Situationistische Internationale

Gruppe europäischer Künstler und Intellektueller
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Die Situationistische Internationale (S.I.) existierte als Gruppe von 1957 bis 1972 und hatte über 70 Mitglieder.

Zu ihren Anliegen gehörte die Auflösung der Grenze zwischen Kunst und Leben ebenso wie eine grundlegende Umgestaltung der Stadtstrukturen und der gesellschaftlichen Normen. Die S.I. agierte sowohl mittels künstlerischer Aktionen als auch politisch und psychogeographisch. Der Begriff Psychogeographie bezog sich auf Bewegung und Leben in Städten aber auch auf Stadtplanung und Organisation der psychischen Potentiale. Der Slogan Unter dem Pflaster - der Strand. (Sous les pavés, la plage) wird der S.I. zugeschrieben.
Die S.I. verwendete auch das lateinische Palindrom In girum imus nocte et consumimur igni (Wir gehen des Nachts im Kreise und werden vom Feuer verzehrt). Hier fand sich die Gruppe in ihrer Grundstimmung zutreffend beschrieben, wobei durch die palindromatische Möglichkeit, diesen Satz in beiden Richtungen zu lesen, der Inhalt überdies verstärkt zur Geltung kommt.

Gegründet wurde die S.I. im Jahr 1957 in Norditalien. Es schlossen sich dabei die von Asger Jorn gegründete Bewegung für ein Imaginäres Bauhaus. Mouvement pour un Bauhaus Imaginiste und die von Guy Debord gegründete Lettristische Internationale zusammen. Es wurden in der Folge verschiedenen Aktionen und Ausstellungen realisiert, von denen etwa New Babylon von Constant (mit vollem Namen Constant Nieuwenhuys) große Aufmerksamkeit erregten. Mitglieder der S.I. waren zahlreiche Künstler und Künstlerinnen wie etwa Jacqueline de Jong, Hans Platschek sowie die Mitglieder der Münchner Künstlergruppe Spur und Michèle Bernstein. Immer wieder kam es zu Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Gruppe, die zu Austritten, Ausschlüssen und Abspaltungen führten. Meist betrafen diese Meinungsverschiedenheiten verschienene Kunstauffassungen und Strategien der Aktionen.

Guy Debord, eine zentrale Figur der S.I. wurde 1931 geboren. In Cannes fielen ihm 1951 die Lettristen auf, die der Uraufführung eines Filmes eines ihrer Mitglieder, Isidore Isou beiwohnen wollten und deswegen angereist waren. Guy Debord befasste sich in der Folge intensiv mit den Möglichkeiten eines experimentellen Kinos (vgl. auch: Experimentalfilm, das auch die Zuschauerreaktionen und den abgedunkelten Kinosaal in die Vorführung einbezog. Die Erlebnisse und Diskussionen in Paris sind Thema von Debords Mémoires.

Debord führte Begriffe wie Situation, dérive (für Umleitung) und détournement (Zweckentfremdung von beispielsweise Filmschnipseln, Plakaten, Comicbildern durch veränderten Text/Kommentar/Schnitt) in die Diskussion um die Kunst beziehungsweise die Umgestaltung des gesellschaftlichen und alltäglichen Lebens ein.

Im Zentrum seines Denkens steht das Spektakel, die Gesamtheit aller wirtschaftlichen, kulturellen oder politischen Prozesse im modernen Industriestaat, die das Subjekt nur noch als gedemütigten Zuschauer hinterlassen. Dementsprechend auch das Debord'sche Tonband über die Perspektiven einer bewussten Änderung des alltäglichen Lebens und die Vorschläge für ein Aktionsprogramm der SI anlässlich der Konferenz in Göteburg. Als sein Hauptwerk gilt Die Gesellschaft des Spektakels (erschienen 1967).
Guy Debord beging 1994 Selbstmord, der Grund wird in seiner schmerzhaften Krankheit vermutet.

Der Schriftsteller Greill Marcus stellte in seinem Buch Lipstick Traces Verbindungen zwischen Dada, den Situationisten und Punk her.

Siehe auch: Lettrismus


Literatur

  • http://baukunst.tugraz.at/homann/ready/at/2001-2002/3.html - Zweckentfremdung als Negation – Detournement
  • Der Beginn einer Epoche, Edition Nautilus, Hamburg 1995
  • Guy Debord: Die Gesellschaft des Spektakels, Edition Tiamat, Berlin 1996 (übersetzt von Jean-Jacques Raspaud).
  • Greil Marcus: Lipstick Traces - von Dada bis Punk, kulturelle Avantgarden und ihre Wege aud dem 20. Jahrhundert, Rogner & Bernhard bei Zweitausendeins, Hamburg 1992.