Lichtverschmutzung

dauernde Abwesenheit völliger Dunkelheit in den davon betroffenen Gebieten der Erde
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Lichtverschmutzung ist die Aufhellung des Nachthimmels durch von Menschen erschaffene, installierte und betriebene Lichtquellen, deren Licht in den unteren Luftschichten der Atmosphäre gestreut wird. Der Begriff ist an sich irreführend, da er zunächst den falschen Eindruck vermittelt, dass es sich um verschmutztes Licht selbst handelt, ist jedoch auf den englischen Ausdruck "light pollution" zurückzuführen und hat sich im deutschen Sprachgebrauch etabliert.

Die Erde bei Nacht

Künstliche Lichtquellen „verschmutzen“ durch überflüssige und schädliche Emissionen die natürliche nächtliche Dunkelheit und können deshalb als eine spezielle Art der Umweltverschmutzung angesehen werden.

Ursachen der Lichtverschmutzung

 
Beleuchtung der Ruine Stein in Baden, Schweiz

Die größten Verursacher der Lichtverschmutzung sind Großstädte und Industrieanlagen, die die Nacht durch Straßenbeleuchtung, Leuchtreklamen und Flutlichtanlagen erhellen. Seit einigen Jahren verwenden Diskothekenbetreiber Projektionsscheinwerfer, so genannte Skybeamer, die tanzende Lichtkegel an den Nachthimmel projizieren. In Einzelfällen wurden allerdings bereits rechtliche Maßnahmen gegen diese Art der Werbung erfolgreich durchgesetzt.

Problematisch ist bei der Lichtverschmutzung ist hauptsächlich der große nach oben abgestrahlte oder reflektierte Anteil des Lichts. Dadurch ergeben sich die bekannten Lichtglocken über den Städten. Verantwortlich für dieses nach oben geleitete Licht sind vor allem unsinnig konstruierte Beleuchtungsanlagen und Straßenlaternen, die ihr Licht zu einem Großteil nicht dort einbringen wo es eigentlich benötigt wird (am Boden), sondern nutzlos zu den Seiten und nach Oben abstrahlen. (Oftmals wirkt dies sogar kontraproduktiv, da diese Lichtquellen z.B. im Straßenverkehr blenden können). Verstärkt wird der Effekt der künstlichen Aufhellung noch durch in der Luft verteilte Staubpartikel, sog. Aerosole (oder Feinstaub), welche das nach oben abgestrahlte Licht reflektieren, brechen und streuen.

Lichtverschmutzung ist eine Begleiterscheinung der Industrialisierung und tritt demnach vor allem in dicht besiedelten Regionen der Industrienationen auf. In Europa ist beispielsweise mehr als die Hälfte der Bevölkerung davon betroffen. Der jährliche Zuwachs der Lichtverschmutzung beträgt in Deutschland ca. 6 %, in anderen Ländern wie z. B. Japan bis zu 12%.

Folgen der Lichtverschmutzung

Lichtverschmutzung beeinflusst bestehende Ökosysteme. So wie verschmutzte Meere, Böden, Lufträume für viele Spezies nicht mehr bewohnbar sind, so hat auch die Zerstörung der Nacht vielfältige Folgen.

Wirkung auf lebende Organismen

Pflanzen werden durch eine künstlich aufgehellte Umgebung in ihrem Wachstumszyklus beeinflusst: Was bei Zuchtpflanzen in Gärtnereien durchaus erwünscht ist, kann für empfindliche Naturpflanzen zum Problem werden. Die üblichen Lichtquellen mit hohem Blau- und Weiß-Anteil im Spektrum stellen ein erhebliches Problem für die Navigation oder Orientierung nachtaktiver Insekten und teilweise auch für Zugvögel dar. Untersuchungen aus dem Jahr 2000 zeigen, dass in Deutschland in einer einzigen Sommernacht durchschnittlich 150 Insekten an einer Straßenlaterne zu Grunde gehen. Rechnet man dies auf die ca. 6,8 Millionen Straßenlaternen auf deutschen Straßen hoch, sind das jede Nacht über eine Milliarde Insekten (wohlgemerkt allein bei Betrachtung der Straßenbeleuchtung; Hinzu kommen noch unzählige andere Lichtquellen)!

Die Auswirkungen auf die Chronobiologie des menschlichen Organismus (wie auch auf andere Tiere) sind noch nicht abschließend erforscht. Störungen im Hormonhaushalt des Menschen (Tag-Nacht-Zyklus, Menstruationszyklus der Frau) sind jedoch bereits nachgewiesen bzw. Gegenstand aktueller Forschung. Weitere physiologische Störungen sind nicht auszuschließen. Postuliert wird auch ein Beitrag der verlängerten Helligkeit zur Akzeleration, dem früheren Einsetzen der Pubertät beispielsweise bei Mädchen. Auf der anderen Seite sind die Menschen in den polaren Breiten natürlicherweise einer wesentlich höheren Nachtbeleuchtung während der Mitternachtssonne ausgesetzt, ohne dass es zu schädlichen Auswirkungen kommt.

Soziale und kulturelle Folgen

Als die Menschen noch ohne Auto, Flugzeug oder Eisenbahn reisten und das elektrische Licht noch nicht erfunden war, gab es einen ausgeprägten Tag-/Nachtrhythmus: Die Menschen waren tags aktiv und ruhten nachts. Vor der Erfindung der Glühbirne schliefen die meisten Menschen nachts in Intervallen von vier bis fünf Stunden, unterbrochen von einer Pause. Durch permanente Verfügbarkeit von Licht wird der Tag-/Nachtrythmus oftmals verschoben und anstelle von Schlafintervallen trat der heutzutage achtstündige, zusammenhängende Nachtschlaf.

Auch die Wahrnehmung von Naturphänomenen, die nur bei weitgehender oder sogar absoluter Dunkelheit zu sehen sind, ist insbesondere in Großstädten und Ballungsräumen durch die künstliche Erhellung der Nacht stark eingeschränkt. Hierzu zählen zum Beispiel die Milchstraße und andere Deep-Sky-Objekte sowie bestimmte Tiere wie die Nachteule oder Glühwürmchen.

Einschränkung der astronomischen Beobachtung und Forschung

Die Abwesenheit eines wirklich dunklen Nachthimmels beeinträchtigt im besonderen Maße die astronomische Beobachtung und Forschung. Über einer hell erleuchteten Stadt sind mit bloßem Auge in der Regel nur noch wenige sehr helle Sterne zu sehen. Ausgedehnte lichtschwächere Objekte wie die Milchstraße, die Große und die Kleine Magellansche Wolke, die Andromedagalaxie oder den berühmten Großen Orionnebel kennen viele Menschen nur noch aus der Erzählung.

Bei einer Studie in der Schweiz wurde bekannt gegeben, dass man Sterne nur noch bis zu Grenzgröße von 4 mag sieht, anstatt bis 6 mag.

Die Zahl der mit bloßem Auge sichtbaren Sterne liegt meistens bei nur noch zwei- bis fünfhundert, während sie früher generell - heute nur noch in sehr dunklen Gegenden - bei bis zu dreitausend lag. Sternwarten, die noch im letzten Jahrhundert in manchen Großstädten in Betrieb waren, mussten mittlerweile den wissenschaftlichen Betrieb einstellen oder an abgelegene Orte verlagert werden.

Energieverschwendung

Aktuell gibt es noch keine Untersuchungen darüber, wie viel Energie durch falsch konstruierte, plazierte und überflüssige Lichtquellen verschwendet wird. Einsparungen von bis zu 20% erscheinen jedoch realistisch bei der Betrachtung folgender Tatsachen:

  • Die ganze Nachtzeit hindurch werden unzählige Straßen, Wege, Parkanlagen und vor allem Gebäudefassaden (Sehenswürdigkeiten) oder auch Industriekomplexe in voller Intensität beleuchtet und in Szene gesetzt, obwohl es vor allem in der Zeit zwischen 00:00 und 05:00 Morgens so gut wie kein oder nur geringes Verkehrsaufkommen gibt und eine volle Beleuchtung somit für niemanden einen echten Nutzen erbringt.
  • Fast 50% des abgegebenen Lichts von Straßenlaternen wird nach oben und zu den Seiten abgestrahlt, wo es nicht nur nutzlos wird, sondern im Straßenverkehr z.T. sogar noch gefährliche Blendsituationen bewirken kann.
  • Viele Lichtanlagen sind für ihren eigentlichen Zweck um ein Vielfaches zu überdimensioniert.

Abhilfemöglichkeiten & Problembewusstsein

 
Verschiedene Lichtradien bei Straßenbeleuchtung: Die Variante rechts beschreibt zielgerichtete Beleuchtung, ohne zugleich nennenswerte Einschränkungen hinnehmen zu müssen.

Lichtverschmutzung wäre sehr leicht vermeidbar durch:

  • Begrenzte Beleuchtungszeiten (nur zu Nachtzeiten mit hohem bis mittlerem Verkehrsaufkommen)
  • Reduzierung unnötiger Beleuchtung (z.B. Abschalten jeder 2. Straßenlaterne und Flutlichtanlagen zu Nachtzeiten mit niedriger Frequentiertheit)
  • Einsatz von effektiveren und energiesparenderen Lampen
  • Gezieltere Beleuchtung (von oben anstatt von unten)
  • Abschirmung von Lichtquellen, um eine Abstrahlung nach oben und zu den Seiten zu verhindern

Insgesamt betrachtet ist die Problematik der Lichtverschmutzung noch nicht in den Köpfen unserer Gesellschaft und vor allem der Politk angelangt. Sehr viele Initiativen verlaufen im Sande aufgrund mangelnden Problembewusstseins. Oft wird sogar argumentiert, eine reduzierte Beleuchtung reduziere die Sicherheit auf den Straßen. (Betrachtet man aber Unfallstatistiken von Ländern, die ihr gesamtes Straßennetz einschließlich Autobahnen beleuchten (z.B. Benelux-Staaten), so zeigt sich, dass dort die Anzahl der Verkehrsunfälle nicht merklich geringer ist als hierzulande). Ökologische und soziokulturelle Auswirkungen der Lichtverschmutzung oder auch die Aussicht auf einen sternenübersäten Himmel scheinen nur den wenigsten Menschen ein Anreiz zum Umdenken zu sein. Allenfalls die gewaltige Energievergeudung kann hier einen Ansatz, vor allem auf politischer Ebene, darstellen.

Staatliche und regionale Interventionen

In einigen europäischen Ländern werden derzeit Gesetze eingeführt, um die Lichtverschmutzung in den Griff zu bekommen. Tschechien war vor fünf Jahren der Vorreiter, setzte seine strengen Vorlagen bisher aber nicht um. Italien und Spanien sollen demnächst folgen. Auch in Teilen der USA laufen Initiativen zur Vermeidung übermäßiger Lichtemission. Chile hat ebenfalls Gesetze erlassen, um die Lichtverschmutzung in den nördlichen Zonen zu begrenzen, und so das Land als Standort für die Observatorien zu erhalten.

Vor allem aber auf einigen regionalen Ebenen laufen derzeit Anstrengungen zur Eindämmung der Lichtverschmutzung: Auf der spanischen Insel La Palma (von der UNESCO zum Biosphärenreservat ernannt) wurden viele Straßenlaternen umgestellt und die Beleuchtungszeiten gesetzlich geregelt. Auch in der deutschen Stadt Augsburg wurde die Straßenbeleuchtung der Innenstadt teilweise verändert, indem Dimmer eingesetzt und auf Natriumdampflampen umgerüstet wurde.

Ausblick

Obwohl es für das Problem der Lichtverschmutzung bereits zahlreiche Möglichkeiten zur Lösung bzw. Abschwächung gibt, werden diese nur in Einzelfällen durchgesetzt, da es zum einen an Problembewusstsein in Bevölkerung und Politik mangelt und man teilweise sogar Unverständnis und Gleichgültigkeit vorherrscht. In Deutschland schiebt die Bundesregierung die Verantwortlichkeit dieser Problematik auf die Ebene der Länder und Kommunen. Dort muss intensiv nach individuellen Lösungsmöglichkeiten gesucht werden.

 
Lichtverschmutzung in Megastädten (Mexiko-Stadt)

Einteilung

Im Gegensatz zu Seeing-Skalen erfolgt die Bestimmung des Grades der Lichtverschmutzung vorwiegend ohne optische Hilfsmittel. Neben einigen einfachen Methoden zur Einordnung, wie das Auszählen von Sternen einer bestimmten Himmelsregion, gibt es auch anerkannte Skalen.
Am meisten verbreitet ist die im Februar 2001 veröffentlichte Bortle-Skala nach John E. Bortle. Die Einteilung erfolgt in neun Klassen:

  • Klasse 1: Ort mit außergewöhnlich dunklem Himmel
  • Klasse 2: Ort mit wirklich dunklem Himmel
  • Klasse 3: Landhimmel
  • Klasse 4: Ländlicher / vorstädtischer Übergang
  • Klasse 5: Vorstadthimmel
  • Klasse 6: Heller Vorstadthimmel
  • Klasse 7: Vorstädtischer / städtischer Übergang
  • Klasse 8: Stadthimmel
  • Klasse 9: Innenstädtischer Himmel

Die Klassen 1 und 2 treten in Mitteleuropa nicht auf.


Siehe auch

Commons: Lichtverschmutzung – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Reaktionen auf die Lichtverschmutzung in

Deutschland

Österreich

Schweiz

Tschechien

USA

International

  • StarLight Initiative International Initiative in Defence of the Quality of the Night Sky as Mankind’s Scientific, Cultural and Environmental Right

Referenzen zum Thema "Lichtverschmutzung"

  • Wenn die Nacht zum Tag wird - Artikel zum Thema "Lichtverschmutzung" in "Astronomie Heute", Ausgabe Jul/Aug-2007, S. 32 ff.
  • Hans-Ulrich Keller: Himmelsjahr 2005. - Wer schützt den Nachthimmel?, S. 68 ff., ISBN 978-3440097922
  • Eisenbeis, G. & F. Hassel (2000): Zur Anziehung nachtaktiver Insekten durch Straßenlaternen - eine Studie kommunaler Beleuchtungseinrichtungen in der Agrarlandschaft Rheinhessens. - Natur und Landschaft, 75. Jg. 4: 145-156