Vorlage:PKW-Modell Die Baureihe W100, bekannt als Mercedes-Benz 600, war in den 1960er und 1970er Jahren das Staats- und Repräsentationsfahrzeug von Daimler-Benz.
Geschichte, Technik und Bedeutung
Entwicklungsgeschichte
Die Ursprünge des 600ers liegen in der Mitte der 50er Jahre. Fritz Nallinger, führender Entwickler bei Daimler-Benz, betrieb die Entwicklung eines „Groß-, Reise- und Repräsentationswagens“ auf dem Stand des technisch machbaren. So erhielt der Wagen u.a. Luftfederung, Automatikgetriebe, Servolenkung und -Bremsen. Die Entwickler zogen auch ein Modell mit verlängertem Radstand in Betracht. Bald zeigte sich, dass ein wirtschaftlicher Erfolg mit diesem Auto kaum möglich sein würde, da der Anteil der Entwicklungskosten bei den zu erwartenden geringen Stückzahlen für ein Exemplar bei 37.000 Mark läge – das fertige Automobil kostet zu Beginn der Serie 56.000 Mark. Der Mercedes 600 war dann auch über seine gesamte Bauzeit stets ein Zuschussgeschäft, das Mercedes wohl vor allem aus Imagegründen betrieb.
1960 war die Formfindung abgeschlossen. Mit zwölf unterschiedlichen Prototypen wurden Probefahrten unternommen, woraufhin die exakten Spezifikationen des Wagens festgelegt wurden.
Vorstellung in der Öffentlichkeit
Die Baureihe debütierte im September 1963 auf der IAA in Frankfurt. Knapp zwei Wochen vorher war der 600 zehn Fachjournalisten aus aller Welt vorgestellt worden, darunter damals sehr bekannte Namen wie Bernhard Cahier aus Frankreich, Hans Patleich aus Österreich oder Hans-Ulrich Wieselmann von Auto Motor und Sport. Allgemein wurde der „Große Mercedes“ sehr positiv in der Öffentlichkeit aufgenommen. Zu bemerken ist auch noch, dass die Erstauslieferung nicht etwa an eine berühmte Persönlichkeit ging, sondern an einen Architekten aus Amerika, den Erstbesteller.
Karosserievarianten
Die knapp zwei Meter breite und 5,54 Meter lange Limousine, in der Pullman- und sechstürigen Version sogar 6,24 m lang, ist auch heute noch eine eindrucksvolle Erscheinung und für viele der Inbegriff der repräsentativen Staatskarosse.
Die dritte Variante, ein offenes Pullman-Landaulet, wurde jedoch in nur 59 Exemplaren gefertigt. Auch die Entwicklung eines Cabrios, eines Roadsters und eines Coupés wurde erwogen. Die Pläne für Cabrio und Roadster wurden bald verworfen. Für eine Coupé-Version wurden jedoch zwei Prototypen gefertigt. Eines wurde Fritz Nallinger zur Verfügung gestellt, das „Nallinger-Coupé“. Das andere wurde nur für firmeninterne Versuche verwendet. Das 600er-Coupé wirkt nicht sehr wohlproportioniert.
Die lange Version wurde ebenfalls als Sechstürer angeboten. In dieser Version ist eine mittlere Sitzreihe mit Klappsitzen vorhanden; sie war vor allem für Personen bestimmt, die mit Personal oder Leibwächtern reisten.
Von den 2677 Wagen wurden 429 als lange Pullman-Variante oder als Sechstürer und 59 als Landaulets hergestellt, so die Bezeichnung für die Variante, die vorne für den Chauffeur halb Limousine und hinten für die Passagiere halb Cabriolet ist. Es gab zwei Landaulet-Versionen, eines mit langem und eines mit kurzem hinteren Verdeck, zu erwerben. Beim Pullman sind im Fond zwei vis-a-vis angeordnete Sitzreihen vorhanden.
Motor
Mercedes setzte bei dieser Luxuslimousine nicht nur durch Größe und Gewicht (zwischen 2,5 und 3,3 Tonnen je nach Ausführung) Maßstäbe. Der V8-Einspritzmotor mit 6,3 Litern Hubraum war eine Neuentwicklung auf der Spitze des damals technisch Machbaren. Die Spitzengeschwindigkeit des Fahrzeugs in der kurzen Version beträgt 205 km/h, die Beschleunigung auf 100 km/h geschieht in 10 Sekunden. Damit war der Mercedes 600 damals eines der schnellsten Serienfahrzeuge der Welt. Dadurch wurde er auch als „Größter Sportwagen aller Zeiten“ betitelt. Der Motor des 600er (Typ M100) fand einige Jahre später auch Verwendung im Spitzenmodell der „großen“ (Normal-) Baureihe W109, im Modell 300 SEL 6.3. Der Motortyp wurde, im Hubraum erweitert - wiederum den nun vergrößerten Rolls-Royce-Motor überbietend - und mit einer elektronischen Einspritzung versehen, auch in den 450 SEL 6,9 eingebaut. Beide Limousinen waren in ihren Fahrleistungen zur Zeit ihres jeweiligen Erscheinens aufgrund des extrem hubraumstarken Motors nur hochklassigen Rennwagen unterlegen.
Technische Raffinessen
Die Ausstattung der Limousine bietet alles, was in der damaligen Zeit technisch möglich war, und ist selbst nach Jahrzehnten der Weiterentwicklung bei den heutigen Fahrzeugen nicht immer selbstverständlich. Beispielhaft sind zu nennen: Luftfederung, ein umfassendes hydraulisches Servosystem (so genannte „Komforthydraulik“), eine elektrisch regulierbare Heizungs- und Lüftungsanlage, Klimaanlage, hydraulisch verstellbare Sitze vorn, hydraulisch verstellbare Sitzbank hinten, hydraulische Fensterheber und Autotelefonanlage. Bemerkenswert war die nahezu geräuschlose Hydraulik anstelle der üblichen Elektromotoren, die allerdings bei ausgeschaltetem Motor schnell an Kraft verlor. Bei der Entwicklung des Autos wurden 15 Patente angemeldet.
Prominente Besitzer
Zum Kundenkreis gehörten berühmte Personen, wie z. B. Elizabeth Taylor, John Lennon, Aristoteles Onassis, Herbert von Karajan, Mao Zedong, Coco Chanel, Rudolf Schock, Ivan Rebroff, Udo Jürgens, Max Grundig, Papst Paul VI., Kaiser Hirohito oder Elvis Presley. Auch viele Regierungen nannten einen 600er ihr Eigen, u. a. die Regierung von Ägypten, Algerien, Ghana, der Türkei und von Kambodscha.
Nebst vielen anderen Filmauftritten ist der 600er in der bekannten Szene im 1969 in die Kinos gekommenen James Bond "Im Geheimdienst ihrer Majestät" zu sehen, als die Gehilfin des Schurken Ernst Stavro Blofeld (Telly Savalas) die soeben mit James Bond (George Lazenby) verheiratete Teresa (Diana Rigg) aus dem Fond eines 600er erschießt.
Sonderanfertigungen
Eine der bekanntesten Sonderanfertigungen ist das für den damaligen Papst Paul VI. gebaute Landaulet. Dieses hat vier Türen, einen einzelnen Sessel hinten, einen erhöhten Dachaufbau sowie einen höheren Boden im Fond. Nach 20 Jahren Dienst im Vatikan kehrte dieses Einzelstück 1985 nach Deutschland zurück und ist nun im Mercedes-Benz-Museum ausgestellt. Weiterhin gab es ein SWB-Landaulet („Short wheel base“, Fahrzeug mit verkürztem Radstand), das für den Grafen von Berckheim gebaut wurde, da er aufgrund einer Verletzung eine andere Version nicht hätte steuern können. Das Werk hatte auch erwogen, einen Krankenwagen auf Basis des 600 zu fertigen, dies wurde aber nie realisiert. Jedoch existiert in Norddeutschland ein Leichenwagen auf Basis eines 600.
Innenausstattung
Beim 600 wurde Wert auf innere Schlichtheit gelegt. Man konnte aus mehreren Holzarten, wie z. B. Walnuss-Wurzelholz oder schlichtem Furnier wählen. Jedes Auto wurde speziell für den Besteller gefertigt. Folglich kann man davon ausgehen, dass es keine zwei gleichen Exemplare gibt.
Modellpflege
Die Modellpflege beim 600er fiel über den gesamten Produktionszeitraum sehr zurückhaltend aus, was sichtbare Aspekte betrifft. Technisch wurde der 600er immer wieder auf einen neuen Stand gebracht; von deutlich sichtbarer Modellpflege sah Mercedes-Benz wohl vor allem deswegen ab, um bei den seinerzeit üblichen, sehr langen Modellaufzeiten Besitzern der frühen Jahrgänge weder Image- noch Wertverlust ihres Fahrzeugs durch eine sichtbare Verjüngung des Modells zuzumuten. Die Gestaltung des Innenraums, insbesondere vorne, entsprach in etwa derjenigen der 1965er S-Klasse W108/109. Als diese 1972 von der Nachfolgebaureihe W116 abgelöst wurde, wirkte das 600er-Interieur im Vergleich altbacken, wurde aber beibehalten - wohl zurecht vermutete Mercedes-Benz hinter 600er-Käufern die konservativste aller Käufergruppen. Optisch wahrnehmbar wurden nur geringe Änderungen vorgenommen, z. B. entfiel ab 1971 die Zuziehhilfe der Türen. Ab 1965 mussten die zunächst rot gefärbten Blinkergläser aufgrund der neuen StVZO geändert werden - die Blinkerpartien waren nun orange, eine Änderung, die auch bei anderen Fahrzeugen von Daimler-Benz eingeführt werden musste. Des Weiteren gab es nur noch kleine Änderungen, z. B. die Vergrößerung des Griffstücks der Zigarettenanzünder, oder die Ersetzung der „Schlummerrolle“ genannten Kopfstützen der ersten Baujahre durch die Kopfstützen der Modellreihe W108/109. Hierzu ist anzumerken, daß in den ersten Produktionsjahren beim 600er Kopfstützen hinten serienmäßig vorhanden waren; Kopfstützen auf den Vordersitzen hingegen waren aufpreispflichtig. Auch die Außenspiegel wurden durch die Spiegel dieser Baureihe ersetzt. Die Radzierkappen erhielten statt acht nun zwölf Belüftungsschlitze.
Weiterführung der Serie
Es wurde auch erwogen, eine Art Nachfolger für den 600 zu finden. Der so genannte W100 F, angelehnt an die Baureihe W116, stellte einen Kompromiss zwischen Tradition und modernem Design dar, wurde aber nicht weiterverfolgt.
Bedeutung
Die Fertigung des 600er soll über alle Jahre hinweg aufgrund der Kunden-Sonderwünsche und der durchgehenden Handarbeit trotz hoher Preise für Mercedes stets ein Verlustgeschäft gewesen sein, das aus Prestige-Gründen betrieben wurde. Außerdem spielte die Konkurrenz zu Rolls-Royce und Bentley eine nicht unerhebliche Rolle; so vergrößerte Rolls-Royce den eigenen Motor von 6,2 auf 6,75 Liter Hubraum, um den 600er mit seinen 6,3 Litern zu überbieten - was dann wiederum zur Vergrößerung des M100-Motors von 6,3 Litern, wie im 600er und 300 SEL 6,3 eingebaut, auf 6,9 Liter Hubraum führte, wie er im 450 SEL 6,9 zum Einsatz kam.
Der 600 erreichte jedoch nicht einmal zehn Prozent der angestrebten Jahresproduktion von 30.000. Damit blieb er ein ähnlich selten gebauter Wagen wie Rolls-Royce und Bentley, die - damals noch zwei Marken eines wirtschaflich eigenständigen Herstellers - ebenfalls Jahresproduktionen um 3.000 Wagen absetzen konnten.
Preise
Im August 1964 betrug der Listenpreis für einen 600er Mercedes 56.500 Mark. Gegen Ende seiner Bauzeit betrugen die Preise laut Preisliste vom 1. Februar 1979:
- 600 Limousine, fünf/sechs Sitze, vier Türen: 144.032,- DM
- 600 lang Pullman, sieben/acht Sitze; vier Türen: 165.424,- DM
- 600 lang, sieben/acht Sitze, sechs Türen: 175.392,- DM
- Zum Vergleich: Das teuerste Modell der S-Klasse 450 SEL 6,9 kostete 78.960,- DM
In den 1970er und 1980er Jahren wurden die 600er als Gebrauchtwagen unbeliebt, die Preise gebrauchter Exemplare sanken zum Teil in den vierstelligen DM-Bereich. Zum wirtschaftlichen Totalschaden konnte ein 600er werden, wenn die den ganzen Wagen durchziehenden Hydraulikschläuche ersetzt werden mussten.
Äußerst aufwendig sind Reparaturen an der Zentralhydraulik und an der mechanischen Einspritzanlage des Motors. Kaum noch jemand kennt sich mit diesen ungewöhnlichen Techniken aus. Schwierig ist mittlerweile die Beschaffung bestimmter Ersatzteile wie der mechanischen Einspritzpumpe.
Inzwischen sind die Preise extrem gestiegen. Heutzutage werden gut erhaltene 600er zu Preisen über 50.000 Euro gehandelt.
Technische Daten
Länge | 5.540 mm (6.240 mm) |
Breite | 1.950 mm |
Höhe | 1.485 mm (1.500 mm) |
Radstand | 3.200 mm (3.900 mm) |
Karosserieformen: | Limousine kurz und lang (Pullman bzw. Sechstürer), Landaulet |
Gewicht | 3.055 kg (3.350 kg) |
Tankinhalt | 112 l, davon 19 l Reserve |
Höchstgeschwindigkeit | 205 (200) km/h |
Kraftstoffverbrauch | 26,8 l/100 km |
Hubraum | 6.332 cm³ |
Maximales Drehmoment | 500 Nm bei 2.800 /min |
Nenndrehzahl | 4.000 1/min |
Die Angaben in Klammern beziehen sich auf den sieben- bzw. achtsitzigen 600er Pullman bzw. Sechstürer.
Literatur
- Heribert Hofer: Mercedes-Benz 600, Delius Klasing, ISBN 3-7688-1199-9
Weblink
- Commons: Mercedes-Benz W 100 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
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