Der Individualismus ist ein Gedanken- und Wertesystem, in dem das Individuum im Mittelpunkt der Betrachtung und der Werte steht. Im Gegensatz zum Individualismus steht der Kollektivismus.
Entwicklung und Folgen des Individualismus
Geschichte
Das Verhltnis des einzelnen Individuums und der Gemeinschaft, in der es lebt, ist seit jeher Gegenstand kontroverser Diskussionen. Whrend Aristoteles den Menschen als Gemeinschaftslebewesen (???? ?????????) sah und dies fr lange Zeit vorherrschende Ansicht blieb, gab es in neuerer Zeit eine strkere Betonung des Individuums. Geistesgeschichtlich geschah dies durch den Liberalismus sowie durch den Anarchismus. Im Extremfall wurde der Indivdualismus zum Egoismus verschrft. Die Gegenpositionen zum Individualismus werden im Sozialismus und im Nationalismus aufgestellt. Auch religise Gemeinschaften wie das Christentum stehen dem Individualismus meist sehr skeptisch gegenber.
Die Grundidee des Individualismus ist eine Befreiungsidee. Die Befreiung des Einzelnen von zu vielen Zwngen wird als angenehm empfunden, das Kollektiv als behindernd und beengend.
Eine weitere Begrndung fr den Individualismus wird durch die wirtschaftliche Leistungsfhigkeit gegeben. Das westlich-individualistische System ist das offenkundig leistungsfhigste dieser Erde. Mit diesem Argument wird der allgemeine Wohlstand als Ergebnis vieler Egoismen betrachtet.
Soziale und rechtliche Implikationen
Der Individualismus hat in unserem Leben eine Flle von Folgen, die uns nicht immer als Erscheinungen des Individualismus bewusst sind. Dazu gehren die Auflsungen der Familie sowie der Dorf- und anderer Gemeinschaften. Noch vor etwa einhundert Jahren haben sich die Menschen innerhalb ihrer Gemeinschaften organisiert, hufig innerhalb ihrer Berufsgemeinschaften. Es gab Eisenbahnersportvereine, Lehrergesangsvereine und andere Standes- und Berufsvereinigungen, die das gesamte Leben durchzogen.
Der Indivdualismus luft parallel zu wirtschaftlichen Entwicklungen. Familire Rcksichten bei der Arbeitsplatzwahl werden sozial diskreditiert und in vielen Fllen von der Arbeitsagentur nicht als legitim anerkannt. Der Kapitalismus entwickelt sich um so schneller, je mehr die Menschen ihre frher als normal angesehen Bindungen an Familie, Beruf, Heimat, Volk und Staat verlieren. Umgekehrt ist es daher auch die Wirtschaft, die den Individualismus frdert und widerstrebende Neigungen negativ bewertet. Mobilitt und Flexibilitt sind die Stichworte, unter denen die Menschen zur Einschrnkung oder gar Aufgabe gewachsener Bindungen motiviert werden.
Auf der anderen Seite entwickelten sich whrend der Industialisierung neue Gemeinschaften (z.B. Vereine), mit der Mglichkeit die individuellen Interessen zusammen mit gleich interessierten auszuben. Unter diesem Aspekt wachsen Individualitt und Gemeinschaft paradoxer Weise zusammen: Individualitt wird meist mit anderen und berlappenden Interessen ausgebt. Trotzdem bleibt der Gegensatz zum Kollektiv, da nun Gemeinschaften sich aufgrund individueller Interessen frei bilden knnen.
Deutlich werden die Vernderungen auch im Sport. Es gibt eine allmhliche, aber signifikante Zunahme der Individualsportarten gegenber den Mannschaftssportarten. Auch in der Breitenkultur gewinnt die kleine Gesangsgruppe ein strkeres Gewicht gegenber dem groen Chor. Gleiche Kleidungsstcke als Ausdruck der Zusammengehrigkeit werden in deutlich geringerem Umfang eingesetzt. So hat auch die Uniformierung in vielen Berufen abgenommen oder wurde gnzlich aufgehoben, in anderen wird sie auerhalb des beruflichen Bereichs schneller abgelegt als frher.
Im Verwaltungsrecht wurden im Laufe der Jahrzehnte zunehmend die Rechte der Individuen (Anwohner, "Betroffene" usw.) gestrkt. Das Gemeinschaftsinteresse wird strker durch die Rechte einzelner gehindert als dies frher der Fall war. Die Gewichte verschieben sich. Dies gilt fr alle Arten von Vorhaben der Gemeinden, Lnder und des Bundes. Das Verwaltungsverfahrensrecht kennt eine stetige Strkung der Rechte des individuellen Brgers.
Wirtschaftliche Betrachtungen
In der Wirtschaft und auch in den staatlichen Verwaltungen stt der Individualismus allerdings bereits an Grenzen. Indivduelle Ziele werden hufig durch Teamziele ergnzt oder ersetzt. Insbesondere in kritischen Bereichen breitet sich die Gemeinschaftsbildung durch "Teams" wieder aus. Hchstleistungen werden oftmals in Gemeinschaft erbracht. In den Managementtrainings gibt es daher heute sowohl Veranstaltungen mit dem Ziel der Frderung des Egoismus des Einzelnen als auch solche zur Frderung des Teamgeistes.
Bedeutende Theoretiker des Individualismus
Der Denkansatz zum Individualismus wird bei Stirner besonders deutlich. Sein Buch Der Einzige und sein Eigentum beginnt mit der Klage ""Was soll nicht alles Meine Sache sein! Vor allem die gute Sache, dann die Sache Gottes, die Sache der Menschheit, der Wahrheit, der Freiheit, der Humanitt, der Gerechtigkeit; ferner die Sache Meines Volkes, Meines Frsten, Meines Vaterlandes; endlich gar die Sache des Geistes und tausend andere Sachen. Nur Meine Sache soll niemals Meine Sache sein."" In diesem Einleitungssatz werden auch die Gegenpositionen zum Individualismus aufgezhlt: Religion, Humanismus, Gerechtigkeit, Volk.
Kulturvergleich
Der Individualismus hat in der westlichen Welt eine Ausbreitung erfahren, wie es noch nie in der Geschichte der Fall war. Damit steht der Westen im Gegensatz zu den eigenen Traditionen, die nicht-individualistisch waren, aber insbesondere zu allen anderen Kulturkreisen. In China erscheint trotz aller einsetzenden Verwestlichung unverstndlich, was an Individualismus insbesondere in den USA vorgelebt wird. Das selbe gilt fr alle andere asiatischen Kulturen und fr die gesamte islamische Welt.
Bemerkens- und bedenkenswert ist jedoch, dass keine der Strmungen des westlichen Individualismus, nicht einmal die radikalen Vetreter des US-amerikanischen libertarianism oder Anarchokapitalismus (Murray Rothbard, Ayn Rand), sich auf Max Stirner berufen, sondern sich sogar ausdrcklich von ihm distanzieren.
Literatur
- Franciscus Suarez: ber die Individualitt und das Individuationsprinzip (Fnfte metaphysische Disputation), lateinisch deutsch, herausgegeben, bersetzt und mit Erluterungen versehen von Rainer Specht, Hamburg 1976
Weblinks
- Joseph Alois Schumpeter: Individualismus und gebundene Wirtschaft(1928)
- Rudolf Steiner: Der Individualismus in der Philosophie (1899)
- Bernd A. Laska: Anarchistischer Individualismus / Individualanarchismus (1998)
- Bernd A. Laska: Die Anarcho-Kapitalisten und Max Stirner (2000)
- Max Stirner: Der Einzige und sein Eigenthum. (1845)