Günter Freiherr von Gravenreuth (geboren als Günter Werner Dörr, * 12. Juli 1948) ist seit 1981 Rechtsanwalt und Verleger in München. Im IT-Bereich fällt er seit Jahren immer wieder durch von manchen als fragwürdig bezeichnete Tätigkeiten im Bereich EDV und Internet auf. Freiherr von Gravenreuth ist verheiratet.
Ausbildung
Herr Freiherr von Gravenreuth hat bis 1966 technischer Zeichner gelernt, anschließend an der FH München 1973 ein Maschinenbau-Studium als Diplom-Ingenieur (FH) abgeschlossen und von 1973 bis 1978 an der LMU München Rechtswissenschaften studiert. Seit 1981 hat er die Anwaltszulassung und war zunächst bei Bardehle + Partner in München und dann in einer Freisinger Patenanwalts-Kanzlei tätig. Seit 1985 ist er selbständig, seit 1987 mit eigener Kanzlei.
Adelstitel
Den Namensteil (siehe Adelstitel) Freiherr verdankt er seiner Mutter Hertha Freifrau von Gravenreuth, welche diesen Namen trug. Sie nahm aber wegen des damaligen Namensrechts durch Hochzeit mit Ernst Ludwig Dörr dessen Namen an. Anlässlich der späteren Liberalisierung des Namensrechts benannte sich die Familie am 24. Juni 1980 um in Freiherr von Gravenreuth.
Nach dem ehemaligen Adelsrecht (das heute keine Rechtsgeltung mehr hat, aber von Adelsverbänden intern noch genutzt wird) ist Herr Freiherr von Gravenreuth dem Adel nicht angehörig.
Tätigkeiten
Bekannt wurde er in den 1980er Jahren, als er auf Kleinanzeigen in Computerzeitschriften, in denen Privatleute inserierten, die so genannten "Tanja-Briefe" unter dem Pseudonym Tanja Nolte-Berndel (Beispiel eines solchen Briefes) und einigen weiteren weiblichen Pseudonymen versandte. Teilweise waren diesen Briefen sogar ein Foto (aus einer Bildagentur) der vermeintlich 15-jährigen Schreiberin beigelegt. Falls ein so Angeschriebener auf die Bitte um Software-Tausch des angeblichen Teenagers einging, wurde dieser bei entsprechender Beantwortung wegen Verstoß gegen das Urheberrecht abgemahnt, gegebenenfalls auch angezeigt. Auch führten einige Fälle zu Hausdurchsuchungen. Von Kritikern wurde Freiherr von Gravenreuth vorgeworfen, dass er die Opfer doch selbst erst als "Tanja" zu den Urheberrechtsverstößen angestachelt bzw. zu einer Straftat aufgefordert hätte. Die Zivilgerichte und die Staatsanwaltschaften sahen dies aber anders.
Einer seiner ersten Aufträge war es, Asterix-Plagiate zu verfolgen. So wurden Zeichnungen aus Asterix-Bänden mit neuen Texten in den Sprechblasen versehen, um damit z.B. auf satirische Weise gegen Kernkraft (Atom-Asterix), gegen die Nachrüstung (Asterix in Bombenstimmung) oder gegen die Startbahn West (Asterix im Hüttendorf) zu protestieren. Um an solche (unauthorisierten) Exemplare zu kommen, wurden gezielt alternative Buchhandlungen angeschrieben und beispielsweise nach dem "Atom-Asterix" gefragt. Damit diese keinen Verdacht schöpften und auf die Anfrage eingingen, wurde mit Hilfe einiger Studenten für die Anfragen Postkarten mit Slogans gegen Atomkraft, Nachrüstung etc. verwendet.
Später tauchte sein Name immer wieder im Kontext von Abmahnungen auf, in denen er hauptsächlich Ansprüche aus dem Bereich des Markenrechts und des gewerblichen Rechtsschutzes durchsetzte. Da teilweise weitverbreitete Begriffe Anlass der Abmahnungen waren (wie zum Beispiel "Tricon", "Explorer", "Webspace" oder "eMule"), forderte er im Auftrag seiner Mandantschaft häufig von sehr vielen Personen und Unternehmen kostenpflichtige Unterlassungen ein. Dies brachte ihm auch den Ruf eines Serien-Abmahners ein.
Im Zusammenhang mit der Bundestagswahl 2002 machte er mit Unterlassungsklagen bezüglich E-Cards gegen Parteien wie die SPD, FDP, PDS, DVU, die Grünen und Die Republikaner wegen deren angeblicher Mitwirkung an der Zusendung unerwünschter Werbeemails Schlagzeilen. Gegen ähnliche E-Cards der CSU ging das CSU-Mitglied von Gravenreuth nicht vor, da er dort den Tatbestand der unerwünschten E-Mail-Werbung als nicht erfüllt ansah.
Abmahnanwalt
Freiherr von Gravenreuth stellt für viele seiner Kritiker die Personifikation des geld- und publicitygierigen Abmahnanwaltes dar. Tatsächlich hatte er aufgrund eigentümlicher Mandate teilweise massenhafte Abmahnungen zu versenden (Abmahnwelle), die auch unter Juristen umstritten waren. Gerade mit dem Streit um die Marke "Explorer" machte er sich bei Privatpersonen und Kleinunternehmen, die sich mangels eigener Rechtsabteilung und Rechtsschutzversicherung kaum eine Rechtsverteidigung leisten konnten, wenig Freunde.
Andererseits hat er sich auch durch einige Veröffentlichungen im Bereich des Urheberrechts, des gewerblichen Rechtsschutzes und des Spamming einen Namen gemacht. Im Bereich des Spamming war er gelegentlich auch selbst Empfänger von unerwünschten Werbe-E-Mails und ging in diesem Fällen auch ohne ein Mandat, also in eigener Sache gegen die Versender vor.
Zur Person
Freiherr von Gravenreuth war nie öffentlichkeitsscheu; bereits in den 1980er Jahren gab er Computerzeitschriften wiederholt Interviews zum Thema der populistisch so bezeichneten "Raubkopien" (richtig: "unerlaubte Vervielfältigung urheberrechtlich geschützter Computerprogramme"). Er schreibt auch bis heute des öfteren Artikel im Usenet und ist regelmäßiger Gast im Heise News-Ticker-Forum.
In der IT-Szene ist Freiherr von Gravenreuth eine schillernde Erscheinung; er hat vehemente Kritiker, die sich mit ihm erbitterte Diskussionen über seine Beiträge in den Foren liefern.
Auch wird berichtet, dass er bei einem Hackertreffen zugegen war, auf dem sein Konterfei auf eine Dart-Scheibe gepinnt als Ziel diente. Gravenreuth sprach in einem Telepolis-Artikel davon, dass der Veranstalter ihn rauswarf, als er nach dem Ausruf "Ich will auch mitspielen" von diesem erkannt wurde ([1]). Bei einer späteren Party spielte er beim Dartwerfen mit ([2]). Hier ist zu sehen, wie er auf der Veranstaltung äußerst vergnügt Dart-Pfeile auf sein eigenes Konterfei warf.
Mehrere Quellen, darunter das oben zitierte Interview in Telepolis und [3] beschreiben auch die angebliche Existenz eines Computerspiels für den Commodore C64 namens "Kill Gravenreuth!".
Seine zweifelhafte Prominenz im IT-Bereich belegt auch die zeitweise Existenz einer eigenen Newsgroup de.alt.gravenreuth in der de.-Hierarchie des Usenet.
Freiherr von Gravenreuth ist auch Autor zahlreicher juristischer Fachveröffentlichungen und betreibt einen eigenen juristischen Verlag.
Veröffentlichungen (Auswahl)
- Unterlassungsanspruch gegen Software-Kopier-Programme?, in: GRUR 504/1985 (Eine Diskussion, die 2004 durch das geänderte Urheberrechtsgesetz erneut aufkam.)
- Dunkelziffern und Schadenshöhe im Bereich der Software-Piraterie, in: Computer und Recht 111/1986
- Probleme im Zusammenhang mit der Minderung oder Wandelung mangelhafter Software, in: BB 1925/1989
- Günter Freiherr von Gravenreuth, Alexander J. Kleinjung: Sind kostenpflichtige Mehrwertdienste-Rufnummern im Rahmen der Anbieterkennung gemäß § 6 TDG zulässig?, in: JurPC Web-Dok. 273/2003, Abs. 1 - 22 ([4])
- Open source und fremder Code nach zwingendem nationalem Recht, in: JurPC Web-Dok. 209/2004, Abs. 1 - 17, ([5])
- Spionageabwehr gegen Computerspiel; Heitere Episoden aus der Cracker- und Computerfreak-Szene, München 1995 ISBN 3-930082-03-9
Mitgliedschaften
- CSU
- Gesellschaft für Informatik (GI)
- Deutsche Gesellschaft für Recht und Informatik (DGRI)
- Katholische Bayerische Studentenverbindung Rhaetia (nicht schlagend)
- Deutsche Vereinigung für Gewerblichen Rechtschutz und Urheberrecht e.V. (GRUR)
- Verband der Unterhaltungssoftware Deutschland e.V. (VUD) (Gründungsmitglied und mehrfach Vorstand)
- European Institute for Computer Anti-Virus Research (EICAR) (Gründungsmitglied und mehrfach Vorstand)
- Gesellschaft für Datenschutz und Datensicherung e.V. (GDD)
Kanzlei
Die Kanzleiräume teilte er sich mit Bernhard Syndikus.