Waffenstillstand von Compiègne (1918)

Waffenstillstand, der zum Ende des Ersten Weltkrieges führte
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Waffenstillstand von Compiègne (im Französischen Armistice de Rethondes) bezeichnet zwei im Wald von Compiègne geschlossene Waffenstillstände. Der erste wurde am 11. November 1918 zwischen Deutschland und der Entente und der zweite am 22. Juni 1940 zwischen dem Dritten Reich und dem Vichy-Regime geschlossen.

Erster Weltkrieg: 11. November 1918

 
Titelseite der New York Times vom 11. November 1918

Politische Rahmenbedingungen

Mit dem Scheitern der Frühjahrsoffensive wurde der Obersten Heeresleitung klar, dass der angestrebte Siegfrieden für die deutschen Truppen unerreichbar war. Der Zusammenbruch Bulgariens und die aussichtslose Lage an der Westfront, die durch das Eingreifen US-amerikanischer Truppen nur noch verstärkt wurde, bewegte das deutsche Oberkommando zu weiteren Schritten. Die Führung des deutschen Militärs fürchtete den absoluten Zusammenbruch der Front und das Vordringen des Feindes auf das Gebiet des Reichs. Am 29. September 1918 forderte die Generalität die ansonsten durch die Kriegsdiktatur der OHL marginalisierten Politiker auf, Verhandlungen über einen Waffenstillstand zu beginnen. Dieses publikumswirksame Abschieben der Verantwortung auf die zivilen Volksvertreter schaffte eine Grundlage zur späteren Verbreitung der Dolchstoßlegende.

Verhandlungsverlauf

Ein Termin für ein Treffen kam erst nach wochenlangen Vorverhandlungen und einem Notenwechsel mit dem US-Präsidenten Woodrow Wilson zustande. Nach einmonatiger Verspätung am 8. November erhielt eine zivile deutsche Delegation unter Staatssekretär Matthias Erzberger die Erlaubnis, nach Frankreich zu reisen. Als Ort des Schauspiels wurde von französischer Seite ein Eisenbahnwaggon in einem Waldstück bei Compiègne ausgewählt. Der Verhandlungsrahmen blieb vom französischen Oberbefehlshaber Marschall Foch allerdings eng begrenzt. Den Deutschen wurde ein enger Zeitrahmen von 72 Stunden gesetzt, und ihnen wurde nur der Dialog mit rangniederen Offizieren gestattet. Der französische Generallissimus behielt es sich vor, den Kriegsgegner durch Abwesenheit zu demütigen.

Generell lässt sich sagen, dass in den Verhandlungen von Compiègne dem Stil des Vertrags von Versailles schon vorgegriffen wurde. Die Delegation der Entente-Mächte lässt Kritik an maßgeblichen Punkten nicht zu und stellt den Kriegsgegner – verständlich ob dessen hoffnungsloser Situation – vor vollendete Tatsachen. Um das Dokument mit seinen überaus harten Bedingungen nicht unterzeichnen zu müssen, suchte Erzberger Rücksprache in Berlin. Er konnte allerdings nur den Chef der deutschen Obersten Heeresleitung Hindenburg in seinem Hauptquartier in Spa erreichen. Dieser wies ihn an, einen Waffenstillstand zu jedweden Bedingungen anzunehmen.

Maßgebliche Punkte des Vertrags

  • Einstellung der Feindseligkeiten binnen sechs Stunden nach Vertragsunterzeichnung
  • Rückzug aller deutschen Truppen aus sämtlichen besetzten Gebieten (Belgien, Frankreich, Luxemburg sowie aus dem Reichsland Elsaß-Lothringen binnen 15 Tagen
  • Innerhalb der darauf folgenden 17 Tage Preisgabe der linksrheinischen Gebiete sowie der rechtsrheinischen Garnisonen Mainz, Koblenz und Köln, die an französische Besatzungstruppen zu übergeben waren. (Die Rückführung von rund 190 Divisionen wurde bis zum 17. Januar 1919 beendet.)
  • Innerhalb dieses Zeitraums Übergabe von 5.000 Geschützen, 25.000 Maschinengewehren, 3.000 Minenwerfern und 1.400 Flugzeuge an die Alliierten
  • Internierung aller modernen Kriegsschiffe; darüber hinaus mussten 5000 Lokomotiven und 150.000 Eisenbahnwaggons abgeliefert werden
  • Annullierung des Friedens von Brest-Litowsk mit Sowjetrussland

Durch diese Maßnahmen sollte dem Deutschen Reich die Möglichkeit genommen werden, den Krieg fortzusetzen. Die Existenz der Armee wird jedoch zunächst nicht angetastet. Diese überaus harten Bedingungen wurden im Vertrag von Versailles nochmals bestätigt.

 
Die Waffenstillstandsverhandlungen

Unterzeichner

Entente:

  • Marschall Ferdinand Foch für Frankreich
  • Admiral Rosslyn Wemyss für Großbritannien
  • Admiral Hope und Kapitän zur See Mariott für die Vereinigten Staaten von Amerika

Deutschland:

  • Staatssekretär Matthias Erzberger, Reichsregierung
  • Graf Alfred von Oberndorff, Auswärtiges Amt
  • General Detlof von Winterfeld, Deutsches Reichsheer
  • Kapitän zur See Ernst Vanselow, kaiserliche Marine

Zweiter Weltkrieg: 22. Juni 1940

Politische Rahmenbedingungen

Nachdem am 10. Mai 1940 das Oberkommando der Wehrmacht den Befehl zum Angriff auf Frankreich gegeben hatte, erlebte die Grande Nation eine beispiellose militärische Niederlage. Durch die Strategie des Blitzkrieges gelang es der Wehrmacht, die französischen und englischen Truppen in Nordfrankreich vernichtend zu schlagen. Am 14. Juni 1940 wurde Paris zur offenen Stadt erklärt und von deutschen Truppen eingenommen. Der Regierungschef der 3. Republik Paul Reynaud verkündete angesichts der totalen Niederlage am 16. Juni 1940 seinen Rücktritt. Als neuer Staatschef wurde Marschall Pétain bestimmt. Bereits einen Tag darauf bat der seit Verdun als Nationalheld gefeierte Offizier um einen Waffenstillstand mit dem Dritten Reich.

Verhandlungsverlauf

Der deutsche Diktator Adolf Hitler sah in diesem Ersuchen die willkommene Gelegenheit, sich für die Niederlage von 1918 zu rächen. Als Ort wählte er wieder denselben Platz nahe Compiègne. Die Verhandlungen liefen auch in dem 22 Jahre zuvor verwendeten Waggon ab. Als Verhandlung im eigentlichen Sinne konnte der eintägige Vorgang nicht bezeichnet werden. Die französische Seite hatte angesichts der militärischen Überlegenheit des Gegners sämtliche Bedingungen zu akzeptieren. Diese kamen gleichwohl einer Kapitulation gleich, denn sie beendeten die Existenz eines souveränen französischen Staates zu Gunsten des Kollaborationsregimes von Vichy.

Vertragsbedingungen

 
Hitler (Hand in die Seite gestützt) betrachtet die Statue des französischen Marschalls Foch, bevor der Waffenstillstand unterzeichnet wird.

Die deutschen Forderungen des Jahres 1940 ergaben sich teilweise aus der Notwendigkeit für die deutsche Armee, die Gebiete gegenüber von Großbritannien für eine weitere Kriegsführung nutzbar zu machen, und übertrafen in einigen Punkten die Sanktionen der Entente des Ersten Weltkriegs gegenüber Deutschland. Nordfrankreich und die Küstengebiete zum Atlantik (insgesamt 60 % des Landes) fielen direkt unter deutsche Besatzung. Der verbliebene französische Rumpfstaat verlor seine außenpolitische Souveränität und seine Neutralität im weiteren Kriegsverlauf wurde erzwungen. Im gleichen Zug wurde die französische Armee auf eine Stärke von 100.000 Mann festgesetzt. Des Weiteren wurde eine Freilassung der französischen Kriegsgefangenen entgegen jedem Rechtsempfinden nicht in Aussicht gestellt. Ihr Status sollte in einem folgenden Friedensvertrag geklärt werden, den Hitler aber den besiegten Franzosen nie zuerkannte. Ebenso regelte das Vertragswerk den Zugriff der deutschen Behörden auf sämtliche in Frankreich lebenden Mitglieder der jüdischen Minderheit. Um die wirtschaftliche Belastung noch zu steigern, verfolgte auch die Wehrmacht in Frankreich die Strategie weiter, ihre Besatzungstruppen aus dem besiegten Land zu ernähren. Somit wurde der amputierte französische Staat auch noch dazu verpflichtet, die Kosten der feindlichen Besatzung zu übernehmen. Als einziges Zugeständnis ließ der deutsche Diktator die Zustände in den französischen Kolonien unangetastet, da sie militärisch keine Rolle spielten.

Folgen des Waffenstillstands

Von den Plänen der Regierung Pétain alarmiert, setzte sich der Staatssekretär des Kriegsstaates General Charles de Gaulle nach London ab, um schon vor dem Vertragsschluss einen Aufruf an das französische Volk zu senden. Wenige Tage nach dem Abschluss des Waffenstillstands fasste der spätere Staatschef die in England verbliebenen 110.000 französischen Soldaten zur Armee des „Freien Frankreich“ zusammen und proklamierte die Fortsetzung des Krieges. Allerdings lässt sich sagen, dass der Vertrag die Bildung einer Widerstandsbewegung auf französischem Boden hinauszögerte, da das autoritäre Kollaborationsregime diese durch Repressionen unterdrückte. Als direkte militärische Folge des Waffenstillstands bombardierte die englische Luftwaffe wenige Tage nach den Ereignissen die französische Flotte bei Mers-el-Kébir, um sie nicht in deutsche Hände fallen zu lassen.

Unterzeichner

Dokumente

Siehe auch