Horst Janssen (* 14. November 1929 in Hamburg; † 31. August 1995 ebenda) war ein bedeutender deutscher Zeichner und Grafiker, der trotz künstlerisch-technischer Experimentierfreudigkeit in seinen Arbeiten deutlich traditionell-graphische Elemente pflegte und in individueller Ausdrucksweise zur Perfektion brachte.
Leben
Kindheit und Jugend
Janssen wuchs in Oldenburg als unehelicher Sohn seiner Mutter Martha Janssen auf. Seinen Vater, der schwäbische Handelsreisende Karl Gottlob Bauder, hat er nie kennengelernt. Sein Großvater nahm ihn an Kindes statt. Als der Großvater 1939 an Tuberkulose starb, wurde Janssen vom Vormundschaftgericht adoptiert. Janssen war ab September 1942 als Halbwaise Schüler der Nationalpolitischen Erziehungsanstalt/NAPOLA in Haselünne, Emsland. Dort wurde seine künstlerische Begabung durch den Zeichenlehrer Hans Wienhausen erkannt und gefördert. Im Januar 1943 starb Janssens Mutter ebenfalls an Tuberkulose. Im folgenden Jahr wurde der Vollwaise von Anna Janssen adoptiert, der jüngeren Schwester seiner Mutter. 1945 zog Janssen nach Hamburg zu seiner Adoptivmutter, die er später als "Tantchen" verewigte.
Künstlerische Ausbildung
1946 begann er ein Studium an der Landeskunstschule in Hamburg. Von Beginn an war er Meisterschüler von Alfred Mahlau. Janssens erste Zeichnung wurde 1947 in der Wochenzeitung „Die Zeit“ veröffentlicht.
Im Jahre 1948 veröffentlichte Janssen zusammen mit Rolf Italiaander seine erste Publikation in Buchform, er illustrierte das Kasperle-Buch „Seid ihr alle da?“. 1950 wurde sein Sohn Clemens Gutsche geboren. Zu dieser Zeit experimentierte Janssen mit monotypieartigen Holzschnitten, sein Vorbild war hier Edvard Munch. Neben Tierdarstellungen dominierte in seinem Schaffen das Thema Mann und Frau. 1952 erhielt Janssen das Hamburger Lichtwark-Stipendium, nach dem er ein Jahr zuvor von der Landeskunstschule ohne akademischen Abschluss relegiert worden war.
Graphische und andere Techniken
Durch Vermittlung seines Lehrers Alfred Mahlau erhielt Janssen ab 1952 bis 1956 Aufträge des Aschaffenburger Buntpapierfabrikanten Guido Dessauer: meist eher konventionelle und repräsentative Porträts der Dessauers, u.a. auch in Öl. Nebenbei entstanden keramische Objekte und Arbeiten auf Papier. In der Lithografierwerkstatt der Buntpapierfabrik lernte Janssen diese Technik aus dem Effeff beherrschen. Ab 1957 schuf Janssen zahlreiche dekorative und großformatige Farbholzschnitte, die seine Popularität weit über Hamburg hinaus vergrößerten und deren Absatz ihm und seiner Ehefrau Marie Knauer sowie der gemeinsamen Tochter Kathrin, genannt Lamme, zum ersten Mal ein Auskommen erlaubten. In diesem Jahr lernte er von Paul Wunderlich die Technik der Radierung. In dieser grafischen Technik hat Janssen sich rasch vervollkommnet und ein umfangreiches Oeuvre geschaffen, das ca. 4000 Blätter sowie 47 Radier-Zyklen umfasst.
Anerkennung
In den 1960er Jahren erfuhr Janssens Werk erste größere Beachtung. Er erhielt 1964 den Kunstpreis der Stadt Darmstadt und 1965 gemeinsam mit Paul Wunderlich den Edwin-Scharff-Preis der Freien und Hansestadt Hamburg. Im selben Jahr fand die erste große Werkschau seiner Handzeichnungen, Holzschnitte, Lithografien und Radierungen in der Kestner-Gesellschaft in Hannover statt. Anschließend wanderte diese Ausstellung nach Hamburg, Darmstadt, Berlin, Düsseldorf, Stuttgart, München und Basel. Vorher hatte Janssen 1957 lediglich in Brockstedts Galerie für Moderne Kunst in Hannover seine Farbholzschnitte öffentlich ausgestellt. Halb öffentlich und halb privat dagegen waren die jährlichen Werkschauen, die Janssen im Treppenhaus der Hamburger Warburgstraße 33b veranstaltete. Als weitere Auszeichnungen folgten der Große Preis der XXXIV. Biennale Venedig (1968) sowie der Schiller-Preis der Stadt Mannheim (1975) und die Biermann-Ratjen-Medaille der Stadt Hamburg (1978). 1992 verlieh Oldenburg Janssen die Ehrenbürgerwürde. Eine angebotene Professur lehnte Janssen kategorisch ab.
Internationale Wirkung
Janssens Werk wurde und wird nicht nur in Deutschland, sondern in aller Welt ausgestellt: Basel 1966, London 1970, Zürich, Oslo, Göteborg jeweils 1971, New York 1974, Turin 1975, Cambridge, Barcelona, Lugano jeweils 1976, Chicago 1980, Wanderausstellung durch Japan 1982, Wanderausstellung durch die USA 1983 bis 1985, Nowosibirsk 1985 usw.
Dauerpräsentationen
Zwei Jahre nach seinem Tod wurde im Neubau der Hamburger Kunsthalle das Janssen-Kabinett mit Blättern der Sammlung seines Druckers Hartmut Frielinghaus eröffnet. Im November 2000 erhielt Janssen sein eigenes Museum: Das Horst-Janssen-Museum in Oldenburg wurde eröffnet. Die ca. 1800 Blätter der Janssen-Sammlung des Ehepaars Carin und Carl Vogel bilden den Grundstock regelmäßig wechselnder Ausstellungen. Weitere öffentliche Sammlungen (Auswahl):
Werke
Werkübersichten
- Landschaften. Verlag St.Gertrude, Hamburg 1989, ISBN 3-923848-24-2
- Eros Tod und Maske. Verlag St. Gertrude, Hamburg 1992, ISBN 3-923848-46-3
- Nature Morte, Verlag St. Gertrude, Hamburg 1993, ISBN 3-923848-47-1
- Das Tier. Verlag St. Gertrude, Hamburg 1995, ISBN 3-923848-64-1
- Freunde und andere. Verlag St. Gertrude, Hamburg 1996, ISBN 3-923848-69-2
- Das Plakat 1957-1994. Verlag St. Gertrude, Hamburg 1999, ISBN 3-923848-82-X
- Hartmut Frielinghaus (Herausgeber):Werkverzeichnis 1970, Verlag St. Gertrude, ISBN 3-923848-32-3
- Hartmut Frielinghaus (Herausgeber):Werkverzeichnis 1971, Verlag St. Gertrude, ISBN 3-923848-25-0
- Hartmut Frielinghaus (Herausgeber):Werkverzeichnis 1972, Verlag St. Gertrude, ISBN 3-923848-23-4
- Hartmut Frielinghaus (Herausgeber):Werkverzeichnis 1973, Verlag St. Gertrude, ISBN 3-923848-17-X
- Hartmut Frielinghaus (Herausgeber):Werkverzeichnis 1974/75, Verlag St. Gertrude, ISBN 3-923848-05-6
- Hartmut Frielinghaus (Herausgeber):Werkverzeichnis 1976, Verlag St. Gertrude, ISBN 3-923848-06-4
- Hartmut Frielinghaus (Herausgeber):Werkverzeichnis 1977-1980, Verlag St. Gertrude, ISBN 3-923848-52-8
Ausstellungskataloge
- Plakat-Kunst-Stücke, 1995, Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg, ISBN 3-923848-81-1
- Selbst: Gewörtert, 1995, Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg, ISBN 3-923848-63-3
- Bilder zu Texten, 1995
- Katalog Beyer Werke, 1994
- Ich bin nur ganz Auge, 1996
- Ausstellungskatalog New York, 1991, 3-923848-35-8
- Das Portrait, 1999, Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, ISBN 3-923848-78-1
- Frühe Meisterschaft, 1999, Janssen Kabinett Hamburger Kunsthalle, ISBN 3-922909-47-7
- Zwiesprache, 1995, ISBN 3-923848-54-4
- Hanno's Tod, 1997, Hamburger Kunsthalle, ISBN 3-923848-71-4
- Hokusai´s Spaziergang, 1998, Hamburger Kunsthalle, ISBN 3-923848-76-5
- Katze blau - 100 Holzschnitte, 2000, Horst Janssen Museum, ISBN 3-923848-91-9
- Janssen sieht Goya, 2001, Horst Janssen Museum, ISBN 3-923848-95-1
- Janssen und die Frauen, 2002, Horst Janssen Museum, ISBN 3-923848-96-X
- Krickelkrakeln und Uhupappen, 2002, Horst Janssen Museum, ISBN 3-935855-01-X
- Horst Janssen und sein Drucker Hartmut Frielinghaus, 2003, Hamburger Kunsthalle, ISBN 3-935855-05-2
- Kunst der Zeichnung, 2003 Horst Janssen Museum, ISBN 3-935855-02-8
- Egon Schiele - Horst Janssen, 2004, Horst Janssen Museum, ISBN 3-935855-06-0
Veröffentlichungen
- Querbeet. Aufsätze, Reden, Traktate, Pamphlete, Kurzgeschichten, Gedichte und Anzüglichkeiten. Verlag St. Gertrude, Hamburg 1981, ISBN 3-7672-0627-7
- Janssenhof. Verlag St. Gertrude, Hamburg 1983, ISBN 3-923848-00-5
- Caprice - Messages dessinés. St. Gertrude, Hamburg 1990, ISBN 3-923848-26-9
- Drollerei. Verlag St. Gertrude, Hamburg 1991, ISBN 3-923848-73-0
- Lamme. Verlag St. Gertrude, Hamburg 1994, ISBN 3-923848-61-7
- Fünf Tage und Nächte. Verlag St. Gertrude, Hamburg 1988, ISBN 3-923848-41-2
- Malbuch. Verlag St. Gertrude, Hamburg 2002, ISBN 3-935855-00-1
- Licht und Linie. Horst Janssen und die Fotografie. Verlag St. Gertrude, Hamburg 2003, ISBN 3-935855-03-6
- Retrospektive. Verlag St. Gertrude, Hamburg 2000, ISBN 3-923848-89-7
Privates
Beziehungen
Anfang der 50er Jahre hatte Janssen eine Beziehung mit der verheirateten Gabriele Gutsche. Von 1955 bis 1959 war Janssen mit Marie Knauer verheiratet. Nach der Scheidung war Janssen wenige Wochen mit Birgit Sandner verheiratet. Die dritte und letzte Ehe ging Janssen 1960 mit Verena von Bethmann-Hollweg ein. Die Scheidung erfolgte 1968. Von 1968 bis 1972 lebte Janssen mit Gesche Tietjens zusammen. Die Beziehung zur Mathematikerin Roswitha Hartung Ende 1972 blieb ein Intermezzo. Anfang 1973 hatte Janssen eine kurze, sehr leidenschaftliche Liaison mit Bettina Sartorius. Von 1974 bis 1990 war Janssen liiert mit Birgit Jacobsen, Viola Rackow, Kerstin Schlüter, Annette Kasper, Britta Kerinnes und Heidrun Bobeth. Diese Beziehungen prägten die einzelnen Abschnitte seines künstlerischen Schaffens und schlugen sich jeweils in einer Vielzahl unterschiedlicher Porträts und erotischer Darstellungen nieder.
Kinder
1950 wurde der Sohn Clemens Gutsche geboren, 1956 die Tochter Katrin "Lamme" aus der Ehe mit Marie Knauer. 1961 brachte Verena von Bethmann-Hollweg den Sohn Philip zur Welt. Gesche Tietjens bekam 1973 den Sohn Adam. Auch seine Kinder regten zu zeichnerischen und graphischen Porträts an.
Auszeichnungen
- 1950 Studienstiftung des deutschen Volkes,
- 1952 Lichtwark-Stipendium, Hamburg
- 1964 Kunstpreis der Stadt Darmstadt (Erste Internationale der Zeichnung),
- 1965 Edwin-Scharff-Preis, Hamburg,
- 1968 Großer Preis der Biennale Venedig,
- 1975 Schillerpreis der Stadt Mannheim
- 1978 Biermann-Ratjen-Medaille, Hamburg,
- 1989 Erster Graphik-Preis der Griffelkunstmitglieder, Hamburg,
- 1990 Oldenburg-Preis der Vereinigung »Die oldenburgische Landschaft«,
- 1992 Verleihung des Ehrenbürgerrechtes der Stadt Oldenburg,
- 2000 Eröffnung des "Horst-Janssen-Museums" in Oldenburg.
Zitate über Horst Janssen
- Horst Janssen war schwierig und zugleich genial. Er war einer der begabtesten Zeichner, den Deutschland je hatte. (Henri Nannen, Kunsthalle Emden im Hamburger Abendblatt)
- Horst Janssen war ein Genie, eine epochale Ausnahmeerscheinung, ein Einsamer, der sein Kommunikationsbedürfnis stets seiner Kunst geopfert hat. (Wolfgang Hildesheimer, Die Welt)
- Janssen war vor allem ein Mensch mit unglaublich wacher, kritischer Intelligenz. Leider kursierte in der Öffentlichkeit das Bild des versoffenen Genies. (Uwe M. Schneede, Hamburger Kunsthalle)
- Er konnte alles, was er anfasste. Schon früh war er Meister. (Wieland Schmied, Die Zeit)
- Mordskerl, Monstrum, Mann (...). Er hinterlässt ein so gewaltiges und bizarres, auch wortgewaltiges Oeuvre, dass zwei Leben zu je 65 Jahren dazu kaum ausgereicht hätten. (Rudolf Augstein, Der Spiegel)
- Was sie nur heutzutage alle mit der Kunst haben. (Horst Janssen)
Literatur
- Stefan Blessin: Horst Janssen - Eine Biographie. B.S.LILO-Verlag, Hamburg, 1.Aufl. 1984, ISBN 3-926598-85-9
- Stefan Blessin: Horst Janssen - Aus dem Dunkel ins Licht. Steidl-Verlag, Göttingen 1992, ISBN 3-7632-4080-2
- Joachim Fest: Horst Janssen. Selbstbildnis von fremder Hand. Alexander Fest Verlag, Berlin 2001, ISBN 3-8286-0185-8
- Joachim Fest: Die schreckliche Lust des Auges. Erinnerungen an Horst Janssen. Rowohlt Taschenbuch Verlag, September 2006, ISBN 3-499-62082-0
- Erna Knöfel: Horst Janssen: Mehr nicht. Sein Werk als Selbstbekenntnis. Verlag St. Gertrude, Hamburg 2002. ISBN 3-923848-97-8
- Willi Blöß: Horst Janssen: Messerwetzel, Aachen 2006, ISBN 3-938182-11-3
- Maria und Eberhard Rüden (Herausgeber): An und für ihn. Horst Janssen zum Siebzigsten, 120 Geburstagsgaben von Freunden und Weggefährten. Verlag St. Gertrude, Hamburg 1999, ISBN 3-923848-87-0
Weblinks
- Vorlage:PND
- Horst-Janssen-Museum Oldenburg
- Janssen-Kabinett in der Hamburger Kunsthalle
- Bildbeispiele
- Janssen und der Verlag St.Gertrude
- Biografie und Werke von Horst Janssen
- Wanderausstellung mit Werken von Horst Janssen
- Werke des Künstlers im Museumsportal Schleswig-Holstein
- Foto: Horst Janssen (1966) von Thomas Höpker
Personendaten | |
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NAME | Janssen, Horst |
KURZBESCHREIBUNG | Grafiker und Autor |
GEBURTSDATUM | 14. November 1929 |
GEBURTSORT | Hamburg |
STERBEDATUM | 31. August 1995 |
STERBEORT | Hamburg |