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Byronic Hero

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Der Byronic Hero (deutsche Übersetzung oft: Byron'scher Held) ist ein literarischer Archetyp, der auf den Protagonisten der Werke des britischen Dichters Lord Byron (1788-1824) basiert.

Charakeristik

Der Byronic Hero ist eine Form des Anti-Helden, unterscheidet sich jedoch vom typischen Anti-Held durch seine Intelligenz und sein zielgerichtetes Tun. Im Gegensatz zum klassischen Helden vertritt der Byronic Hero keine überlegene Moral und kämpft nicht für edle Ziele zum Wohle der Allgemeinheit, sondern stellt die eigene Persönlichkeit über die Welt an sich. Diese angenommene Überlegenheitshaltung ist mit Zynismus und einer antipathischen Arroganz verknüpft, die den Byronic Hero zum gesellschaftlichen Außenseiter macht. Eine Position, die ihn jedoch mit Stolz statt Frustration erfüllt, da das Einzelgängerdasein seine persönliche Einmaligkeit umso mehr herausstreicht.

Sich selbst sieht er als gesellschaftlicher Rebell, der Regeln, Sitten und gesellschaftliche Stellungen verachtet. Doch es ist eine rein persönliche Rebellion, deren Ziel allein die Durchsetzung eigenen Verlangens und nicht eine wirkliche gesellschaftliche Veränderung ist. Stattdessen ist er sogar Nutznießer dieser Gesellschaft, da er selbst einem höheren Stand angehört und über entsprechenden Wohlstand verfügt, der ihm Unabhängigkeit und einen luxuriösen Lebensstil ermöglicht.

Oft umgibt den Byronic Hero ein düsteres Geheimnis: als Grund für seine mürrische Gemütslage wird eine problematische und bedrückende, vielleicht sogar verbrecherische Vergangenheit gesehen. Zugleich beherrschen ihn große Leidenschaften, diese können künstlerischer oder erotischer Natur sein und äußern sich in unbeherrschbaren Gefühlsausbrüchen, die oft zerstörerisch auf andere wirken.

Zugleich ist der Byronic Hero sexuell frustriert, da ihm die Erfüllung seiner größten Leidenschaft nicht möglich ist oder verweigert wird. Diese Frustration führt letztlich zu einer selbstzerstörerischen Tendenz, der Held zerbricht an seinen unerfüllten Sehnsüchten. Auch seinen Mitmenschen gegenüber verhält er sich rücksichtslos, sogar gegenüber Menschen, die er zu lieben meint.

Der Byronic Hero ist eine Figur, die sowohl abstoßend als auch faszinierend wirkt. Sein Charisma ensteht aus den dunklen Seiten seiner Persönlichkeit, in denen der Leser oder Zuschauer eine Identifikationsfläche für die verdrängten oder unterdrückten negativen Anteile des eigenen „Ichs“ finden kann.

Der Byronic Hero in der Literatur

Erstes Auftreten

Als Vorläufer zum Byronic Hero gilt die Figur Satans in Miltons Paradise Lost. In Byrons Werken tritt der Byronic Hero in Childe Harold's Pilgrimage, in den Gedichten: "The Giaour", "The Corsair" und "Lara" und in Manfred auf. Der Protagonist in Glenarvon von Caroline Lamb und Lord Ruthven in The Vampyre von Polidori sind frühe Nachahmungen des typischen Byron'schen Helden.

Spätere Adaptionen

Abwandlungen des Archetyps finden sich vor allem der angelsächsischen Literatur seit dem frühen 19. Jahrhundert. Jane Austen schuf mit Willoughby in Sense and Sensibility einen am Ende des Romans geläuterten Byronic Hero, der wieder in die Gesellschaft findet. Rochester in Jane Eyre von Charlotte Brontë wird erst entkräftet und für seine Unmoral bestraft, bevor er schließlich doch sein Lebensglück finden darf.

Eng mit dem Vorbild verbunden bleibt dagegen Emily Brontë in Wuthering Heights: der Protagonist Heathcliff erfüllt nahezu die vollständige Charakteristik und bleibt bis zum Ende in seiner Persönlichkeit gefangen.

Eine weitere Variante ist Margaret Mitchells Charakter Rhett Butler in Vom Winde verweht, hier versucht der Byronic Hero selbst, Einlass in die Gesellschaft zu finden und gibt am Ende in eigenem Entschluss die unbefriedigende Leidenschaft zu seiner Frau Scarlett auf.

Stephen Dedalus in James Joyces Portrait of the Artist as a Young Man ist ein berühmtes Beispiel aus dem frühen 20. Jahrhundert.

In der russischen Literatur ist Alexander Puschkins Eugen Onegin ein hervorstechendes Beispiel für den Byronic Hero.

Populärliteratur

In der modernen Unterhaltungsliteratur griff Anne Rice in ihrem Roman Interview with the Vampire in doppelter Weise auf die literarische Vorlage zurück: zum einen trägt der Protagonist Louis viele Charakerzüge des Byronic Hero, zum anderen gehört das vorgestellte Bild des Vampirs in die Nachfolge von Polidoris Lord Ruthven, der wiederum Byron selbst widerspiegelt.

Der Protagonist der US-amerikanischen Comic-Serie Batman basiert ebenfalls auf dem Byronic Hero, bedingt durch seine dunkle, unbewältigte Vergangenheit und die damit verbundene innere Zerrissenheit, sowie das zwiespältige Verhältnis zu seiner Stadt Gotham City, in der er ein Außenseiter bleibt.