Als Industriestaaten, oder auch Industrieländer oder Staaten der Ersten Welt, seltener auch Industrienationen bezeichnet man allgemein technisch hoch entwickelten Staaten mit einer bedeutenden eigenen industriellen Produktion von Gütern.
Begriff
Als Industriestaat werden heute die reicheren Staaten der Welt bezeichnet, Staaten mit einer hohen ökonomischen Wertschöpfung. Industriestaat gilt somit als Begriff zur Abgrenzung gegenüber den Schwellenländern und den Entwicklungsländern. Als Definition kann eher eine Negativabgrenzung gelten: Industriestaaten sind „reiche“ Staaten, die keine Entwicklungs- oder Schwellenländer sind.
Sprachlich ist der Begriff Industriestaat unklar, da die Einteilung der Staaten vorwiegend nicht mehr nach ihrer Industrialisierung erfolgt, sondern überwiegend auf der Basis von Pro-Kopf-Einkommen bzw. nach dem Bruttonationaleinkommen-pro-Kopf. Staaten mit einem hohen Dienstleistungssektor (Anteil zwischen 60 bis 75 %) nehmen dabei in der Rangfolge einen zumeist vorderen Platz ein. In Veröffentlichungen werden deshalb Begriffe wie „OECD-Staaten und übrige marktwirtschaftlich organisierte Industriestaaten“, „advanced economies“, „reiche Staaten“ oder „Staaten der Ersten Welt“ gebraucht.
Erste Welt
Der Begriff „Erste Welt'“ wurde auch im Kalten Krieg für die kapitalistischen Länder gebraucht, während die kommunistischen Länder als Zweite Welt bezeichnet wurden. Dieser Begriff hat seit Ende des Ost-West-Konflikts keine Bedeutung mehr.
Weltbankkriterien
Die Weltbank differenziert 2004 die Staaten nach Einkommen und Bruttosozialprodukt (BSP):
Gruppe | Bruttonationaleinkommen | BSP in Mrd. | Bevölkerung |
---|---|---|---|
hoch | 32.040 $ pro Einwohner | 32.064 $ = .80 % | 1,0 Mrd. = .15,9 % |
mittel | .2.190 $ pro Einwohner | .6.594 $ = .17 % | 3,0 Mrd. = .47,6 % |
niedrig | ....510 $ pro Einwohner | .1.184 $ = ...3 % | 2,3 Mrd. = .36,5 % |
Gesamt | 6.280 $ pro Einwohner | 39.833 $ =100 % | 6,3 Mrd. = 100,0 % |
Weitere Kriterien
Als weitere Kriterien der Einteilung von Staaten könnten auch gelten: Geringere Differenz in der Einkommens- und Vermögensverteilung, ausgeglichene Handelsbilanz, geringerer Auslandsverschuldung, niedrigere Arbeitslosigkeit, gute Infrastruktur, hohe Investitionstätigkeit, guten Handelsbedingungen (Terms of Trade), aber auch positive demographische Merkmale, höhere Lebenserwartung, bessere Gesundheit, höherer Bildungsstand, politische Stabilität oder bessere ökologische Bedingungen. Tatsache ist aber, dass zur begrifflichen Abgrenzung von Staaten fast ausschließlich das ökonomische orientierte Bruttonationaleinkommen-pro-Kopf dient.
Grün: Industrieländer
Gelb: Schwellenländer
Rot: Entwicklungsländer
Von verschiedenen Seiten (z. B. Weltbank, OECD, IWF, EG) wurden in den letzten Jahrzehnten Listen mit Schwellen- oder Entwicklungsländern erstellt. Eine verbindliche Liste gibt es jedoch nicht, die Zahlen in den Listen schwanken erheblich und die Festlegungen sind auch politisch gekennzeichnet. Allgemeingültige, messbare und akzeptierte Normen fehlen.
Im Jahre 1990 wurde vom UNDP (United Nations Development Programme), dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen, der Versuch unternommen, ein differenziertes Bewertungskonzept zu entwerfen. Dabei sollten zunehmend auch soziale Faktoren berücksichtigt werden. Der Human Development Index (HDI) wird im jährlich vom UNDP herausgegebenen Human Development Report (HDR) veröffentlicht. Seit der Mitte der 90er Jahre wird jedoch der in Kritik geratene HDI-Index in offiziellen UN-Dokumenten nicht mehr erwähnt.
Heutige Industriestaaten
Als Industriestaaten gelten heute die Mitgliedstaaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD): Australien, Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Island, Italien, Japan, Kanada, Luxemburg, Mexiko, Neuseeland, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Schweden, Schweiz, Südkorea, Slowakei, Spanien, Tschechien, Türkei, Ungarn, Vereinigte Staaten. (Mit Chile, Estland, Israel, Russland und Slowenien wurden Beitrittsverhandlungen aufgenommen).
Auch Länder wie Argentinien, Chile, Südafrika, Estland, Israel, Kroatien, Lettland, Litauen, Russland, Slowenien, Singapur, Südkorea, Republik China (Taiwan), Zypern sowie die Ölförderländer wie Bahrain, Kuwait, Saudi-Arabien und Vereinigte Arabische Emirate können der Kategorie der Industriestaaten zugerechnet werden.
Zu erwähnen sind außerdem einige europäische Kleinstaaten, die in den Bereichen Industrie und/oder Dienstleistungen (v.a. Finanzdienstleistungen) einen hohen Entwicklungsstand aufweisen, welcher ihren hohen sozialen Standard begründet. Dazu zählen Andorra, Liechtenstein, Monaco und San Marino.
Alle die oben genannten Staaten hatten 2004 ein Bruttonationaleinkommen-pro-Kopf bezogen auf die Kaufkraftparität (PPP-$: Purchasing Power Parity) von über 10.000 $ pro Kopf[1] (siehe Liste der Länder nach Bruttoinlandsprodukt pro Kopf).
Staaten wie Brasilien, Costa Rica, Malaysia, Thailand und Venezuela entwickeln sich als Schwellenländer zunehmend zu Industriestaaten.
Daneben existieren die schwer ein zu ordnenen Transformationsländer, viele Staaten der ehemals kommunistischen Zweiten Welt, dazu zählen unter anderem Albanien, Armenien, Bosnien-Herzegowina, Georgien, Mazedonien, Moldawien, Montenegro, Serbien, Ukraine und Weißrussland. Viele dieser Länder sind keine Schwellenländer mehr, haben aber auch noch nicht den Status der Indutriestaaten erreicht.
Siehe auch
Literatur
- Der Fischer Weltalmanach 2007; Fischer Taschenbuchverlag, 2006, Frankfurt, ISBN-13: ISBN 978-3-596-72007-1
Einzelnachweise
- ↑ Klassifizierung der Weltbank basierend auf dem Pro-Kopf Bruttonationaleinkommen