Stadt
Eine Stadt (von althochdeutsch: stat Standort, Stelle, vgl.: Staat) ist eine größere, zivile, zentralisierte, abgegrenzte Siedlung mit einer eigenen Verwaltungs- und Versorgungsstruktur im Schnittpunkt größerer Verkehrswege. Damit ist fast jede Stadt zugleich ein zentraler Ort. Je nach Größe, Bedeutung oder Funktion einer Stadt unterscheidet man Kleinstädte, Mittelstädte, Großstädte, Millionenstädte, Weltstädte, Trabantenstädte und Schlafstädte. (siehe auch: Liste von Bezeichnungen für große Städte).
Diese auf den ersten Blick eindeutige Definition enthält einige Unschärfen wie beispielsweise Größe und Abgegrenztsein - während in Dänemark die Untergrenze der Bevölkerungszahl bei einer städtischen Siedlung bei 200 Einwohnern liegt, sind es in Deutschland und Frankreich 2.000 und Japan 50.000 Einwohner. Hinzu tritt der historische Stadtbegriff, der sich aus dem (Europa, Mittelalter) Stadtrecht herleitet, mit dem zum Beispiel das Marktrecht, das Recht auf Selbstverwaltung, die Freiheit der Stadtbürger, das Recht auf Besteuerung, Gerichtsbarkeit, die Aufhebung der Leibeigenschaft, das Zollrecht, das Recht zur Einfriedung und Verteidigung sowie das Münzrecht verbunden war. Auch heute noch ist das Überschreiten der Mindesteinwohnerzahl in den meisten Ländern nicht automatisch mit der Erhebung zur Stadt verbunden, sondern es Bedarf eines ausdrücklichen Beschlusses einer höherrangigen Exekutive (in Deutschland: Landesregierung).
In der Schweiz gelten Ortschaften nur dann als Stadt, wenn sie entweder mehr als 10 000 Einwohner haben oder wenn ihnen, was selten ist, im Mittelalter das Stadtrecht verliehen wurde.
Städte weisen daher sowohl historisch als auch regional sehr unterschiedliche Entstehungszusammenhänge und Strukturen auf. So zeigen beispielsweise die gegenwärtigen Großstädte der frühindustrialisierten Staaten andere Strukturen und Entwicklungsdynamiken als die sog. Megacities der Entwicklungs- und Schwellenländer. Die Entwicklung von Städten folgt dabei oft bestimmten Modellen.
Die Entwicklung der Stadt (Urbanisierung)
Seit den Anfängen städtischer Siedlungsentwicklung vor einigen tausend Jahren sind Grund- und Aufriss der Städte durch eine fortwährende Entwicklung und Veränderung gekennzeichnet. Auch während ein und derselben historischen Epoche lassen sich zwischen unterschiedlichen Kulturräumen Unterschiede in der äußeren Gestalt von Städten sowie ihrer jeweiligen sozialen und funktionalen Struktur ausmachen.
Dabei findet das siedlungsbezogene Planungs- und Gestaltungshandeln der Menschen seinen Ausdruck in jeweils spezifischen Grund- und Aufrissformen städtischer Siedlungen, die allerdings zugleich auch die jeweilige technologische Machbarkeit repräsentieren.
Die ältesten im Zuge der urbanen Revolution entstandenen Stadtkulturen sind nachweisbar in:
- Palästina: Jericho ca. 9000 v. Chr.
- Anatolien: Çatal Hüyük ca. 6000 v. Chr.
- Mesopotamien: Uruk-Kultur ca. 3300 v. Chr., Ur ca. 2500-1900 v.Chr., Babylon ca. 1800 v.Chr.
- Ägypten
- Indus-Tiefland
- China
- Mexiko: Olmeken- und Maya-Städte wie Monte Alban und San Lorenzo ab ca. 1500 v. Chr., Teotihuacan ab ca. 1000 v. Chr.
- Peru
Die Entwicklung der Stadt im Abendland
Die Kultur der Polis in Griechenland, 800-338 v. Chr., (Sparta, Korinth, Athen) verbreitete sich nach Kleinasien (Milet, Ephesos), Sizilien (Syrakus) und Unteritalien (Tarent), später nach Palästina (Antiocheia), Mesopotamien, und Alexandria
Aus der Polis entwickelte sich die Römerstadt (ab. 200 v.Chr.), welche sich von Italien nach Norditalien, Nordafrika (Tunesien), und Mitteleuropa verbreitete.
Beispiel: Rom (differenzierte Stadtstruktur; 1.-3. Jh. fast 1.000.000 Einwohner), Pompeji
Römerstädte in Deutschland entstanden vornehmlich an Rhein und Donau: Castra Regina (Regensburg), Augusta Vindelicorum (Augsburg), Colonia Claudia Ara Agrippinensium (Köln), Augusta Treverorum (Trier), Moguntiacum (Mainz).
In der Schweiz sind folgende Römerstädte nachgewiesen: Augusta Raurica (Kaiseraugst) und Aventicum (Avenches).
Mit der Völkerwanderung verfielen die Städte weitgehend, so dass im Mittelalter neue Faktoren zur Verstädterung führten: Bischofsburgen (Domburgen), Klöster, Königshöfe, Pfalzen als militärische und wirtschaftliche Stützpunkte der Könige und Herzöge, z. B. Duisburg, Soest usw. Kaufmannssiedlungen (Wik, Haithabu), Hanse Hansa Stadt-Staaten
Durch die Kombination der kirchlichen mit der kaufmännisch-bürgerlichen Wurzel entstehen vor und um ca. 1000 die ersten mittelalterlichen Städte. Vom Maas-Schelde-Raum (Gent, Antwerpen) bis ins Rheinland (Köln, Duisburg), Magdeburg entstehen Mutterstädte später an Weser (Bremen), Elbe (Hamburg, Main (Frankfurt am Main) bis Donau (Ulm).
Ab 1120 entstehen Gründungsstädte, meist durch einen Stadtentwurf und einen Gründungsakt: z. B.: Freiburg im Breisgau (1118), Leipzig (1150), Lübeck (1158).
Die mittelalterliche Stadt
Merkmale
- äußere Abgrenzung durch Stadtmauer und oft Gewässer,
- kompakte Siedlungsform mit Zentrum Markt, Rathaus, Bürgerhäuser, Kirche. Oft in Opposition zur landesherrlichen Burg mit Burgkirche bzw. Bischofsbezirk,
- soziale Differenzierung der Stadtbevölkerung in Stadtviertel
- rechtliche Sonderstellung: Selbstverwaltung und eigene Gerichtsbarkeit, Bürgerrechtsprivileg
- ökonomische Funktion: Handel, Güterproduktion, Landwirtschaft, Ackerbürger.
Um 1500 bestehen als bedeutende Städte, v. a. Freie Reichsstädte: Köln (40 000 Einwohner), Lübeck, Hamburg, Bremen, Magdeburg, Braunschweig, etc.
Weitere Stadtgründungstypen
Die Mittelalterliche Gründungsstadt ist der weitaus häufigste Typ an Städten in Mitteleuropa. Die Welle der Stadtgründungen verebbte in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts aufgrund der Pestwellen und dem daraus resultierenden Bevölkerungsrückgang. In der Folgezeit wurden nur noch wenige Städte neu gegründet, die einem der folgenden Typen zuzuordnen sind.
Bergstadt
Ab dem 12. Jahrhundert und verstärkt im 16. Jahrhundert entstehen Bergstädte aus montanwirtschaftlichen Interessen in den Mittelgebirgen und in den Alpen, insbesondere im Harz, Erzgebirge, Böhmerwald, Schwarzwald, z. B.: Freiberg (Sachsen) (1186), Clausthal-Zellerfeld (1530), Bad Lauterberg (Harz), Annaberg, Schwaz, Freudenstadt
siehe speziell dazu auch: Liste der Bergstädte
Exilantenstadt
Exilantenstädte sind Gründungen durch und/oder für Glaubensflüchtlinge des 16. bis 19. Jahrhunderts für
- Hugenotten: (Berlin, Erlangen, Karlshafen)
- Kalvinisten und Mennoniten (Wallonen und Flamen): Altona, Wesel
- Lutheraner (Salzburger): Schlesien, Sachsen (Johanngeorgenstadt)
- Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage ("Mormonen"): Salt Lake City
Festungsstadt
Als Festungsstädte wurden gegründet im 17. Jh. z. B. Neu-Breisach.
Residenzstadt
Residenzstädte des 17. und 18. Jahrhunderts wurden meist nach dem Vorbild Versailles errichtet, so z. B. Karlsruhe (1715) und Ludwigsburg (1718). Häufig wurden bestehende Städte um barocke Residenzviertel mit Schloss erweitert, z. B.: Berlin-Charlottenburg, München-Nymphenburg, Hannover-Herrenhausen oder nach Grundsätzen des Barockstils um- oder neu gestaltet wie Dresden.
Planstadt
Dieser Stadttyp bezeichnet weniger die Funktion der Stadt in ihrem jeweiligem Umfeld, als vielmehr die Art ihres Entstehens.
Bei vielen Neugründungen wurde die Gelegenheit genutzt eine ideale Stadt nach den Vorstellungen der Zeit zu bauen. Mitunter wurde auch die bestehende Bebauung abgerissen und nach neuen Plänen wieder aufgebaut.
Beispiele für solche Planstädte sind viele der oben genannten und unter anderen:
Im Prinzip folgt die Planung neuer Stadtteile und Satellitenstädte den gleichen Prinzipien.
Das Industriezeitalter (19. und erste Hälfte des 20. Jhs.)
Das Industriezeitalter bringt eine Urbanisierung bis hin zur „verstädterten Gesellschaft“ mit sich.
In Deutschland werden neue Städte gegründet wie z. B. Bremerhaven 1827, Oberhausen 1861, Ludwigshafen 1863 und Wolfsburg 1938. Die bestehenden Städte wachsen und verändern sich zu Städteverbundgebieten vor allem in Bergbaugebieten (Ruhrgebiet, Oberschlesien, Saar). Fabrikanlagen und Arbeiterviertel „Mietskasernen“ entstehen in der Nähe der Altstädte. Mit den Massenverkehrsmitteln ab ca. 1880-1900 verstärkt sich das Außenwachstum.
Dagegen kommen ab ca. 1900 Reformversuchen, Bauzonenordnungen. Man versucht eine Auflockerung der strengen, monotonen rechteckigen Straßengrundrisse durch mehr Plätze, gewundene Straßenführungen und Durchgrünung.
Gleichzeitig beginnen erste Projekte zur Sanierung der mittelalterlichen Stadtkerne. Diese sind in manchen Städten völlig überbaut, überbevölkert und hygienisch untragbar geworden. Durch Abbruch ganzer Quartiere und Neuaufbau, z. B. in Stuttgart oder Durchbruch von neuen Straßen, z. B. in Straßburg oder Hamburg versuchte man den Mangel zu beheben.
1918 - 1933 neuer Städtebau
kommunaler bzw. genossenschaftlicher Wohnungsbau;
halboffene und offene Bauweise, z. B. Zeilenbauweise: „Funktionalismus“, „Funktionaler Umbau der Stadt“. Geprägt v. a. vom Bauhaus.
1933 - 1945 Nationalsozialistische Stadtideologie
Die Nationalsozialistische Stadtideologie war gegen „großstädtische Entartung“ bodenverbundene Kleinsiedlung, hatte Pläne zu einer Re-Agrarisierung, und zur Auflösung der Städte. Andererseits war eine monumentale Umgestaltung der Städte geplant.
Diese Pläne wurden durch den Zweiten Weltkrieg verhindert.
1945 - ca. 1960
DDR: 1950 sozialistische Bodenordnung mit Aufhebung des freien Bodenmarktes und weitgehendem Enteignungsrecht für staatliche Planung. Städtebauliche Prinzipien werden nach sowjetischem Vorbild durchgesetzt: z. B. Hauptmagistralen (z. B. Stalinallee / Karl-Marx-Allee in Ost-Berlin) Städte werden als Ausdruck der neuen gesellschaftlichen Ordnung verstanden (nicht Kommerz und Banken, sondern öffentliche Gebäude auch Wohnungen, im Zentrum).
BRD, aber auch DDR: Wiederaufbau; dabei unterschiedliche Typen:
- völlige Neuordnung des Stadtkerns mit Umlegung und neuem Straßennetz: Wesel, Hannover, Chemnitz;
- partielle Neuordnung mit teilw. Umlegung und mit Durchbruch von Verkehrsachsen: z. B. Duisburg, Essen, Dortmund, Düsseldorf, Kassel, Köln, Bonn, Hamburg, Dresden, Magdeburg usw.;
- Wiederaufbau ohne größere Neuordnung in wenig zerstörten Städten, z. B. Wuppertal.
- Neue Städte (vor allem für Heimatvertriebene, aber auch bei Industrieansiedlung: z.B. Espelkamp, Bielefeld-Sennestadt, Eisenhüttenstadt
1960-1975
DDR: verzögerter Wiederaufbau, stärkere Neubautätigkeit in offener, 5- bis 10-geschossiger Zeilenbauweise (industrielle Fertigbauteile, Standardtypen). Sozialistischer Wohnkomplex: Neubauviertel mit ca. 10.000-30.000 Einwohnern, begrünte, offene Hochhauszeilen, Zentrum, öffentlichen Einrichtungen wie Schulen, Sportanlagen, Poliklinik, sowie Kaufhalle, Gaststätte, staatlichem Dienstleistungsgebäude.
Westdeutschland: Große Stadtentwicklungs- und Stadterweiterungsprojekte, scheinbar grenzenloses Wachstum der Ansprüche an Wohnungsgröße und -qualität: Bau von Satellitensiedlungen, z. B. Märkisches Viertel (Berlin), Garath (Düsseldorf), Chorweiler (Köln) und von Satellitenstädten z. B. Wulfen, Erkrath-Hochdahl, Meckenheim-Merl. Die dichte Bebauung u.a. führen teilweise zu geringer Attraktivität, Folge hohe Leerstände, etc.
Das Auto forciert den Bau von innerstädtischen Schnellstraßen, z. B. in Hoch- und Tieflagen wie in Essen, Duisburg, Düsseldorf, Köln. Außenbereiche: Trabantensiedlungen und Suburbanisierung. Das Leitbild war die autogerechte Innenstadt, in der alle Personen, die zur Arbeit, Einkauf etc. in die Stadt fahren, das neue Verkehrsmittel Auto benutzen würden. Während für den rollenden Verkehr noch entsprechend Raum durch den Ausbau der Straßen der Platz geschaffen wurde, scheiterte der Ansatz letztendlich am Flächenbedarf für den ruhenden Verkehr. Der Bau von Parkplätzen konnte mit dem Bedarf nicht annähernd schritthalten. Mit dieser Erkenntnis begann die Planung neuer S-Bahn-Projekte, z. B. in Stuttgart (Baubeginn 1971) sowie die Modernisierung der alten Straßenbahnen, die in den Kernbereichen in den Untergrund verlagert wurden. Im Gegenzug wurden die Autos wieder aus den Innenstädten verdrängt, indem die wichtigsten Einkaufsstraßen zu Fußgängerzonen umgewidmet wurden.
Gegenwart
Schwerpunkt wird der private Eigenheimbau; kleinteiliges Wachstum im Umland der Städte anstelle von Großwohnsiedlungen (Suburbanisierung). Es entstehen krisenhafte Probleme in Ballungszentren durch Abwanderung von Bevölkerung und Gewerbe, Steuereinnahmen sinken bei wachsenden Sozialausgaben. Im Umland kommt es zu einer erheblichen Flächenversiegelung und zur Zerstörung dörflicher Strukturen.
Die Stadtplanung orientiert sich um auf eine erhaltende, „sanfte“ Modernisierung. Die Aufwertung der Dienstleistungsberufe bringt eine Unterscheidung von Industrie- und Dienstleistungsstädten.
Eine Stadtentkernung („Doughnut cities“) bewirkt, dass Einkaufszentren sich an den Stadträndern mit billigem Baugrund ansiedeln. Die Kaufkraft wird dorthin verlagert und kleinere Betriebe wandern nach. In der Folge veröden Stadtteile in den Zentren, Nahversorgung und -verkehr geraten in eine Krise und der Autoverkehr schafft zunehmend Probleme.
Siehe auch: Großstadt, Gemeindearten, Stadt des/der, Größte Städte der Welt, Dorf, Gemeinde, Eingemeindung
Gegenwärtige Ansätze
Traditioneller Ansatz
In der Vergangenheit wurde die Entwicklung von Städten als eine universelle, lineare Entwicklung dargestellt. Ein solcher Ansatz kann aber viele Aspekte einer Stadt nicht erklären, so wie die Vielfalt der Städte, wie sie existiert. Moderne Ansätze können nicht nur diese Lücken füllen, sondern auch den starren Ansatz der Vergangenheit komplett ersetzen.
Drei grundsätzliche Charaktere einer Stadt wurden identifiziert: die Größe der Bevölkerung (Bevölkerungsdichte), die Netzwerke der Stadt, und ein eigener Lebensstil in der Stadt. Keiner dieser Charaktere allein macht eine Stadt aus.
Bis vor kurzem wurden Städte fast ausschließlich als Teil einer einzigen Entwicklungslinie betrachtet. Diese begann oft mit den Griechischen Stadtstaaten und platzierte jede Stadt irgendwo auf dieser Entwicklungslinie. Der Schritt zur nächsten Stufe war die logische Konsequenz und es musste nur lange genug gewartet werden, bis diese Stufe erreicht wird. Für jede Stufe gab es eine Vorzeigestadt. Athen wurde oft als die erste Stadt angesehen; Venedig stellte eine spätere Entwicklungsstufe dar. Später kam London, und Los Angeles wurde oft als die Endphase der Städteentwicklung dargestellt. Eine Stadt wurde als eine homogene, statische Einheit betrachtet, die frei von Ort und Zeit betrachtet werden konnte. Die resultierenden Theorien hatten aber nicht viel mit der Realität zu tun. Trotz vielen offensichtlichen Mängeln ist dieser traditionelle Ansatz noch immer beliebt und auch in angesehenen Publikationen zu finden.
Mängel
Trotz der weiten Verbreitung hatte der traditionelle Ansatz gewichtige Mängel. So war, abgesehen vielleicht vom Endstadium Los Angeles, der ganze Ansatz äußerst eurozentrisch. Es wurde angenommen, dass jede Stadt in der Welt mit einer Stadt in Europas Geschichte verglichen werden kann. Zweitens gab es keine wirkliche Erklärung wann und warum Änderungen stattfanden, wann und warum eine Stadt die nächste Stufe erreicht. Der traditionelle Ansatz fand es für nicht nötig, die Entwicklung einer einzelnen Stadt zu verfolgen um die Theorie zu überprüfen. Drittens ist die abgetrennte Sicht von Städten problematisch. Diese Sicht impliziert, dass weder die Geschichte einer Stadt noch die Kultur oder Verbindungen zu anderen Orten irgend einen Einfluss auf die Stadt hätten. Dies ist fragwürdig. Viertens hat es der traditionelle Ansatz verpasst, eine Stadt an sich überhaupt zu definieren. Es ist unklar, warum eine Ortschaft als Stadt betrachtet wird und eine andere nicht. Schließlich betrachtet der traditionelle Ansatz nur eine Geschichte der Stadt. Dies steht im Widerspruch zu modernen Ansätzen, denn die Stadt war wohl nicht gleich für einen Sklaven und einen Aristokraten. Dieser Punkt unterstreicht die multidimensionale Sicht von modernen Ansätzen.
Gegenwärtige Ansätze
Gegenwärtige Ansätze zu Städten versprechen diesen Mängeln gerecht zu werden. Dafür wird die Bedeutung von Verbindungen und Netzwerken besonders betont. Gleichzeitig werden auch die internen Unterschiede unterstrichen.
Die Verbindungen einer Stadt können den einzigartigen Charakter einer jeder Stadt erklären. Städte werden als Teil von Netzwerken gesehen: kulturelle Netzwerke, wirtschaftliche Netzwerke, Handel oder Geschichte. Graz und Stockholm sind etwa kulturell verbunden, beides sind ehemalige kulturelle Hauptstädte Europas. London und Tokio hingegen sind wirtschaftlich verbunden, vor allem durch die Börse.
Solche Netzwerke sind in Städten konzentriert und überlappen auch dort. Diese Konzentration von Verknüpfungen bedingen, dass sich eine Stadt anders anfühlt als ein Bauerndorf. Die Netzwerke einer Stadt verbinden diese aber nicht nur mit anderen Städten, sondern auch mit dem Umland. Eine Stadt alleine könnte sich nicht unterhalten, benötigt sie doch zum Beispiel die Nahrungsmittel aus dem umliegenden Gebiet. Auch für den Handel sind Netzwerke nötig, beides lokal und regional.
Mit Netzwerken ist es möglich, den Aufstieg und Fall von Städten zu erklären. Dies wird damit erklärt, dass die verschiedenen Netzwerke über Zeit an Bedeutung gewinnen oder verlieren können. Ein gutes Beispiel ist Mexiko. Vor der Ankunft der Spanischen Kolonialmacht waren Verbindungen zu Tenochtitlán (Mexiko Stadt) am wichtigsten. Nach der Ankunft der Kolonialmacht änderte sich die Bedeutung der Verknüpfungen innert kurzer Zeit: eine Verbindung zu Madrid, dem Zentrum des Reichs war nun von größerem Vorteil.
Die Konzentration von Netzwerken in Städten hilft, Urbanisierung zu erklären. Es ist der Zugang zu bestimmten Netzwerken, der die Menschen anzieht. Da die verschiedensten Netzwerke sich in einer Stadt treffen, sammeln sich die Leute dort. Gleichzeitig bedeutet die Konzentration von diesen Menschen die Einführung von weiteren Netzwerken, sozialen Verbindungen mit den Orten woher die Migranten kommen. Die Konzentration von Menschen steigert auch die Möglichkeit, dass neue Verbindungen geschaffen werden, denn ein Individuum trifft auf eine viel größere Anzahl andere Individuen, beides, solche die gleich und solche die anders sind. Die Offenheit von Städten zu solchen Verbindungen und Verknüpfungen macht Städte attraktiv aber auch unkontrollierbar.
Ein weiterer Aspekt von gegenwärtigen Ansätzen ist ein Fokus auf interne Divisionen in Städten. Die internen Unterschiede in einer Stadt sind mit den externen Netzwerken gekoppelt. Städte sind Orte wo sich Geschichten treffen, wo aus verschiedenen Kulturen und Verbindungen etwas Neues geschaffen wird. Jede Verbindung einer Stadt zu anderen Orten funktioniert in beide Richtungen, es wird genommen und gegeben? Auch wenn meist nicht gleich viel. Viele Verbindungen sind ausgesprochen ungleich.
Weder die internen Unterschiede noch die externen Verbindungen eines Ortes allein machen eine Stadt aus. Die internen Unterschiede werden von externen Netzwerken beeinflusst. Gleichzeitig ermöglichen die vielen Netzwerke Verbindungen nach außen und damit Raum für die Schaffung von Unterschieden von innen. Divisionen und Verbindungen in Städten sind also untrennbar, und nur wenn beide zusammen betrachtet werden, ist es möglich, eine Stadt zu begreifen. Immigration dient als Beispiel davon, wie Divisionen und Verbindungen untrennbar sind. Migranten bringen ihre eigene Geschichte mit, wenn sie sich in einer Stadt niederlassen. Sie bringen auch ihre Netzwerke, zum Beispiel in Form von Kontakten in anderen Ländern. Diese Netzwerke können auch bestehende Netzwerke stärken und deren Bedeutung beeinflussen. Die Geschichte, die die Migranten mitbringen dient auch dazu, mit anderen zu identifizieren oder andere auszuschließen. Dies führt zu Divisionen in Städten.
Anstatt die Spannung zwischen Verbindung und Unterschieden abzubauene, versuchen gegenwärtige Ansätze, sie unter einen Hut zu bringen. Statische Einheitsgebilde wurden mit multidimensionalen Netzwerken ersetzt, die sich flüssig und dynamisch formen lassen.
Siehe auch
Literatur
- Benevolo, L. Die Geschichte der Stadt, Frankfurt 1991
- Hotzan, J.: DTV-Atlas zur Stadt, München 1994
- Isenmann, E., Die deutsche Stadt im Spätmittelalter. 1250-1500 - Stadtgestalt, Recht, Stadtregiment, Kirche, Gesellschaft, Wirtschaft, Stuttgart 1988.
- Krabbe, Wolfgang R.: Die deutsche Stadt im 19. und 20. Jahrhundert : eine Einführung, Vandenhoeck & Ruprecht : Göttingen 1989, 224 S. (=Kleine Vandenhoeck-Reihe 1543) ISBN 3-525-33555-5
- Mitscherlich, A.: Die Unwirklichkeit unserer Städte, Frankfurt a.M. 1965
- Stadt (Stadtgemeinde), in: Meyers Konversationslexikon, 4. Aufl. 1888, Bd.15, S.211ff.
Weblinks
- http://www.solars.de/cgi-bin/p.pl?p=60000 - über die Stadt im allgemeinen und Bonn im besonderen.
- http://slws1.bau-verm.uni-karlsruhe.de/vrl/staedtebau1/stb1_01entwicklungslinien.html
- Das Kommunalforum
Ähnliche Beriffe sind Innenstadt, Oststadt, Südstadt, Weststadt und Nordstadt.
Siehe auch: Größte Städte der Welt, Kategorie:Ort tokipona:ma tomo