Ein Homonym ist ein Wort, das für verschiedene Begriffe oder verschiedene Wesenheiten[1] steht. Im ersten Fall spricht man auch von einer Äquivokation. Ein Beispiel für Homonymität im Sinne einer Äquivokation ist das Lexem „,Tau“, das ein Seil, einen morgendlichen Niederschlag oder den 19. Buchstaben des griechischen Alphabets und vieles mehr bedeuten kann.

Begrifflichkeit
Die Eigenschaft eines Wortes, mehrdeutig − also ein Homonym – zu sein, heißt Homonymie (von altgriechisch: Vorlage:Polytonisch aus Vorlage:Polytonisch homoio(s)- „gleich-“ und Vorlage:Polytonisch ónyma/ónoma „Name“) oder Äquivokation (aus dem Lateinischen: äqui- „gleich-“ und vokare „nennen“, „lauten“; siehe Vokabel). Man sagt dann, das Wort sei homonym oder äquivok. Der Ausdruck Homonymie entstammt der Philosophie, im Sinne der Äquivokation jedoch der Sprachwissenschaft, der Ausdruck Äquivokation der Philosophie. Umgangssprachlich werden Homonyme auch Teekesselchen genannt, nach einem Sprachspiel.
Homonyme sind aus ursprünglich differenten Morphemen entstanden, die im Lauf der Zeit gleichlautend wurden. Ein Beispiel dafür ist das mhd. Wort für den Kiefer kiver und das althochdeutsche Wort für den heute als Kiefer bezeichneten Baum kienforha, die heute beide mit Kiefer bezeichnet werden. Wenn die mehrdeutigen Wörter auf eine gemeinsame etymologische Wurzel bzw. dasselbe Morphem zurückgeführt, handelt es sich nicht um Homonyme, sondern um Polyseme. Im Fall der Polysemie fallen nicht zwei historisch unterschiedliche Morpheme zu einem Morphem zusammen (wie im Fall der Homonymie), sondern die Bedeutung eines Morphems wird im Lauf der Geschichte gesplittet, z. B. bezeichnet das Wort Schloss sowohl das Türschloss als auch ein herrschaftliches Gebäude.
Nach diesem Verständnis ist der philosophische Begriff Äquivokation etwas weiter gefasst, weil er jede Art von sprachlicher Mehrdeutigkeit, also Homonymie und Polysemie abdeckt.
Man unterscheidet Homographen, Wörter mit gleicher Schreibweise, und Homophone, Wörter mit gleichem Klang.
- Ein Homograph ist zum Beispiel das Wort modern: Je nach Betonung bezeichnet es entweder die Eigenschaft, neumodisch zu sein (z. B. moderne Technik) oder den Vorgang des Verwesens (z. B. die Holzwände modern).
- Homophone sind etwa die Wörter Wände und Wende.
Die Abgrenzungen werden nicht immer auf dieselbe Weise vorgenommen, wie in diesem Artikel dargestellt. So sprechen manche Autoren nur dann von einem Homonym, wenn sowohl gleiche Schreibweise als auch gleiche Aussprache vorliegt;[2] an anderer Stelle wird Homonymie sogar als bloße Gleichlautung, also im Sinn der Homophonie definiert.[3]
Diese nicht immer eindeutigen Unterscheidungen sind unter anderem in der Lexikographie von Bedeutung:
- Homonymie, d. h. Äquivokation ist oft Ursache für Fehlschlüsse. Solche Fehlschlüsse werden in der traditionellen Logik zum Beispiel als fallacia ambiguitatis (die lateinische Bezeichnung für Fehlschluss der Mehrdeutigkeit) oder als quaternio terminorum (Vierheit der Begriffe, das Einführen eines homonymen vierten Begriffs in den nur aus drei Begriffen bestehenden traditionellen Syllogismus) bezeichnet.
- Der verwandte Begriff Homöonym (oder identisch: Homoionym) bezeichnet dagegen lediglich ein ähnlich lautendes Wort wie heimlich und heimelig. Er wird auch als partielles Synonym bezeichnet.
- Der gegensätzliche Begriff (das Antonym) zum Homonym ist das Synonym, bei dem unterschiedliche Bezeichnungen für den selben Begriff verwendet werden.
Die japanische Sprache und die chinesische Sprache sind besonders reich an Homonymen, die jedoch oft auf Grund der Zeichen- bzw. Bilderschrift nur Homophone, jedoch keine Homographen sind.
Beispiele
1. Beispiele für Polyseme
- Bank, die („Geldinstitut“) und Bank, die (eine Sitzgelegenheit)
- Geist, der („Intellekt“) und Geist, der (übernatürliches Wesen)
- Himmel, der oder die (religiös, „das metaphysische Jenseits“) und Himmel, der (planetär, „das Himmelszelt“)
- Hochzeit, die („Eheschließung“) und Hochzeit (Kartenspiel)
- Lehre, die (Berufsausbildung), Lehre, die (Prüfgerät) und Lehre, die (Teil der Wissenschaft, „Dogma“)
- Leiter, die (Stufengerät), Leiter, der („Chef“) und Leiter, der („elektrischer Leiter“)
- Stimme, die (zum Reden), Stimme, die (bei einer Wahl) und "stimmen" konjugiert: "Er fragte nach, ob es wohl stimme, dass ..."
- Strom, der („Fluss“) und Strom, der (Elektrizität)
2. Beispiele für Homonyme
- Arm (Körperteil) und arm („mittellos“)
- Elf, der (Märchengestalt) und elf (Zahl)
- Kiefer, die (Baum) und Kiefer, der (beweglicher Teil des Schädels)
- Lehre, die („Berufsausbildung“) und Lehre, die (ein Messinstrument)
- Reif, der („Ring“), Reif, der („Eiskristalle“) und reif („ausgereift“)
- sieben (Zahlwort), sieben (Verb: durch ein Sieb geben)
- Steuer, das (Lenkvorrichtung) und Steuer, die („Abgabe an den Staat“)
- Tau, der (Niederschlag), Tau, das („Seil“) und Tau, das (griech. Buchstabe)
- Fest, das („Feier“) und fest (Adjektiv: „beständig, hart“)
- gefahren (Perfekt des Wortes fahren) und Gefahren (Plural von Gefahr)
2.1. Beispiele für Homographe
Hierbei zeigt «´» die betonte Silbe, «¯» einen langen Vokal:
- Aúgust, der (männlicher Vorname) und Augúst, der (Monat)
- Collágen, die (französisch: Plural von Collage, „Bildmontagen“) und Collagén, das (Bindemittel)
- módern („verrotten“) und modérn („neuzeitlich“)
- Móntage, die (Plural von Montag) und Montáge, die (französisch: „der Zusammenbau von Einzelteilen“)
- Revers, der (französisch, sprich «Reveer»: „Aufschlag“ an Mänteln und Jacken) und Revers, der (lateinisch, sprich «Rewers»: eine schriftliche Verpflichtung)
- Ténor, der („Grundhaltung“) und Tenór, der (Stimmlage)
- Wēg, der („kleine Straße“) und weg (sprich «weck»; Adjektiv: „fortsein“)
- Beinhaltung, die (Haltung der Beine) und Beínhaltung, die (sprich «Be-Inhaltung»; Substantivform von beinhalten : „einschließen, enthalten“)
2.2. Beispiele für Homophone
- Wände („Mauern“) und Wende („Umkehr“)
- Lärche (Baum) und Lerche (Vogel)
- Festname, der (Name eines Fests) und Festnahme, die („Verhaftung“)
- Teilname, der (Bestandteil eines Namens) und Teilnahme, die („Partizipation, Beteiligung“)
- Ware, die (Verkaufsangebot) und wahre (Adjektiv wahr, feminin: „ehrlich, glaubwürdig“)
Entstehung von Homonymen
Homonyme können zum einen aus verschiedenen Wörtern entstehen, die sich dahingegend verändern, dass sie schließlich gleich klingen (Homophone) oder gleich geschrieben werden (Homographen). Zum anderen können sich die verschiedenen Bedeutungen eines Wortes so verschieben, dass schließlich unterschiedliche Begriffe entstehen (Polyseme). Zusätzlich kann fast jedes Wort je nach Verwendung unterschiedliche Bedeutungen annehmen und somit zum Homonym werden. Beispiele dafür sind für unterschiedliche Objekte stehende Personalpronomen, mehrdeutige Akronyme, und Metaphern.
Siehe auch: Mehrdeutigkeit
Homonyme Wortpaare
Homonyme Wörter, die als Adjektiv wie auch als Substantiv Verwendung finden, bilden manchmal schöne Wortpaare. Einige Beispiele:
die taube Taube, die laute Laute, die feige Feige, die flotte Flotte, die schnelle Schnelle, mit Preisen preisen.
Homonymzusätze
Zur Unterscheidung von Homonymen können ihnen so genannte Homonymzusätze oder Qualifikatoren hinzugefügt werden. In Wörterbüchern werden dazu üblicherweise hochgestellte Zahlen verwendet, während beispielsweise in Thesauri verschiedene Zusätze in Klammern angehängt werden. In den Regeln für den Schlagwortkatalog (RSWK) der Schlagwortnormdatei (SWD) werden dafür auch Winkelklammern (< und >) benutzt. Für Absatz gibt es in der SWD zum Beispiel drei Einträge:
- Absatz für den Absatz von Waren, weil dies innerhalb des Einsatzzweckes der SWD (Literaturverschlagwortung) die häufigste Verwendungsform ist
- Absatz <Text>
- Absatz <Schuh> wobei die Bezeichnung Schuhabsatz vorzuziehen ist
Allerdings lassen sich Homonymprobleme in kontrollierten Umgebungen oft auch durch das Ausweichen auf andere Bezeichnungen lösen. Statt Bank (Sitzgelegenheit) kann beispielsweise festgelegt werden, dass eine Bank zum Sitzen immer „Sitzbank” genannt werden muss.
Die Homonymzusätze selbst sollten möglichst eindeutig definierte und überschaubare Begriffe sein. Zum Beispiel kann festgelegt werden, dass die Homonymzusätze einzelne Fachgebiete oder Fachsprachen bezeichnen sollen (Ring <Umgangssprache>, Ring <Mathematik>, Ring <Astronomie>...)
Die durch Homonyme mitunter entstehende Verwirrung wird besonders deutlich in der rhetorischen Figur der Kolligation.
Verschwinden von Homonymen
Homonymie kann eine Ursache für das Verschwinden von Wörtern sein (Homonymenkonflikt durch Mehrdeutigkeit)[4].
Beispiele
- Wenn ein Wort sehr viele Bedeutungen hat, es also mehrdeutig wird, verschwinden oft einige Bedeutungen, manchmal auch das ganze Wort, zum Beispiel weil auf andere Bezeichnungen ausgewichen wird.
- Wenn ein Wort in der sprachlichen Ebene sinkt, werden gleich- oder ähnlichlautende andere Wörter oft ebenfalls verdrängt: Ficke - Kleidertasche - wurde unüblich wegen „ficken”, einem als „obszön” betrachteten Wort. (Gegenbeispiel: Wenn sich die Kontexte klar unterscheiden, können Homophone auf der normalen Sprachebene auch neben der niedrigeren bestehen bleiben: Das vulgäre „to jack off” im Englischen hat z.B. keinen Einfluss auf die anderen Lesarten von „jack / to jack / Jack-of-all-trades”.)
- Im Japanischen ist die Zahl „Vier” homophon mit dem Wort für „Tod” (shi). Daher gibt es eine zweite Aussprache (yon) für „Vier”, die in Kontexten gebraucht wird, wo durch die Homophonie eine Mehrdeutigkeit mit negativer Konnotation entstehen könnte.
Ähnliche Begriffe mit unterschiedlicher Bedeutung in verschiedenen Dialekten einer Sprache sind Paronyme.
Veränderung von Homographen durch die Rechtschreibreform
- Durch die Rechtschreibreform wurden einige Homographen beseitigt.
- Bettuch → Bettuch und Betttuch bzw. Bett-Tuch
- Andererseits wurden neue geschaffen
- bläuen (blau färben), bleuen (schlagen) → bläuen (volksetymologisch nach jemanden grün und blau schlagen)
Quellen
- ↑ Vgl. dazu die erstmalige Verwendung von homonym im ersten Wort der Kategorienschrift von Aristoteles: "Homonym heißt, was nur dem Wort nach gleich ist, dem Wesen nach aber verschieden" (Aristoteles, Kategorien 1, 1-2a)
- ↑ z. B. Hadumod Bußmann: Lexikon der Sprachwissenschaft. Stuttgart, Kröner 2. Aufl. 1990, ISBN 3-520-45202-2, Seite 314
- ↑ N. N.: Duden Band 5. Fremdwörterbuch. Mannheim, Bibliographisches Institut 2. Aufl. 1966, Seite 278
- ↑ Dass Homonymenkonflikt jedoch zu häufig fälschlicherweise als Auslöser für Wortschatzwandel angesehen worden ist, hat Joachim Grzega versucht darzulegen (vgl. Grzega, Joachim: "Über Homonymenkonflikt als Auslöser von Wortuntergang", in: Grzega, Joachim, Sprachwissenschaft ohne Fachchinesisch, Aachen: Shaker 2001, S. 81-98; Grzega, Joachim, Bezeichnungswandel: Wie, Warum, Wozu?, Heidelberg: Winter.
3. Linke, Angela/ Nussbaumer, Markus/ Portmann, Paul (1996), Studienbuch Linguistik, Tübingen, Max Niemeyer, 141f.
Weblinks
- Liste der normierten Homonymenzusätze (PDF) für Personenschlagwörter der Schlagwortnormdatei
- Liste von Homographen, Homonymen und Homophonen im Deutschen von Jürgen Trouvain
- Liste von (teilweise nicht ganz ernst gemeinten) Homographen, die keine Homophone sind