Das Tensorprodukt ist ein sehr vielseitiger Begriff der Mathematik: in der linearen Algebra und der Differentialgeometrie dient es der Beschreibung von multilinearen Abbildungen, in der kommutativen Algebra und algebraischen Geometrie entspricht es einerseits der Einschränkung geometrischer Strukturen auf Teilmengen, andererseits dem kartesischen Produkt geometrischer Objekte.
Dieser Artikel beschreibt die mathematischen und koordinatenfreien Aspekte des Tensorproduktes. Für einzelne Tensoren und Koordinatendarstellungen siehe Tensor.
Tensorprodukt von Vektorräumen
Sind V und W zwei Vektorräume über einem gemeinsamen Skalarkörper K, so ist das Tensorprodukt
ein Vektorraum, der wie folgt konstruiert werden kann: Ist eine Basis von V und eine Basis von W, dann ist ein Vektorraum, in dem es eine Basis gibt, die auf eineindeutige Weise mit den geordneten Paaren des kartesischen Produkts
der Basen der Ausgangsräume identifiziert werden kann. Die Dimension von ist demzufolge gleich dem Produkt der Dimensionen von V und W.
Das Element dieser Basis, das dem geordneten Paar entspricht, wird als notiert. Das Symbol hat dabei bis hier keine tiefere Bedeutung. Man kann nun mit Hilfe dieser Basis ein Produkt von Vektoren aus V und W definieren, welches mit demselben Verknüpfungssymbol notiert wird. Natürlicherweise ist das Produkt zweier Basisvektoren und gerade der Basisvektor, der mit bezeichnet wurde. Das Produkt beliebiger Vektoren kann nun durch bilineare Fortsetzung erhalten werden,
- und – mit endlich –
wird das Produkt
zugeordnet.
Für endlichdimensionale Vektorräume V und W kann das Tensorprodukt direkt als Raum von Matrizen konstruiert werden. Die Zeilen werden mit dem Basisindex von V nummeriert, die Spalten mit dem Basisindex von W. Das Produkt zweier Vektoren ist diejenige Matrix, deren Eintrag an der Stelle (i,j) die i-te Koordinate von v mal der j-ten Koordinate von w ist. Die Spalten sind Vielfache von v, die Zeilen sind Vielfache von w. (In der Sprache der Matrizen nennt sich diese Konstruktion auch dyadisches Produkt.)
Für das Symbol v w gelten folgende Rechenregeln:
- ( ein Element des Grundkörpers K)
Diese Regeln sehen aus wie Distributivgesetze bzw. Assoziativgesetze; auch daher der Name Tensorprodukt.
Im Allgemeinen nichts miteinander zu tun haben jedoch
- und ,
selbst wenn V = W ist; andernfalls gehören sie sogar unterschiedlichen Vektorräumen an.
Universaldefinition
Bisher wurde die Frage umgangen, welcher Natur denn der mit bezeichnete Vektorraum im allgemeinen Falle ist. Die bisher angegebenen Forderungen an diesen Vektorraum können kondensiert und in mathematischer Sicht unzweideutig in Form einer Universaldefinition angegeben werden.
Als Tensorprodukt der Vektorräume V und W, d.h. als Vektorraum, in welchem die Tensorprodukte von Vektoren aus V und W „leben“, wird jeder Vektorraum X (über dem gemeinsamen Skalarenkörper von V und W) bezeichnet, zu dem es eine bilineare Abbildung gibt, die die folgende universelle Eigenschaft erfüllt:
- Jede weitere bilineare Abbildung kann auf eindeutige Weise zu einer linearen Abbildung auf X erweitert werden. Dies heißt exakter, dass es eine eindeutig bestimmte lineare Abbildung gibt, so dass für beliebige Paare von Vektoren gilt
- .
- Jede weitere bilineare Abbildung kann auf eindeutige Weise zu einer linearen Abbildung auf X erweitert werden. Dies heißt exakter, dass es eine eindeutig bestimmte lineare Abbildung gibt, so dass für beliebige Paare von Vektoren gilt
Gibt es einen solchen Vektorraum, so ist er (bis auf Isomorphie) eindeutig. Es wird und notiert. Die universelle Eigenschaft kann also als geschrieben werden, oft verzichtet man auf die Vergabe unterschiedlicher Bezeichnungen, da der Definitionsbereich aus dem Argument ablesbar ist.
Um nun tatsächlich Vektorräume anzugeben, die diese Definition erfüllen, gibt es zwei übliche Wege. Einmal im endlichdimensionalen Fall über den Raum der Bilinearformen auf den Dualräumen, wie im folgenden angegeben, und zum anderen durch die Konstruktion eines einfach anzugebenden, aber zu großen Raumes, von dem ein Quotientenraum nach einem geeigneten Unterraum die Eigenschaften des Tensorproduktes erhält. Die letztgenannte Konstruktion wird weiter unten im Kontext von Moduln über Ringen ausgeführt.
Tensorprodukt und Bilinearformen
Bilinearformen entsprechen linearen Abbildungen .
Es sei eine Bilinearform. Dann kann man zeigen, dass
eine wohldefinierte lineare Abbildung ist.
Ist umgekehrt
eine lineare Abbildung, so ist die Abbildung
bilinear.
Im Fall endlichdimensionaler Vektorräume kann man das Tensorprodukt von und also auch als den Dualraum des Vektorraums aller bilinearen Abbildungen definieren.
Ein Grund, weshalb man nicht statt des Tensorproduktes mit dem Raum der Bilinearformen arbeitet, ist der folgende: Multilinearformen, also beispielsweise Abbildungen
für drei -Vektorräume , , , die linear in jeder Komponente sind, entsprechen linearen Abbildungen
aber es gibt keine ähnlich einfache Möglichkeit, Räume von Multilinearformen durch Räume von Bilinearformen auszudrücken; dabei bezeichnet
die Räume
- bzw.
die mithilfe von
kanonisch identifiziert werden können. Diese Identifizierung entspricht dem Umstand, dass man aus einer Multilinearform
einerseits durch Festhalten des Argumentes aus eine Bilinearform
andererseits durch Festhalten des Argumentes aus eine Bilinearform
erhalten kann.
Erweiterung der Skalare
Ist V ein Vektorraum über K und L ein Erweiterungskörper von K, so kann man das Tensorprodukt
bilden, indem man auch L als K-Vektorraum auffasst; dies wird durch symbolisiert. VL wird zu einem Vektorraum über L, wenn man
setzt. Die Dimension von VL als L-Vektorraum ist gleich der Dimension von V als K-Vektorraum: ist {ei} eine K-Basis von V, so bildet die Menge
eine L-Basis von VL.
Tensorprodukt über einem Ring
Die Grundkonstruktion
Es sei R ein Ring, M ein R-Rechtsmodul und N ein R-Linksmodul. Dann ist die abelsche Gruppe definiert als der Quotient der freien abelschen Gruppe in den Erzeugern (als Symbole) für alle Elemente m von M und n von N nach der Untergruppe, die von
erzeugt wird.
Spezialfälle
- Ist M ein S-R-Bimodul mit einem weiteren Ring S, so ist
- ein S-Linksmodul.
- Ist R kommutativ, so ist
- ein R-Modul; die Moduloperation ist gegeben durch
- Die Moduln
- und
- sind kanonisch isomorph.
- Ist A eine R-Algebra, so ist
- ein A-Linksmodul; die Moduloperation ist gegeben durch
- für a, b in A.
- Ist R ein kommutativer Ring, und sind A und B assoziative R-Algebren, so ist
- wieder eine assoziative R-Algebra; die Multiplikation ist gegeben durch
Kategorielle Eigenschaften
Verschiedene Varianten des Tensorproduktes besitzen rechtsadjungierte Funktoren:
- Ist R ein Ring, M ein R-Rechtsmodul, N ein R-Linksmodul und P eine abelsche Gruppe, so gilt:
- dabei ist HomZ(N,P) ein R-Rechtsmodul via
- Ist R ein Ring, S eine R-Algebra, M ein R-Linksmodul und N ein S-Linksmodul, so gilt:
- .
- Ist R ein kommutativer Ring mit Einselement und M, N, P drei R-Moduln, so gilt:
- .
Insbesondere ist das Tensorprodukt ein rechtsexakter Funktor.
Das Tensorprodukt ist der Pushout in der Kategorie der kommutativen Ringe mit Einselement; insbesondere ist für einen kommutativen Ring mit Eins das Tensorprodukt über das Koprodukt (für endlich viele Objekte) in der Kategorie der -Algebren.
Beispiele
- Ist R ein Ring, I ein zweiseitiges Ideal und M ein R-Linksmodul, so ist
- Ist R ein kommutativer Ring mit Einselement, so ist
- Lokalisierungen von Moduln sind Tensorprodukte mit den lokalisierten Ringen, also ist beispielsweise
Weiterführende Begriffe
In der Differentialgeometrie:
In der Algebra: