Sächsische Nationsuniversität in Siebenbürgen

historisches Selbstverwaltungsorgan der Siebenbürger Sachsen
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Die Nationsuniversität war ein politisches Selbstverwaltungsorgan der Siebenbürger Sachsen in Siebenbürgen, die bis zur zweiten Hälfte des 19. Jh. als Autonomieverwaltung fungierte und bis zu ihrer Auflösung (1937) als Stiftung diente.

Namensbedeutung

Der Name Nationsuniversität ist zunächst ein recht irreführender, doch hilft zum Namensverständnis eine Zerlegung des Wortes in seine lateinischen Bestandteile natio (das Volk, der Volksstamm) und universitas (die Gesamtheit). Universität ist hier also nicht im Sinne von "Hochschule" zu verstehen, sondern als die Gesamtheit von etwas. Mit Nation ist eine bestimmte Volksgruppe oder Ethnie gemeint. Es handelt sich mithin schlicht um die Gesamtheit einer Nation oder Volksgruppe.

Semantisch gesehen geht es also um die "Gesamtheit der Siebenbürger Sachsen" in ihrem angestammten Gebiet.

Ursprüngliche Funktion

Die Siebenbürger Sachsen als ständische Nation im mittelalterlichen Königreich Ungarn, hatten durch eine direkte Rechtsvergabe der ungarischen Könige bereits recht früh (1224) Sonderrechte und Privilegien erhalten. Im Goldenen Freibrief wurden diese erstmals kodifiziert. Allerdings war diese Urkunde nur die Vorstufe einer festen ständisch-politischen Vertretung gegenüber den beiden anderen Ständen Siebenbürgens, den Szeklern und dem ungarischen Adel. Im Spannungsfeld zwischen beiden anderen Ständen und den zusehends geschwächten ungarischen Königen, formte sich die Nations Universität zu einem Machtinstrument, unter dem sich die Siebenbürger Sachsen bis in 19. Jahrhundert versammelten. Sie war sozusagen die politische Vertretung des sächischen Volkes, die es, als Gemeinschaft, nach außen handlungsfähig machte und nach innen, auf dem Königboden, auf dem für die Siebenbürger Sachsen de facto Autonomie und ihr eigenes Recht (STATVTA oder Eygenlandrecht) galt, die Institution, welche die Selbstverwaltung lenkte.

Das Fürstentum Siebenbürgen war politisch in die drei o.g. Stände gegliedert und nur diese drei Staatsnationen waren an Entscheidungen beteiligt. Die ständische Verfassung sicherte den Siebenbürger Sachsen somit ein Mitspracherecht bei allen Belangen auf den Landtagen. Die dort getroffenen Beschlüsse waren nur mit dem Siegel aller drei Nationen gültig. Jedoch waren die Landtage keine demokratischen Veranstaltungen im heutigen Sinne. Die Mehrheit der Bevölkerung - die Rumänen - waren in ihm gar nicht vertreten und konnten ihren Anliegen auch kein Gehör verschaffen. Bis zum Ende des 18. Jh. galt das Kuriatvotum, nachdem jeder Stand nur eine Stimme hatte und keine Partei von den anderen beiden majorisiert werden konnte. Nach dem Klausenburger Landtag von 1792 wurde dieses Verfahren aber abgeschafft und ein Einzelstimmrecht eingeführt. Hierdurch waren die Vertreter der Siebenbürger Sachsen natürlich hoffnungslos in der Minderheit, da sie selbst damals nur einen Bruchteil der Bevölkerung repräsentierten. Allerdings blieb das Vetorecht der Verweigerung des Nationssiegels weiterhin bestehen und wurde durchaus von den Siebenbürger Sachsen genutzt.

Die Nationsuniversität war damit Garant für die jahrhundertelange Eigenständigkeit der Siebenbürger Sachsen, deren Bedeutung für das Land nie auf ihrer absoluten Zahl sondern stets auf ihrer Leistung begründet war, die durch historische, verbriefte Rechte abgesichert und zugleich erst möglich war. Daher hatten sie den Status einer staatstragenden Nation im Fürstentum Siebenbürgen. Ihre Städte waren bis ins 18. Jh. die einzigen urbanen Zentren, sie kontrollierten den Handel und das Handwerk. So waren sie für die Wirtschaft des Staates unersetzbar, ihre Anzahl belief sich dennoch nie auf mehr als 300.000 Personen.

Entwicklung

1690 kam Siebenbürgen ans Kaisertum Österreich und wurde Kronland. Im Verlauf des 18. Jahrhunderts gab es mehr fach Bestrebungen, die alte Standesverfassung außer Kraft zu setzen und allgemeingültige Gesetze im Reich zu erlassen. Jedoch gelang es den Ständen Siebenbürgens fast 100 Jahre lang jegliche Angriffe auf ihr altes Recht zu parieren. Nicht einmal die Pragmatische Sanktion konnte daran etwas ändern. Besonders Samuel von Brukenthal, Gubernator von Siebenbürgen, sorgte durch seinen Einfluß am Wiener Hofe dafür, daß keinerlei Beschränkungen stattfanden.

Zum ersten erfolgreichen Eingriff in die Autonomie der Stände kam es unter der von Kaiser Joseph II. eingeleiteten "Revolution von oben". Die Nationsuniversität und die gesamte ständische Verfassung wurde erstmals - aber nur für kurze Zeit - aufgehoben. Dies war ein gewaltiger Schock für die Siebenbürger Sachsen, da sie nun nicht nur ihre jahrhundertealte Autonomie auf dem Königsboden bedroht sahen, sondern auch ihre Stellung als tragende Säule des Staatsverbandes und damit ihr bisheriges Selbstverständnis zutiefst erschüttert wurde. Nach dem Tod des Kaisers 1790, der sämtliche Reformen (bis auf das Toleranzedikt und die Abschaffung der Leibeigenschaft) noch auf dem Sterbebett hatte rückgängig machen müssen, wurde die alte Standesverfassung und die Nationsuniversität jedoch wieder vollumfäglich hergestellt, was aber nicht mehr lange Bestand hatte.

Nach der Märzrevolution 1848, eroberten ungarische Aufständische Siebenbürgen und drängten die österreichischen Truppen aus dem Lande. Diesmal wurden Nationsuniversität und Königsboden von den ungarischen Nationalisten temporär aufgelöst. 1849 kehrten die Österreicher mit russischer Unterstützung zurück und schlugen die Aufständischen Ungarn am 31. Juli bei Schäßburg auf der Breite vernichtend. Für die nächsten fünf Jahre galt in Siebenbürgen der Belagerungszustand. Erst 1854 konnte die Nationsuniversität wieder, aber nicht mehr völlig, hergestellt werden.

Mittlerweile war das Problem der rumänischen Mehrheit immer drängender geworden. 1863 wurde von Kaiser Franz Joseph der Landtag nach Hermannstadt einberufen, um u.a. eine Gleichberechtigung der rumänischen Sprache im Kronland Siebenbürgen u.ä. einzuleiten. Die Veranstaltung wurde vom ungarische Adel und den Szekler boykottierten. Dennoch traten die von sächsischen und rumänischen Landtagsabgeordneten verabschiedeten Neuerungen zum 5. Januar 1865 in Kraft. Aber wiederum schon nach kurzer Zeit, waren diese vielversprechenden Anfänge hinfällig. 1866 verlor Österreich den preußisch-österreichischen Krieg und mußte zudem 1867 den Ausgleich mit Ungarn anerkennen um den Staat als ganzen zu erhalten.

Mit diesem Schritt jedoch hörte Siebenbürgen als Kronland und damit als staatliche Einheit auf zu bestehn. 1868 wurden die bisherigen Gebiete der drei ständischen Nationen aufgelöst. Allerdings blieben die sächsischen Distrikte und Stühle zunächst bestehen. In einem besonderen Gesetz sollten die Selbstverwaltungsrechte und Rechtsangelegenheiten von Königsboden und Nationsuniversität geregelt werden.

1872 fand der erste Sachsentag in Mediasch statt. Dort wurden konkrete Vorschläge zur Erhaltung der Autonomie in einem Nationalprogramm festgehalten. Dennoch waren sämtliche Versuche vergebens. Die ständische Verfassung war erloschen, die Nationsuniversität hatte keinerlei Handhabe und Verfügung mehr. Konsequenz dieses Geschehens: die Siebenbürger Sachsen waren von einer staatstragenden Nation mit weitgehender Autonomie und eigenem Recht zu einer von vielen ethnischen und konfessionellen Gruppen herabgesunken.

1876 erließ die Zentralregierung in Budapest ein Gesetz über die finale Zerschlagung des Königsbodens. Eine neue Gebietsregelung trat in Kraft und die Nationsuniversität wurde in eine Stiftung umgewandelt. Ihre einzige Aufgabe war nun, die nicht unerheblichen Vermögen der Nationsuniversität und der Sieben Stühle (Latifundien, Waldungen, Immobilien, Sammlung Brukenthal, Kassa) zu verwalten und die Erträge auf die kulturellen Einrichtungen der Bewohner des ehemaligen Königsbodens zu verteilen. Mit diesen Mitteln wurde ein volles deutschsprachiges Schulsystem u.a. mit mehreren Gymnasien und allen weiteren Höheren Schulen (z.B. die Ackerbauschulen) erhalten und massiv ausgebaut.

Nach dem I. Weltkrieg kam Siebenbürgen an Rumänien. 1921 wurden die umfangreichen Waldungen und sämtliche unbebauten Grundstücke der Stiftung Nationsuniversität durch die erste rumänische Agrarreform enteignet, womit auch eine wichtige Finanzierungsquelle des deutschsprachigen Schulwesens entfiel. 1937 schließlich wurde auch die Stiftung formal aufgehoben. Die evangelische Kirche A.B. erhielt das Nationalarchiv, die Ackerbauschule Mediasch sowie einige wichtige historische Gebäude in Hermannstadt und wurde damit als abgefunden erklärt. Alle übrigen Immobilien wurden der rumänisch orthodoxen Kirche übertragen. Damit hatte die Nationsuniversität endgültig aufgehört zu existieren.

Quellen

  • L. Binder, C. & E. Göllner, K. Gündisch: Geschichte der Deutschen auf dem Gebiete Rumäniens. Erster Band 12. Jahrhundert bis 1848, Kriterion Verlag, Bukarest 1979
  • Ernst Wagner: Geschichte der Siebenbürger Sachsen. Wort und Welt Verlag, Thaur bei Innsbruck 1990