhen den Hammer Mjölnir fasst, und zermalmend unter seine und den Feinden der Götter tritt.
Thor's Reich, sein Habitat heißt Thrudwangr, und der Palast darin, Bilskirner, ist der größte, der je in Asgard erbaut worden ist, mit 540 Sälen.
Eine oft zitierte und kommentierte Passage ist die, des sich in Begleitung Loki's auf Reisen befindende Gottes, Szene der Verspeisung der den Wagen Thors als Gespann ziehenden Ziegenböcke und deren körperlicher Wiederherstellung durch ihm.
Beide suchten bei einem Bauern Unterkunft, dieser hatte jedoch nichts um seine göttlichen Gäste zu verköstigen. Thor befahl die Böcke zu schlachten und sie zu kochen, aber die Felle und die Knochen sollten aufbewahrt werden. Thialfi der Sohn der Gastgeber spaltete unbemerkt einen Knochen um ans Mark zu gelangen. Am nächsten Morgen gebot Thor mit Zauber und den Hammer kreisend über die Felle samt Knochen, und die Tiere erhoben sich unversehrt, bis auf einen, der lahmte an einen Hinterlauf. Thor erfasste was geschen war und wollte alle zerschmettern, ließ sich besänftigen und nahm als Pfand und Ausgleich den Thialfi und dessen Schwester Röska als Diener und Begleiter an.
Im Anschluss daran gelangt Thor, nunmehr mit begleitender Gruppe, zur Burg des Königs Utgartloki (Aussenwelt-Loki Herr über Dämonen), der ihn durch gezieltes demütigen bzw. das Infrage stellen seiner göttlichen Macht und Kräfte diesen herausfordert. Thor erhält drei Aufgaben von dem König. Zuerst fragt der König Thor was er denn zu leisten vermag, worauf Thor entgegnet das er es versteht wie keiner sonst das Trikhorn leer zu saufen. Aber Thor versagt, selbst bei dreimaligen Ansetzen, es gelingt ihm nicht das gereichte Horn zu leeren. Es kommt aber noch schlimmer für ihn. Denn Utgartloki geht weiter, er fordert Thor auf seine Götterkraft unter Beweiss zu stellen und das indem er diese Kraft offen anzweifelt. Der Gegner ist eine Gegnerin, es stellte sich die alte Frau Elli zum Ringkampf, und der Gott versuchte sie mit allen Kräften zum Wanken zu bringen, vermochte es aber nicht. Nun bemühte seine Gegnerin ihre Kräfte und bald musste Thor geschlagen in die Knie gehen. Beschämt und gedemütigt ziehen sie weiter, kaum hatten sie die Burg verlassen klärt der König sie auf, das alles auf Grund eines Zaubers so geschehen ist. Utgardloki erklärt, das Trinkhorn, aus dem Thor trank, hatte Verbindung zum Meer, und die alte Frau war das Alter selbst, das niemand besiegen kann. Er habe übernatürliches in den einzelnen Situationen geleistet. Thor, wütend, sich so getäuscht zu wissen, griff nach seinen Hammer, und in diesen Augenblick befanden sie sich alle auf einer weiten Ebene.


Eine dieser Aufgaben war das Hochheben mit einer Katze, die wie Utgartloki im nach hinein sagte, die verzauberte Midgardschlange war.
Um diese Scharte auszuwetzen, und um sich zu rächen, machte sich Thor in Begleitung des Riesen Hymir bald darauf auf das Meer hinaus zur Midgardschlange. Sie fuhren so weit hinaus das dem Riesen Angst und bange wurde, Thor bestückte den Haken einer Angelschnur mit einem Ochsenkopf als Köder. Die Schlange biss an und fühlte sich verletzt und schlug so hart an, das Thor die Schnurr in den Händen haltend, diese auf die Reeling des Bootes schlugen, und seine Götterkraft sich der Art verstärkte, das seine Beine den Bootsrumpf durch stießen und er auf den Meeresgrund stand und sich gegen den Zug der Schlange stemmte. Thor zog die Schlange in die Höhe und schaute sie mit glühenden Augen an, diese versuchte ihn mit ihrem Gift zu besprühen, Thor ergreift seinen Hammer um die Schlange zu erschlagen, doch der vom Anblicke des Geschehens vor Angst erschütterte Ymer durchtrennt die Schnur mit einem Schnitt. Der Gott stürzt vor Zorn den Riesen mit den Kopf zuerst ins Meer, sodass dessen Beine sich nach oben streckten, dann watete Thor zurück ans trockene Land, in abweichender Version gelangen beide ans trockenen Land.
In der Ragnarök findet Thor wie alle anderen Asen sein Ende. Bezeichnender Weise durch eben jene Midgardschlange. Es kommt erneut zum Kampf zwischen den Beiden, die Schlange greift Thor an und verpestet durch ihre Ausdünstungen das Meer und die Luft. Thor erschlägt sie mit seinem Hammer, prallt aber 9 Schritte zurück um in den Giftströmen die das Untier ausspeit, letztlich zu ertrinken.[10]
Der Wochentag
Der Wochentag Donnerstag (engl. thursday, dän. torsdag) ist nach Thor/Donar benannt. Der Tag war bereits in der Antike den Göttern Zeus bzw. Jupiter geweiht (lat. dies Iovis, davon auch franz. jeudi, span. jueves, italien. giovedi) und wurde mit der Übernahme der ursprünglich babylonischen 7-Tage-Woche durch die Germanen dem lateinischen Begriff nachgebildet.[11]
Rufnamen
Quellen
Einzelnachweise
- ↑ Kluge: Stichwort → Donner
- ↑ De Vries I: Seite 186-187
- ↑ Kluge:Stichwort → Himmel.
- ↑ Höfler:S.14 ff.,146,168
- ↑ Heusler:Kap.7 Ritualdichtung S.54
- ↑ Höfler:S.168
Hübner: S. 195 ff., S.211 - ↑ Simek 2: S.60 „..ursprünglich wohl ein Steinwerkzeug.“
- ↑ De Vries: Kap.6 „Das Problem der Beherrschung der Form“
- ↑ Simek 2: S.65f.
- ↑ Inhaltlich nach Vollmer, Stichwort→ Thor S. 431-432.
- ↑ Kluge: Stichwort→ Donnerstag
Literatur
- Jan De Vries: Die geistige Welt der Germanen. WBG., Darmstadt 1964, ASIN B0000BP1ZI.
- Jacob Grimm: Deutsche Mythologie. K. W. Schütz Verlag., Coburg, ISBN 3-87725-133-1.
- Andreas Heusler:Die altgermanische Dichtung. Athenaion, Berlin 1923.
- Otto Höfler: Siegfried, Arminius und die Symbolik. Winter Universitätsverlag., Heidelberg 1961, ASIN B0000BJHBD.
- Kurt Hübner: Die Wahrheit des Mythos, Beck Verlag, München 1985 ISBN 3-406-30773-6
- Friedrich Kluge, Elmar Seebold: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Gruyter Verlag., Berlin 2002, ISBN 3110174731.
- Karin Krapp: Die Alamannen.. Theiss Verlag., Stuttgart 2007, ISBN 3-80622044-1.
- Bernhard Maier: Die Religion der Germanen. Beck Verlag., 2003, ISBN 3406502806.
- Rudolf Simek:
- 1.Religion und Mythologie der Germanen. WGB., Darmstadt 2003, ISBN 3534169107.
- 2.Götter und Kulte der Germanen. Beck Verlag., 2006 ISBN 3-406-50835-9
- Wilhelm Vollmer: Dr. Vollmer's Wörterbuch der Mythologie aller Völker. ISBN 3746300762.
Weblinks
- Commons: Thor – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien
- Wiktionary: Thor – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Thors Fahrt zu Utgardloki (aus Snorris Edda) in deutscher Übersetzung