Hans-Peter Raddatz

deutscher Orientalist und Publizist
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Hans-Peter Raddatz ] 1941) ist ein deutscher Orientalist und Publizist.

Leben

Nach dem zweijährigen Wehrdienst studierte er Orientalistik, Volkswirtschaftslehre und Ethnologie an den Universitäten Hamburg und Bonn und promovierte 1967 in Orientalistik und Volkswirtschaftslehre an der Universität Bonn. 1968 wurde er zum Magister promoviert (Frühislamisches Erbrecht). Seit 1967 arbeitete er für internationale Banken und Firmen u. a. im Nahen Osten und den USA.

Raddatz gehört zu denjenigen deutschen Islamwissenschaftlern, deren Beiträge Eingang in die »Encyclopaedia of Islam 2nd edition«, das Standardwerk der internationalen Orientalistik, gefunden haben (Bd. IX.(1997), S. 770-772 über Sufyan ath-Thauri, das Thema seiner Dissertation, Bonn 1967).

Raddatz und der Islam

Im Herbig-Verlag veröffentlicht Raddatz seit Anfang 2001 eine Reihe von Büchern, in denen er eine kritische Betrachtung des Islam und der westlichen Gesellschaft einfordert. Raddatz tritt im In- und Ausland auf und publiziert auch in Printmedien; ebenso ist der parteilose Raddatz in der Politikberatung tätig. Er ist zudem häufiger Interviewpartner von Radiosendern der ARD, v.a. des Deutschlandradios [1]. Ein besonderes Anliegen sind ihm die jüdisch-christlichen Werte Europas und das Existenzrecht Israels.

Raddatz fordert die Trennung von Religion und Staat, die Anerkennung des staatlichen Gewaltmonopols durch die Muslime und die Anerkennung der Gleichberechtigung der Frau, damit der Islam mit Nichtmuslimen in der Demokratie koexistieren kann. Ebenso fordert er Religionsfreiheit für Muslime, also auch das Recht auf Verlassen der Religion, in der islamischen und der westlichen Welt. Gleichzeitig verlangt er, dass jene schariatischen Teile des Islams, die dem Grundgesetz widersprechen würden, nicht unter den Schutz von Artikel 4 GG fallen sollten. Er nennt es Lex Islam.[2] Raddatz fordert daher eine Überprüfung von Artikel 4 GG, da bei dessen Formulierung nicht an 'Religionen' gedacht worden sei, die auf einer eigenen Staatsordnung beruhen würden, ihrerseits die Religionsfreiheit ablehnten und darauf abzielen würden, die Rechtsordnung, der sie ihre freie Ausübung verdankten, zu beseitigen (Von Allah zum Terror?, S. 295).

So kritisiert er den bisherigen Dialog in Politik, Kirchen und Universitäten. Insbesondere setzt er sich für Frauenrechte ein, wobei er die auch im Westen noch nicht vollendete Emanzipation beklagt, sowie für soziale Gerechtigkeit und gegen die angebliche Korruption der Eliten. Raddatz hat auch den verstorbenen Papst Johannes Paul II. wegen dessen Grenzüberschreitungen im Dialog mit dem Islam kritisiert. Zu diesem Problem hat er in „Die Neue Ordnung“ im Juni 2006 einen Artikel „Assisi und zurück“ publiziert, in der er den verstorbenen Papst und Benedikt XVI. vergleicht. Darin stimmt er der Sicht des neuen Papstes zwar zu, vereinnahmt ihn jedoch für seine eigene Position.

Im September 2005 erregten Beiträge im deutschen Internet-Portal Muslim-Markt [5] Aufmerksamkeit, das einen öffentlichen angeblichen Gewaltaufruf gegen den Wissenschaftler ins Internet stellte, der in ein „Gebet“ verpackt war, das für mit dem Koran vertraute Muslime aber angeblich eine codierte Aufforderung zur Gewalt enthält. Das Bundeskriminalamt ließ durch zwei Islamwissenschaftler eine Stellungnahme verfassen, die den Charakter eines Mordaufrufs verneinte. Aufgrund von drei Gutachten anderer Islamexperten, wie Prof. Dr. Tilman Nagel, Lehrstuhl für Arabistik an der Universität Göttingen, des renommierten Koranforschers Gerd-Rüdiger Puin von der Universität Saarbrücken und eines Obergutachters, hat die Staatsanwaltschaft Oldenburg Anklage gegen den Betreiber des Internet-Portals erhoben, der bereits wegen Volksverhetzung vor Gericht stand. Die Anklage wurde vom Landgericht Oldenburg mit Beschluss vom 2. August 2006 wegen mangelnder Aussicht auf eine Verurteilung des Betreibers des Internet-Portals abgelehnt. Eine gegen diese Entscheidung eingereichte Beschwerde der Staatsanwaltschaft wurde am 23. Oktober 2006 vom 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg, der der Argumentation des Landgerichts Oldenburg folgte, als unbegründet verworfen.

Kritik

Raddatz ist in seinem Wirken nicht unumstritten. Zwar ist seine Fachlichkeit im Allgemeinen weitgehend anerkannt, aber seine Erklärungsansätze, Thesen und Methodiken rufen Kritik in der Öffentlichkeit und in Wissenschaftskreise hervor. So heißt es zum Beispiel in einer Rezension seines jüngstes Buch, Allah und die Juden, im Deutschlandradio: "Der Autor verwendet Zitate jenseits ihres historischen Kontextes und ausschließlich Fakten, die in sein Argumentationskonzept passen." [3]

Prof. Dr. Udo Steinbach, Direktor des Deutschen Orient-Institutes, sagt über Raddatz: "Er sucht sich das heraus, was an Militanz im Islam auch vorhanden ist, und stellt dies als den Islam heraus. Ich sehe ihn nicht nur als islamkritisch, sondern geradezu als islamfeindlich."[4]

Werner Schiffauer, Kulturanthropologe in Frankfurt (Oder), meint: »Seine Arbeit wird der Komplexität des Islams nicht gerecht, er arbeitet zu ungenau. Ich begreife ihn als Autor, der auf die Dramatisierung der Lage setzt.«[5]

Umfassend hat sich der Honorarprofessor der Philosophisch-Theologische Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt/Main, Dr. Christian Troll, mit Raddatz Werk "Von Gott zu Allah? Christentum und Islam in der liberalen Gesellschaft" auseinandergesetzt. Troll kommt am Ende unter anderem zu folgenden Schluss: "Hans-Peter Raddatzs Sicht der sozialen und intellektuellen Geschichte der muslimischen Völker ist einseitig system-orientiert und essentialistisch. Wenn es einerseits durchaus sinnvoll und berechtigt erscheint [...], die normativen und systemischen Aspekte gebührend zu berücksichtigen, [...] so wichtig ist es, gleichzeitig immer wieder die Vielfalt und die unvorhersehbaren Möglichkeiten im Auge zu behalten, die den gelebten Islam der Muslime kennzeichnen. [...] Es geht nicht an, die Vielfalt muslimischer Verwirklichungen und Umsetzungen, die sich aus ein und demselben Korpus formativ-normativer Grundquellen speisen, einfach der "Oberfläche" zuzuschreiben, während man den "Kern" des Islam -- als sozusagen eine abstrahiert islamische Essenz -- zum unveränderlichen und jeglichem Dialog entzogenem Wesen dieser Religion und Kultur dekretiert.[6]

Werke

  • Die Stellung und Bedeutung des Sufyān al-Thawrī. Diss. Bonn 1967
  • Von Gott zu Allah? Christentum und Islam in der liberalen Fortschrittsgesellschaft Herbig-Verlag, München. 1. Auflage Mai 2001, ISBN 3776622121
  • Von Allah zum Terror? Der Djihad und die Deformierung des Westens. Herbig-Verlag, München, 1. Auflage 2002, ISBN 377662289X
  • Allahs Schleier – die Frau im Kampf der Kulturen. Herbig-Verlag, München 2004, ISBN 3776623667
  • Die türkische Gefahr? Risiken und Chancen. Herbig-Verlag, München 2004, ISBN 3776623926
  • Allahs Frauen – Djihad zwischen Scharia und Demokratie Herbig-Verlag, München 2005, ISBN 3776624485
  • Iran – Persische Hochkultur und irrationale Macht. Herbig-Verlag, München 2006, ISBN 978-3-7766-2488-5
  • Allah und die Juden - Die islamische Renaissance des Antisemitismus. Berlin 2007, wjs-Verlag, ISBN 978-3-937989266

Quellen

  1. Suchergebnis "Raddatz" auf der Website des Deutschlandradios: http://www.dradio.de/suche/?action=search&uri=suche%2F&sp0=1&sp1=1&sp3=1&q=Hans-Peter+Raddatz
  2. Deutschlandradio: Islam stimmt nicht mit dem Grundgesetz überein, Interview, Gabi Wuttke, 20. Oktober 2005
  3. [1]>Deutschlandradio, 24.5. 2007
  4. [2] Die Zeit, 44(2005)
  5. [3] Die Zeit, 44(2005)
  6. [4] Christian W. Troll: "Islamdialog: Ausverkauf des Christlichen? Anmerkungen zum Buch von Hans-Peter Raddatz." In: Stimmen der Zeit (München) Heft 2, Februar 2002, S. 103-116