Fahrzeugakustik

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Die Fahrzeugakustik befasst sich mit der Geräuschentwicklung von Landfahrzeugen; dabei werden überwiegend Automobile und motorisierte Zweiräder betrachtet, zu einem kleineren Anteil auch spurgebundene Fahrzeuge.

Straßenfahrzeuge

Entwicklung

Bis in die 50er-Jahre des 20. Jahrhunderts wurde die Geräuschproblematik bei Straßenfahrzeugen nur wenig beachtet. Im Laufe der Zeit stieg aber sowohl der Komfortanspruch der Fahrzeugbetreiber als auch der Anteil der durch den Straßenverkehr belästigten Bevölkerung. Der Straßenverkehr ist in Deutschland heute diejenige Geräuschquelle, von der der größte Bevölkerungsanteil betroffen ist. Er rangiert hier deutlich vor dem Flugverkehr und dem Bahnverkehr (s. auch Straßenlärm). So ist die Fahrzeugakustik heute ein wichtiges Teilgebiet der Fahrzeugentwicklung.

Zu Beginn der Aktivitäten auf dem Gebiet der Fahrzeugakustik setzten die Akustik-Ingenieure noch einfache Hilfsmittel wie Schallpegelmesser ein. In den 1970er Jahren kamen jedoch die ersten leistungsfähigen Frequenzanalysatoren zum Einsatz, die es erlaubten, in wenigen Sekunden den Frequenzgehalt eines Schallsignals zu ermitteln und auch zu dokumentieren. Nach dem Einzug der Digitaltechnik bietet sich heute dem Akustik-Ingenieur eine Palette von Werkzeugen, die eine umfangreiche Analyse der Schallentstehungsmechanismen gestattet. Dieses ermöglicht eine gezielte Reduzierung der Geräuschpegel direkt an der jeweiligen Quelle.

Die Hauptaktivitäten galten zunächst dem Geräusch des Verbrennungsmotors. In den 1970er und 1980er Jahren rückte auch der Reifen-Fahrbahn-Kontakt in den Mittelpunkt des Interesses. Die intensive Forschungs- und Entwicklungsarbeit auf dem Gebiet der Umströmungsgeräusche begann erst um 1990 und brachte den Bau etlicher Aeroakustik-Windkanäle mit sich.

Auch der Bau anderer spezieller Akustik-Prüfstände wurde immer weiter vorangetrieben. Zu nennen sind hier:

  • Fahrzeugakustik-Prüfstände (meistens Trommelprüfstände)
  • reflexionsarme Motorprüfstände ("schalltote Räume")
  • Durchschallungsprüfstände zur Prüfung von Fahrzeugsegmenten
  • Hallräume für Motoren und Fahrzeuge
  • servohydraulische Fahrzeugprüfstände (z. T. klimatisierbar)

Auch die Messtechnik wurde ständig weiter entwickelt. So werden z. B. zur Schallquellen-Lokalisation Hohlspiegelmikrofone und Mikrofonarrays eingesetzt. Mit der Schallintensitäts-Messtechnik steht ein Werkzeug zur Bestimmung der Schallleistung einer Quelle auch bei Störschall zur Verfügung. Des weiteren sind Laser-Messtechniken (z.B. Laser-Doppler-Vibrometrie) zur Bestimmung von Oberflächen-Schwingungen im Einsatz.

Zur binauralen Geräuschmessung stehen moderne Kunstköpfe zur Verfügung, mit deren Hilfe auch psychoakustische Analysen durchgeführt werden können.

Immer umfangreicher werden auch die Möglichkeiten der numerischen Akustik. Hier ist besonders die Finite-Elemente-Methode (FEM) und die Boundary-Element-Methode (BEM), aber auch die Statistische Energie-Analyse (SEA) und die numerische Aeroakustik (CAA) zu nennen.

Geräuschquellen am Fahrzeug

Das Geräusch von Straßenfahrzeugen setzt sich aus drei Hauptkomponenten zusammen: dem Antriebsgeräusch, dem Reifen-Fahrbahngeräusch bzw. Rollgeräusch und dem aerodynamischen Geräusch. Das Antriebsgeräusch dominiert bei hohen Motor-Drehmomenten und kleinen Geschwindigkeiten, z. B. beim Anfahren an der Ampel. Bei konstanter Geschwindigkeit auf Landstraßen, aber auch schon im Stadtverkehr ist das Reifen-Fahrbahngeräusch die lauteste Komponente. Auf Autobahnen wird die Fahrzeugumströmung oberhalb von ca. 130 km/h zur Hauptgeräuschquelle.

Nicht zuletzt wegen der Vorschriften zur Typprüfung, die eine beschleunigte Vorbeifahrt als Messbedingung vorschreiben, sind die Antriebsgeräusche, und hier besonders die Ansaug- und Auspuffgeräusche in den vergangenen Jahrzehnten deutlich reduziert worden. Da die Reifen-Fahrbahngeräusche nicht im gleichen Maße abgesenkt werden konnten, treten diese nun in den meisten Betriebsbereichen eines Pkw dominierend in Erscheinung. Bei modernen Fahrzeugen trägt das Reifen-Fahrbahngeräusch auch bei Beschleunigung ungefähr zur Hälfte zum Gesamtgeräusch bei. Bei konstanter Fahrt überwiegt das Reifen-Fahrbahngeräusch außer im ersten Gang in allen Schaltstufen. Die Schallenergie im Stadtverkehr ist nach einer neueren Studie zu 90 % dem Reifen-Fahrbahngeräusch zuzuschreiben. Geräuschreduzierungen beim Reifen-Fahrbahn-Kontakt wirken sich daher deutlich auf die für die Bevölkerung wirksame Geräuschimmission aus.

Untersuchungen des Forschungsinstituts für Kraftfahrwesen und Fahrzeugmotoren Stuttgart (FKFS) zeigen, dass bei Geschwindigkeiten über ca. 130 km/h, sowohl für das Außen- als auch für das Innengeräusch, das Umströmungsgeräusch bei akustisch günstigen Reifen-Fahrbahn-Kombinationen die höchsten Geräuschpegel erzeugt. Diese Geschwindigkeitsgrenze kann für Kleintransporter noch wesentlich niedriger liegen.

Literatur

Gahlau, H.: Fahrzeugakustik: Entwicklung und Einsatz von Systemen zur Lärmreduzierung. Landsberg: Verlag Moderne Industrie, 1998; ISBN 347-8931-843.