Reichsabtei Burtscheid

ehemaliges Kloster in Aachen-Burtscheid
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 26. November 2004 um 07:28 Uhr durch St.s (Diskussion | Beiträge) (Abteikirche: links). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Die Abtei Burtscheid bei Aachen wurde im Jahr 997 gegründet. Zunächst war sie eine Benediktiner- und später eine Zisterzienserinnenabtei. Im Jahr 1802 wurde sie bei der Säkularisation aufgelöst.


Sie wurde im Jahre 997 auf Veranlassung von Kaiser Otto III. durch den Basilianer-Abt Gregor gegründet. Ob sie sofort oder ab wann sie eine Benediktiner-Abtei war, ist noch nicht erforscht. Kaiser Heinrich II. übertrug 1018 in einer Urkunde der Abtei einen Zehntbezirk, der genau den Grenzen der späteren Stadt Burtscheid entsprach. Die „villa Porceto“ wurde damit aus dem Gebiet der „villa Aquisgrana“, dem karolingischen Pfalzbezirk ausgegliedert. Eine Urkunde Kaiser Heinrichs III. vom 6. Juni 1040 gliederte auch die „Königsleute“ aus dem Zehntbezirk der Pfalzkirche St. Maria, der Haupt- und Mutterkirche Aachens, aus und machte sie zu Klosterleuten, die nunmehr dem Kloster Burtscheid abgabe- und zehntpflichtig wurden.

Die Auflösung der Benediktiner-Abtei, zu der wahrscheinlich innere und äußere Mißstände führten, erfolgte nach rund 200 Jahren. Die Abtei wurde dann um 1220/1221 Zisterzienserinnen, die bis dahin auf dem Salvatorberg in Aachen lebten, übernommen. Unter diesen wandelte sich das Kloster mit der Zeit zum adligen Damenstift, dem der rheinische Adel mit Vorliebe seine Töchter anvertraute.

Die der Abtei vorstehenden Äbte und ihre Nachfolgerinnen aus dem Zistersienserinnen-Orden waren Grundherren bzw. Grundfrauen des Gebietes, dessen Grenzen bereits in der Urkunde Kaiser Heinrichs II. von 1018 beschrieben wurden. Das Reichsstift war ein kaiserliches, freies, den Römischen Kaisern und dem Deutschen Reiche unmittelbar unterworfenes Stift, dessen jeweilige Äbtissin durch ihren Bevollmächtigten den Reichstagen beiwohnte.

Bei der Säkularisation wurde die Abtei im August 1802 aufgelöst. Alle Abteigüter wurden verstaatlicht. Die verbliebenen Stiftsdamen erhielten eine Rente und kehrten zum Teil zu ihren Familien zurück. Nur zwei der Stiftsdamen wohnten bis zu ihrem Tode im Abteitor.

Abteigebäude

Nach der Gründung der Abtei baute Abt Gregor neben der Nikolaus-Kapelle an der Stelle des heutigen Pfarrhauses der Pfarre St. Johann das erste Klostergebäude. In der Mitte des 14. Jahrhunderts wurden die alten Gebäude erneuert. Zwischen 1610 und 1620 wurden der südliche und der westliche und um das Jahr 1667 der östliche Flügel im Stil der Maas-Renaissance neu erbaut. Im Kreuzgang nennt ein Keilstein über dem elterlichen Wappen der Äbtissin Henrica Raitz von Frentz das Baujahr 1654. Zur Linken der Klosterpforte lag unter abgewalmtem Dach das weit vortretende Refektorium. NachSüden schloß sich der im Jahr 1617 errichtete Westflügel an, dasQuartier der Äbtissin. Im Winkel zum anstoßenden Südflügel führte eine rundbogigePforte in das Sockelgeschoß des Westtraktes.

Bei der Aufhebung der Abtei infolge der Säkularisation wurde das Abteigebäude verkauft. Die Räume wurden bald an eine große Anzahl von Arbeiterfamilien vermietet. Der westliche und südliche Teil des Abteigebäudes wurde später von der Gemeinde Burtscheid angekauft, der östliche Teil vom Vorstand des Marienhospitals und endlich der nördliche Teil von der Pfarre St. Johann. Im Oktober 1860 wurde die Frontmauer des Refektoriums niedergelegt und durch eine 4 Meter zurückgenommene nüchtern gegliederte Backsteinwand ersetzt. Ab 1. April 1874 wurde der südliche Flügel von der Gemeinde alsSchule umgebaut.

Bei dem schwerenBombenangriff auf Burtscheid am 11. April1944 wurden die Gebäude schwer beschädigt und zum Teil zerstört. 1950 mußte schließlich der südwestliche Eckturm abgerissen werden, da er einzustürzen drohte. Der Ostflügel des Abteigebäudes und Teile des Kreuzganges blieben erhalten und sind zum Teil in Neubauten einbezogen. Im nördlichen Teil des Kreuzganges befindet sich seit März 2003 dieSchatzkammer, in der der Abteischatz ausgestellt ist.

Abteikirche

Nach der Gründung des Klosters im Jahr 997 baute Abt Gregor bereits eine kleineKapelle, die dem Heiligen Nikolaus geweiht war. Damit erscheint erstmalig im Rheinland der Heilige Nikolaus als Kirchenpatron. Die Kapelle lag ungefähr an der Stelle des heutigen Pfarrhauses der Pfarre St. Johann. Noch zu Lebzeiten Gregors wurde mit dem Bau einer größeren Abteikirche begonnen, die zuerst dem Heiligen Apollinaris geweiht war. Sie wurde zwischen 1016 und [[1018 geweiht und lag ungefähr an der Stelle der heutigen Pfarrkirche St. Johann. Die Apollinaris-Kirche war einschiffig, etwa 20 Meter lang und 8 Meter breit. Sie hatte ein Querschiff, eine halbrunde Apsis und einen quadratischen Turm. Von dieser Kirche sind nur noch fünf kleine Säulen erhalten, die bis in die 1990er Jahre im Gartenhaus der Äbtissin eingebaut waren und seitdem im Pfarrhaus St. Johann aufbewahrt werden.

Nachdem diese Kapelle anscheinend zu klein und baufällig geworden war, wurde 1350 eine neue größere Kirche erbaut, die dem Heiligen Johannes dem Täufer geweiht wurde. Diese wurde etwas weiter südwärts als der bisherig Bau errichtet. Der Neubau ist wahrscheinlich unter der Äbtissin Aleidis von Müllenark beschlossen und begonnen und nach heutigem Kenntnisstand erst unter der Äbtissin Mechtildis von Bongard vollendet worden. Diese Kirche war im gotischen Stil erbaut, dreischiffig und mit einem weit vorspringenden Chor, in dem die Nonnen in den Chorgestühlen ihren Platz hatten. Die Lichtbreite der Kirche betrug 15,60 Meter, die Lichtlänge vom Turm ab bis zum Abschluß des Chores 30,90 Meter, die ganze äußere Länge inklusive des an der Westseite stehenden Turmes 39,80 Meter. Diese Kirche hatte sechs Altäre. Als erstes ist der Hochaltar zu nennen, auf dem ein silbernes Tabernakel seinen Platz gefunden hatte. Das letztere ist beim Abriß dieser Kirche wahrscheinlich dem Schmelztiegel verfallen. Es folgen dann der Christ-, der Muttergottes-, der St. Anna-, der Bernardus und der Antoniusaltar.

Im Jahre 1736 wurde im Auftrag der Äbtissin Anna Carola Margaretha von Renesse mit einem Neubau der Kirche nach den Plänen des Aachener Baumeisters Johann Joseph Couven begonnen. Die Ziegelsteine, aus denen der Neubau errichtet wurde, wurden auf dem Mühlenbend in Burtscheid angefertigt. Die an der Kirche verwandten Hausteine sind bis zur Höhe des Frontons, in welchem sich das Wappen der Äbtissin Antoinette von Woestenrath befindet, aus einem der Abtei gehörenden Steinbruch bei Buschhausen in Burtscheid entnommen, während die höher angebrachten Hausteine aus anderen Steinbrüchen, meist aus Raeren, stammen. Couven begann zunächst mit dem Bau des Westturms, der sich bis 1741 hinzog. Erst nach langer Pause kam es im Jahre 1748 zum Abbruch der alten Klosterkirche und zur Wiederaufnahme der Bauarbeiten für die neue Kirche. Der Rohbau wurde mit der Kuppelschließung im Spätsommer 1754 vollendet. Diese neue Kirche ist 45 Meter lang, Kirchenschiff und Chor 11,50 Meter breit, das Kuppelquadrat 18,80 Meter, die Höhe bis zum Kuppelscheitel 34,20 Meter. Die Schmuckfassade der Kirche ist der Nordseite zugewandt. Couven hat einen achteckigen Kuppelbau gestaltet. Nach Osten lehnt sich das Chor, nach Westen in gleicher Ausdehnung das Langhaus an den Mittelbau und hieran der Turm an. Die Kuppel, die durch Luken und Mansarden belebt ist, bleibt das vorherrschende Motiv. Der Turm mit seiner originellen Haube wird von der Kuppel jedoch nicht erdrückt. Das Zusammenspiel von Kuppel, Turm und Dachreitern gibt dem Bau seine einzigartige Silhouette. Das Hauptportal an der Nordseite ist reich gegliedert. Über diesem Portal befindet sich das Wappen der Äbtissin von Renesse, in deren Auftrag der Bau begonnen wurde. Die Stirnseite des Turmes zum Abteiplatz hin hat dagegen ein einfaches Portal mit dem Wahlspruch der Äbtissin von Renesse „DOMINUS PROVIDEBIT“ (Gott wird sorgen) und der Jahreszahl 1736. Über dem großen Rundbogenfenster an der Nordseite befindet sich das Wappen der Äbtissin von Woestenrath. Dieses Wappenzeichen des Schwans im Hirschgeweih wurde später Stadtwappen von Burtscheid und ist heute noch im Wappen des Kreises Aachen enthalten. An der Südseite des Langhauses ist eine leine Seitenkapelle, die auch Gedächtniskapelle genannt wird, da heute hier ein Totenbuch mit den Namen der Kriegsopfer des Zweiten Weltkriegs, die aus der Pfarre St. Johann stammten, ausliegt. Dominierend ist im Innern das Querhaus unter der Kuppel. Es hat die Form eines unregelmäßigen Achtecks. Nischen nehmen Apostelstatuen auf. Die Mitte der Rundung des Chores ist durch eine fensterartige Nische besonders betont. Vor dieser Nische war der Platz der Äbtissin.

Bei der Säkularisation wurde die Abteikirche von den Franzosen als Domaine-Eigentum behalten. Sie benutzen sie als Militär-Magazin und Pferdestall. Auch stand in ihr ein Luftballon, mit dem in der Kuppel Versuche gemacht wurden.

Im Jahre 1804, als Napoleon in Aachen weilte, gelang es den Burtscheider Katholiken, von ihm die Entscheidung zu erwirken, daß die Kirche wieder für den katholischen Gottesdienst freigegeben wurde. Nachdem die Kirche geräumt und gereinigt war, wurden am Weihnachtstag 1804 in der Frühe des Morgens das Te Deum und dann das erste Hochamt gesungen. Im Jahre 1806 wurde die Abteikirche zur zweiten katholischen Pfarrkirche Burtscheids erhoben. Bei dem schweren Bombenangriff auf Burtscheid im April 1944 brannte die Kirche vollkommen aus. Der Wiederaufbau dauerte bis in die 1960er Jahre.

Abteischatz

Zu ihm gehören u.a. die Nikolaus-Ikone aus dem 12. Jahrhundert, das Bernhardus-Reliquiar, die Evermarus-Büste, das Äbtissinnen-Kreuz, die Johannesbüste aus dem 14. Jahrhundert und weitere Exponate.

Seit März 2003 ist der Abteischatz in der neuen Schatzkammer ausgestellt, die sich in dem restaurierten Kreuzgang der früheren Abtei befindet.

Abteitor

Das Tor zur ehemaligen Abtei Burtscheid wurde im Jahr1644 unter der Äbtissin Anna Maria Raitz von Frentz erbaut. Es ist eines der wenigen in Aachen noch erhaltenen Zeugnisse des Baustils der Maas-Renaissance und zeigt einen wirkungsvollen Gegensatz zwischen Blausteingliedern und Backsteinflächen. Vorübergehend wurde es auch Jonastor genannt, und zwar nach einem Burtscheider Wirt namens Jonas. Im Zuge der Säkularisation wurde das Tor als Abteieigentum verkauft.

Bei dem Bombenangriff auf Burtscheid am 11. April 1944 brannte das Gebäude vollständig aus. Wesentliche Teile der Hauptfassade blieben jedoch erhalten. Im Jahr 1949 konnte das Abteitor durch Einziehen einer Eisenbetondecke über der Durchfahrt und durch den Einbau von Sicherungspfeilern geschützt werden. Im Jahr 1950 erfolgte dann die komplette Restauration. Nach Ergänzung des teilzerstörten Mauerwerks und stilgerechter Wiederherstellung des Walmdaches wurde es zur Aufnahme von fünf Kleinwohnungen hergerichtet. 1978 wurde das Torgebäude, dessen Blaustein-Einfassungen erhebliche Schäden durch Kriegseinwirkung und Witterungseinflüsse aufwiesen, erneut restauriert. Das Mauerwerk wurde ziegelrot gestrichen. Dieser Anstrich entspricht dem ursprünglichen Zustand und hat in erster Linie eine Schutzfunktion.

Literatur

  • Ernst Günther Grimme: ’Kirchenschätze der ehemaligen Abteikirche St. Johann und der Pfarrkirche St. Michael in Aachen-Burtscheid.’ Aachen 1996, ISBN 3-930594-12-9
  • Hans Königs: ’Eine unbekannte Darstellung der Reichsabtei Burtscheid aus dem Jahr 1754.’ In: Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins, Bd. 84/85, Aachen 1977/1978
  • Thomas Wurzel: ’Die Reichsabtei Burtscheid von der Gründung bis zur frühen Neuzeit.’ Aachen 1984, ISBN 3-87519102-1