Allen Welsh Dulles (* 23. April 1893 in Watertown, New York; † 29. Januar 1969 in Washington (D.C.)) war von 1953 bis 1961 einflussreicher Direktor des CIA und ein Mitglied der Warren-Kommission. Dulles war außerdem der jüngere Bruder von John Foster Dulles, dem damaligen Außenminister der USA.

Diplomat
Der aus einer Diplomatenfamilie stammende Dulles wurde nach seinem Studium bereits 1916 für die USA zunächst in der Wiener Botschaft tätig, später in Bern. Berühmt ist die Anekdote, als Dulles ein angebotenes Treffen mit dem damals unbekannten Lenin zugunsten eines Tennismatches mit einer jungen Dame ausschlug. Nach dem ersten Weltkrieg wirkte er mit seinem Bruder John Foster Dulles als Berater seines Onkels, dem US-Außenminister Robert Lansing, bei den Verhandlungen zum Versailler Vertrag mit. Dort kursierten die in Diplomatenkreisen lancierten Protokolle der Weisen von Zion, die Dulles 1921 während seiner Zeit an der Botschaft in Konstantinopel gemeinsam mit dem Journalisten Philip Graves als Fälschung entlarvte. 1926 lehnte er einen Posten als Botschafter in Peking ab und schied aus dem diplomatischen Dienst aus.
Wall Street Anwalt
Allen Dulles folgte seinem Bruder John Foster Dulles als Anwalt in die auf das Auslandsgeschäft spezialisierte Wirtschaftskanzlei Sullivan & Cromwell, welche die Interessen ihrer Mandanten nicht nur rechtlich betreute, sondern vor allem mit Lobby-Arbeit und gelegentlichen Public Relation-Inszenierungen. Um etwa Anleihen für den deutschen Wiederaufbau, sog. Heidelberg-Bonds, zu promoten, erzeugte man eine deutschfreundliche Stimmung durch Platzierung deutscher Operetten in den USA. Die Kanzlei vertrat US-amerikanische ebenso wie deutsche und sonstige europäische Unternehmen. Hierzu zählten die Chase Bank, Ford, ITT, SKF, I.G. Farben, Belgische Nationalbank, die Erbauer des Panamakanals sowie die United Fruit Company, welche die mittelamerikanische Landwirtschaft kontrollierte. Die Kanzlei fungierte auch als verdeckter Platzhalter für Gesellschaftsanteile und betrieb politischen Lobbyismus. Der zum Direktor von Sullivan & Cromwell aufgestiegene John Foster Dulles fungierte als der amerikanische Generalrepräsentant der damals größten Chemiefirma der Welt I.G. Farben.
Allen Dulles, der zwischen den Welkriegen Geschäfte mit deutschen Bankiers wie Hjalmar Schacht betreut hatte, vertrat 1936 auch Prescott Bush bei dessen Geschäften mit dem Deutschen Reich. Während Dulles bei einem Besuch 1933 von Hitler persönlich nicht begeistert war, verwandte er sich für deutsche Interessen. Die Gebrüder Dulles sprachen sich öffentlich gegen einen Kriegseintritt der USA aus, bis dies nach dem Angriff auf Pearl Harbour politisch nicht mehr opportun war. Noch nach Kriegseintritt der USA belieferten US-Firmen wie die von Sullivan & Cromwell vertretene Standard Oil das deutsche Militär mit Treibstoffen.
OSS
Dulles war während des Zweiten Weltkrieges in der eingeschlossenen neutralen Schweiz Gesandter des nach Kriegseintritt der USA gegründeten US-Geheimdienstes Office of Strategic Services in Bern. Dulles Funktion war ein offenes Geheimnis, sodass er als Anlaufstelle für Zuträger und Widerstandskämpfer aus Nazi-Deutschland diente. Er arbeitete bei der Aufklärung über deutsche Pläne und Aktivitäten und stand in enger Verbindung zu dem Mitverschwörer des 20. Juli 1944 Hans Bernd Gisevius, der in Zürich als Agent der Abwehr tätig war. Dulles wichtigster Agent war der deutsche Diplomat und Widerstandskämpfer Fritz Kolbe, den zuvor die Botschaften der Briten und Amerikaner nicht ernst genommen hatten. Kolbe lieferte regelmäßig Geheimdokumente über aktive deutsche Spione und Pläne des Jagdflugzeugs Messerschmitt Me 262. Das Urteil über Dulles Arbeit fällt zwiespältig aus. So unterschätzte er die psychologische Wirkung des Flächenbombardements auf die deutsche Zivilbevölkerung. Viele wichtige Informationen aus dem Widerstand wurden verkannt. So wußte Dulles u.a. früh vom Holocaust. Wie viele US-Militärs war der stramme Antikommunist der Ansicht, der vorzugswürdigere Gegner seien die damals mit den USA verbündeten Sowjets, denen die Westmächte etwa durch die Abhörprogramme ULTRA und MAGIC gewonnenen taktischen Erkenntnisse vorenthielten.
Im Februar 1945 nahm Karl Wolff über Schweizer Mittelsmänner (Max Waibel u.a.) Kontakt mit Dulles auf. Die Verhandlungen führten zum vorzeitigen Waffenstillstand in Italien am 2. Mai 1945, also sechs Tage vor der deutschen Gesamtkapitulation am 8. Mai 1945. Mit dieser Operation Sunrise bereitete Dulles schon früh eine Nachkiegskooperation mit Naziverbrechern vor, mit denen er den Kommunismus eindämmen wollte.
Über die Verschwörer des 20. Juli 1944 schrieb Dulles ein auch auf deutsch erschienenes Buch, das jedoch weder in den USA noch in Deutschland ein Verkaufserfolg wurde. Während seiner Jahre in Bern hatte Dulles eine Affäre mit einer engen Freundin von C.G.Jung.
Denkfabriken
Nach Auflösung des im Krieg improvisierten Geheimdienstes OSS 1945 setzte sich Dulles für die Gründung eines institutionellen Auslandsgeheimdienstes ein, kam jedoch aufgrund der unerwarteten Wiederwahl Trumans, dessen republikanischen Gegenkandidaten Thomas Dewey er unterstützt hatte, zunächst nicht zum Zuge. Stattdessen arbeitete er wieder bei Sullivan und Cromwell und pflegte intensiv Kontakte durch von ihm regelmäßig veranstaltete Gesellschaften. Einer seiner wichtigsten Mandanten war Mohammad Reza Pahlavi, den er in den USA gesellschaftlich einführte.
Ende der 40er Jahre wurde Dulles Präsident des Council on Foreign Relations (CFR), der mächtigsten Beratungsgesellschaft für künftige US-amerikanische Außenpolitik, über die offiziell nur sehr wenig bekannt ist und über die seit Beginn nur äußerst selten in der Öffentlichkeit berichtet wird. 1948 war er Vorstand im American Committee for a United Europe. Auf ihn ging die scheinbar durch private Spenden, tatsächlich aber verdeckt von den USA finanzierte Initiative für Radio Free Europe zurück, das unterschwellig antikommunistische Propaganda verbreiten sollte sowie die verdeckte Finanzierung von antikommunistischen Medien, etwa der Zeitung Der Monat, die auch links eingestellte Intellektuelle gegen den stalinistischen Kommunismus vereinnahmen sollten. Sowjetische Medien griffen Dulles daraufhin öffentlich an.
CIA
Dulles kritisierte die schließlich nach Provisorien 1947 neu geformten Central Intelligence Agency (CIA) als zu bürokratisch und favorisierte damals statt klandestinen Aktivitäten öffentliche Propaganda durch private Institutionen, wobei er durchaus auch die Desinformation der US-Bevölkerung einbezog. Nach dem für die USA überraschenden Beginn des Koreakriegs, wo die CIA vor Ort keinen einzigen Agenten hatte, holte CIA-Chef Walter Bedell Smith den erfahrenen Geheimdienstmann 1950 als Berater und verschaffte ihm eine damals geheim gehaltene Stelle als Direktor für spezielle Operationen. Hierunter fiel die Infiltration der Ostblockstaaten durch abgesetzte Agenten, die militärische Bewegungen beobachten solten, der Aufbau eines Netzes an stay behind-Agenten (Gladio) sowie Spionageflüge über der Sowjetunion. Dulles veränderte die als Nachrichtendienst gegründete Agentur zu einem kostspieligen militärischem Instrument, von dem Smith annahm, diese Funktion würde langfristig von militärischen Organisationen übernommen werden. Tatsächlich aber wurden verdeckte militärische Operationen zur Hauptfunktion der CIA.
1953 setzte der neue US-Präsident Dwight D. Eisenhower Dulles, der ihn bereits im zweiten Weltkrieg in Europa beraten hatte, als Direktor der CIA ein, die statt von hohen Generälen nun erstmals von einem Zivilisten geführt wurde. Gleichzeitig fungierte Dulles Bruder John Foster Dulles als Außenminister, als dessen Instrument sich Dulles und die CIA betrachtete.
Im März 1953 startete der US-Senator Joseph McCarthy eine Reihe von Untersuchungen zur potentiellen kommunistischen Unterwanderung der USA, wobei er auch die CIA ins Visier nahm. Auf Druck von Dulles forderte Vize-Präsident Nixon McCarthy auf, wegen angeblicher Sicherheitsgefährdung Verhöre von CIA-Leuten zu unterlassen. Erstmals konnte Dulles die Immunität der CIA vor öffentlichen Untersuchungen sicherstellen, was ihm jedoch Kritik in der Presse einbrachte.
Dirty Tricks
politischer Mord
Dulles, der bereits auf Hitler Attentate geplant hatte, akzeptierte Mord an ausländischen Staatsoberhäuptern als opportunes geheimdienstliches Instrument. So hatte er auch Stalin bei einem Besuch in Paris liquidieren wollen, was Smith, der von Truman zu allem freie Hand bekommen hatte, nicht zuließ. Als neuer CIA-Direktor gab der zu ungewöhnlichen Methoden neigende Dulles 1953 den Befehl für das CIA-Programm MK ULTRA, bei dem man u.a. hoffte, durch Psychodrogen Menschen gefügig zu machen. Dulles befahl verdeckte Mordanschläge u.a. auf Fidel Castro, Patrice Lumumba und Trujillo.
verdeckte Manipulation ausländischer Innenpolitik
In Frankreich finanzierte Dulles die Spaltung der Gewerkschaft, womit er deren kommunistischen Flügel schwächte. In Italien protegierte Dulles Personen aus der Mafia, deren italoamerikanischer Zweig im zweiten Weltkrieg bei der Eroberung Italiens mit dem OSS kooperiert hatte.
verdeckte Staatsstreiche
Begleitet von allerhand Desinformationskampagnen wie mit falschen Hoheitszeichen lackierte Flugzeuge und imitierten Rundfunknachrichtensprechern inszenierte Dulles scheinbare Staatsstreiche, in denen er u.a. den gewählten Premierminister des Iran Mohammad Mossadegh 1953 und den Präsidenten Guatemalas Jacobo Arbenz 1954 stürzen ließ. Arbenz hatte zuvor die bislang von der United Fruit Company kontrollierte Landwirtschaft verstaatlicht, an der Dulles Aktien hielt und die er als Anwalt vertreten hatte. Diese Geheimoperationen machten einen wichtigen Bestandteil der neuen Politik Eisenhowers während des Kalten Krieges aus, die als New Look bekannt war. Der Strategie Teile und Herrsche folgend unterstützte die CIA rivalisierende Konfliktpartner heimlich auf beiden Seiten, weshalb sie bei den Revolutionen in Süd-und Mittelamerika stets automatisch auf der Gwinnerseite stand. Sogar der kubanischen Revolution hatte Dulles Waffen geliefert.
Inlandsoperationen
Entgegen den strengen Postgesetzen ließ Dulles die Auslandspost überwachen. Obwohl die CIA nur im Ausland hatte operieren dürfen, war sie auch im Inland aktiv und betrieb verdeckte Stützpunkte, die u.a. in Kinos des mit der CIA kooperativen Howard Hughes versteckt waren. In Florida und Louisiana organisierte die CIA Trainingslager für Exilkubaner, die unter anderem die Invasion in der Schweinebucht vorbereiteten. Dulles befürwortete die Operation Mockingbird, ein Programm, dass US-amerikanische Medienunternehmen beeinflussen sollte.
Konflikt mit Kennedy
Während der Regierungszeit John F. Kennedys wurde Dulles Ziel immer größerer Kritik. Die erfolglose Invasion in der Schweinebucht unterminierte die Glaubwürdigkeit der CIA, und die proamerikanischen Regimes im Iran und in Guatemala wurden als brutal und korrupt angesehen. Schließlich entließ Kennedy Dulles, nachdem dieser in den Operation-Northwoods-Dokumenten gefordert hatte, dass die USA ein unbesetztes, angebliches US-Passagierflugzeug abschiessen und die Kubaner dafür verantwortlich machen solle, um Unterstützung für den Krieg gegen Kuba zu gewinnen. Nach der Ermordung John F. Kennedys war Dulles ein umstrittenes Mitglied der Warren-Kommission bei der erfolglosen öffentlichen Aufklärung der Ermordung Kennedys. So forcierte Dulles von Anfang an die Alleintäterthese, was Ermittlungen in andere Richtung blockierte.
Der Begründer der Präsidenten-Dynastie der Familie Bush, Prescott Bush, pflegte mit den Brüdern Allen und John Foster Dulles täglich zu speisen.
1969 starb Dulles mit 75 Jahren an Grippe, die durch eine Lungenentzündung kompliziert wurde.
Weblinks
Personendaten | |
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NAME | Dulles, Allen Welsh |
KURZBESCHREIBUNG | Direktor der CIA von 1953 bis 1961 |
GEBURTSDATUM | 23. April 1893 |
GEBURTSORT | Watertown, New York |
STERBEDATUM | 29. Januar 1969 |
STERBEORT | Washington (D.C.) |