Theodosius I.
Theodosius I., mit vollem Namen Flavius Theodosius, auch bekannt als Theodosius der Große (* 11. Januar 347 in Cauca, Spanien; † 17. Januar 395 in Mailand), der „Gotenfreund“, war nach dem Tod des Valens Kaiser im Osten des römischen Reiches von 379-395, ab Ende 394 letzter Kaiser des Gesamtreiches.
Die frühen Jahre
Flavius Theodosius wurde vermutlich am 11. Januar 347 in Cauca, einem unbedeutenden kleinen Stadt in der nordwestlichen spanischen Provinz Galaecia, geboren. Sein Vater, der ebenfalls Flavius Theodosius hieß und ein erfolgreicher Militär unter Kaiser Valentinian I. war, hatte hier größere Besitzungen. Seine Großeltern väterlicherseits, Honorius und Thermantia, waren wohl schon nicaenisch-orthodoxe Christen, genau so wie sein Vater und er selbst. Auch hatte Theodoius einen Bruder, Honorius, dessen Tochter Serena er später adoptierte und die durch die Heirat mit dem Magister militum Stilicho noch großen Einfluss erreichen sollte.
Der junge Theodosius verbrachte die Kindheit in seiner spanischen Heimat. Über seinen Bildungsweg ist kaum etwas bekannt, außer dass er Interesse an geschichtlichen Studien zeigte und auch sonst sehr aufgeschlossen gewesen war. Ab 368 ist er im Gefolge des Vaters zu finden, der zu diesem Zeitpunkt den Rang eines magister equitum praesentalis (Kommandeur der Reiterei der Hofarmee) inne hatte. Dort schlug er eine militärische Laufbahn ein und nahm mit ihm zusammen an den Feldzügen in Britannien 368/369, an dem Feldzug gegen die Alemannen 370 und gegen die Sarmaten 372/373 teil, ohne dass dem Kaiser in spe, so der Panegyricus des Pacatus, ausdrücklich Siege zugewiesen werden. Vermutlich durch den Einfluss des Vaters wurde Theodosius zum dux moesiae prima befördert, womit ihm eine eigene Militärprovinz auf dem Balkan unterstand. Im Jahr 373 wurde der Vater zur Unterwerfung des Usurpators Firmus nach Africa abberufen. 374 schlug Theodosius die Sarmaten in Pannonien, welche die Donau überschritten hatten. Somit hatte er sich als Befehlshaber bewiesen und war bei den Römern als Feldherr durchaus angesehen.
376 beendete Theodosius plötzlich seine militärische Karriere und zog sich auf seine heimatlichen Besitzungen nach Spanien zurück. Die Gründe dafür sind äußerst vielschichtig und auch widersprüchlich. Jedenfalls steht der Rückzug in enger Verbindung mit dem Tod seines Vaters, der im Zusammenhang mit dem Aufstand des Firmus und der daraus folgenden Untersuchung gegen den angesehenen afrikanischen Statthalter Romanus (wohl zu Unrecht) des Hochverrats angeklagt und zum Tode verurteilt wurde. Theodosius heiratete noch im gleichen Jahr Aelia Flacilla, eine Frau aus dem spanischen Provinzadel, die ihm 377 seinen ältesten Sohn Arcadius gebar. Ansonsten widmete er sich der Verwaltung seiner Güter. Nach Lage der Dinge konnte Theodosius kaum mehr damit rechnen, je wieder in den Militärdienst zu treten. Doch die Sachlage veränderte sich dramatisch, als am 9. August 378 die Schlacht von Adrianopel stattfand.
Theodosius' Regierungsjahre im Osten
Nach der Schlacht von Adrianopel im Jahr 378, bei der Kaiser Valens im Kampf gegen die Goten unter Fritigern und der so genannten Dreivölker-Konföderation (bestehend aus Alanen, Hunnen und gotischen Greutungen) gefallen und mit ihm der Großteil der römischen Armee im Osten ausgelöscht worden war, rief der Westkaiser Gratian Theodosius aus Spanien zurück. Die Gründe für diese Entscheidung sind in der Forschung umstritten. Am wahrscheinlichsten dürfte aber sein, dass Gratian einen fähigen General römischer Abstammung benötigte. In Sirmium ernannte Gratian Theodosius zunächst zum Magister militum über Illyrien. Theodosius konnte einige Erfolge verbuchen, so in Pannonien, wo er die Sarmaten schlug, die erneut die Donau überquert hatten. Am 19. Januar 379 erhob Gratian Theodosius zum Augustus (Mitkaiser) des Ostens. Ihm wurde die Praefectura orientis zugewiesen, mit Einschluss der Diözesen Dakien und Makedonien. Damit unterstand Theodosius in etwa der Raum, der nach der Reichsteilung 395 an das Ostreich ging.
Mit großer Energie sorgte Theodosius für die Sicherung seines Herrschaftsbereiches. Als Residenzort hatte er zunächst aus strategischen Gründen Thessaloniki gewählt. Er reorganisierte nun die Armee, wobei die Barbarisierung zunahm, obwohl es auch eine ganze Anzahl von römischen Generälen im Stab des Theodosius wiederfinden. Theodosius ging zunächst erfolgreich ab 380 gegen die Terwingen/Westgoten unter Fritigern auf dem Balkan vor, erlitt jedoch dann eine Niederlage. Diese zwang ihn, bei Gratian um Hilfe zu bitten, der ihm daraufhin zwei seiner erfahrensten Generäle überließ, Bauto und Arbogast. Gratian 380 auch die Diözesen Dakien und Makedonien zurückerstattet. Theodosius erkrankte zudem 380 so schwer, dass er sich daraufhin taufen ließ. Allerdings war es in der damaligen Zeit keineswegs unüblich, nicht schon als Kind getauft zu werden. Der bezeugten Religiösität des Theodosius hat es jedenfalls nicht geschadet.
Am 3. Oktober 382 brachte er die Westgoten dazu, mit ihm ein Bündnis zu schließen, bei dem er die Westgoten zu so genannten Foederati machte. Sie durften nun südlich der unteren Donau siedeln, mussten aber Rom Waffenhilfe leisten. Dieser Gotenvertrag war ein Wendepunkt in der römischen Geschichte. Bisher waren besiegte Germanen zwar als Dediticii (Unterworfene) aufgenommen worden, hatten aber keine Rechte (außer die Freiheit). Dieser foedus sorgte jedoch dafür, dass die angesiedelten Goten frei und autonom waren. Sie dienten zwar in Kriegszeiten, aber unter eigenen Führern und wurden zusätzlich hoch besoldet. Dennoch stärkte dieser Vertrag die Wehrkraft Roms, wenn sich auch in den nachfolgenden Jahren zahlreiche Nachteile dieser Regelung bemerkbar machen sollten. Als ein erster Schritt für den endgültigen Niedergang Roms kann dieser Vertrag jedoch (nach der neueren Forschung, siehe Leppin) nicht gedeutet werden.
Eingreifen im Westen
Im Jahr 383 wurde Magnus Maximus von seinen Truppen in Britannien zum Augustus erhoben. Gratian wurde kurz darauf in Lyon ermordet, als er gegen ihn zog. Theodosius ließ Maximus jedoch vorerst gewähren und es kam zu einer Reichsteilung, wobei Valentinian II., der jüngere Halbbruder Gratians, Italien und Africa erhielt.
387 kam es zu einem Vertrag mit den Sassaniden, in welchem der alte Zankapfel Armenien geteilt wurde (etwa 1/5 ging an Rom, der Rest an Persien, wobei der Gebietsgewinn Roms vor allem aus Gründen der Grenzsicherung von Bedeutung war). Damit sorgte Theodosius für Ruhe an der sonst immer bedrohten Ostgrenze und hatte so einigen Spielraum gewonnen. Im selben Jahr heiratete der Kaiser Galla, die Schwester Valentinians II., und zog 388 dann doch gegen Maximus in den Krieg. Dieser war in Italien eingefalle, so dass Valentinian hatte fliehen müssen. Aus dem Konflikt ging Theodosius schließlich siegreich hervor; Maximus wurde geschlagen und getöten. Damit hatte Theodosius de facto die gesamte Leitung des Reiches in seinen Händen. Valentinian II., den er wieder eingesetzt hatte, besaß nämlich nur noch die Gesetzgebungskraft für Gallien. Ihm zur Seite stellte Theodosius den fähigen, aber auch ehrgeizigen fränkischen General Arbogast. Am 13. Juni 389 hielt Theodosius triumphalen Einzug in Rom.
Theodosius war zunächst relativ tolerant gegenüber den Heiden und den Goten, aber nach den Aufständen 390/91 des Gotenführers Alarich, dem politischen Gegenspieler seiner letzten Lebensjahre, verschärfte er seine Politik gegenüber den gotischen Foederati. Dabei muss angemerkt werden, dass seine Gotenpolitik immer realistisch ausgerichtet war. Theodosius mochte die Goten teils unterstützt haben (Jordanes nannte ihn einen "Freund des Friedens und des gotischen Volkes"; Jord. Getica 29), doch hinderte ihn dies nicht daran, diese auch für seine Zwecke verbluten zu lassen, wie die hohen Verluste gotischer Truppen auf seinen Feldzügen zeigen. Nach dem Blutbad von Thessalonike im Jahr 390, in dem zahlreiche Goten niedergemetzelt wurden, wurde er allerdings von Ambrosius, dem Bischof von Mailand, der bereits auf Gratian und Valentinian II. großen Einfluss ausgeübt hatte, zu einem Bußakt gezwungen, der aber keineswegs die Amtswürde des Kaisers herabsetzte. Dennoch zeigte dieser Akt, dass ein mächtiger und willensstarker kirchlicher Amtsträger dem Kaiser, der für sich in Anspruch nahm, über allen Gesetzen zu stehen, durchaus Konzessionen abringen konnte.
Religionspolitik
In den Quellen wird immer wieder die christliche Frömmigkeit des Kaisers betont. Diese kam auch darin zum Ausdruck, dass er als erster Kaiser den Titel Pontifex Maximus ablehnte, da es der höchste Titel der heidnisch-altrömischen Religion war. Weiterhin zeigte er als Erster seine Ernennung zum Kaiser nicht nur bei dem Senat in Rom, sondern auch in Konstantinopel an.
Um den seit 325 andauernden Streit und die drohende Glaubensspaltung zwischen Trinitariern und Arianern zu lösen, berief Theodosius 381 das 1. Konzil von Konstantinopel (dem 2. ökumenischen Konzil) ein, an dem 150 Bischöfe über die endgültige Fassung des Nicäischen Glaubensbekenntnisses entschieden. Indirekt schwächte er auch die Position Gratians, der ebenfalls ein Konzil einberufen hatte. Theodosius erklärte 380 die christliche Lehre zur de facto Staatsreligion, indem mit der Erklärung, wer als wahrer Katholik gelte, zahlreiche Vergünstigungen verbunden waren.
Theodosius ergriff in seinen letzten Regierungsjahren energisch Maßnahmen gegen das Heidentum. 391/92 verbot er schließlich die heidnischen Kulte und ihre Ausübung. 393 wurden auch die Olympischen Spiele verboten, doch erst Theodosius II. setzte ihnen mit der Verbrennung des Zeustempels ein Ende (obwohl sie noch bis ins 6. Jahrhundert heimlich statt gefunden haben sollen).
Letzte Regierungsjahre und Tod
Am 15. Mai 392 wurde Valentinian II. erhängt in seinem Palast in Vienne aufgefunden. Es ist unklar, ob er von der heidnischen Reaktion, in Gestalt von Arbogast, ermordet wurde, oder aufgrund seiner faktischen Machtlosigkeit Selbstmord beging. Jedenfalls wurde kurz darauf Eugenius von Arbogast zum Kaiser ausgerufen (22. August 392). Theodosius erhob daraufhin neben Arcadius, seit 383 Augustus, seinen jüngeren Sohn Honorius am 23. Januar 393 zum Augustus. Bald darauf marschierte Theodosius mit einem starken Heer, zu dem auch gotische Hilfstruppen gehörten, in den Westen ein. Am 6. September 394 besiegte er Eugenius und Arbogast in der Schlacht am Fluvius frigidus (Frigidus) im Vipava-Tal im heutigen Grenzgebiet zwischen Italien und Slowenien; Theodosius hielt sich bei dieser Gelegenheit in der Festung Ad Pirum auf dem Hochplateau des Birnbaumerwaldes auf. Es war eine der letzten großen Schlachten des Römischen Reiches. Eugenius wurde gefangen und hingerichtet, Arbogast beging kurz darauf Selbstmord. Theodosius war damit uneingeschränkter Herrscher über beide Reichsteile und verwirklichte, wenn auch nur für kurze Zeit, ein letzte Mal die Reichseinheit.
Kaiser Theodosius I. starb am 17. Januar 395. Ambrosius, mit dem er sich so manchen Streit geliefert hatte, hielt die Totenrede. Theodosius hinterließ seinen beiden Söhnen Arcadius und Honorius das Reich, die dieses unter sich aufteilten: Honorius wurde im Westen, Aracadius im Osten Kaiser. Die beiden Reichsteile entwickelten sich von da an endgültig auseinander und nur knapp 80 Jahre später sollte das weströmische Reich untergegangen sein.
Bald aber wurde Theodosius wegen seiner Bemühungen um die Einigung der Kirche "der Große" genannt und gilt, trotz mancher Einschränkung, als bedeutendster Herrscher in der Zeit zwischen Konstantin dem Großen und Justinian I. Es ist vor allem der Verdienst des Theodosius gewesen, dass das Ostreich nach Adrianopel wieder stabilisiert wurde, zumal er eine Dynastie begründete, welche die langlebigste des spätrömischen Reiches war. Theodosius scheint manchmal wankelmütig gewesen zu sein, war aber ein durchaus fähiger Herrscher und Militär, der durchaus eigenständige Entscheidungen traf. Zudem erscheint er charakterlich wesentlich sympathischer als manch anderer spätantiker Herrscher. Sein hohes Ansehen kommt auch in den Lobpreisungen der Heiden Libanios und Themistios zum Ausdruck.
Siehe auch: Spätantike
Literatur
- Curran, John: From Jovian to Theodosius, in: A. Cameron und P. Garnsey (Hrsg.), The Cambridge ancient history, Vol. 13, The Late Empire, A.D. 337-425, Cambridge 1997, speziell S. 101 ff.
- Cameron, Averil: Das späte Rom, München 1994. Knapper Überblick
- Leppin, Hartmut: Theodosius der Große. Auf dem Weg zum christlichen Imperium, Reihe Gestalten der Antike, Darmstadt 2003. Derzeit die aktuellste und wohl beste Darstellung in deutscher Sprache.
- Lippold, Adolf: Theodosius der Große und seine Zeit, Stuttgart 1968. Ältere Darstellung und im deutschen Raum der Klassiker zum Thema. Siehe auch Lippolds wichtigen Artikel im Pauly-Wissowa: RE Supplementband XIII, Sp. 837 ff.
- Nixon, C.E.V., Rodgers, B.S.: In Praise of Later Roman Emperors. The Panegyrici Latini, Oxford 1994.
Weblinks
- Fachwissenschaftliche Biographie aus dem DIR-Projekt (eng.)
- Biographie aus dem BAUTZ (dt.) mit reichen Literaturangaben
Vorgänger: Valentinian II. (383 - 392) |
Liste der römischen Kaiser | Nachfolger: Westrom: Flavius Augustus Honorius (395 - 423) Ostrom: Arcadius (395 - 408) |