Heinrich Cornelius Agrippa von Nettesheim

Universalgelehrter, Theologe, Jurist, Arzt und Philosoph
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Heinrich (Henricus) Agrippa von Nettesheim (* 14. September 1486 in Nettesheim bei Köln; † 18. Februar 1535 in Grenoble) war ein humanistischer Gelehrter, Jurist und Arzt.

Heinrich Cornelius Agrippa von Nettesheim

Er zählt wegen seiner Auseinandersetzung mit Magie, Kabbala oder Okkultismus zu den bedeutenden Theologen, so wie er sich selbst nennt. Die Gedankenwelt Agrippas erinnert in vielen Dingen an jene Erasmus von Rotterdams. Agrippa gilt als Neuplatoniker.

Leben

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Kupferstich 1533

Agrippa von Nettesheim wurde als Spross einer verarmten Kölner Adelsfamilie geboren, er hatte eine Schwester, über Agrippas Kindheit und frühe Jugend ist nichts bekannt. Die III. Matrikel der Kölner Universität verzeichnet für den 22. Juli 1499 die Immatrikulation des Henricus de Nettesheym, Sohn des gleichnamigen Vaters, der als Kölner Bürger möglicherweise in den Diensten des Hauses Österreich stand, an der Fakultät der Künste. Im IV. Dekanatsbuch der Artistenfakultät wurde Agrippa am 29. Mai 1500 für das Baccalaureat zugelassen. Ein Eintrag vom 1. Juli 1500 verzeichnet den Beginn der Determination und am 14. März 1502 die Zulassung zur Licentiatenprüfung. Über weitere universitäre Abschlüsse in Köln ist nichts bekannt. Der Studienplan des Autodidakten Agrippa umfasste außer dem Latein die Astrologie, Theologie, Grundlagen des magischen Denkens, Hermetische Bücher, orphische Hymnen, Kabbala, Römisches Recht, Medizin, Mechanik, Optik und Geometrie. Im Jahre 1502 oder 1503 wechselte er den Studienort und zog mehrere Jahre nach Paris, von 1507 stammen auch die ältesten bekannten und erhaltenen Briefe seines Aufenthalts dort. Erste alchemistische Experimente die auch ohne Garantie auf Erfolg durchgeführt wurden und die sich Agrippa von reichen Bürgern bezahlen lassen hat. Laut dünnen und unsicheren Quellen allem Anschein nach entweder gegründet oder frequentiert hat Agrippa mit Gleichgesinnten im Jahr 1507 ein Solidacium, die auch Ableger in England, Deutschland und Italien hatte.

Im Jahre 1508 reiste er mit Freunden nach Spanien und heuerte etliche Söldner an, um nach einem Hilferuf seines Freundes, der Baske Janotus, dessen Burg zurück zu erobern. Nach dem gelungen Sieg wendete sich aber das Blatt, weil eine Überzahl an unzufriedenen Bauern die Burg umlagerte und die letzte Zuflucht in einem Turm bestand und das Aushungern drohte. Agrippa ließ einen Soldaten, dem er die Schreckensmale der Pest auf das Gesicht künstlich auftrug, unter die belagernden Bauern gehen, die in Panik durch eine Ansteckung das Weite suchten. Agrippa, seinen Freunden und den Söldnern gelang die Flucht. Nach Aufenthalten in Lyon und Autun hielt der von Geldnot geplagte Agrippa 1509 als Dozent mit erst 23 Jahren, an der Universität im burgundischen Dôle Vorlesungen über Johann Reuchlins Werk De verbo mirificio. Agrippas Vorlesungen lauschten auch Mitglieder des Parlaments und Hofstaates der Regentin Margarete von Österreich, darunter der Prior Pater Provianzial Jean Catilinet der burgundischen Franziskaner, der Agrippa während einer Vorlesung als einen „Häretiker, der die verbotene kabbalistische Kunst unter die christlische Lehre mischen würde“, beschimpft. Ein Jahr später schrieb Agrippa in England eine Streitschrift Ex postulatio contra Catilinetum gegen Jean Catilinet und ließ diese in Humanistenkreisen zirkulieren, die ihm den Hass vieler Franziskaner und Argwohn der Dominikaner bescherte. Noch in Dôve schrieb Agrippa die Abfassung De nobilitate et preacellentia foeminei sexus, eine Lobrede für Gleichberechtigung, Themen sind u.a. historische Leistungen von Frauen, Erziehungskritik uvm. Eine These lautet „Frauen seien unbestechlich, deshalb ist die Korupptionskultur in Kirche und Staat eine rein Männliche Domäne“, oder „Warum müssen alle Priester ausschließlich männlichen Geschlechts sein“. Agrippa versuchte, sich durch diese Schrift die Gunst Margarete von Österreich und damit auch eine akademische Festanstellung am Hofe zu sichern. Durch den einflussreichen Hofprediger Jean Catilinet wurde der Druck der Schrift (erst 1532 in Antwerpen publiziert) und auch das ehrenvolle Amt am Hof verhindert.

Ende 1509 zurück in Köln, nahm Agrippa Kontakt zu dem berühmt-berüchtigten Gelehrten, Magier, Hexentheoretiker und Abt Johannes Trithemius des Benediktinerkloster zu Sponheim auf, dem ein längerer Arbeitsbesuch seitens Agrippas folgte. Während dieser Zusammenkunft mit Johannes Trithemius und auf dessen Anregung hin verfasste Agrippa bis zum Frühjahr 1510 sein dreibändiges Hauptwerk mit dem Titel De Occulta Philosophia über die bis dahin bekannte Magie, eine erstmalige systematische Zusammenfassung durch Verifizierung und Klassifizierung dieses Wissens seiner Zeit. „Dieses gelehrte Kompendium von riesenhaften Ausmaßen bildete die Grundlage für den frühen Ruhm und eilfertige Verleumdungen, obwohl auch dieses Werk erst Jahrzehnte später in einer gedruckten Fassung erschien“ (sic). In diesem Jahreswechsel 1509/10 musste Agrippa, der sich auch für die Mineralogie interessierte, auch als Bergrat für die Stadt Köln tätig gewesen sein, was aus einer Bemerkung aus dem Werk De vanitate... hervorgeht. Kaiser Maximilians I. schickte 1510 viele Repräsentanten nach England um direkt auf die kommende Politik von König Heinrich VIII. einzuwirken. Agrippa wurde vom Kaiser wegen seiner Sprachbegabtheit ausgewählt und mit geheimer Mission als Agent nach England geschickt. Hier besuchte Agrippa auch die Vorlesungen des Humanisten John Colet über die geheimnisvollen Besonderheiten des Paulinischen Christentum. Zurück in Köln hielt er 1511 Vorlesungen an der Universität, im Stile einer quodlibetanische („Was du willst“-Meinung) über Theologie. In dieser Zeit kam es auch zu einem Gelehrtenstreit mit dem Inquisitor von Köln, Mainz und Trier Jakob van Hoogstraten von den Dominikanern und Johannes Pfefferkorn, an denen sich Agrippa beteiligte, in dem er ihnen Ungelehrtheit vorwarf. Dieser Streit der in vielen Universitäten von vielen wichtigen Gelehrten geführt wurde, reichte bis zu den späteren Dunkelmännerbriefen. Noch im selben Jahr reist er nach Italien, um nach eigenen Angaben in Triest, als Kaiserlicher Offizier eine schwer bewachte Kriegskasse durch das Land zu begleiten. 1512 kämpfte er als Offizier, dann auch im Heer Kaiser Maximilians I. gegen die Venetianer und wurde wegen Tapferkeit vor dem Feind noch auf dem Kampfplatz zum Ritter geschlagen. 1513 in diplomatischen Missionen unterwegs begleitet er auch den Kardinal von Santa Croce zum Konzil in Pisa, bei dem Giovanni de Medici zum Papst Leo X. gewählt wurde. Agrippa, der seine Streitigkeiten mit Gelehrten und Vertretern der Kirche versuchte zu bereinigen, nützte auch ein Brief mit Belobigung vom neuen Papst nicht viel um die Wogen zu glätten. 1514 vertieft Agrippa sein Wissen und wanderte durch Italien. Im Jahr 1515 hielt er in Pavia Vorlesungen über Hermes Trismegistos und die ihm zugeschriebenen Zauber und Offenbarungsbücher, im Wesentlichen die hermetischen Schriften Picatrix und Pimander aus dem Corpus Hermeticum. 1515 verheiratete sich Agrippa mit einer Frau in Pavia, Name und Herkunft seiner Gemahlin sind unbekannt. Agrippa von Nettesheim promovierte auch zum Doctor medicinae und zum Doctor iuris utriusque an der Universität zu Pavia (die jetzigen Forschungsergebnisse lassen ein für und wider zu, dass er promoviert hat geht aus der Tatsache hervor, dass er berufen wird von den jeweiligen Stadträten und das in zumal sehr wichtigen und begehrten Anstellungen wie, Syndikus in der Reichsstadt Metz, Stadtarzt von Freiburg und später Stadtphysicus und Direktor des Stadtkrankenhaus von Genf, die er wohl ohne akademische Titel, nicht nur nicht bekommen hätte, sondern bei der Konkurrenz auch nicht haltbar gewesen wäre, bei der Anzahl seiner Gelehrten Gegner). Ende 1515 stand Pavia vor dem Fall der anrückenden Französischen Armee, Agrippa verlor sein Hab und Gut und flüchtete mit seiner Frau Richtung Piemont. 1516 verfasste er das Traktat de triplici ratione cognoscendi Deum, wohl auf dem Schloss seines Gönners Marquis de Monferatto. In Köln verstarb der Abt Trithemius der mit 2000 Bücher und Schriften eines der Umfangreichsten Bibliotheken besaß und setzte Agrippa als Erben ein . 1517 wurde Agrippa Vater, seine Frau brachte einen Sohn mit Namen Aymont auf die Welt. Nach Aufenthalten in verschiedenen Städten in Italien, reiste Agrippa 1518 nach Köln. Er bekam das Angebot als päpstlicher Legat in Avignon tätig zu werden, entschied sich aber für das zweite Angebot als Stadtanwalt und Festredner der reichen Handelsstadt Metz. Im Februar 1518 in Metz mit Frau und Kind angekommen, ging er seiner Arbeit als Syndikus nach und schrieb auch das Traktat De orginale peccato. Er studierte die Schriften von Jacques Lefèvre d’Étaples, den er auch in der Öffentlichkeit vor dem Klerus in Schutz nahm. Hier hatte Agrippa, der sich auch mit der Reformation auseinandersetzte, Bücher und Schriften von Luther, Erasmus von Rotterdam, Lefèvre d’Étaples und anderen erworben , um sie an seine Gelehrten Freunde zu verteilen. Dass er das auf eigene Kosten machte, setzte sich auch in Genf und Freiburg fort. 1519 starb sein Vater in Köln. In Metz wurde Agrippa von den Stadtoberen ausgewählt eine wegen Hexerei angeklagte Frau vor dem Inquisitor Claudius Salini zu verteidigen. Man ging von einer Verurteilung aus, deswegen ließ man Agrippa freie Wahl bei seiner Verteidigung. In dem sich hinziehenden Prozess schaffte Agrippa es aber, den aus dem Hexenhammer Malleus Maleficarum rezitierenden Inquisitor zu widerlegen und die Frau wurde freigesprochen. Dadurch fiel Agrippa selbst bei Obrigkeit und Stadtherren in Metz in Ungnade. Öffentliche Dispute mit dem Klerus und die Gerüchte der einfachen Bürger, wer gegen die Inquisition gewinnt, kann nur ein Teufelsbündler sein, machten ihm das Leben in Metz immer schwerer. Überall in der Stadt wurden Gerüchte gestreut, wonach Agrippa selbst ein Schwarz- oder Teufelskünstler sei, der heimlich Zaubergeister beschwöre. „Damit war der Grundstein für eine Legende gelegt, die Agrippa Zeit seines Lebens über das Grab hinaus verfolgen sollte“ (sic). Am 25 Januar 1520 verließ er Metz und reiste nach Köln, dort schrieb er die Streitschrift De beatissime Annae monogamia. Im Juli des Jahres traf er sich in Köln mit dem antiklerikalen Reichsritter Ulrich von Hutten, Agrippa wurde auch zu der Zeit der Magische Teil der Bücher und Schriften aus dem Erbe von Trithemius ausgehändigt. 1521 reiste er nach Metz um alte Freunde zu besuchen, zum Unglück verstarb seine Frau unerwartet bei diesem Aufenthalt . Agrippa reiste mit seinem 4-jährigen Sohn nach Genf weiter und arbeitete dort als Arzt. Ende 1521 heiratete Agrippa die 18-jährige Jana Luisa Tissie aus einer vornehmen Genfer Familie, die noch insgesamt 6 Kinder von ihm auf die Welt brachte. 1522 wurde Agrippa zum Direktor des Stadtkrankenhauses von Genf . 1523 die Stadtherren sahen in Agrippa einen führenden Gelehrten ihrer Zeit und versuchten ihn vergeblich in Genf zuhalten . Noch im selben Jahr zog Agrippa weiter nach Freiburg und wurde dort Stadtphysicus, er vertiefte seine okkulten Studien und traf Agenten des mit König Franz I. verfeindeten Herzogs von Bourbon. In Freiburg verfasste Agrippa eine Verteidigungsschrift als offenen Brief für seinen schon längst verstorbenen alten Meister Trithemius, der mittlerweise als Schwarzmagier und Betrüger post mortem diffamiert wurde. Da Agrippa nicht die Kassen der Apotheker vergolden wollte, in dem er teure und unnötige Rezepte ausstellte, stellte er armen Leute eigene Rezepte aus oder behandelte sie umsonst. Damit brachte er eine Allianz aus Ärzten und Zunftapothekern gegen sich auf, was ihn im Juli 1523 dazu veranlasste selbst beim Magistrat seine Entlassung einzureichen.

1524 in Lyon eingetroffen nahm er im Mai das Amt als Leibarzt von Luise von Savoyen , Mutter von König Franz I an . Agrippas zweiter Sohn Henry wurde in Lyon geboren , 1525 folgte sein dritter Sohn Jean . 1526 schrieb er das Traktrat „ Declamatio de sacrameto matrimonii“. In diesem Jahr wurde sein Salär am Hof nicht anständig und regelmäßig bezahlt , er mußte erst Bitt- dann Drohbriefe an die Finanzverwaltung schreiben , das aber nichts nützte . Damit begannen auch die Intrigen am Hof gegen Agrippa , dazu kam das Regentin Luise Horoskope über ihren Sohn Franz I von ihm verlangte , das versuchte er abzulehnen mit der Begründung , es gibt wohl wichtigeres Zutun . Wohl um nicht ganz in Ungnade zu fallen , erstellte er ein Horoskop über das weitere Kriegsgeschehen , prophezeite aber Astrologisch den Sieg der Feinde und zwar den Sieg des Hauses Bourbonen . Das Ende wohl in Lyon sehend und den Intrigen gegen sich entziehen zu wollen , verhandelte er heimlich mit Abgesandten von Karl I Herzog von Bourbon , um eine Anstellung bei Hofe . 1527 erfuhr Agrippa das er aus der Besoldungsliste gestrichen wurde , obwohl er immer noch Leibarzt der Mutter des Königs war . Da die Verhandlungen ergebnislos waren für eine Anstellung beim Herzog von Bourbon , reiste er mit seiner Familie noch ende jenes Jahres nach Paris .

1529 amtierte Agrippa als Archivar und Historiograph der niederländischen Regentin Margaretha von Österreich, geriet jedoch bald in Streitigkeiten mit dem Klerus. Nach Erscheinen der Occulta philosophia landete er 1531 als Folge seiner Satire über die Wissenschaften (De incertitudine et vanitate scientiarum – Von der Ungewissheit und Eitelkeit der Wissenschaften, Köln 1527), wobei Kaiser Karl V. einen Widerruf der Kirchenkritik verlangte, bei Agrippas Weigerung kurzzeitig in Brüssel im Gefängnis. 1532 besuchte er Hermann Graf zu Wied, den Erzbischof von Trier.

Johann Weyer, ein Schüler Agrippas, schrieb mit seinem Buch De praestigiis daemonum ein grundlegendes Werk zur Verteidigung von der Hexerei beschuldigten Personen. Agrippa war dreimal verheiratet, die ersten beiden Frauen starben, von der dritten trennte er sich 1535. Der Universalgelehrte ließ sich stets von einem großen Hund begleiten, meist einem Pudel. Er inspirierte also Johann Wolfgang von Goethe nicht nur mit seinen Schriften zur Gestaltung des Faust-Dramas. 1532 sollen sich Agrippa und der historische Dr. Faust begegnet sein. 1535 starb er 49-jährig in Grenoble.

De Occulta Philosophia

 
De Occulta Philosophia, Libri tres

Dieses Frühwerk des 24-jährigen Agrippa entstand in einer Zeit des Umbruches. Scheiterhaufen nahmen beängstigend zu, Kriege ließen wenige in Frieden, die Reformation spaltete katholische Kirchenhoheit, Copernicus beendete das geozentrische Weltbild und erschütterte das Abendland. Mit De Occulta Philosophia (Von der verborgenen Philosophie) gelang ihm auf Anhieb eine Art frühhumanistischer „Bestseller“. Er stellte darin streng systematisch die Astrologie, Kabbala, Theologie, Mantik, Evokationsmagie, Angeologie, Amulett- und Talismanzauber einträchtig nebeneinander und verteidigte seine „heilige Magie“ in elegantem Stil gegen „Zauberer“ und „Teufelsbeschwörer“. Zu seiner Zeit war dies für ihn lebensgefährlich und bei seinen Lesern sensationell. Deshalb erschienen innerhalb von nur drei Jahren drei Auflagen in Antwerpen, Paris und Köln (1530–1533).

„Die magische Wissenschaft, der so viele Kräfte zu Gebot stehen, und die eine Fülle der erhabensten Mysterien besitzt, umfasst die tiefste Betrachtung der verborgensten Dinge, das Wesen, die Macht, die Beschaffenheit, den Stoff, die Kraft und die Kenntnis der ganzen Natur. Sie lehrt uns die Verschiedenheit und die Übereinstimmung der Dinge kennen. Daraus folgen ihre wunderbaren Wirkungen; indem sie die verschiedensten Kräfte miteinander vereinigt und überall das entsprechende Untere mit den Gaben und Kräften des Oberen verbindet und vermählt. Die Wissenschaft ist daher die vollkommendste und höchste, sie ist eine erhabene und heilige Philosophie, ja sie ist die absolute Vollendung der edelsten Philosophie.“ (De Occulta Philosophia, Buch I, K. 2, S. 13)

Metaphysik

In seinem Hauptwerk De occulta Philosophia vertritt Aggripa von Nettesheim einen Neuplatonismus. Die Auffassung in seinem Hauptwerk hat zumindest bis zur Verfassung der Declamatio („Die Eitelkeit und Unsicherheit der Wissenschaft und die Verteidigungsschrift“) Gültigkeit. Seine Lehre von Gott ist zum Teil noch christlich, aber man kann sich die Frage stellen, ob er nicht beispielsweise der Ansicht der Trinität nur deswegen war, weil er dadurch dem Häresieverdacht entgehen konnte. In der Occulta Philosophia ist einerseits von Vater, Sohn und Heiliger Geist die Rede, auf der anderen Seite ist der Gottesbegriff aber auch platonisch oder vielmehr neuplatonisch im antiken (heidnischen) Sinne. Denn Aggripa spricht auch von einem Gott, indem alle Dinge als Ideen vorhanden sind. Die Ideenlehre wurde so im gewissen Sinne auch von christlichen Neuplatonikern wie Augustinus gesehen. Was Augustinus allerdings nicht mehr vertreten hat, ist der Begriff der Weltseele. Dieser stammt aus dem Timaios von Platon und wurde im Neuplatonismus von Plotin eins zu eins übernommen. Der Unterschied zwischen der christlichen Trinitätslehre und der Lehre von Plotin ist, dass Plotin die göttlichen Hypostasen (das Eine, den Geist und die Weltseele) als hierarchisch betrachtet. Ganz oben in der Hierarchie steht das Eine (Gott) aus dem alles andere hervorgeht und in dem alles wieder zurückkehrt. Das Eine ist Einheit, während der Geist oder die Weltseele bereits „Zweiheiten“ sind. Die Lehre der „Dreieinigkeit“ spricht von einem „dreieinigen“ Gott, der wiederum nicht mehr so stark hierarchisch zu denken ist, wie im Neuplatonismus von Plotin. Außerdem wird Gott von den Griechen (Platon, Plotin, Proklos, Porphyrius etc.) nicht als „Subjekt“ gesehen.

Was Aggripa vom mittelalterlichen (Augustinus, Eriugena etc.) Neuplatonismus damit noch unterscheidet, ist der Gedanke, dass der Kosmos von den Kräften des Archetypus durchströmt wird. In gewisser Weise ist damit Gott auch „in der Welt“. Die Welt als ganze kann als „Inkarnation Gottes“ betrachtet werden. Andere Neuplatoniker sprechen vom Abbild Gottes (auch die christlichen). Insofern ist der Unterschied zum Christentum immer nur sehr gering und daher konnte Aggripa möglicherweise auch der Inquisition entkommen. Aggripa vertritt auch einen „Panpsychismus“ und das unterscheidet in sowohl von Plotin als auch von christlichen Neuplatonikern des Mittelalters. Im Kapitel 56 der „Occulta Philosophia“ heißt es:

... denn da der Weltkörper ein ganzer Körper ist, dessen Teile die Körper aller Lebewesen sind, und da, je vollkommener und edler der Weltkörper als der Körper der einzelnen Wesen ist, wäre es absurd anzunehmen, daß, wenn jedes unvollkommene Körperchen und Weltteilchen... Leben besitzt und eine Seele hat, die ganze Welt als vollkommenster und edelster Körper weder lebe, noch eine Seele habe.

Hier wird implizit auf die Weltseele hingewiesen. Gleichzeitig kommt beim Zitat eindeutig durch, dass alle Dinge eine Seele haben (auch die Materie) und damit widerspricht Aggripa mittelalterlichen Vorstellungen eindeutig. Auch bei Plotin war die Materie (das Böse) gleichzeitig auch unbeseelt. Jene „Aufwertung“ der Materie wird bei Giordano Bruno noch viel stärker betont werden, sodass dieser sogar in den Verdacht kam, einen Pantheismus zu vertreten. Der Panpsychismus ist ein typisches Kennzeichen des Neuplatonismus der Renaissance.

Welche Rolle spielt der Mensch oder vielmehr die menschliche Seele in diesem Weltbild? Der Mensch ist getreu der neuplatonischen Weltanschauung Abbild Gottes und stellt einen Mikrokosmos dar. So kommt es, dass Aggripa auch die einzelnen Glieder und Organe des menschlichen Körpers jeweils bestimmten Gestirnen zuordnen kann, wie z.B. die Milz dem Saturn oder das rechte Ohr dem Jupiter. Aggripa lehnt sich sehr eng an die Lehre des Averroes an, wenn er von den vier inneren Sinnen spricht (Gemeinsinn, Einbildungskraft, Phantasie, Gedächtnis). Auch bei der Seelenlehre versucht Aggripa immer, dass seine Lehre mit der christlichen im Einklang bleibt, was freilich nicht immer gelingt.

Auch bei den Aussagen über den Zustand der menschlichen Seele nach dem Tode bleiben die Aussagen von Aggripa in gewisser Weise widersprüchlich. Er kommt auch hier offensichtlich mit der Lehre des Christentums in Schwierigkeiten. Zum einen weist er auf die Lehre der „Wiedervergeltung“ (Reinkarnation) hin, ohne sich selbst zu der angeführten Meinung zu äußern. Ein Zitat aus der „Occulta Philosophia“ soll die angeführte These unterstreicchen (Vgl.: Kap. 41 Occulta Philosophia):

Auf diese Weise, glaubte der große Origenes, seien auch die Worte Christi im Evangelium auszulegen: Wer das Schwert nimmt, der soll durch das Schwert umkommen. Auch die heidnischen Philosophen glauben an derartige Vergeltung und nennen sie Adrastea, d.i. die Macht der göttlichen Gesetze, wonach in künftigen Zeiten einem jeden vergolten wird nach der Beschaffenheit und den Verdiensten seines früheren Lebens, so daß, wer ungerecht im vorigen Leben herrschte, in andern in den Zustand der Sklaverei gerät, wer seine Hände mit Blut besudelte, gleiche Vergeltung erleiden muß, und wer einen tierischen Lebenswandel führte, in einen tierischen Körper eingeschlossen wird.

Er bezieht sich auf die Lehre der Wiedergeburt und versucht diese mit der heiligen Schrift in Einklang zu bringen. Es wird aus diesem Zitat offensichtlich, dass Aggripa ähnlich wie Platon, Plotin oder später auch Bruno an die Seelenwanderung glaubte. Aggripa verbindet verschiedene Lehren aus verschiedenen Religionen. Auch Pico della Mirandola versuchte so etwas wie eine Einheit unter den Religionen zu finden. Mit dem Christentum an sich ist diese Lehre aber nicht mehr vereinbar und Aggripa konnte von Glück reden, dass er hier dem Scheiterhaufen entkommen ist.

Werke und Ausgaben

 
Opera omnia, in duos tomos concinne digesta, & nunc denuò sublatis omnibus mendis
  • De incertitudine et vanitate scientiarum - Von der Ungewissheit und Eitelkeit der Wissenschaften. Köln 1527 (eine Satire zum traurigen Stand der Wissenschaften)
  • Declamatio de nobilitate et praecellentia foeminei sexus, 1529[1]; mit englischer Übersetzung, London 1670[2]
  • Libri tres de occulta philosophia oder Drei Bücher der verborgenen Philosophie. Antwerpen 1530, gedruckt Paris 1531, erweiterte Ausgabe Köln 1533
  • Opera (Werkausgabe). Lyon 1550
  • De occulta Philosophia. Auswahl, Einführung und Kommentar von Willy Schröder. Der Leuchter - Otto Reichl Verlag, Remagen 1967
  • De occulta philosophia, libri tres. Hrsg. v. V. Perrone Compagni. (= Studies in the History of Christian Traditions; 48). Brill, Leiden u. a. 1992 (kritische Edition; E-Text)

Literatur

  • Joseph Orsier: Henri Cornélis Agrippa. Sa Vie et son Oeuvre d'après sa Correspondance (1486–1535). Chacornac, Paris 1911 (Digitalisat, PDF)
  • Marc van der Poel: Cornelius Agrippa, The Humanist Theologian and His Declamations. Brill, Leiden und Boston 1997
  • Hermann F. W. Kuhlow: Die Imitatio Christi und ihre kosmologische Überfremdung, 1967
  • Michael Kuper: Agrippa von Nettersheim - Ein echter Faust Zerling, Berlin 1994, ISBN 3-88468-056-0