Themenzentrierte Interaktion

Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 17. November 2004 um 17:24 Uhr durch Ot (Diskussion | Beiträge) (Links: [http://www.uni-oldenburg.de/germanistik-kommprojekt/sites/2/2_08.html Das pädagogische Konzept der TZI). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Die Themenzentrierte Interaktion (TZI) ist ein professionelles Konzept, das von der Pädagogin und Psychoanalytikerin Ruth Cohn entwickelt wurde.

Die TZI beruht auf dem theoretischen Hintergrund der Psychoanalyse, der Gruppentherapien, sowie der Humanistischen Psychologie, und berücksichtigt Erfahrungen aus der Gestalttherapie.

Cohn hat auf dem Hintergrund von Axiomen ein Strukturmodell entwickelt und dafür Postulate und Hilfsregeln formuliert, welche die ethische und methodische Grundlage der TZI bilden.


System der TZI

Das Strukturmodell beschreibt vier Faktoren, welche eine Gruppe konstituieren:

  • 1. das ICH. Damit sind die einzelnen Personen mit ihren Anliegen und Befindlichkeiten gemeint;
  • 2. das WIR. Hierbei geht es um das Miteinander der Personen, also um Beziehungen;
  • 3. das ES umfasst die Aufgabe, den Auftrag der Gruppe;
  • 4. der Globe. Er meint das strukturelle, soziale, politische, ökologische, kulturelle engere und weitere Umfeld der Gruppe.

Axiome der TZI

Die TZI basiert auf drei Grundannahmen:

  • "Der Mensch ist eine psycho-biologische Einheit. Er ist auch Teil des Universums. Er ist darum autonom und interdependent. Autonomie (Eigenständigkeit) wächst mit dem Bewusstsein der Interdependenz (Allverbundenheit)." (Cohn, Von der Psychoanalyse zur Themenzentrierten Interaktion 1975, Seite 120)
  • "Ehrfurcht gebührt allem Lebendigem und seinem Wachstum. Respekt vor dem Wachstum bedingt bewertende Entscheidungen. Das Humane ist wertvoll, Inhumanes ist wertbedrohend." (Cohn, Von der Psychoanalyse zur Themenzentrierten Interaktion 1975, Seite 120)
  • "Freie Entscheidung geschieht innerhalb bedingender innerer und äusserer Grenzen. Erweiterung dieser Grenzen ist möglich." (Cohn, Von der Psychoanalyse zur Themenzentrierten Interaktion 1975, Seite 120)

Postulate der TZI

Die Axiome führen zu den zwei Postulaten:

  • Sei deine eigene Chairperson, die Chairperson deiner selbst!

Darin steckt die Aufforderung sich selbst, andere und die Umwelt in den Möglichkeiten und Grenzen wahrzunehmen und jede Situation als ein Angebot für die eigene Entscheidung anzunehmen.

  • Störungen haben Vorrang! (im Sinne von "nehmen sich Vorrang")

Cohn dazu:" Das Postulat, dass Störungen und leidenschaftliche Gefühle den Vorrang haben, bedeutet, dass wir die Wirklichkeit des Menschen anerkennen; und diese enthält die Tatsache, dass unsere lebendigen, gefühlsbewegten Körper und Seelen Träger unsere Gedanken und Handlungen sind." (Cohn, Von der Psychoanalyse zur Themenzentrierten Interaktion 1975, Seite 122) Die Postulate sind nicht als Regeln zu verstehen, sondern als Beschreibungen. Will heißen: Störungen nehmen sich de facto Vorrang - ob wir ihn ihnen einräumen oder nicht. (Liegt eine Tanne quer zur Straße, wird der Radfahrer ihr Vorrang lassen müssen, will er sich nicht verletzen. Ähnlich beim Chairperson-Postulat: Der Mensch hat de facto Verantwortung für die Teilmacht, die ihm gegeben ist. Er ist de facto für sein Tun und Lassen verantwortlich. Wenn die beiden Postulate nun als Imperativ formuliert sind, ist darin eine Aufforderung zu sehen, sich auch so zu verhalten.

Hilfsregeln der TZI sind:

Die Hilfsregeln können die Interaktion in einer Gruppe günstig beeinflussen. Sie sind nicht als allgemeingültige Weisungen zu betrachten.

  • 1) Vertritt dich selbst in Deinen Aussagen; Sprich per "Ich" und nicht per "Wir" oder per "Man".Diese Formen lassen auf ein "Verstecken" hinter der Gruppe oder einer öffentlichen Meinung schließen. Hinzu kommt, dass es durch eine derartige Kommunikation leicht fällt, Hypothesen entgegen ihrer Natur als Tatsache darzustellen.
  • 2. Wenn du eine Frage stellst, sage, warum du fragst und was deine Frage für dich bedeutet. Sage Dich selbst aus und vermeide das Interview.

"Echte Fragen verlangen Informationen, die nötig sind, um etwas zu verstehen oder Prozesse weiterzuführen. "Authentische Informationsfragen werden durch die Gründe für die Informationswünsche persönlicher und klarer." (Cohn, Von der Psychoanalyse zur Themenzentrierten Interaktion 1975, Seite 124)

  • 3) Sei authentisch und selektiv in deinen Kommunikationen. Mache dir bewusst, was du denkst und fühlst, und wähle, was du sagst und tust.
Die Regel will Verständnis und Vertrauen fördern. Dies kann wachsen, wenn das, was ich sage für mich stimmig ist und wenn ich mir bewusst bin, was von dem Stimmigen ich dem Gegenüber anvertrauen möchte.
  • 4) Halte dich mit Interpretationen von anderen so lange wie möglich zurück. Sprich stattdessen deine persönlichen Reaktionen aus.
  • 5) Sei zurückhaltend mit Verallgemeinerungen!

Verallgemeinerungen unterbrechen den Gruppenprozess. Sie dienen dem Gesprächsverlauf nur, wenn sie einen Themenbereich zusammenfassend abschließen und zu einem neuen Thema überleiten.

  • 6) Wenn du etwas über das Benehmen oder die Charakteristik eines anderen Teilnehmers aussagst, sage auch, was es dir bedeutet, dass er so ist, wie er ist (d.h. wie du ihn siehst.)

Die Regel hilft mir Regel 2, dass Fragen und Feedback nicht zu Geheimwaffen werden.

  • 7) Seitengespräche haben Vorrang. Sie stören und sind meist wichtig. Sie würden nicht geschehen, wenn sie nicht wichtig wären. (Vielleicht wollt ihr uns erzählen, was ihr miteinander sprecht?)

Auch wenn Seitengespräche vordergründig stören, sind sie aber meist wichtig für die tieferen Ebenen der Kommunikation (vergl. Schulz von Thun). Sie können neue Anregungen bringen, Unklarheiten herausstellen, Missverständnisse verdeutlichen oder auf eine gestörte Interaktion (Beziehung) hinweisen.

  • 8) Nur einer zur gleichen Zeit bitte.

Niemand kann mehr als einer Äusserung zur gleichen Zeit zuhören. Und einander Zuhören signalisiert das konzentrierte Interesse füreinander, das Gruppen zusammenhalten lässt.

  • 9) Wenn mehr als einer gleichzeitig sprechen will, verständigt euch in Stichworten, über was ihr zu sprechen beabsichtigt.

So werden alle Anliegen kurz beleuchtet, bevor die Gruppenaktion weitergeht.

  • 10) Beachte Körpersignal !

Beobachte eigene u. fremde Körpersignale.

Absicht der TZI

Die TZI hat das Ziel, zwischen den Bedürfnissen der einzelnen Gruppenmitglieder sowie der Gruppe insgesamt, der gemeinsamen Aufgabe und dem Umfeld ein dynamisches Gleichgewicht herzustellen und es zu erhalten. Dazu wird das Thema als Brennpunkt der vier Faktoren gesetzt. Damit soll ein effektives kognitives und emotionales Lernen (das sog. lebendige Lernen) ermöglicht werden.


TZI lernen

TZI wird im Ruth-Cohn-Institut gelehrt. Die Ausbildung strukturiert sich in eine Grundausbildung, die Persönlichkeitsbildung und Methodik umfasst. Die Grundausbildung dauert 6 1/2 Wochen und schliesst mit einem Zertifikat ab. Die Diplomausbildung dauert etwa zehn Wochen und enthält Elemente wie Supervision, Arbeit in Peergruppen und weiterführende Workshops zur Persönlichkeitsentwicklung und Methodik.

Quelle

  • Cohn Ruth C., "Von der Psychoanalyse zur themenzentrierten Interaktion", Stuttgart 1975, Klett-Cotta
  • Methodikreferat



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