Wilhelmsstift

Theologenkonvikt der Diözese Rottenburg-Stuttgart
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 10. Juli 2007 um 13:34 Uhr durch 80.128.239.22 (Diskussion) (Bibliothek). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Das Tübinger Wilhelmsstift ist das Theologenkonvikt der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Es wurde 1817 von König Wilhelm I. eingerichtet, um nach der Reformation die theologische Ausbildung von katholischen Priestern sicherzustellen. Das Wilhelmsstift bildet seine Diözesantheologen nach dem Grundsatz »weltoffene Katholizität« von Max Seckler in enger Kooperation mit der Universität Tübingen aus. Einen großen Stellenwert hat die philosophische und sprachliche Ausbildung, daher werden vor Eintritt ins Wilhelmsstift in der Regel zwei Sprachensemester im Theologischen Vorseminar Ambrosianum absolviert, wo Hebräisch, Altgriechisch, Latein und Philosophie gelehrt werden. Die Sprachensemester sind jedoch nicht zwingend erforderlich.

Bischöfliches Theologenkonvikt Wilhelmsstift
[[Datei:Wilhelmsstift Tübingen|250x200px|zentriert|]]

Seminartyp Theologenkonvikt
Anschrift Collegiumsgasse 5
72070 Tübingen
Land Deutschland
Träger Bistum Rottenburg-Stuttgart
Gründungsjahr 1817
Seminaristenzahl (ges.) 17
Direktor Martin Fahrner
Repetenten Gerhard Schneider, Bernhard Schmid
Spiritual Roland Rossnagel
Webadresse http://www.wilhelmsstift.de

Geschichte

Die Säkularisierung im ersten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts verdoppelte das Gebiet Württembergs. Vor allem im kirchenpolitischen Bereich zeigten sich aber nun Probleme, die bisher in Württemberg so nicht bekannt gewesen waren. „Altwürttemberg“ war rein protestantisch, während die Bevölkerung in „Neuwürttemberg“ mehrheitlich der katholischen Kirche angehörte. Der staatliche Wunsch nach einem „Landesbistum“ ließ sich aber nicht sofort verwirklichen. Als im Jahre 1812 Kurfürst Clemens Wenzeslaus von Trier, der zugleich Bischof von Augsburg und Fürstpropst von Ellwangen gewesen war, starb, genehmigte König Friedrich von Württemberg, dass Fürst Franz Karl von Hohenlohe, Weihbischof von Augsburg, trotz der noch fehlenden päpstlichen Vollmacht die Geschäfte eines Generalvikares und die bischöflichen Funktionen im württembergischen Teil des Bistums Augsburg und im exemten Sprengel von Ellwangen übernehme. Zugleich errichtete der König in Ellwangen eine „Hohe Katholische Landesuniversität“, die fünf Lehrstühle der Theologie umfasste, sowie ein Priesterseminar auf dem Schönenberg.

Landesuniversität Ellwangen

Kritik an der Landesuniversität

Sehr bald wurden in Württemberg kritische Äußerungen über diese „Landesuniversität“ laut. So erklärten 15 katholische Mitglieder der württembergischen Ständeversammlung, dass die Ausbildung junger Geistlicher an einer Hochschule mit nur einer theologischen Fakultät „immer unvollständig und einseitig“[1] bleiben müsse. Diese Kritik blieb aber vorläufig ohne Wirkung. Erst nach dem Regierungsantritt König Wilhelms I. im Herbst 1816 kündigte sich ein Umschwung an. Neuer Minister des Kirchen- und Schulwesens wurde Karl August Freiherr von Wangenheim, Präsident des Obertribunals und der Oberstudiendirektion sowie Kurator der Universität Tübingen. Am 20. Mai 1816 forderte er die dreiköpfige Kuratel der Ellwanger Lehranstalt auf, „über den dermaligen Zustand der katholischen Landesuniversität Ellwangen, deren Bedürfnisse und Mittel Bericht zu erstatten und zugleich über die Frage sich zu äußern, ob es zur Vervollkommnung des katholisch-theologischen Studienwesens nicht zu wünschen, und unter welchen Bestimmungen es ausführbar wäre, mit der Aufhebung der Universität Ellwangen […] eine Fakultät für die katholische Theologie auf der Universität Tübingen zu errichten, und somit die Studienhilfsmittel dieser hohen Schule zugleich für die Zwecke der katholischen Kirche zu benutzen.“ [2]

Das Gutachten der Ellwanger Kuratel

 
Das Wilhelmsstift vom Turm der Stiftskirche gesehen

Die Antwort des Kuratel war in der Frage des Ministers bereits vorprogrammiert. Sie hielt es in einem Gutachten vom 16. Januar 1817 für „natürlich, die schon vorhandene Universität Tübingen als gemeinsame Bildungsanstalt zu benutzen“ [3] Die in Ellwangen bestehende Einteilung der Lehrfächer soll beibehalten werden. Für die Priesteramtskandidaten erachtete das Kuratel „ein eigenes Institut [für] das wesentliche Erforderniß“. Um den Bedingungen des Generalvikariats zuvorzukommen, äußerten die Berichterstatter den Wunsch, im früheren Jesuitencollegium zu Rottenburg ein Priesterseminar einzurichten, da die Aufsicht des Bischofs durch die Entfernung zwischen Tübingen und Ellwangen erschwert sei. So standen die Verlegung der katholisch-theologischen Fakultät und die Gründung des Konvikts dem neuen Bischofssitz Pate.

Das Collegium Illustre

Minister von Wangenheim legte in einem „Anbringen“ vom 21. März 1817 dem König seinen Plan vor und machte sich die oben erwähnte Argumentation des Kuratels zu eigen. Als Kenner der Tübinger Verhältnisse nannte er als mögliches Konviktsgebäude das inmitten der Stadt gelegene „Collegium illustre“. Eine Alternative verschwieg er.

Das Collegium Illustre steht auf dem Platz des ehemaligen Tübinger Franziskanerklosters, das zum ersten Mal 1272 erwähnt wurde und wahrscheinlich im selben Jahre gegründet wurde, aber wohl nie stark belegt war. Im 15. Jahrhundert erlangte es als Generalstudium des Franziskanerklosters Bedeutung dank seiner gelehrten Lektoren. Das nach der Einführung der Reformation in Württemberg 1535 aufgehobene Kloster brannte 1540 teilweise ab.

Die württembergische Große Kirchenordnung von 1559 bestimmte das ehemalige Klostergebäude als Pendant zum evangelischen Stift für die Ausbildung von Staatsbeamten. Noch im selben Jahr wurde wohl die neue Einrichtung eröffnet. In den Jahren 1588-1592 wurde das Kolleg von dem württembergischen Landbaumeister Georg Beer im Spätrenaissancestil erbaut. An der Ecke von der Langen Gasse zur Collegiumsgasse befindet sich am Gebäude über dem Portal das Wappen des Herzogtums Württemberg von 1593. Die Eröffnung und die Aufnahme der ersten Kollegiaten erfolgte am 25. April 1594. Nach den Statuten von 1594 konnten sowohl Adelige als auch Bürgerliche in das Institut eintreten. [4] Zwei Jahre später sehen die Statuten im Collegium Illustre ein Haus für fürstliche und Adlige Studenten. [5]Bis zum 30jährigen Krieg war es die bevorzugte Ausbildungsstätte des protestantischen Adels in ganz Europa.

Die Arkaden und der großzügige Emporenhof wurden wie „Stadien“ der Renaissance für die verschiedensten Veranstaltungen genutzt. Während im Hof geübt wurde, konnte man von den Geschossen aus zusehen. Im Südosten des Gebäudes befand sich zudem das Ballhaus. Hier fand das Jeu de Paume, ein Ballspiel, seinen offiziellen Rahmen. in Deutschland gab es 65 dieser Saalbauten. Die Räume mit ungegliederten Innenwänden wurden durch ein Fensterband unterhalb des Dachstuhls belichtet. Ein Netz spannte sich wie heute beim Tennis quer zur Raumtiefe, wobei es an einer Seite auf eine in den Raum gebaute Galerie traf, deren Pultdach Teil des Spielfeldes war. In dieser Galerie und auch an den Fenstern nahmen die Zuschauer am Geschehen teil.

Eröffnung des Wilhelmsstifts

Im Herbst 1817 unterzeichnete Minister von Wangenheim mit Genehmigung des Königs die „Königliche Verordnung, die katholischen Lehranstalten im Königreiche betreffend“ [6] und gab so den Startschuss für das neue Theologenkonvikt. Zwei Tage später ernannte König Wilhelm I. Pfarrer und Schulinspektor Josef Sperl zum ersten Konviktsdirektor und dieser wurde, aus Gründen der Ersparnis, gleichzeitig Stadtpfarrer von Tübingen. Dem Direktor waren fünf junge Priester als Repetenten entsprechend den fünf Jahrgangskursen des Konvikts zugeordnet, zwei von ihnen waren zuvor Repetenten am Priesterseminar in Ellwangen gewesen. Gleichzeitig wurde der ehemalige Ballsaal des Collegium Illustre wurde zur Pfarrkirche St. Johannes Evangelist umgebaut und am 7. Dezember 1818 geweiht.

Der ursprünglich vorgesehene Eröffnungstermin am Michaelistag 1817 konnte nicht eingehalten werden. Als Eröffnungstag wurde nun der 11. November 1817 festgesetzt, die Anreise der sechzig neuen Konviktoren war zwischen dem 5. und 10. November 1817 festgesetzt, die meisten kamen jedoch später. Mit den Vorlesungen wurde daher erst Anfang Dezember begonnen. Vorlesungen fanden vorerst im Konvikt statt. Am 27. April 1822 richteten die damaligen Konviktoren eine Bitte an den König, das Konvikt nach ihm, den „Gründer, Erhalter und Beschützer“, benennen zu dürfen. Dieser Bitte kamen König Wilhelm I. nach und seitdem heißt das Theologenkonvikt der Diözese Rottenburg-Stuttgart den Namen Wihelmsstift.

Bibliothek

Seit der Gründung des Wilhelmsstifts gibt es dort eine eigene Bibliothek. Sie zählt heute mehr als 200.000 Bände und darf sich zu den größten und bedeutendsten Seminarbibliotheken Deutschlands rechnen.

Ihr Juwel ist die sogenannte "Königliche Handbibliothek" mit rund 10.000 Bänden. Sie umfasst die Bücher, die König Wilhelm I. dem neu errichteten Theologenkonvikt aus seinem Privatbesitz als Erstausstattung zur Verfügung stellte.

Die Bestandsgeschichte der Bibliothek spiegelt in ihren Anfängen die Bibliothekspolitik des Königreiches Württemberg wider, das durch Säkularisation und Mediatisierung gegenüber dem früheren Herzogtum wesentlich erweitert worden war. Aus dem rein protestantischen Herzogtum wurde durch Zuwachs reichsstädtischer (1802), reichs-ritterschaftlicher (1805), vorderösterreichischer (1806) und vor allem geistlicher Territorien (1803-1809) ein gemischt konfessionelles Königreich, dessen Bevölkerungszahl um ca. 400.000 Katholiken vermehrt wurde. Neben der alten Diözese Konstanz verteilte sich die kirchliche Zugehörigkeit auf die angrenzenden Diözesen Augsburg, Speyer, Worms und Würzburg. Von Anfang an gab es Bemühungen um die Errichtung eines eigenen württembergischen Landesbistums. Bereits 1806 wurde der Katholische Geistliche Rat errichtet (ab 1816 der Katholische Kirchenrat), der die Interessen des Staates in kirchlichen Angelegenheiten wahrnahm. Dieses Gremium war auch für die kirchlichen Bibliotheksangelegenheiten zuständig.

Leitung

Die Leitung des Hauses liegt in den Händen der Hausleitung, einem Gremium das sich aus dem Direktor, den Repetenten und dem Spiritual sowie dem Hausmusiker (ohne Stimmrecht) und den Hausgruppensprechern zusammensetzt.

Direktor ist seit 2004 Martin Fahrner, Reptenten sind seit 2001 Bernhard Schmid und seit 2004 Gerhard Schneider, Hausmusiker ist Herr Jürgen Maag.

Direktoren

Das wichtigste Amt im Wilhelmsstift war und ist das des Direktors. Bis 1857[7] wurde der Direktor[8] daher, wie auch im Evangelischen Stift, vom König ernannt, jedoch durfte der Kirchenrat zuvor eine Vorschlagsliste einreichen.

Bedeutende Stiftsstudenten

Quellen

  1. Festschrift zum Umbau des Wilhelmsstifts, Süddeutsche Verlagsgesellschaft mbH, Ulm, 1981; Seite 87
  2. Schreiben des Präsident des Obertribunals und der Oberstudiendirektion sowie Kurator der Universität Tübingen, Karl August Freiherr von Wangenheim, vom 20. November 1816, Archiv Wilhelmsstift Tübingen
  3. Gutachten des Ellwanger Kuratel vom 16. Januar 1817 an den Herrn Minister Karl August Freiherr von Wangenheim, Hauptstaatsarchiv Stuttgart
  4. Statuten des Collegium illustre aus dem Jahre 1594, Hauptstaatsarchiv Stuttgart
  5. Statuten des Collegium illustre aus dem Jahre 1596, Hauptstaatsarchiv Stuttgart
  6. „Königliche Verordnung, die katholischen Lehranstalten im Königreiche betreffend vom 25. Oktober 1817“ im Königlich-Württembergischen Staats- und Regierungs-Blatt, Württembergische Landesbibliothek Stuttgart
  7. Konvention von 1857, siehe hierzu Art. 8c. Ministerialverfügung von 1859
  8. Direktorenliste von 1921 bis 1980 übernommen aus: Festschrift zum Umbau des Wilhelmsstifts; Süddeutsche Verlagsgesellschaft mbH, Ulm; 1981
Commons: Wilhelmsstift Tübingen – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Vorlage:Koordinate Artikel