Konservative Revolution

national-konservative Bewegung aus der Zeit der Weimarer Republik (1918-1933)
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Als Konservative Revolution wird eine Bewegung in der Weimarer Republik verstanden, deren Protagonisten radikale Alternativen zum bürgerlich liberalen System formulierten. Gemeinsam war ihnen eine antidemokratische, antiegalitäre, antiliberale oder antikommunistische Ausrichtung. Der Begriff ist in der Wissenschaft umstritten und wird als unzutreffende Sammelbezeichnung kritisiert.[1]

Einige Historiker rechnen verschiedene der Konservativen Revolution zugeordnete Protagonisten zu den geistigen Wegbereitern des Nationalsozialismus in der Weimarer Republik.[2] Zu erwähnen ist, dass zumindest ein Vertreter der konservativen Revolution, nämlich Claus Schenk Graf von Stauffenberg,[3] zum Ende des Krieges aktiven Widerstand gegen den Nationalsozialismus geleistet hat.

Vertreter der heutigen Neuen Rechten verschiedener Länder beziehen sich teilweise auf Gedanken und Modelle der Konservativen Revolution.

Daneben werden diverse neokonservative Bestrebungen ab den 1980er Jahren in der Publizistik meist stark vereinfachend als Konservative Revolution bezeichnet.

Begriff

Der Ausdruck konservative Revolution wurde erstmals 1848 von Friedrich Engels verwendet.[4] Charles Maurras nahm den Begriff in seinem Werk Enquête sur la monarchie (1900) auf.[5] Thomas Mann verwendete ihn in seiner Russischen Anthologie (1921)[5] mit ausdrücklichem Bezug auf Nietzsche.[6]

Es war Hugo von Hofmannsthal, der den Begriff in seiner Rede Das Schrifttum als geistiger Raum der Nation (1927) berühmt hat werden lassen. Er verstand unter konservativer Revolution einen geistigen Prozess als Gegenbewegung zu den Umwälzungen von Renaissance und Reformation. Dieser Vorgang war für Hofmannsthal kein politischer; er bezog sich auf die „produktiven Geisteskräfte“ der Nation im Bereich der Literatur. Während eine Nation wie Frankreich durch ein unzerreißbares Gewebe des Sprachlich-Geistigen zusammengehalten werde, seien die produktiven Geisteskräfte Deutschlands zerrissen. Der Begriff der geistigen Tradition sei kaum anerkannt. Thomas Mann äußerte sich bei einem Tischgespräch mit Hofmannsthal einige Tage später sorgenvoll über den „mit Recht und Unheimlichkeit berühmten Vortrag“: Und doch, in was für Mäuler ist das Wort von der Konservativen Revolution dann übergegangen! Es sind mir auch nicht ganz die Rechten, so fein sie sind, die auch heute diese Rede besonders hochhalten.[7].

Zu Anfang der 1930er Jahre findet der Terminus in den politischen Schriften von Wilhelm Stapel und Edgar Julius Jung Verwendung. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Begriff von Armin Mohler, einem späteren Vordenker der Neuen Rechten, aufgegriffen und unter dem Schlagwort Konservative Revolution in eine breitere historiographische und politische Debatte eingeführt. Armin Mohler fasste Nationalrevolutionäre, Jungkonservative, Völkische, Bündische und Landvolkbewegung als die fünf Hauptgruppen einer Konservativen Revolution, die es allerdings unter dieser Sammelbezeichnung in dem Untersuchungszeitraum des Autors, nämlich in den zwanziger und dreißiger Jahren, gar nicht gab.

Die Verwendung des Begriffs war von Beginn an umstritten. Die sowohl von links als auch von rechts kommenden Autoren, die von Mohler der Konservativen Revolution zugeordnet wurden, weisen lediglich in ihrer Ablehnung der Weimarer Republik und der Ablehnung von liberalen Gesellschaftsvorstellungen eine Übereinstimmungen auf.

Die heutige Politikwissenschaft beschränkt sich mit Sozialismus, Liberalismus und Konservatismus auf die drei Hauptströmungen der politischen Theorie und lässt die bloße Ablehnung der liberalbürgerlichen Weimarer Republik als Kriterium für eine eigene Kategorie nicht gelten. Des Weiteren wird die Auffassung vertreten, das Oxymoron Konservative Revolution bringe das widersprüchliche Selbstbild einiger ihrer Protagonisten auf den Punkt.

Definition

Der Begriff Konservatismus bzw. konservativ bezeichnete zunächst im Sinne des Strukturkonservatismus eine Haltung, die die gewachsene Gesellschaftsordnung bewahren will und sich positiv auf deren konstituierende Wertvorstellungen bezieht. Die konservative Revolution ist nicht mehr in diesem klassischen Sinne konservativ. Sie will nicht Tradiertes bewahren, sondern neue lebendige Werte setzen. Arthur Moeller van den Bruck, Vertreter der Konservativen Revolution schreibt: Der konservative Mensch [...] sucht heute wieder die Stelle, die Anfang ist. Er ist jetzt notwendiger Erhalter und Empörer zugleich. Er wirft die Frage auf: was ist erhaltenswert?[8] Dies zu Erhaltende gilt es nach Auffassung des revolutionären Konservatismus erst noch zu schaffen. In diesem Sinne brachte Moeller van den Bruck eine neue Definition, die noch heute von Konservativen und Neuen Rechten aufgegriffen wird: Konservativ ist, Dinge zu schaffen, die zu erhalten sich lohnt.[9] Tatsächlich traten viele Autoren der Konservativen Revolution nicht für eine konservative Restaurierung, sondern für eine radikale Erneuerung der Gesellschaft ein. Als politisch-ideologische Bewegung richtete sich die Konservative Revolution gegen negative Auswirkungen der Aufklärungsepoche, den Liberalismus sowie gegen den Sowjet-Kommunismus.

Entstehung

Während die Alten Konservativen nur das Gewachsene gelten lassen wollten und sich gegen den Geist des „Machens“ stellten, fügten sich die Konservativen Revolutionäre in den Geist der Zeit. Ihre Gedanken waren nicht antimodern, zielten aber auf eine andere, deutsche Moderne. Die Konservative Revolution grenzte sich von den alten als reaktionär begriffenen Konservativen ab, wandte sich zugleich aber auch gegen den Liberalismus. Verschiedene Vertreter, wie Spengler, Sombart, Niekisch und die Lensch-Cunow-Haenisch-Gruppe standen auch dem Sozialismus nahe, suchten aber einen nationalen Sozialismus zu verwirklichen. Der Sozialismusbegriff unterschied sich insofern von dem der Linken als die soziale Frage gegenüber dem Willen einen starken Staat zu bilden, stärker in den Hintergrund trat. Die Klassengegensätze sollten durch die homogene Volksgemeinschaft aufgehoben werden, die Stärkung der Arbeiterschaft diente als Mittel zur Stärkung der Nation. Dem egalitären Moment des Sozialismus standen viele der Konservativen Revolutionäre zugleich kritisch gegenüber und bezeichneten dies als Gleichmacherei und Nivellierung.

Die gesellschaftlichen Ordnungsentwürfe dieser Strömung blieben dabei teils sehr vage, gemeinsam war ihnen aber die radikalkritische Haltung gegenüber der Demokratie. Die Konservative Revolution trat dabei als eine vornehmlich literarisch-publizistische Bewegung in Erscheinung, die innerhalb eines sehr viel breiteren konservativen Spektrums zunehmende intellektuelle Anziehungskraft entfaltete.

Weltanschauung

Die Autoren der Konservativen Revolution bildeten keine feste Gruppe, eher ein verzweigtes publizistisches Geflecht. Sie formulierten keine einheitliche Doktrin, bemühten sich jedoch übergreifend, die „Phänomene der Moderne“ in eine theoretische Synthese mit der konservativen Weltanschauung zu bringen. Die Konservative Revolution kann auch als Reaktion auf eine als krisenhaft empfundene gesellschaftliche Modernisierung verstanden werden, als eine neokonservative intellektuelle Suchbewegung im Umbruch der sich durchsetzenden Moderne.

Im folgenden Abschnitt wird die Konservative Revolution anhand ihres Verhältnisses zu und ihrer Definition von wesentlichen Begriffe und Theorien der Geistesgeschichte und Gesellschaftslehre charakterisiert. Aufgrund der mangelnden Trennschärfe des Begriffs Konservative Revolution zu anderen konservativen, rechtsgerichteten, aber auch gänzlich anders orientierten Bestrebungen der Zeit, sowie aufgrund der Uneinheitlichkeit ihrer Untergruppierungen (nach Mohler) und des ausgeprägten Individualismus ihrer „wichtigsten Vertreter“, sollte dies aber stets als ein eher „andeutender Versuch der gedanklichen Annäherung“ als eine strikte Einordnung betrachtet werden.

Zum Verständnis vieler Widersprüche der Bewegung ist zu beachten, dass sie bestrebt war, antagonistische – aus ihrer Sicht nur scheinbare und angeblich Deutschland spaltende – Begriffe wie „rechts – links“, „konservativ – revolutionär“, „Sozialismus – Nationalismus“, „individualistisch – kollektivistisch“ u.a. zu überwindenden und in Gebilden wie einer unklar definierten „Mitte“ bzw. eines „dritten Weges“ (Drittes Reich) aufzulösen bzw. zu integrieren.[10]

Speziell das wissenschaftlich umstrittene weltanschaulich und persönlich-biographisch sehr widersprüchliche Verhältnis der Konservativen Revolution zum Nationalsozialismus lässt sich nur unter Berücksichtigung der gemeinsamen Wurzeln aber auch Unterschiede zwischen beiden, der inneren Widersprüche der Konservativen Revolution und des Nationalsozialismus, sowie der internen Machtkämpfe zu Beginn der nationalsozialistischen Bewegung und Machtergreifung adäquat beschreiben.[11]

Bekannte Vertreter

Als Vordenker dieser Bewegung gilt der Dichter Stefan George. Zu der Bewegung oder ihrem Umfeld zählt Mohler mit unterschiedlicher Gewichtung u.a. Oswald Spengler, Arthur Moeller van den Bruck, die Brüder Ernst und Friedrich Georg Jünger, Ernst von Salomon, August Winnig, Edgar Jung, Othmar Spann, Hans Freyer, Ernst Niekisch, Wilhelm Stapel, Hans Zehrer und den Tat-Kreis, Claus Graf Schenk von Stauffenberg, Carl Schmitt, Ludwig Klages, Thomas Mann, Martin Niemöller, Hugo von Hofmannsthal und die Lensch-Cunow-Haenisch-Gruppe.[12] Die Nachvollziehbarkeit der von Mohler konstatierten inhaltlichen Gemeinsamkeiten dieser Personen erscheint aber, mit Ausnahme der Ablehnung des Liberalismus, als eher problematisch.[13] Thomas Mann distanzierte sich ab 1922 zunehmend von seiner konservativ-monarchistischen Einstellung, die er noch in den Betrachtungen eines Unpolitischen gezeigt hatte, und trat für die Weimarer Republik und ihre Werte ein.

Der rechtskonservativ-katholische Staatsrechtler Carl Schmitt kann dieser Strömung nur sehr eingeschränkt zugerechnet werden. Obwohl Schmitt dezidierter Antiliberaler war, richtet er sich scharf gegen eine Politische Romantik, der wie Othmar Spann oder der Tat-Kreis viele der konservativen Revolutionäre anhingen. Auch wird Schmitts Geschichtsbild vielfach als linear (eschatologisch) bezeichnet, jenes der Konservativen Revolutionäre wie z.B. Spenglers dagegen als zirkulär. Die Zuordnung Schmitts zur Konservativen Revolution geht auf das o.g. Standardwerk seines Schülers Armin Mohler zurück. Neuere Untersuchungen, etwa von Stefan Breuer, stellen diese Zuordnung jedoch in Frage, wobei Breuer die Konservative Revolution ohnehin für eine unzutreffende Sammelbezeichnung hält.

Politische Irrationalität

Der neue Konservatismus heftet sich nicht an aus seiner Sicht „bloß Historisches“ sowie Formen und Typen politischer Gestaltung und lehnt eine rein zweckgerichtete, politische Vernunftordnung ab. Er ist in wesentlichen Teilen bewusst irrational und beruft sich stattdessen auf vorgeblich ewig gültige Werte und Ideale als Basis der Gesellschaft.[14] Er ist nach Gustav Steinbömer orientiert an der ewigen „ordre de coeur“ [Ordnung des Herzens], nicht an den wechselnden Idealen der Ratio.[15]. Einer ihrer Vertreter, Edgar Julius Jung, drückte dies 1932 in folgenden Worten aus:

Konservative Revolution nennen wir die Wiedereinsetzung aller jener elementaren Gesetze und Werte, ohne welche der Mensch den Zusammenhang mit der Natur und mit Gott verliert und keine wahre Ordnung aufbauen kann. An Stelle der Gleichheit tritt die innere Wertigkeit, an Stelle der sozialen Gesinnung der gerechte Einbau in die gestufte Gesellschaft, ...[16]

Einzelen Autoren erkennen in den Zielen, Idealen und Ideologien der Konservativen Revolution sogar eine starke Politikfremdheit.[17] Carl von Ossietzky bezeichnete Moellers Drittes Reich als ein politikfreies Lamento von monotoner Melancholie.[18]

Scheinbarer Begriffswiderspruch

Aus diesem Selbstverständnis wird auch der aus heutiger Sicht schwer verständliche und unüberbrückbar erscheinende Widerspruch zwischen den scheinbar einander ausschließenden Begriffen „konservativ“ als „bewahrend“ und „Revolution“ als „Veränderung“ leichter begreiflich. So meinte Alain de Benoist in einem Interview:

"Was den Ausdruck „Konservative Revolution“ betrifft, scheiden sich an ihm die Geister, vor allem weil er als ein Oxymoron erscheint, ein paradoxer oder widersprüchlicher Begriff." [19]

Er hat also nicht zwangsläufig, wie der herkömmliche Konservatismus, die Bewahrung eines aktuellen, für gut erachteten gesellschaftlich oder kulturellen Status quo, sondern die Bewahrung bzw. Wiederherstellung eines fiktiven, vorgeblich schon immer gegebenen „natürlichen Idealzustandes“ zum Ziel.[20] Da er sich an außerhalb der Historie festgemachten Werten und einer angeblich existenziellen Substanz, der genannten Ordre de couer, orientiert, kann er also situativ ebenso revolutionär schaffend und zerstörend, wie konservativ erhaltend, als auch reaktionär orientiert sein.[21] Dass er sich in der damaligen Zeit eher als revolutionär begrff, liegt alleine an den aus seiner Sicht „momentan zugeschütteten Ewigkeitswerten“. So schreibt Gustav Steinbömer im Jahr 1932:

Um die Verknüfung der Welt mit einer höheren Ordnung zu erhalten, muß der Konservatismus heute zerstören und kann gegenüber dem rechnerisch und nihilistischen Werteempfinden und dessen politisch-konstitutioneller Entsprechung in der Demoplutokratie nur revolutionär sein.[22]

Verhältnis zum Liberalismus

Die durchgehende Ablehnung des Liberalismus und der auf ihm beruhenden Institutionen war ein wesentliches, aber kein alleiniges Merkmal annähernd aller Vertreter der Konservativen Revolution, welches sie mit einem Großteil der damaligen Bevölkerung und Parteien – unabhängig von deren politischer Ausrichtung – verband.[23]

Der Liberalismus war der Prügelknabe der Weimarer Republik, von links wie von rechts. Er galt als Inbegriff und Wurzel aller negativen Entwicklungen und Erscheinungen. Aus seiner Ideenwelt stammt der Parlamentarismus, und mit ihm die Einrichtung von politischen Parteien.[24]

Als historischen Ausgangspunkt der aus ihrer Sicht „verhängnisvollen Entwicklung“ verortet die Konservative Revolution die Aufklärung und speziell die Französische Revolution. Der Liberalismus und seine Auswirkungen werden in den Schriften ihrer Vertreter durch Gleichsetzung mit Formulierungen wie „seelenloser Mechanismus“, „Atomismus“, „krankhafter Individualismus“, „Nihilismus“, „Wertelosigkeit“, oder „kultureller Verfall“ polemisch diskreditiert. So schreibt Moeller van den Bruck in Das Dritte Reich:

Der Liberalismus hat Kulturen untergraben. Er hat Religionen vernichtet. Er hat Vaterländer zerstört. Er war die Selbstauflösung der Menschheit.[25]

Als Gegenmodell einer letztendlich nur auf Summierung von Einzelineressen beruhenden Gesellschaft wurden in Weiterentwicklung des auf Ferdinand Tönnies (Gemeinschaft und Gesellschaft) beruhenden Modells diverse Gemeinschaftsmodelle propagiert.

Die Kritik beschäftigt sich dabei gleichermaßen mit konkreten und aktuellen Erscheinungsformen des Parlamentarismus, wie mit einer grundsätzlichen und nicht nur emphemeren Kritik an dessen Axiomen.

So bemerkt z.B. der in seinen Grundprinzipien antiliberale Carl Schmitt [26], dass es ihm im Prinzip darum gehe den letzten Kern der Institution des Parlamentarismus zu treffen.[27]. Auch manche damalige Schriften des sich selber allerdings als unpolitischen Sensor sehenden Ernst Jüngers sind von einem starken Antiliberalismus geprägt.[28]

Liberales Gedankengut und Demokratie wurde von Vertretern der Konservativen Revolution, wie dem TAT-Kreis mitunter in folgenden Worten abgelehnt:

... Man suche sich die Formen und Gestaltungen heraus, die der Liberalismus hervorgebracht hat und die seine ureigensten Produkte sind. Man kann heute an jede von ihm ein Kreuz machen. Sie ist dem Untergang geweiht.[29]

Dem Gedanken des Liberalismus entspringende Ideen wie Demokratie, Parlamentarismus, Repräsentation, Parteien, u.a. wurden als einfache Folgeerscheinungen des Liberalismus entweder abgelehnt, oder in „entkerrnender Weise“ umgedeutet. Demokratische Vordenker wie Rousseau wurden von Vertretern der Konservativen Revolution in vage Berufung auf die Volonte Generale beliebig uminterpretiert.

Wer Individualist ist, Mechanisierung und Gleichheit wirklich will, kann Demokrat sein, wer aber den Kulturstaat will, wer etwas Geistiges vom Staate verlangt, kann nicht mehr Demokrat sein.[30]

Ein treffendes Beispiel für eine vollkommene Umdeutung des heutigen Demokratiebegriffs von Vertretern der Konservativen Revolution ist dabei folgender Satz:

Der Ruf nach einer demokratischen Diktatur wird verständlich, weil sie geeignet erscheint, die Berührung zwischen Führer und Volk erneut herzustellen.[31]

Staatsgedanke und Gesellschaftsmodelle

Mit der Ablehnung des modernen, demokratischen Staatsgedankens der Weimarer Republik standen die Vertreter der Konservativen Revolution nicht allein da. Einflussreiche Denker wie Alfred Weber oder Carl Schmitt vormulierten ähnliche Kritik an Theorie und Praxis von Staat und Gesellschaft.

Man kritisierte ihn als schwachen (von den Siegermächten mit Absicht so entworfenen) Nachtwächterstaat ohne wirkliche äußere Souveränität. [32] Er sei der Austragung von Interessengegensätzen von Parteien, Verbänden, und Einzelnen ausgesetzt, und werde daran zugrunde gehen. Hierbei wird besonders das Vordringen wirtschaftlicher Mächte in die Politik kritisiert und abgelehnt. Diesem Interessenkampf solle er enthoben werden, um die Nation als eine über allen Parteiungen stehende machtvolle Instanz wieder in Zucht und Ordnung zu halten. [33] Der jungkonservativer Publizist Heinrich von Gleichen-Rußwurm formulierte dies folgendermaßen:

"Im Weimarer Staat machten sich die Machtansprüche der Parteien geltend. Hier mußte ein Ende gemacht werden. Man hatte endlich begriffen, daß ein Staat Staat seim muß, d.h. um der staatlichen Hoheit willen." [34]

Speziell der individualistische Ausgangspunkt des auf Thomas Hobbes, John Locke, und Jean-Jacques Rousseau zurückgehenden staatstheoretischen Vertragsdenken wurde als typisch angelsächsisch abgelehnt. Es würde dem deutschen Wesen diamtetral entgegenstehen, und die Bildung einer wahren Volksgemeinschaft verhindern. Oswald Spengler drückte dies 1919 in folgenden Worten aus:

"Im Politischen gibt es keine Wahl; jede Kultur und jedes einzelne Volk einer Kultur führt seine Geschäfte und erfüllt sein Schicksalin Formen, die mit ihm geboren und die dem Wesen nach unabänderlich sind. [...] Wir brauchen die Befreiung von den Formen der englisch-französischen Demokratie. Wir haben eine eigene." [35]

Stattdessen wird ein starker, autoritärer, und keiner innerweltlichen oder transzendenten Legitimation von außen mehr bedürfender Staat angestrebt. Dieser wird damit in Nachfolge des hegelschen Staatsgedankens [36] fast zu einem höchstens noch einem vagen "Volkswillen oder Wohl" verpflichteten Selbstzweck bzw. einem "Staat um seiner selbst willen." Julius Binder beschreibt diesen 1933 als eine "ursprüngliche, selbstherrliche, nicht von den Bürgern abgeleitete Herrschaft, eine autoritäre Gewalt." [37], und Friedrich Gogarten meint 1932: "Die Hoheit des Staates bedarf keiner weiteren Sanktionierung, auch nicht durch die Kirche." [38]

Von vielen Vertretern der Konservativen Revolution wurden ständische, korporativ Modelle als Organisationsformen der Gesellschaft angestrebt. Dies sind organische Staatsauffassungen, welche aus der Betonung der Ungleichheit der Menschen die Notwendigkeit einer - vorgeblich in der Natur begründeten - hierarschischen Ordnung in an die Ständeordnung des Mittelalters angelehnten Stufen ableiten. [39] Wegweisend war hierfür Othmar Spanns Schrift Der wahre Staat aus dem Jahr 1921, in dem er ausführt,

"daß jeder niedere Stand geistig vom jeweils höheren nach dem geistigen Lebensgesetz aller Gemeinschaft und Gemeinschaftsverbindung Unterordnung des Niedern unter das Höhere geführt wird." [40]

Ständestaatlichen Ideen ist somit eine Elitevorstellung zu eigen, welche auch das Führerprinzip durchaus plausibel erscheinen lässt.

Ebenso widersprüchlich und unklar wie der Begriff Konservative Revolution ist der Sozialismusbegriff des Jungnationalismus und der Vertreter der Konservativen Revolution. Ein dem marxistischen Impuls verwandter antikapiltalistischer und antibürgerlicher Grundzug ist aber durchaus festzustellen.[41] So schreibt Kurt Sontheimer:

Freilich war auch hier der Übergang von einem marxistisch-sozialistischen Enwurf eines neuen Wirtschafts- und Gesellschaftssystems der Nation zum Gedanken der als deutscher Sozialismus ausgegebenen Volksgemeinschaft, die im selbstlosen Dienst für den Staat wirkt, durchaus fließend. Darum erhielt der für die antikapitalistische, antibürgerliche und pronationale Haltung zutreffende Doppelbegriff des nationalen Sozialismus nie eine eindeutig Kontur.[42]

Der dem Sozialismus unentbehrliche Fortschrittsgedanke und Glaube an die Möglichkeit eines nach Rousseau zum Besseren und Guten befähigten und durch pädagogische Bemühungen dazu umzuwandelnden Menschen ist den meisten Vertreten der Konservativen Revolution allerdings eher fremd.[43]

Der Sozialismus der Konservativen Revolution lehnt ebenfalls das für den traditionellen Sozialismus fundamentale Postulat eines anzustrebenden Egalitarismus zugunsten einer gestuften, natürlichen Rangordnung, welche sich z.B. in korporativen oder ständischen Strukturen verwirklichen lasse, ab. So sieht Othmar Spann in Der wahre Staat die Forderung nach Gleichheit als degenerationsfördernd:

Sofern dabei durchgängig die große Menge die Höheren herabzieht und beherrscht, in der großen Menge jedoch abermals der Abschaum zur Herrschaft drängt, drängt Gleichheit zuletzt gar auf Herrschaft des Lumpenproletariats hin.[44]

Ein wesentlicher Unterschied zum Marxismus und Sozialismus war die durchgehende Ablehnung des Internationalismus und Fremden.[45] Dies zeigt sich schon an den verwandten bzw. neu geschaffenen Begriffen nationaler Sozialismus, deutscher Sozialismus und preußischer Sozialismus (bei Spengler).

Ein weiterer wichtiger Unterschied zum traditionellen Sozialismus besteht in der Außerachtlassung ökonomischer Gesichtspunkte. Genaue Begriffe, Forderungen und Analysen wie z.B. die Erlangung der Verfügungsgewalt über die Produktionsmittel, eine gerechtere Verteilung des Sozialprodukts, eine Theorie des Klassenkampfes, sucht man hier vergebens. Sozialismus wird meist als eine vage, volkshafte, durch die Autorität des Staates zusammengehaltene Ordnung, in welcher der Einzelne seine egoistischen Interessen zugunsten des Dienstes an der Gemeinschaft aufgibt, verstanden.[46]

Der Nationale Sozialsimus versteht sich dabei auch als Weiterentwichklung / verbesserte Fortentwicklung und Überwindung des Marxismus. So schreibt Moeller van den Bruck:

Wo Marxismus endet, dort beginnt Sozialismus: ein deutscher Sozialismus, der berufen ist, in der Geistesgeschichte der Menschheit allen Liberalismus abzulösen.[47]

Das Spektrum der sozialistischen Vorstellungen ist in sich dennoch vielfältig. Es reicht von einem traditionellen Sozialismus in nationalem Rahmen, wie im TAT-Kreis, bis zur völligen Umbiegung des Sozialismus-Begriffs in Richtung auf einen nationalen Einheitsstaat. [48] Dabei ist die Konservative Revolution – auch aufgrund mancher inhaltlicher Berührungspunkte – bemüht, sich von damals populären nationalbolschewistischen Vorstellungen und Modellen abzugrenzen.[49] Die Übernahme, Umdeutung und Besetzung von Begriffen der sozialistischen Arbeiterbewegung der 20er Jahre bildet einen weiteren Baustein der Konservativen Revolution.[50]

Verhältnis zum Nationalsozialismus

Die Bewegung wird als einer [51] der „intellektuellen Wegbereiter“ des Nationalsozialismus gesehen (Kurt Sontheimer). Eine heutzutage populäre historische Betrachtung und moralische Wertung der einzelnen Vertreter allein anhand ihrer Einstellung zur NSDAP oder der Person Hitlers hält Sontheimer für zu kurz gegriffen.[52]

Das unmittelbare Verhältnis zwischen der volkstümlich-populistischen NS-Bewegung und der elitären Konservativen Revolution blieb eher ambivalent bis angespannt bzw. feindselig, obgleich in der Publizistik der Bewegung oft Elemente späterer nationalsozialistischer Herrschaftsentfaltung vorweggenommen und propagiert wurden (z.B. das Dritte Reich) und ihr antidemokratischer Kampf gegen die Weimarer Republik dem Nationalsozialismus den Weg ebnete. Der Massencharakter des Nationalsozialismus, der von den konservativen „Revolutionären“ auch als „zu demokratischer Teil des Parteiensystems“ diffamiert wurde, war nur schwer vereinbar mit ihrer individualistischen, intellektuellen Bohème-Attitude. Wegen des Elitedünkels, das sie kultivierten, fühlten sie sich vom proletarischen Gestus der nationalsozialistischen Massenbewegung nicht angesprochen. Diese Ambivalenz zwischen Bewunderung und „intellektueller Distanz“ wird an folgendem Text von Edgar Julius Jung recht deutlich:

Die geistigen Vorraussetzungen für die deutsche Revolution wurden außerhalb des Nationalsozialismus geschaffen. Der Nationalsozialismus hat gewissermaßen das „Referat Volksbewegung“ in dieser großen Werksgemeinschaft übernommen. Er hat es grandios ausgebaut und ist zu einer sozialen Macht geworden. [...] Ich habe Achtung vor der Primitivität einer Volksbewegung, vor der Kämpferkraft siegreicher Gauleiter und Sturmführer. Aber ihre Arriviertheit gibt ihnen nicht das Recht, sich als das Salz der Erde zu betrachten und den geistigen Vorkämpfer geringzuachten ...[53]

Der Nationalsozialismus wurde von vielen Vertretern der Konservativen Revolution als eine prinzipiell zu begrüßende, ihre Vorstellungen vorbereitende und teilweise realisierende Entwicklung begrüßt, welche noch „zu verbessern“ und/oder „zu überwinden“ sei.[54] Er wird als ein nützliches, später aber entbehrliches und selber zu beseitigendes Werkzeug zur praktischen Umsetzung der Vorstellungen der Konservativen Revolution betrachtet. So schreibt Hans Bogner 1932:

Es kommt nicht auf das Programm an, nicht auf den Führer; bei einem Gefäß der Wahl und Werkzeug der Geschichte soll man nicht nach dem Eigenwert fragen. Aber man darf nicht hoffen, daß der konservative Glaube je in besserer Form solche Mengen erfaßt.[55] Die kleine Schar des konservativen Gedankens, die schon um die Ausgestaltung nach-demokratischer Herrschaftsformen ringt, kann erst dann tätig werden, wenn er [der Nationalsozialismus] ihr den Boden bereitet hat.[56]

Hannah Arendt schrieb jedoch in ihrem Buch Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft. Antisemitismus, Imperialismus, totale Herrschaft von einem zeitweiligen Bündnis zwischen Mob und Elite im frühen 20. Jahrhundert.

Die Einordnung der Opposition und des Widerstands von Vertretern der Konservativen Revolutuion gegenüber dem Nationalsozialismus, sowie die Verfolgung ihrer Ideen und Vertreter durch selbigen muss besonders unter dem Gesichtspunkt des Verhältnisses zweier sich in Weltanschauung und manchen Einzelvorstellungen nahestehenden und trotzdem in Konkurrenz zueinander befindlichen Gruppierungen betrachtet werden. Mohler beschreibt das Verhälnis beider zueinander als das einer „relativ unbeweglichen Massenpartei“ zu einem „geistig regeren kleineren Kreise“. Er charakterisiert die Konservative Revolution in Analogie zur russischen Revolution als „Trotzkisten des Nationalsozialismus“, die nach der Machtergreifung der „Partei“ meist besonders harter Verfolgung als „Häretiker“ ausgesetzt seien.[57]

Die Reaktion von Vertretern der Konservativen Revolution auf die Machtübernahme und das Regime reichen von mehr oder minder ausgeprägter Zustimmung und/oder Mitarbeit, über Rückzug ins Privatleben (Friedrich Hielscher), vorsichtige Distanzierung und/oder passiven, verdeckten Protest (Spengler, Ernst Jünger in seinem Gedicht Der Mohn), Emigration (Otto Strasser, Hans Ebeling) bis zu offenem Widerstand (Niekisch, Niemöller, Staufenberg, Harro Schulze-Boysen). Die Repressionen seitens des Nationalsozialismus reichen von Behinderung der Wirkungsmöglichkeiten (Albrecht Erich Günter, Ernst Jünger) bis zu Verhaftung und Ermordung in Konzentrationslagern (Niemöller, Othmar Spann, Harro Schulze-Boysen, Albrecht Haushofer, und Ernst Niekisch).[58]

Verhältnis zum Christentum

Auch wenn das Christentum – besonders in seiner kirchlichen Form und vielen seiner Repräsentanten – und der Konservativismus im heutigen und noch stärker im „Weimarer“ Alltagsverständnis meist in vielen Punkten als eng verwandt empfunden werden (was in Blick auf die Altkonservativen zum Teil auch gerechtfertigt erscheint), sind die Unterschiede zwischen den fundamentalen Positionen der meisten Vertreter der Konservativen Revolution und des Christentums dennoch größer als die Gemeinsamkeiten.[59]

Als ein fundamentaler Unterschied ist die gänzlich andere Auffassung von Sinn und Ziel der Geschichte zu begreifen. Während die Konservative Revolution diese meist als einen „im Werden“ begriffenen, von Risiken und Zwischenstufen begleiteten (manchmal wie bei Spengler auch zirkulären) Vorgang ohne exakt absehbares Endergebnis begreift, betont das christliche Geschichtsbild eher den linearen, aufwärtsgerichteten und vorherbestimmten Gang der Entwicklung vom Tod Christi bis zum Jüngsten Gericht.[60] [61]

Ein weiterer fundamentaler Unterschied ist die Antwort auf die Frage nach dem absoluten Wert des Individuums. Die christliche Lehre betont, auch in den Schriften vieler Denker wie z.B. Romano Guardini, explizit den „Wert und die unteilbare Würde des Individuums“ gegenüber den Interessen jeglicher Gemeinschaft, Gesellschaft oder Assoziation.

Diese christlichen Wertschätzung des Individuums scheinen mit Äußerungen mancher Vertreter der Konservativen Revolution, welche ein wie auch immer gestaltetes Kollektiv dem Einzelnen vorordnen, unvereinbar. Ein Beispiel für das angestrebte organische Gemeinschaft mag dabei folgendes, in theologischem Duktus gehaltene Zitat von Herbert Ullmann aus dem Jahr 1929 sein:

Ich gebe, damit du gebest: dies die auf einer Individualismus gegründeten Gesellschaft. Ich gebe mich ganz, um aus der Gemeinschaft mein Ich gesteigert zurückzuempfangen: dies das eigentliche innerliche Erlebnis der Gemeinschaft.[62]

Trotz dieser grundsätzlichen Unterschiede ist festzustellen, dass manche der Konservativen Revolution zugeordnete Menschen, wie Hermann Ullmann, August Winnig, Martin Niemöller, Friedrich Gogarten, Hans Althaus, mit ihren in die Nähe jungkonservativer Lehren führenden Bemühungen, überzeugte Christen waren, welche der Meinung waren, christliche Glaubensgrundsätze mit den Zielen der Konservativen Revolution in Übereinstimmung bringen zu können.[63]

Aktualität der Konservativen Revolution

Etliche Vertreter der Neuen Rechten beziehen sich ausdrücklich auf Gedanken und Strategien der Konservativen Revolution. So schreibt Armin Pfahl-Traughber:

Die neue Rechte bezieht sich unmittelbar auf die Theoretiker der Konservativen Revolution und kann von daher als ihr geistiger Erbe in der Gegenwart bezeichnet werden. Obwohl sie mit ähnlichen Positionen und Strategien arbeitet wie ihr Vorbild, konnte sie bislang weder eine ähnliche Bedeutung noch ähnliche Wirkung entfalten.[64]

Die Neue Rechte stellt dabei nach Uwe Backes und Eckhard Jesse eine intellektuell vergleichsweise anspruchsvolle Strömung des Rechtsextremismus dar, welche sich am Vorbild der Konservativen Revolution der Weimarer Republik orientiert,und mit einer metapolitischen Strategie in erster Linie auf die Umwertung bestehender Werte zielt.[65] Der Historiker und Mitbegründer des Institut für Staatspolitik, Karlheinz Weißmann, betont ebenso den Zusammenhang beider Strömungen:

"Die neue Rechte ist insofern alt, als ihre "postmodernen" Gedanken sich teilweise in der Konservativen Revolution finden." [66]

Die Wiederbelebung der Ideen der Konservativen Revolution ging dabei nach dem Krieg zuerst nicht von Deutschland, sondern von Frankreich aus, wo sich die Intellektuellengruppe GRECE (Groupement de recherche et d’études pour la civilisation européenne (Forschungs- und Studiengruppe für die europäische Zivilisation)) herausbildete.[67] Bei der Nouvelle Droite gibt es einen starken Bezug zu den deutschen Denkern der Konservativen Revolution. Alain de Benoist verfaßte ein Buch über Arthur Moeller van den Bruck [68], forderte eine „Kulturrevolution von rechts“ und gibt seit 1990 eine Buchreihe mit dem Titel Konservative Revolution heraus.[69]

Auch Denker der russischen nationalistischen Rechten, wie zum Beispiel Alexander Douguine, der Mitbegründer der Nationalbolschewistischen Partei Russlands, beziehen sich auf Gedanken der Konservativen Revolution.[70]

Verwendung für zeitgenössische Strömungen

Von den 1980er Jahren bis heute werden auch diverse neokonservative Bestrebungen in der Publizistik und vereinzelt in der Literatur [71] als Konservative Revolution bzw. New Conservative Revolution bezeichnet. So wurden und werden Betrebungen wie der Thatcherismus [72], Bestrebungen in der republikanischen Partei um Barry Goldwater, Ronald Reagan [73] und George W. Bush sowie konservative Tendenzen in Frankreich [74] unter Nicolas Sarkozy in der Presse trotz aller Unterschiede untereinander häufig unter dem Begriff Konservative Revolution subsumiert. Zum Beispiel überschrieb der Genfer Le Temps einen Artikel über Christoph Blocher mit dem Titel La révolution conservatrice. [75] Auf die Gemeinsamkeiten, besonders aber die geistigen und historischen Unterschiede – wie zum Beispiel die damals typische und in der Konservativen Revolution der USA fehlende Ablehnung von Demokratie und Parlamentarismus – zwischen der deutschen Konservativen Revolution und den mit diesem Begriff etikettierten heutigen Tendenzen wird dabei meist nicht näher eingegangen. Der Begriff wird dabei, speziell in politisch eindeutig positionierten Medien wie zum Beispiel dem Portal Nadir.org, häufig undifferenziert als Kampfbegriff oder Schlagwort verwendet.[76]

So prophezeite der Stern im Jahr 2004:

Doch nach diesem überwältigenden Wahlsieg werden George W. Bush und sein Vizepräsident Richard Cheney nun ihre konservative Revolution vollenden.[77]

Die Zeit bezog sich dagegen klarer auf das Deutschland der Weimarer Republik, indem sie einen „fiktiven Lehrstrang“ von Carl Schmitt über Leo Strauss bis zu Paul D. Wolfowitz zog:

Erlebt Amerika derzeit, was es in Deutschland vor über sieben Jahrzehnten gab: eine „Konservative Revolution“? So nannte und nennt man jene Bewegung der intellektuellen Rechten, die in den Jahren vor und nach 1930 zum Sturm auf den liberalen Zeitgeist aufrief.[78]

Claus Leggewie verwendete ebenfalls den Begriff der Konservativen Revolution, ohne den historischen Begriffsbezug exakt herauszuarbeiten:

Die konservative Revolution steht weiterhin auf der Tagesordnung. [...] Die Christian Coalition verkörpert den Aufstieg der christlichen Rechten und ist heute „das stärkste und mobilste Bataillon der konservativen Revolution“.[79]

Belege

  1. Stefan Breuer: Die „Konservative Revolution“ – Kritik eines Mythos“ in: Politische Vierteljahresschrift 31. Jg. 1990, Heft 4, S. 606f
  2. Werner Weidenfeld und Karl-Rudolf Korte: Handbuch zur deutschen Einheit, Campus Verlag 1996, S. 291.
    Kurt Sontheimer in: Antidemokratisches Denken in der Weimarer Republik. Die politischen Ideen des deutschen Nationalismus zwischen 1918 und 1933, Nymphenburger Verlagshandlung 1994, 4. Aufl., S. 29.:
    Kurt Lenk, Henrique Ricardo Otten, Günter Meuter: Vordenker der Neuen Rechten, Campus Verlag 1997, S. 11.
    Günter Rohrmoser und Michael Grimminger: Deutschlands Tragödie – Der geistige Weg in den Nationalsozialismus, Olzog 2002, S. 86f.
    Hans Joachim Hahn: German Thought and Culture – From the Holy Roman Empire to the Present Day, Manchester University Press, 1995, S. 126 und 196.
    Jan Herman Brinks: Germay´s New right, in: Jan Herman Brinks, Edward Timms, Stella Rock: National Myths ant the modern media – contested identities in the age of globalisation, I.B.Tauris 2006, S. 125.
    Peter von Polenz: Deutsche Sprachgeschichte vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart, Walter de Gruyter 1999, S. 539
    Henry Stuart Hughes: Oswald Spengler, Transaction Publishers 1991, S. 132f
  3. Adolf Laufs: Rechtsentwicklungen in Deutschland, Walter de Gruyter 1996, S. 392
  4. Ulrich Weinzierl: Hofmannsthal, Skizzen zu seinem Bild. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, S. 44
  5. a b Referenzfehler: Ungültiges <ref>-Tag; kein Text angegeben für Einzelnachweis mit dem Namen von Beyme, Klaus 2002, S.500.
  6. Erkme Joseph: Nietzsche im „Zauberberg“, Verlag Vittorio Klostermann 1996, S. 175
  7. Thomas Mann, zit. nach Weinzierl ebd., S. 44
  8. Arthur Moeller van den Bruck: Das dritte Reich. 3. Aufl. Hrsg. von Hans Schwarz. Hamburg 1931. S. 189
  9. Arthur Moeller van den Bruck: Das dritte Reich. 3. Aufl. Hrsg. von Hans Schwarz. Hamburg 1931. S. 202
  10. Armin Mohler: Die Konservative Revolution in Deutschland 1918–1932. Grundriß ihrer Weltanschauungen, Friedrich Vorwerk Verlag, Stuttgart, 1950, S. 90
  11. Sontheimer, S. 279 ff.
  12. Armin Mohler / Karlheinz Weissmann: Die konservative Revolution in Deutschland 1918–1932 – Ein Handbuch, Graz, 2005; 6. überarbeitete Auflage, S. 379f (Spengler, Mann, Schmitt); S. 467ff (Jung, Spann); S. 472 (Hans Freyer); S. 479 (Niemöller); S. 62 (Lensch-Cunow-Henisch-Gruppe); S. 372 (Hofmannsthal, George); S. 470 (Winnig); S. 465 (Stapel)
  13. Die 'Konservative Revolution' – Kritik eines Mythos; Auf www.martinblumentritt.de
  14. Kurt Sontheimer: Antidemokratisches Denken in der Weimarer Republik, S. 119
  15. Gustav Steinbömer: Betrachtungen über den Konservatismusm in Deutsches Volkstum, 1932, S. 26
  16. Edgar Jung: Deutschland und die konservative Revolution, 1932, S. 380
  17. Kurt Sontheimer: Antidemokratisches Denken in der Weimarer Republik, S. 123
  18. Carl von Ossietzky: Antisemiten, Weltbühne vom 19. Juli 1932, S. 89
  19. Interview von Peter Bossdorf mit dem französischen Schriftsteller und Philosophen Alain de Benoist auf www.zinnober.net
  20. Armin Mohler: Die Konservative Revolution in Deutschland 1918–1932. Grundriß ihrer Weltanschauungen, Friedrich Vorwerk Verlag, Stuttgart, 1950, S. 146–151
  21. Kurt Sontheimer: Antidemokratisches Denken in der Weimarer Republik, S. 119
  22. Gustav Steinbömer: Betrachtungen über den Konservatismusm in Deutsches Volkstum, 1932, S. 26
  23. Sontheimer, S. 144
  24. Sontheimer, S. 142
  25. Moeller van den Bruck: Das Dritte Reich, S. 119
  26. „Er war zwar in seinen Grundpositionen zutiefst antidemokratisch, antiparlamentarisch und antiliberal, aber sein Ziel war es, die gleichsam ‚aristokratische‘ Diktatur des Reichspräsidenten zu legitimieren und zu stärken. Es ging [...] letztlich darum, ein präsidial-autoritäres System mit plebiszitären Elementen zu errichten, zu Lasten der Rolle des Parlaments“; Rezension von Erwin von Beckeraths „Wesen und Werden des faschistischen Staates“ (zitiert nach Positionen und Begriffe, S. 125).
  27. Sontheimer, S. 153
  28. Harro Segeberg: Ernst Jünger im 20. Jahrhundert, S. 81, 129 ff.
  29. Hans Zehrer: Das Ende der Parteien; in: Die TAT, 24, S. 68, im Jahr 1932
  30. Othmar Spann: Der Wahre Staat, S. 110–118
  31. Edgar Julius Jung: Die Herrschaft der Minderwertigen – Ihr Zerfall und ihre Ablösung durch ein neues Reich, S. 333
  32. Alfred Weber: Die Krise des modernen Staatsgedankens in Europa, Stuttgart, 1925
  33. Kurt Sontheimer: Antidemokratisches Denken in der Weimarer Republik, Seite 193
  34. Heinrich von Gleichen-Rußwurm: Reich und Reichsführung; in: Europäische Revue 8, 1932, Seite 770
  35. Oswald Spengler: Preußentum und Sozialismus, 1919, Seite 56 - 57 und 103
  36. Georg Wilhelm Friedrich Hegel in Grundlinien der Philospohie des Rechts. Naturrecht und Staatswissenschaft: "§ 258: Der Staat ist als die Wirklichkeit des substantiellen Willens, die er in dem zu seiner Allgemeinheit erhobenen besonderen Selbstbewußtsein hat, das an und für sich Vernünftige. Diese substantielle Einheit ist absoluter unbewegter Selbstzweck, in welchem die Freiheit zu ihrem höchsten Recht kommt, sowie dieser Endzweck das höchste Recht gegen die Einzelnen hat, deren höchste Pflicht es ist, Mitglieder des Staats zu sein."
  37. Julius Binder: Der autoritäre Staat, Logos 22, 1933, Seite 157
  38. Friedrich Gogarten: Politische Ethik, Jena, 1932
  39. Stefan Breuer: Anatomie der Konservativen Revolution, Seite 115 ff.
  40. Othmar Spann: Der wahre Staat - Vorlesungen über Abbruch und Neubau des Staates, 1921, Seite 176
  41. Kurt Sontheimer: Antidemokratisches Denken in der Weimarer Republik, S. 271
  42. Kurt Sontheimer: Antidemokratisches Denken in der Weimarer Republik, S. 271
  43. Armin Mohler: Die Konservative Revolution in Deutschland 1918–1932. Grundriß ihrer Weltanschauungen, Friedrich Vorwerk Verlag, Stuttgart, 1950, S. 148
  44. Othmar Spann: Der wahre Staat, Fischer, Jena, 1938, S. 44
  45. Kurt Sontheimer: Antidemokratisches Denken in der Weimarer Republik, S. 275
  46. Kurt Sontheimer: Antidemokratisches Denken in der Weimarer Republik, S. 276, 277
  47. Moeller van den Bruck: Das Dritte Reich, S. 68
  48. Moeller van den Bruck: Das Dritte Reich, S. 68
  49. Armin Mohler: Die Konservative Revolution in Deutschland 1918–1932. Grundriß ihrer Weltanschauungen, Friedrich Vorwerk Verlag, Stuttgart, 1950, S. 59–65
  50. Stefan Breuer: Anatomie der Konservativen Revolution, Darmstadt, 1993, S. 59 ff
  51. Armin Mohler in: Die konservative Revolution in Deutschland, S. 17: Als Ganzes ist diese Bewegung in Deutschland nur Teil einer in fast allen europäischen Ländern seit Beginn des 19. Jahrhunderts feststellbaren und auf allen Lebensgebieten sich auswirkenden Strömung. Der Nationalsozialismus aber ist ein Verwirklichungsversuch unter vielen, wenn auch der hervorstechendste, und dem unvoreingenommenen Betrachter entgeht nicht, daß neben diesem Antrieb noch manche andere in ihm wirksam sind.
  52. Kurt Sontheimer: Antidemokratisches Denken in der Weimarer Republik, S. 282, 283
  53. Edgar Julius Jung: Neubelebung von Weimar ?; in: Deutsche Rundschau, 1932, S. 153
  54. Sontheimer, S. 279 ff.
  55. Hans Bogner: Das Ende der aufgeklärten Demokratie; in: Deutsche Rundschau, 1932, S. 13
  56. Hans Bogner: Die Bildung der politischen Elite, Oldenburg, 1932, Schriften an die Nation, Nr. 6, S. 31
  57. Armin Mohler: Die Konservative Revolution in Deutschland 1918–1932. Grundriß ihrer Weltanschauungen, Friedrich Vorwerk Verlag, Stuttgart, 1950, S. 12, 13
  58. Mohler: S. 14, 15
  59. Armin Mohler: Die Konservative Revolution in Deutschland 1918–1932. Grundriß ihrer Weltanschauungen, Friedrich Vorwerk Verlag, Stuttgart, 1950, S. 151
  60. Armin Mohler: S. 152
  61. Oscar Cullmann: Christus und die Zeit – Die urchristliche Zeit- und Geschichtsauffassung, zitiert nach Armin Mohler, S. 152
  62. Herbert Ulmann: Das werdende Volk – Gegen Liberalismus und Reaktion, Hamburg, 1929, S. 81
  63. Armin Mohler: Die Konservative Revolution in Deutschland 1918–1932. Grundriß ihrer Weltanschauungen, Friedrich Vorwerk Verlag, Stuttgart, 1950, S. 83, 84, 151
  64. Armin Pfahl-Traughber: Konservative Revolution und Neue Rechte. Rechtsextremistische Intellektuelle gegen den demokratischen Verfassungsstaat, Leske + Budrich, Opladen, 1998, ISBN 3810018880, S. 13
  65. Uwe Backes und Eckhard Jesse: Politischer Extremismus in der Bundesrepublik Deutschland, Band 1, Köln, 1989, S. 136
  66. Interview mit Karlheinz Weißmann über seine neueste historische Studie, über die Rechte in Deutschland und über einen neuen rechten Stil -"Der nationale Sozialismus war eine genuin linke Idee"; auf www.jf-archiv.de
  67. Armin Pfahl-Traughber: Die „Neue Rechte“ in Frankreich und Deutschland – Zur Entwicklung einer rechtsextremistischen Intellektuellenszene
  68. Alain de Benoist: Arthur Moeller van den Bruck; auf www.alaindebenoist.com
  69. Neue Rechte: Vordenker der europäischen Selbstfindung – Der französische Philosoph und Publizist Alain de Benoist feiert seinen 60. Geburtstag
  70. Alexandre Dougine:Panorama de la "Révolution Conservatrice" en Russie
  71. Guy Sorman: La révolution conservatrice américaine, Fayard, Paris, 1983, ISBN 2213012962
  72. Dominik Geppert: Thatchers konservative Revolution, Oldenburg, 2002, ISBN 348656661X
  73. Jordan Mejias: Amerika - Wie Bush das konservative Erbe von Reagan verrät; auf www.faz.net
  74. Winfried Veit: Konservative Revolution à la française; auf der Bibliotheksseite der Friedrich-Ebert-Stiftung
  75. Bundesratswahlen: "Konservative Revolution", auf www.swissinfo.org
  76. William Hiscott: Nach den Kongresswahlen verfügt die Republikanische Partei über die Mehrheit in beiden Häusern des Parlaments. Das erleichtert es Präsident George W. Bush, die Interessen konservativer Lobbygruppen durchzusetzen; aus Jungle World auf www.nadir.org
  77. Katja Gloger: US-Wahl - Die konservative Revolution; auf www.stern.de
  78. Heinrich August Winkler: Wenn die Macht Recht spricht: Eine konservative Revolution bedroht das weltgeschichtliche Erbe Amerikas - Jetzt muss Europa die westlichen Werte verteidigen; auf www.zeit.de
  79. Claus Leggewie: America first? Der Fall einer konservativen Revolution, Fischer, Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main, 1997, ISBN 359613496X, S. 286, 211

Literatur

  • Kurt Sontheimer: Antidemokratisches Denken in der Weimarer Republik, München, 1962. (ideen- und begriffsgeschichtlich)
  • Stefan Breuer: Anatomie der Konservativen Revolution, Darmstadt 1993. (begriffskritisch);
  • Rolf Peter Sieferle: Die konservative Revolution. Fünf biographische Skizzen, Frankfurt a. Main, 1995. (biographischer Zugang, fünf Exponenten:Lensch, W. Sombart, Spengler, Jünger, Freyer)
  • Armin Mohler: Die konservative Revolution in Deutschland 1918–1932: Ein Handbuch, Darmstadt, 1994 (4.Aufl.) (apologetisch);
  • Klemens von Klemperer: Konservative Bewegungen zwischen Kaiserreich und Nationalsozialismus, München, 1962
  • Helmut Kellershohn: Zwischen Wissenschaft und Mythos. Einige Anmerkungen zu Armin Mohlers „Konservative Revolution“. In: Heiko Kauffmann, Helmut Kellershohn, Jobst Paul (Hg.): Völkische Bande. Dekadenz und Wiedergeburt – Analysen rechter Ideologie. Münster, 2005. ISBN 3-89771-737-9 (kritisch)
  • Armin Pfahl-Traughber: Konservative Revolution und Neue Rechte. Rechtsextremistische Intellektuelle gegen den demokratischen Verfassungsstaat, Leske + Budrich, Opladen, 1998, ISBN 3810018880
  • Hans-Wilhelm Eckert: Konservative Revolution in Frankreich? – Die Nonkonformisten der Jeune Droite und des Ordre Nouveau in der Krise der 30er Jahre, Oldenbourg-Verlag, München, 2000, ISBN 9783486564419
  • Alexander Bahar: Sozialrevolutionärer Nationalismus zwischen Konservativer Revolution und Sozialismus – Harro Schulze-Boysen und der „Gegner“-Kreis, Verlag D. Fölbach, Koblenz, 1992, ISBN 3923532180
  • Dominik Geppert: Thatchers konservative Revolution, Oldenburg, 2002, ISBN 348656661X
  • Claus Leggewie: America first? Der Fall einer konservativen Revolution, Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main, 1997, ISBN 359613496X

Siehe auch