Alte Synagoge (Heilbronn)
Die Heilbronner Synagoge war neben der Synagoge der Religionsgemeinschaft Addas Jeschurun das zentrale religiöse Zentrum der liberalen jüdischen Gemeinde in Heilbronn. Das Gebäude wurde 1877 eingeweiht und während der Novemberpogrome 1938 zerstört. Heute erinnern ein Mahnmal und ein Gedenkstein an die Synagoge.
Neben diesem Bauwerk gab es in Heilbronn bis 1938 außerdem noch die Sontheimer Synagoge.
Geschichte
Planung und Bau
In der Mitte des 19. Jahrhunderts war die jüdische Gemeinde in Heilbronn stark angewachsen. Um 1871 hatte sie etwa 610 Mitglieder. Die damals einzige Synagoge der Stadt befand sich seit 1856 im Mittelbau des Deutschhofes beim damaligen Schwurgerichtssaal, wo jedoch beengte Raumverhältnisse herrschten. Nachdem die Gemeinde 1865 beschlossen hatte, ein Grundstück an der Allee für 10.000 Gulden zu erwerben, konnte der Kauf erst im Jahre 1871 erfolgen, wobei der Grundstückspreis bereits auf 16.000 Gulden gestiegen war und beschloss am 21. Juni 1871 hier eine Synagoge zu bauen.
1873 wurde der Entwurf des Stuttgarter Architekten Adolf Wolff genehmigt.Die Pläne sahen einen Bau im Stil des Eklektizismus vor. Für Wolff war es bereits die dritte Synagoge nach der Stuttgarter (1859 bis 1861) und der Ulmer Synagoge (1870 bis 1873). Das Bauwerk wies neben klassizistischen Kapitellen und Pilastern auch maurische Bauformen wie Hufeisenbogen und Stalaktitornamente der Mudejares auf, wie sie auch an der zwischen 1200 und 1365 errichteten Synagoge von Toledo zu sehen sind.
In Heilbronn herrschte ein liberaler Geist, und so wurden für den Neubau der Synagoge durch das Bankhaus Rümelin etwa 11.000 Gulden gegeben. Im Jahre 1876 gewährte die Kommune Heilbronn aus den Mitteln der Stiftungspflege weitere 30.000 Gulden (etwa 51.428 Reichsmark). Die Kosten für die neue Synagoge beliefen sich auf die Gesamtsumme von 372.778 Mark.
Grundsteinlegung und Einweihung
Mitte August 1873 erfolgte die Grundsteinlegung und am 23. November 1874 konnte Richtfest sein wobei der Bau unter Wolffs Leitung von 1873 bis Ende Mai 1877 andauerte.
Am 7. Juli 1877 konnte die Einweihung der Synagoge feierlich begangen werden. Dabei erfolgte vorher ein Abschiedsgottesdienst im Betsaal im Deutschhof, der auch alte Synagoge genannt wird. Um 11 Uhr wurden die sieben Torarollen in die neue Synagoge innerhalb eines feierlichen Umzugs gebracht und es erfolgte die Einweihung mit Festpredigt, Weihegebet seitens des Rabbiners Dr. Moses. Zum Banquet kam man gegen 13 Uhr in der "Rose" zusammen, an dem illustre Gäste geladen waren.
Das Festessen endigte um 18 Uhr abends, mit einem Festball in der Harmonie, wo Synagogenchor, jüdischer Jugendverein, und zahllose andere Organisationen beteiltigt waren.
Architektur und Einrichtung
Äußeres
Das Gebäude war in Richtung von Nordwest nach Südost gebaut worden. Konzipiert wurde es als Kreuzbasilika mit einem hohen Mittelschiff, einem Querschiff und niedrigeren Seitenschiffen. Das Querschiff wurde von einem flachen Walmdach gedeckt und von vier kleineren Seitenkuppeln gekrönt. Die Zentralkuppel in der Vierung zwischen Querschiff und Langhaus hatte zwölf Rundbogenfenster und war nach außen hin mit patiniertem, grün schimmerndem Kupfer eingedeckt. Zwei turmartige Anbauten, Laternen, die das Portal flankierten, wurden ebenso von Zierkuppeln geschmückt. Das Ensemble von Kuppeln sollte an persische oder indische Baukunst wie das Taj Mahal erinnern.[1] Über dem Portal stand auf hebräisch aus Jesaja 56,7: ביתי בית תפלה יקרא לכל העמים (deutsch: „Mein Haus soll ein Bethaus für alle Völker genannt werden“). Ein großes Rosenfenster befand sich an der Vorderseite des Gebäudes. Weitere Fenster in Form von [maurischen Hufeisenbögen und Stalaktit-Dekor im Muqarnas-Stil prägten das äußere Erscheinungsbild.
Inneres
Durch das Portal gelangte man über eine säulenumstandene Vorhalle in das Hauptschiff der Synagoge, in der 34 Bänke für die männlichen Gemeindemitglieder vorhanden waren. Im Querschiff waren die Frauenemporen mit 33 Bänken angebracht worden. In der Zentralkuppel in der Vierung war ein großer Messingleuchter mit 80 Brennstellen vorhanden. Die Kuppel selbst stützte sich auf gebündelte Halbsäulen in neo-romanischen Stil. Über dem Eingang befand sich eine große Orgel mit 32 Registern.
Im Aron ha-Qodesch (hebr.: ארון הקודש, dt.: „Heilige Lade”, Toraschrein) wurden die Tora-Rollen für die Verlesung der jeweiligen Parascha (hebr.: פרשה, dt.:„Wochenabschnitte“) aufbewahrt. Dieser Schrein stand im Chor, an der südöstlichen Wand in Richtung Jerusalem. Über dem Aron ha-Qodesch hing ein Licht, Ner Tamid oder Ewiges Licht genannt. Die heilige Tora (hebr.: תורה) wurde aus dem Schrein ausgehoben und auf die Bimah (hebr.: בימה, dt.:„Bühne“) oder Almemor (dt.:„Gebetspult“), gelegt, das ein wenig erhöht vor dem Schrein stand. Die Kanzel aus Eichenholz war rechts neben dem Aron ha-Qodesch angebracht worden. Zwei Menorot – siebenarmige Leuchter – befanden sich rechts und links des Aron ha-Qodesch und schmückten den Raum.
Kultleben und Kulturelle Assimilation
Liturgische und musikalische Begleitung und Bestattung
Die musikalische Gestaltung des Tempelgottesdienstes besorgte ein Chor auf der Empore zu Orgelbegleitung. Diese aufsehenerregende Reform in einer Synagoge war etwas vollkommen Neues und löste heftige Diskussionen aus. Der Kantor der zentralen Synaogengemeinde führte sefardische Melodien ein und verrichtete die Gebete mit der sefardischen Aussprache, die zwar im Ruf sprachwissenschaftlicher Korrektheit stand, aber gegenüber der üblichen aschkenasischen Sprechweise als empfindlicher Bruch der Tradition galt. Teilweise wurde sogar die melodische Rezitation der Gebete und der Bibeltexte als unzeitgemäß angesehen und durch einfaches Vorlesen ersetzt. Für die Gesänge und Chorstücke im Tempel wurden außerdem neue Kompositionen geschrieben.
Eine weitere kulturelle Adaption der Gegenwart war die Feuerbestattung - in Heilbronn ermöglicht durch eines der ersten, 1905 von Emil Beutinger geplanten und erbauten Krematorien –, was eine Spaltung der Gemeinde auslöste.
Rabbinat und Rabbiner
Als Leiter der Liturgie war von 1864 bis 1889 Dr. Moses Engelbert (*13. Juni 1830 in Budenberg bei Kassel; † 17. Januar 1891 in Heilbronn) als Rabbiner der zentralen Synagogengemeinde in Heilbronn tätig. Er war bis zur Auflösung des Rabbinats Lehrensteinsfeld bzw. seiner Verlegung nach Heilbronn der dortige Rabbiner. Ihm folgte 1889 bis 1892 der Rabbiner Dr. Bertold Einstein (* 31. Dezember 1862 in Ulm; † 4. Juni 1935). Als Rabbinatsverweser war es Dr. Einstein, der nach dem Tode von König Karl von Württemberg in der Heilbronner Synagoge bei der Gedächtnisfeier die Trauerrede hielt. Diese Feier fand am 11. Oktober 1891 statt. Die Rede Einsteins wurde in der Buchhandlung von Isidor Stern, Kiliansstraße, verlegt und als Buch herausgegeben.[2] [3]
Ludwig Kahn (*17. Juni 1845 in Baisingen, † 9. Oktober 1914)[4] war von 1892 bis 1914 in Heilbronn tätig. Kahn, der am 19. April 1892 nach Heilbronn kam, sicherte sich bald den Ruf eines hochgebildeten Mannes und fürsorglichen Geistlichen. Er wurde, nach der Gründung der Israelitischen Oberkirchenbehörde dem ersten theologischen Mitglied des Rates zur Unterstützüng beigegeben. Bei der Mobilmachung im Ersten Weltkrieg bat Rabbiner Kahn in der Synagoge um Gottes Schutz und Beistand für Deutschland. Ludwig Kahn spielte eine bemerkenswerte Rolle bei Kriegsausbruch 1914, als die Oberkirchenbehörde in Stuttgart ein gleichmäßiges Verfahren bei der Vereidigung christlicher und jüdischer Soldaten verlangte. Im Kasernenhof von Heilbronn waren zu diesem feierlichen Akt die Soldaten aller Konfessionen angetreten, und die Geistlichen der drei Konfessionen standen vor dem Feldaltar. Rabbiner Kahn war auch für die israelitische Seelsorge in der königlichen Heil- und Pflegeanstalt Weinsberg (Kreis Heilbronn, Württemberg) zuständig.[5]
Dem Rabbiner Kahn folgte von 1914 bis 1935 Rabbiner Dr. Max Beermann (* 5. April 1873 in Berlin; † 1935 in Heilbronn). Er lehrte in vielen Kursen in der Volkshochschule Heilbronn und war aus dem kulturellen Leben der Kommune nicht wegzudenken. Weiterhin war er in der Israelitischen Loge (Heilbronn) Mitglied und hielt dort viele Vorträge. Er hatte am 1. Juni 1915 „unter ärztlicher Führung Gelegenheit... die einzelnen Kranken und ihre Personalien kennenzulernen“. Seit dem 3. Juni 1914 wurden mindestens einmal im Monat dort Gottesdienste abgehalten und Shabbat gefeiert.[6] Eine Israelitische Seelsorge wurde dort im zunehmenden Maße zur Zeit des Nationalsozialismus nötig, bevor im Rahmen der Aktion T4 die Betroffenen nach Grafeneck oder in die Anstalt Hadamar deportiert und ermordet worden sind.
1935 kam Rabbiner Dr. Harry Heimann (* 1. April 1910 in Bromberg) nach Heilbronn. Er konnte 1938 nach Amerika auswandern.
Kantor
Als einer der ersten Kantoren wurde 1885 Moritz Dreifus angestellt, (*23. August 1845 in Richen, † 28. Dezember 1924 in Heilbronn) der als Lehrer und Vorsänger arbeitete.
Seit 1903 arbeitete Isy Krämer (*9. August 1877 in Mönchsrot, † 16. April 1963 in Brooklyn) als Vorsänger. Seine Frau war Julie, eine geborene Würzburger, welche am 12. April 1888 in Heilbronn geboren wurde. Weiterhin war Krämer als Musikkritiker in den Zeitungen Heilbronns tätig. Hier wäre seine Tätigkeit für die Heilbronner Zeitung zu nennen, als damals die Zeitung noch von Carl Wulle verlegt worden war. Desweiteren ab 1910 war er für die Neckar-Zeitung unter den Chefredakteuren Ernst Jaeckh und Theodor Heuss tätig. Der zukünftige Bundespräsident Heuss und Krämer waren Freunde. Am Morgen des Novemberpogrom 1938 um 6.30 Uhr als Krämer wie alltäglich zu seiner Synagogenarbeit eilte konnte er nur noch das brennende Gebäude sehen und musste zur Gestapo gehen. Dank einem Polizeidirektor "W." konnte Krämer die Deportation insbesonderer älterer Mitglieder der israelit. Gemeinde verhindern. Krämer war später Vorsteher der israelitischen Kirchengemeinde und half bei der Auswanderung. 1939 wanderte er selbst nach Amerika aus und starb 1963 in Brooklyn.
Der letzte Kantor zu Heilbronn war Karl Kahn (* 26. Dezember 1890 in Hollenbach; † 6. Oktober 1944 in Auschwitz). Karl Kahn heiratete Rita (* 23. April 1906 in Heilbronn; † 6. Oktober 1944 in Auschwitz), eine gebürtige Meyer. Kahn und seine Frau kamen am 22. August 1942 nach Theresienstadt und am 6. Oktober 1944 wurden sie in Auschwitz ermordet.
Kirchenvorsteher, Oberkirchenbehörde und Oberrat
In einer ersten Phase der kulturellen Adaption der kirchlichen Gegenwart des Landes erging ein Gesetz von 1828, das als Betreuer der israelitischen Gemeinde ein Kirchenvorsteheramt vorsah.
Israelitische Oberkirchenbehörde Württemberg (1831)
In einer zweiten Phase wurde am 27. Oktober 1831 aufgrund einer königlichen Verfügung eine Israelitische Oberkirchenbehörde gegründet, die sich aus dem Vorstand und Regierungs-Kommissar Dr. Johann Balthasar von Steinzhardt , dem Rabbiner Dr. phil. Joseph Maier und als Vikar der Heilbronner Rabbiner Ludwig Kahn, dem Sekretär Dr. phil Carl Weil, als Oberkirchenvorsteher weltliche Mitlglieder wie Jacob Schloß (1903-1910) und Isidor Flegenheimer (1912-1935) aus Heilbronn zusammensetzte.
Israelitische Kirchengemeinde Heilbronn (1861)
In einer dritten Phase der Assimilation wurde durch die "königliche Oberkirchenbehörde" 1861 die "Israelitische Kirchengemeinde Heilbronn" gegründet.
Der Kirchenvorstand der israelitischen Gemeinde setzte sich zusammen aus Kantor, Rabbiner und einigen Vertretern der Gemeinde. Diese waren:
- Moritz Ullmann (* 7. Mai 1820 in Affaltrach, † 18. Juli 1880 in Heilbronn). Ullmann heiratete Lina Kohn.
- Nathan Wachs (* 3. Januar 1839 in Stein a.K., † 4. Januar 1905 in Heilbronn).
- Liebmann Strauss (* 8. August 1833 in Obergimpern, † 12. August 1907 in Heilbronn).
- Max Kirchheimer (* 11. Januar 1839 in Berwangen, † 14. Oktober 1901 in Stuttgart).
- Mayer Stein (* 20. September 1890 in Obergimpern, † 13. September 1941 in Heilbronn). Seine Ehefrau Frieda Wollenberger (* 11.N ovember 1869 in Siegelsbach, † 23. März 1942 in Theresienstadt/Maly Trostinec) wurde im Konzentrationslager Maly Trostinec ermordet.
In einer vierten Phase wurde 1912 die Kirchenverfassung geändert und eine verfassungsgebende Landesversammlung einberufen wurde, wobei das Rabbinat Heilbronn durch Louis Reiss und Rabbiner Dr. Max Beermann in der Landesversammlung vertreten wurden. Es gab für israelitische Gemeinde Heilbronn einen Weiteren Rat.
Israelitsche Religionsgemeinschaft Württemberg (1924)
In einer fünften Phase wurde am 18. März 1924 die Kirchenverfassung erlassen, wonach der "Israelitschen Religionsgemeinschaft Württemberg" gemäß der Reichsverfassung und Landesgesetzes der Status einer Körperschaft öffentlichen Rechts zugestanden wurde. Dabei wurde der Israelit. Religionsgemeinschaft als juristische Person nunmehr Selbstständigkeit erlaubt und diese konnten eine Israelitsche Landesversammlung als Legislative und einen Israelitischen Oberrat als Exekutive einrichten.
Im Israelitischen Oberrat waren folgende Mitglieder der israelit. Gemeinde zu Heilbronn tätig.
- Isidor Flegenheimer (* 24. März 1858 in Odenheim, † 12. Juli 1940 in Heilbronn). 1912 war Felgenheimer Oberkirchenvorsteher.Seit 20. Januar 1913 Mitglied der Israleitischen oberkirchenbehörede. Seit 1924 Oberrat bis 1935. 1931 wurde eine Stiftung gegründet, das seinen Namen trug, die die Ausbildungsförderung israelitischer Religionslehrer zur Aufgabe hatte. 1936 wurde die Stiftung um den Aufgabenbereich Flucht und Auswanderungshilfe erweitert.
- Dr. Manfred Scheuer (* 8. August 1893 in Heilbronn).Jurist und Zionist und wanderte mit seiner Frau und drei Kindern 1938 nach Palästina aus.
- Dr. Siegfried Gumbel (* 22. September 1874 in Heilbronn; † 27. Januar 1942 im KZ Dachau).
50- und 100-jähriges Jubiläum
50-jähriges Jubiläum der Synagoge (1927)
Am 25. Mai 1927 wurde der Festakt zum 50-jährigen Bestehen der Synagoge begangen worüber der Heilbronn Dr. Oskar Mayer eine Festschrift zur Geschichte der Juden in Heilbronn herausgab.
Es erfolgte in der Synagoe ein Festgottesdienst, später ein Festabend in der Harmonie. In der Festrede ist die Ernüchterung Dr. Gumbels zu spüren:
„So hat man 1877 auch empfunden [...] man war in unseren Kreisen überzeugt, daß die Zeiten endgültig vorbei seien, wo der Jude als rechtlos oder minderen Rechts behandelt und mißhandelt worden war. In der Verfassung stand, daß es für die Ausübung staatsbürgerlicher Rechte auf das Glaubensbekenntnis nicht ankomme, und wir hatten damals das Vertrauen, daß die im Recht begründete Gleichstellung, soweit sie uns von der Verwaltung noch nicht gewährt wurde, sich allmählich durchsetzen werde. Man lebte der Hoffnung, daß die gegen uns noch bestehenden Vorurteile nach und nach schwinden und daß auch die gesellschaftliche Zurücksetzung schließlich aufhören werden. Aber es sind nicht alle Blütenträume in Erfüllung gegangen, mancher Frost und Wetterrückschlag hat die Atmosphäre vergiftet, und wir haben uns um unser Recht und unsere Geltung in zäher Arbeit wehren müssen [...] ein hartes Schicksal ist, wenn man den Sündenbock abgeben soll für die Schuld anderer, es ist ein schlimmes Verhängnis, wenn man das Opfer werden soll von Rassendünkel und Rassenwahn.“
Der Heilbronner Kaufmann Hermann Wolf zeigte in einem Festspiel sechs Bilder, die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der israelitischen Religionsgemeinschaft Heilbronn versinnbildlichen sollten.
100-jähriges Jubiläum der Oberkirchenbehörde(1931)
Am 23. Dezember 1931 wurde der Festakt zum 100-jährigen Bestehen der Israelitschen Oberkirchenbehörde in der Synagoge begangen, wobei der Oberrat Dr. Siegfried Gumbel eine Rede hielt und der Gemeinde die Gründung einer Jubiläumsstiftung mitteilte, das für Ausbildung und Wohltätigkeit gedacht war.
Brandstiftung und Blasebalg
Bereits um 1 Uhr am 10. November soll in der Synagoge mit Benzin das Inventar übergossen und auch ein Faß mit 200 Litern Benzin soll unter die Kuppel gestellt worden sein.Danach ereigneten sich Detonationen in der Synagoge, gegen 5 Uhr brannte die Synagoge um 7 Uhr brannte die Kuppel, dabei wurde die Synagoge zerstört. Das von einem Feuerwehrmann geschriebene Gedicht „Der Brand“ beschreibt, wie die Feuerwehrleute das Feuer in der brennenden Synagoge fördern und damit den Brandstiftern zum Erfolg verhelfen, indem sie den Feuerwehrschlauch als Blasebalg benutzen.[7]
Polizei, Gestapo und Kreisleiter Drauz
Kommissar S. ließ ein Rundschreiben umgehen, in dem auf Personen hingewiesen wurde, die israelit. Rechstanwälte und Geschäftsleute erpressen würden. Auch Polizeidirektor Gg. J. Wilhelm versuchte die Aussschreitungen 1938 aufzuhalten. Am Morgen des Novemberpogrom 1938 als die Deportation männlicher Mitglieder der israelit. Gemeinde bereits durchgeführt wurde konnte dank einem Polizeidirektor Heinz W. gemeinsam mit Kantor Krämer die Deportation insbesonderer älterer Mitglieder der israelit. Gemeinde verhindert werden. Der Polizeidirektor Heinz W. hat auch noch nach dem Krieg an der Aufklärung der Vorgänge mitgewirkt und am 09. Mai 1962 in einem Brief an Franke mitgeteilt, dass die mit Edelsteinen versehenen Thorarollen und wohl auch das Silberinventar in die Wilhelmstrasse 4, in das Dachgeschoß der Gestapo gebracht worden seien. Heinz W. hat auch eine vierköpfige Familie aus einem Polizeigefängnis heraus befreien können, weil er nachweisen konnte, dass diese auswandern wollten. Heinz W. ist 1945 selbst in Haft gekommen, aber aufgrund von Einsprüchen von Heilbronnern Juden wieder freigekommen, die ihm bescheinigten, daß er dem Kreisleiter Drauz "energisch Widerstand" geleistet hätte.
Tausch und Umbau
Für eine kurze Zeit stand auch die Rettung der Synagogenruine in Aussicht.[8] Das Ratsprotokoll vom 23. Februar 1940 besagt, dass Oberbürgermeister Heinrich Gültig gemeldet habe, dass sich die benachbarte Post als „Liebhaber“ der Synagogenruine zu erkennen gegeben hat. Solange die Post sich dazu verpflichte, „die ganze Gebäudefront an der Allee in eine architektonisch anständige und gute Form umzubauen“ sehe er keinen Anlass, der Post den Tausch der Ruine gegen das alte Postgebäude am Neckar zu verwehren. Die Post als Interessent an der Synagogenruine verdiene es sogar, zuerst berücksichtigt zu werden.[9] Die Fassade der Synagoge an der Allee wäre wohl im damals vorherrschenden Bauhausstil verändert worden. Ein anderer Ratsherr erklärte jedoch, dass die Ruine eine Verschandelung des Stadtbildes darstelle und daher zum Abriss freigegeben werden müsse.
Arisierung, Abbruch und Abfuhr
Als in einer nichtöffentlichen Sitzung des Heilbronner Gemeinderats der Erwerb von 18 Häusern, Gründstücken und des Schlosses Stettenfels des jüdischen Fabirkanten Siegfried Levi besprochen wurde, wofür die Stadt ingesamt 645.802,- Reichsmark bezahlt hatte, kam auch der Ankauf der Synagogenruine von der jüdischen Gemeinde zur Sprache. Man kam dabei auf einen Wert von 0,- Reichsmark. Dieser Betrag kam dadurch zustande, dass einerseits die Stadt Heilbronn Kosten in Höhe von 34.500 Reichsmark für Abbruch und Abfuhr der Ruine zu tragen hatte, wobei sich die Heilbronner jüdische Gemeinde zu beteiligen hatte, andererseits das Darlehen in Höhe von 50.000,- Reichsmark, das damals die Stadt für den Synagogenbau gegegeben hatte, abgezogen werden müsse. Die örtliche Kommune kaufte das Synagogengrundstück für einen Preis in Höhe von 10.000,- Reichsmark. Der Einkaufspreis musste jedoch aber zurückgehalten werden, weil dies der Höhe der Abbruchskosten, die die israelit. Religionsgemeinschaft Heilbronn zu tragen hatte entsprach. Im Januar 1940 wurde die Synagoge abgebrochen. Die Synagogensteine wurden für den Obstkeller der Jugendkunstschule verwendet.
Strafrechtliche Ahndung, Schlussstrich-Mentalität und Schadensersatz
Die vier Heilbronner Synagogenbrandstifterprozesse (2.9.1939),(1946/50), (1953) und (1955)
Heilbronner Synagogenbrandstifterprozess (2.9.1939)
Angeklagt wurde der Kommandant der Feuerwehr von Heilbronn wegen Synagogenbrandstiftung. Aufgrund fehlender Beweise wurde er freigesprochen.
Heilbronner Synagogenbrandstifterprozess (1946/50)
Kurz nach Kriegsende hoben die Besatzungsmächte die Verjährungsfristen für Delikte wie Landfriedensbruch, Hausfriedensbruch, Körperverletzung, Diebstahl, Brandstiftung, Sachbeschädigung und Nötigung auf. Zugleich wurden die Heilbronner Strafverfolgungsbehörden angewiesen, gegen Täter der Pogrome zu ermitteln und Anklage zu erheben. Dabei lässt sich an den Gerichtsverfahren eine Entwicklung zu immer milderen Urteilen und wachsenden Schwierigkeiten bei der Tataufklärung ablesen.
In einer ersten Phase bis zum Jahre 1947 verwarf die Gerichtsbarkeit die Ausrede des „Befehls-Notstandes“ unter Hinweis auf das Deutsche Beamtengesetz von 1937, das die Verweigerung eines verbrecherischen Befehls erlaubt hätte. Während einer zweiten Phase zwischen 1948 und 1949 machte sich in der Bevölkerung ein Stimmungswandel bemerkbar. Die Entnazifizierung wurde als ungerecht empfunden und war geradezu verhasst; die Aufgabe der Vergangenheitsbewältigung wurde als weniger wichtig eingestuft und eine „Schlussstrich-Mentalität“ war unverkennbar.
Die dritte Phase der strafrechtlichen Ahndung der Novemberpogrome begann mit dem „Gesetz über die Gewährung von Straffreiheit“, das die Bundesregierung am 31. Dezember 1949 gegen die Bedenken des Hochkommissars John Jay McCloy erließ und alle Strafen unterhalb von sechs Monaten amnestierte. Dieses politische Signal wurde von der Richterschaft, die inzwischen wieder belastete ehemalige Nationalsozialisten in ihren Reihen hatte, nicht überhört.
In dem ersten Prozess erschien dabei das Gedicht um den Synagogenbrand. Das von einem Feuerwehrmann geschriebene Gedicht „Der Brand“ beschreibt, wie die Feuerwehrleute das Feuer in der brennenden Synagoge fördern und damit den Brandstiftern zum Erfolg verhelfen, indem sie den Feuerwehrschlauch als Blasebalg benutzen.[10] Vorlage:Spalten
Die Feuerwehr behauptete, dass Oberbürgermeister Gültig diese seinem Befehl unterworfen und ein Löschen verboten hätte. Weiterhin wurde von seiten der Feuerwehr behauptet, dass ein Löschen aufgrund möglicher Rauchvergiftung ausgeschlossen war. Das Gedicht selbst aber weist auf eine andere Deutung. Die Feuerwehrleute wurden alle freigesprochen.
Heilbronner Synagogenbrandstifterprozess (1953)
Der zweite Prozess musste aufgrund mangelnder Beweise eingestellt werden.
Heilbronner Synagogenbrandstifterprozess (1955)
Im dritten Prozess wurden die der Kreis der Angeklagten auf sieben Personen beschränkt, da aber dicht gehalten geschwiegen bzw. nur angedeutet wurde, wurde wiederum der Vorwurf mangels Beweisen eingestellt.
Ein Zeuge gegen die Täter der Reichspogromnacht hat ausgesagt, dass beobachtet worden sei, wie jüdische Kultgegenstände in die Harmonie gebracht wurden, darunter auch Torarollen, Gebetsriemen (Tefillin), Spruchbänder in hebräischer Schrift und jüdische Geschäftsbücher. Die Torarollen waren mit Edelsteinen besetzt und wurden mit 8000 DM bewertet. Von ihnen weiß man, dass sie in die USA gerettet worden sind und sich dort in der Synagoge von Baltimore befinden.
In dem Gedicht des Feuerwehrmannes wird gesagt, dass das Silberinventar bereits herausgetragen worden sei. Das wäre gut möglich, denn die Synagoge von Heilbronn ist nicht am Abend des 9. November, sondern am frühen Morgen des nächsten Tages der Brandstiftung zum Opfer gefallen. Der Feuerwehrmann sprach in seinem Gedicht von der silbernen Hand. Dabei könnte es sich um ein Stück aus der Silbersammlung des Adolph Grünwald handeln.
Theoretisch besteht über die nach dem Zweiten Weltkrieg gemäß dem Bundesentschädigungsgesetz gestellten Wiedergutmachungsanträge der Heilbronner jüdischen Institutionen die Möglichkeit, genaue Informationen über die erlittenen Verluste und Schäden zu erhalten. Obwohl es Quellenhinweise gibt[11] [12], dass solche Anträge gestellt wurden, lassen sich diese in den Karteien der zuständigen Behörden nicht mehr nachweisen.[13] In der Rückerstattungsstatistik finden sich lediglich Hinweise auf Anmeldungen von Wertpapieren, nicht jedoch von Einrichtungs- oder Kultgegenständen.
Mahnmale
Das 1993 eingeweihte Mahnmal „Kuppel“ der Künstlerin Bettina Bürkle und die Gedenktafel vom 9. November 1966 sollen an die zerstörte Synagoge in Heilbronn erinnern. Das Mahnmal besteht aus einem Metallgerippe, das die Form der umgestürzten Kuppel der Heilbronner Synagoge hat, und befindet sich in der Nähe deren früheren Standorts vor einem Kinogebäude an der Allee. Im nahen Synagogenweg befindet sich eine Tafel, an der jährlich an die Pogrome erinnert wird.
Siehe auch
Literatur
- Oskar Mayer: Die Geschichte der Juden in Heilbronn. Jubiläumsfestschrift zum 50-jährigen Bestehen der Heilbronner Synagoge. 1927.
- Götz Krusemarck: Die Juden in Heilbronn. Heilbronn 1938 (2. Auflage 1940).
- Hans Franke: Geschichte und Schicksal der Juden in Heilbronn. Vom Mittelalter bis zur Zeit der nationalsozialistischen Verfolgungen (1050-1945). Stadtarchiv Heilbronn, Heilbronn 1963, ISBN 3-928990-04-7 (PDF, 1,2 MB).
- Wolfram Angerbauer und Hans Georg Frank: Jüdische Gemeinden in Kreis und Stadt Heilbronn. Landkreis Heilbronn, Heilbronn 1986
- Beiheft zur Ausstellung: Geschichte der Juden in Heilbronn. Herausgegeben von D. Elsner und M. U. Schmidt, Juni 1987.
- Warum die Synagogen brannten ... Eine lokalhistorische Dokumentation zur Erinnerung an die jüdischen Gemeinden in Heilbronn und Umgebung und ihre Zerstörung nach 1933. Herausgegeben vom Dt.-Jüd. Freundeskreis Heilbronn e.V. Zweite Auflage Heilbronn 1993.
- Joachim Hahn: Erinnerungen und Zeugnisse jüdischer Geschichte in Baden-Württemberg. Herausgegeben von der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg und dem Innenministerium Baden-Württemberg. Theiss, Stuttgart 1988, ISBN 3-8062-0566-3
- Joachim Hahn: Synagogen in Baden-Württemberg. Stuttgart 1987.
Anmerkungen
- ↑ Hahn, Synagogen in Baden-Württemberg S. 31.
- ↑ Gedächtnisrede bei der Trauerfeier für den König Karl von Württemberg in der Synagoge Heilbronn den 11. Oktober 1891 gehalten von Rabbinatsverweser Dr. Einstein. Heilbronn J. Stern. Buchhandlung 1891.
- ↑ Franke: Geschichte der Juden in HN.
- ↑ [1] [2]
- ↑ Schwaben und Franken: Israelitische Seelsorge, Februar 1984, Nummer 2, S. III.
- ↑ Schwaben und Franken, Februar 1984, Nummer 2, S. III.
- ↑ Dr. Christhard Schrenk, Direktor des Stadtarchivs Heilbronn: Die Chronologie der sogenannten Reichskristallnacht in Heilbronn, HVH 32 1992: Historischer Verein Heilbronn, Jahrbuch für schwäbisch-fränkische Geschichte 32/1992.
- ↑ Uwe Jacobi: Die vermißten Ratsprotokolle. Heilbronn 1981 S. 82.
- ↑ Uwe Jacobi: Die vermißten Ratsprotokolle. Heilbronn 1981 S. 83; in Potsdam ist solch ein Grundstückstausch tatsächlich erfolgt und das benachbarte Postgebäude hat die Synagoge in Potsdam zu einem Hörsaal der Post umgebaut. Dadurch blieb das Gebäude in Substanz und Grundriss erhalten.
- ↑ Dr. Christhard Schrenk, Direktor des Stadtarchivs Heilbronn: Die Chronologie der sogenannten Reichskristallnacht in Heilbronn, HVH 32 1992: Historischer Verein Heilbronn, Jahrbuch für schwäbisch-fränkische Geschichte 32/1992.
- ↑ Hauptstaatsarchiv Stuttgart, Bestand J 3555, Bü V 252
- ↑ Dr. Schrenk: Chronologie der Reichskristallnacht
- ↑ Angefragt wurden u. a. das Landesamt für Wiedergutmachung Baden-Württemberg, der Schlichter für Wiedergutmachung beim Amtsgericht Stuttgart, die Oberfinanzdirektion Stuttgart und die Bundeszentralkartei für Anträge nach dem Bundesentschädigungsgesetz bei der Landesrentenbehörde Düsseldorf.